DRQEdit-Ergänzung (H. Speer)

Wolfgang Hachenberg, Die Gogerichte des Fürstbistums Münster und die Landgerichtsordnung von 1571 :: Elektronische Edition 2010Quelle

(revised HS) 2010-04-30

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

[p7]

Die Landgerichtsordnung des Fürstbischofs Johannes von Hoya aus dem Jahre 1571 stellt einen Wendepunkt im Zivilprozeßrecht des Fürstbistums Münster dar und gleichzeitig eine Vorwegnahme von Regelungen, deren Notwendigkeit sich zwar in derselben Zeit allenthalben zeigte, die aber andernorts nur zögerlich eingeführt wurden.

Im Vordergrund steht daher die Betrachtung der Systematik der Landgerichtsordnung und ihrer tragenden Prinzipien.

Zur Verdeutlichung hat der Verfasser verschiedentlich längere Zitate einzelner Vorschriften eingebracht, wenn die Quelle nur schwer zugänglich ist und es vorteilhaft erschien, die Gesetze vergangener Jahrhunderte selbst zu Worte kommen zu lassen.

Teil 1 : Vorgeschichte

[S. 2]

A. Die Entstehung der Gogerichte

"Go" bedeutet soviel wie einen Dorfgemeinschaftsverband im ehemaligen sächsischen Stammesgebiet. Diese Dorfschaftsverbände sind der Zusammenschluß einzelner Dörfer, wobei die Größe des Zusammenschlusses unterschiedlich ist. Die Goe bestehen aus zwanzig bis vierzig Dörfern1.

Der Begriff "Go" ist die sächsische Bezeichnung für das "lant". Er bezeichnet jedoch nicht nur das "lant" in seinem geographischen Aspekt, sondern auch in dem Aspekt der Gesamtheit der das Land bewohnenden Leute2.

Zu dieser landesorganisatorischen Bedeutung tritt die Bedeutung des Begriffes "Go" als Gericht hinzu. Denn es wurden "vor dem lant" Urteile gewiesen3, wie sich aus Quellen ergibt, die das Gebiet des Fürstbistums Münster betreffen, allerdings vornehmlich aus dem 16. Jahrhundert stammen.

An der Spitze des Goes stand der Gogreven, der später, als sich die Goe als Gerichtsbezirke gegeneinander abgrenzten, Gorichter hieß.

Es prägten sich im Hochmittelalter zwei verschiedene Arten des Gogerichts aus, nämlich das gebotene und das ungebotene Goding.

Im ungebotenen Goding, das die Gerichtsversammlung der Freien des betreffenden Goes bildete4, konnten alle Rechtshandlungen vorgenommen werden, als da waren Rüge ("wroge"), Weisung von Landurteilen, bürgerliche Streitigkeiten und strafrechtliche Verhandlungen. Es war an feste Termine gebunden und diente zur Austragung von am gebotenen [S. 3] Goding nicht ausgetragenen oder erledigten Streitigkeiten und zur abstrakten Rechtsweisung5.

Das gebotene Goding wurde auf Anordnung des Landesherrn an bestimmten, von diesem festgelegten Tagen, den Gerichtstagen, abgehalten. Hier wurden die konkreten Rechtsstreitigkeiten nach dem auf dem ungebotenen Goding gewiesenen Recht entschieden. Es war möglich, daß zunächst zur Vorbereitung eines am gebotenen Goding zu führenden Rechtsstreites abstrakt eine Rechtsfrage am ungebotenen Goding beantwortet wurde; es war aber auch denkbar, daß ein am gebotenen Goding begonnener Rechtsstreit von der abstrakten Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage am ungebotenen Goding abhängig war und diese Entscheidung vor dem abschließenden Urteil am gebotenen Goding eingeholt wurde6.

Später trat eine Trennung insofern ein, als am ungebotenen Goding "abstrakt" das Recht gewiesen wurde, welches zur Entscheidung von Streitigkeiten am gebotenen Goding angewendet wurde, mithin die oben zuerst aufgeführte Möglichkeit der Inanspruchnahme des ungebotenen Godinges entfiel. Das ungebotene Goding bildete eine Rechtsmittelinstanz, beschränkt auf die Nachprüfung der für den konkreten Einzelfall entscheidungserheblichen Rechtsfragen7.

Dieser Zustand der Rechtspflege ist das Ergebnis einer über Jahrhunderte währenden Entwicklung. Die Frage, woher die Gogerichte des Hoch- und Spätmittelalters letzlich stammen, ist umstritten. Einerseits wird die Auffassung vertreten, sie gingen allein auf die oben skizzierte Volksgerichtsbarkeit zurück; andererseits soll ihr Entstehungsgrund in der karolingischen Reformation des Gerichtswesens liegen8. Mit dieser Reform wurde jeweils ein Graf in seiner "Grafschaft" zum obersten Richter, Heerführer und Verwaltungsbeamten bestellt. Dieses über das Reich gezogene Netz konnte mit der bestehenden Volksgerichtsbarkeit kollidieren. [S. 4]

Der Streit um die Herkunft der Gogerichte ist jedoch für die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende spätere Epoche ohne Belang und soll deswegen nicht erörtert werden9.

Wahrscheinlich haben sich die Gogerichte im Laufe der Jahrhunderte sowohl aufgrund der älteren Volksgerichtsbarkeit als auch aufgrund der karolingischen Reformation und anderer historischer Vorgänge so herausgebildet, wie sie in Abschnitt B zu beschreiben sein werden. Die Entstehung ist nicht monokausal zu erklären, sondern das Ergebnis vieler verschiedener und teilweise ineinandergreifender historischer Vorgänge.

Wichtig für das bessere Verständnis ist folgendes:

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war aufgebaut auf dem Lehnswesen. Der Kaiser war oberster Lehnsherr. Zunächst war der Gegenstand des Lehens nicht die zu Lehen überlassene Sache, sondern die vielfältigen aus der Sache fließenden Abgaben. Der Lehensmann erhielt als Gegenleistung für seinen Treueschwur dem Lehensgeber gegenüber das Recht, die Nutzungen aus dem Lehensgegenstand zu ziehen10. Diese Regelung galt in karolingischer Zeit und diente vor allem der Friedenssicherung. Darüber hinaus diente sie auch der Ausübung von Hoheitsrechten des Kaisers gegenüber den Untertanen vermittels einer Verwaltung der Bauernstellen im Interesse des Kaisers und im Interesse der die Verwaltung ausübenden Lehnsmänner.

Diese Stärke des Lehenswesens wurde in den Zeiten des Machtverfalles des Kaisers zu einem Instrument der Schwächung der kaiserlichen Macht. Denn die Lehensleute sahen das Lehen bald als eigenen und vererblichen Besitz an. Bereits im Jahre 877 sah sich Kaiser Karl der Kahle gezwungen, den Grafen in dieser Richtung Zugeständnisse vertraglicher Art zu machen. Im Vertrag von Quierzy wurde festgelegt, daß beim Versterben eines Grafen, der einen Sohn hinterließ, der Kaiser dafür Sorge tragen sollte, daß dieser Sohn wiederum als Graf eingesetzt wurde. Schließlich bildete sich ein Leihezwang heraus. Die Lehensmänner wurden zu Territorialherren11. [S. 5]

Mit Herausbildung dieser Grundherrschaft verschwanden nach und nach die freien Bauern. Die Gründe hierfür sind vielfältig; jedoch ist vor allem hervorzuheben, daß infolge der immer weiter steigenden Belastung durch Dienste und Abgaben viele freie Bauern schließlich wirtschaftlich nicht mehr überleben konnten. Sie übertrugen oft infolge von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ihres Grundherrn ihre Güter auf diesen12.

Es bildete sich eine geistliche und weltliche Landeshoheit heraus. Mit der confoederatio cum principibus ecclesiasticis aus dem Jahre 1220 erfuhren die Bischöfe, ausdrücklich auch der von Münster, eine Bestätigung der Königsrechte in ihren Territorien. Es handelte sich hierbei insbesondere um die Einräumung von Regalien, wie des Markt-, Münz- und Zollrechts, der Befestigungshoheit und letztlich auch der Gerichtsbarkeit. Im Jahre 1232 bestätigte Kaiser Friedrich II. das im Jahr zuvor von Heinrich VII. erlassene statutum in favorem principum. Darin gestand er den weltlichen Fürsten die gleichen territorialen Herrschaftsrechte wie den geistlichen zu. Die Landeshoheit festigte sich dadurch, daß wichtige Reichsrechte den Landesherren überlassen und der Erlaß neuer Gesetze des Landesherrn an die Zustimmung der Großen des Landes, der Landstände, gebunden wurde. Es fand also eine Übertragung von Teilen der Souveränität vom Reich auf seine Bestandteile statt. Damit waren die Landeshoheiten, sowohl die weltlichen als auch die geistlichen, anerkannt.

Der Bischof von Münster war im Besitz der Stuhlherrschaft an sämtlichen Freigerichten seines Territoriums. Deren Verhältnis zu den Gogerichten ist in der rechtsgeschichtlichen Literatur umstritten, bedarf jedoch hier ebenfalls keiner Erörterung13. Nur so viel sei angemerkt, daß die Bedeutung der Freigerichte gegenüber derjenigen der Gogerichte mit der Zeit zurück ging.

Die Freigerichte richteten unter dem Königsbann, d.h. sie richteten mit der Strafgewalt des Königs, der berechtigt war, Gebote und Verbote unter Androhung von Nachteilen für den Fall der Nichtbeachtung auszusprechen14. Eine Rechtsverletzung, die unter Königsbann [S. 6] gestraft wurde, bedeutete also eine Verletzung der Königsrechte. Die Übertragung des Königsbannes ließ mithin die Gerichtsbarkeit des Königs in den Freigerichten präsent werden.

Die Zuständigkeit in persönlicher Hinsicht umfaßte, wie der Begriff "Freigericht" bereits besagt, die Freien, deren Zahl sich durch die in immer größerer Zahl in Abhängigkeit der Landesherren geratenden freien Bauern stetig verringerte. Somit lag es an dem abnehmenden Personenkreis, für den die Zuständigkeit der Freigerichte und an der wachsenden Zahl der Personen, für die die persönliche Zuständigkeit der Gogerichte gegeben war, daß die Bedeutung der Freigerichte gegenüber den Gogerichten in den Hintergrund trat. Entsprechend wuchs das Interesse des Landesherrn, die Stuhlherrschaft über die Gogerichte zu bekommen, wenn er mit der Gerichtsbarkeit den ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung erreichen wollte.

Die Gogerichte wurden danach zu den eigentlichen ordentlichen Gerichten, sozusagen den Vorläufern der heutigen Amtsgerichte.

Das wohl berühmteste Gogericht des Fürstbistums Münster war das Gogericht Sandwelle15. Von dort stammen viele derjenigen Quellen, die im Folgenden als Grundlage für die Beschreibung der Gogerichte dienen.

Das Gogericht Sandwelle hatte schon früh die Funktion einer zweiten, einer Appellationsinstanz, übernommen, bis es mit Erlaß der Landgerichtsordnung im Jahre 1571 vom Hofgericht abgelöst wurde. Seine Urteilsweisungen waren über das Fürstbistum Münster hinaus berühmt und beachtet.

B.Die Gerichtspersonen

Zum Kreis der Gerichtspersonen gehörten der Gograf, der Umstand und die Kornoten, später auch die Gerichtsschreiber. [S. 7]

I. Der Gograf

Die erste Gerichtsperson ist der Gograf, auch "Gogreven" genannt. Er steht an der Spitze eines Goes, ist der Vorsteher aller im Go zusammengeschlossenen Personen und führt den Vorsitz im Gogericht16. Er wurde zunächst von den Freien des Goes gewählt, das waren die Grundherren, die als Gesamtheit auch als "lant" bezeichnet wurden.

Der Sachsenspiegel, der maßgeblichen Einfluß auf die Gerichtsverfassung und das Prozeßrecht der späteren Landgerichtsordnung hatte, unterscheidet zwei Arten von Gografen, dem zu handhafter Tat und dem für lange Zeit gewählten17. In den "Eilsachen", also wenn der Dieb oder Räuber oder sonstige Delinquent18 auf handhafter Tat betroffen wird ( vgl. heute § 127 StPO), sollten mindestens 3 Dörfer einen Gografen wählen, wenn der belehnte oder auf lange Zeit gewählte Richter nicht erreichbar war19. Das gilt jedoch nur für die handhafte Tat, die so lange "handhaft" ist, bis ein Tag und eine Nacht verstrichen sind20.

Sodann sollen die "lantleute" einen Gografen auf bestimmte Zeit wählen21. Dieser jedoch soll dann vom Grafen oder Markgrafen belehnt werden22

Hier zeigt sich schon für den Beginn des 13.Jahrhunderts, daß der Sachsenspiegel eine im Fürstbistum Münster erst später einsetzende Entwicklung insofern vorwegnahm, als er den Gografen, welcher auf bestimmte Zeit gewählt wurde, schon in die Nähe eines landesherrlichen "Beamten" rückt. Zwar ist er noch vom "lant" gewählt, wird aber durch die Belehnung in Abhängigkeit vom Grafen oder Markgrafen gebracht.

Vollends verschwindet das Element der Wahl des Gografen im Spätmittelalter, als es den Territorialherren durch die Erringung der Herr[S. 8]schaft über Go und Gogericht gelingt, das Einsetzungsrecht für die Gografen zu erhalten23.

In den Eingangsformeln zu verschiedenen überlieferten Urteilen zeigt sich die Entwicklung des Gografen hin zu einem landesherrlichen Beamten. Hierfür mögen folgende Quellen als Beispiele dienen:

(1) Zunächst ein Urteil vom 13.Dezember 1339 aus Ostbevern:

"Ich Sweder de Gogreve, en knape, to der Tyd en holtgreve over de marke to Ostbeveren van Gerlages wegene von Ostbeveren unde en gesworene richtere unde en beseten richtere unde en geheget richtere to Ostbeveren, unde wi schultete van den Osthove ..." 24.

Hierin ist noch nichts von einer landesherrlichen Bindung des Gografen zu finden.

Anders dagegen in den folgenden späteren Urteilen:

(2) Urteil vom 27.Mai 1488:

"Ick johan Kock, gogreve ton Sandwelle des hochgeboren forsten und heeren heren Hinrikes van Swartzborch byschop to Münster, enkenne und betuge in und overmyts desses openen breve, dat vor my up enen gemeynen godinck des dinxedaghes na Pynxteren, dar ick stede und stoel des gerichtes myt ordele und myt rechte beseten hadde, gekommen is ... 25

(3) sowie folgende Hegung aus dem Jahre 1584:

"ich Dithrich Gramientus, dero rechten licentiaten und gogreve zum Sandtwelle vo[n] wegen und durch bevelch dess hochwürdigen durchlauchtigen und hochgebornen fürsten und herrn Johan Wilhelm postulirten und administratorn dess stiffts Münster, hertzogen zu Gülich, Cleve und Berge, graven zu der Marck und Ravensberg, herren zu Ravenstein, meines [g]nedigen fürsten und herren, doe hiermit für jedermenniglichen bekennen und betuegen, dat ..." 26. [S. 9]

In den unter (2) und (3) beispielhaft angeführten Quellen kommt zum Ausdruck, daß im Gegensatz zur unter (1) genannten Quelle der Gograf nun im Dienste des Landesfürsten steht, nicht mehr Richter kraft seiner Stellung als "Vorsteher" eines Goes ist. Hier zeigt sich gleichzeitig der Machtzuwachs des Fürstbischofs von Münster: seine Politik, die Stuhlherrschaft über die Gogerichte zu bekommen, hat offensichtlich Erfolg gehabt; er kann sich nun auf die Gogerichte als ihm untertan stützen.

II. Der Umstand, die Kornoten

Wie oben gesehen, war das Finden des Urteils Sache des Volkes, der Dingpflichtigen. Diese bildeten bei den Gerichtsversammlungen den sogenannten "Umstand", die Gerichtsgemeinde. Aus dem Kreise des Umstandes kamen die Entscheidungsvorschläge zur jeweils anstehenden Sache, die bei Billigung durch den vorsitzenden Gografen als Richter zum Urteil erhoben wurden27. Als Beispiel mag der folgende Text, ein Urteil vom 19.Mai 1562, dienen:

"Ich Werner Kloet, gogreve zum Santwelle und Hastehusen ... thue kunt, ..., da vor mi und cornoten, nachbeschreven, up einen gemeinen lantgodink am stol zum Santwelle in apen gehenden bedinge gerichte personlich erschienen und gestanden die ehrsame Lambert Leffert und gesunnen ein ordell der ses fragenden general landordeln, so hirbefor up ..., schriftlichen ingelegt und an einen von den dinkpflichtigen von adel, sick mit den anderen dinkpfligtigen und ummestant zu beratfragen und, wass recht wehre wedderumme inzubringen, tho bestaden, begehret worden.

Darup der ehrenfest und ehrbar Dietherig von Billerbecke wort geeischget, und erschienen und heft fur recht ingebracht und gewieset, lautende na inhalt einer darby auvergevener schrifftlicher anzeigungh, wie folget, nach ordelfragungh angaende alsuss: ... (folgen das Urteil und weitere Fragen und Urteile) ...

Und na afflegunge dieser forgemelten ordell hebbe ick, gogreve forgemelt, up anhalten Lambert Leifert die verfolgnisse gefraget, wie [S. 10]mir nach gerichts rechte gebuhret, und weiln nimandt erschienen, der desswegen an andere obrigkeit wollen appelliren, so hebbe ich selbige befestiget."28

Es wird deutlich, daß einer aus dem Umstand mit der Urteilsfindung betraut wurde, während der übrige Umstand ihn dabei beriet. Mit der Schlußformel "so hebbe ich selbige befestiget" wurden die Sprüche zum Urteil erhoben. Die in der zitierten Quelle genannten Urteile erwuchsen sofort in Rechtskraft, denn mit der Feststellung, daß "nimandt erschienen, der desswegen an andere obrigkeit wollen appelliren", war klargestellt, daß kein Rechtsmittel gegen diese Urteile eingelegt werden würde.

Die Gerichtsversammlung setzte sich aus allen Gerichtseingesessenen zusammen. Für diese bestand die Dingpflicht an 3 ordentlichen Grafendingen pro Jahr. Zu den dazwischenliegenden gebotenen Dingen der Gografen brauchten nur die Schöffen zu erscheinen.

Die Schöffen, auch Kornoten ("Kürgenossen", die beim "Küren" der Urteile helfen), waren diejenigen, die aus dem Umstand heraus das Urteil zu finden hatten. Im vorhergehenden Beispiel war also Dietherig von Billerbeck ein solcher Schöffe. Schöffen, die zunächst auch "Rachinburgen" hießen, wurden von Fall zu Fall mit der Urteilsfindung betraut. Später wurden sie lebenslang auf dieses Amt verpflichtet29.

So wie mit zunehmendem Einfluß des römischen Rechts die Rechtskunde immer wichtiger wird, schwindet im gleichen Maße die Bedeutung der Schöffen als Urteilsfinder aus dem Umstand; in zunehmendem Maße ziehen dann gelehrte Richter die alleinige Urteilsfindung an sich. Die Rechtsprechung wandelt sich von einer Volksgerichtsbarkeit zu einer Berufsgerichtsbarkeit. [S. 11]

C.Das Verfahren vor den Gogerichten

Es wird allein das bürgerlichrechtliche Streitverfahren dargestellt. Das peinliche und das Brüchtenverfahren bleiben hier außer Betracht.

Zuständig für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten war allein das ungebotene Goding. Die Stellung des Gogerichtes Sandwelle als höhere Instanz und das dort eingehaltene Verfahren ergeben sich aus folgender Quelle vom 27.Mai 1488 ersehen läßt:

"Ick Johan Kock, gogreve ton Sandwell des hochgeboren forsten und heeren heren Hinrikes van Swartzborch byschop to Munster, enkenne und betuge ... dat ... up enen gemeynen godinck ... gekomen is Anthonius ton Stenweghe und sachte, wo dat in verledenen tyden he eyn ordel geschulden hadde in den gogerichte der Korffe to Warendorppe, na inholt eynes besegelten richteschynes he aldar in dat gerichte brachte, ludende von worden to worden aldus: ".30

Hier wird also am Gogericht über die "Rechtmäßigkeit" eines an einem anderen Gogericht ergangenen und dort gescholtenen Urteils entschieden. Dieses wird durch einen Richtschein, der anschließend an den oben genannten Text wiedergegeben wird, da der Rechtsuchende ihn verliest, in den Prozeß eingeführt. Es findet also eine Verhandlung statt, die nach dem oben Gesagten in die Zuständigkeit des ungebotenen Godinges fällt. Es liegt ein Beleg für die oben ausgeführte These vor, daß am ungebotenen Goding abstrakt das Recht gewiesen wurde, welches am gebotenen Goding konkret Anwendung fand. Zugleich ergibt sich aus dem weiteren Gang des Gerichtsverfahrens nach der oben auszugsweise zitierten Quelle, daß an beiden Godingen ein im wesentlichen übereinstimmendes Verfahren eingehalten wurde, so daß mit dessen Darstellung beide Gerichte in ihrer Tätigkeit beschrieben werden31.

Als Verfahrensgrundsätze des gogerichtlichen Verfahrens sind die Dreiteilung, die Mündlichkeit, der Parteibetrieb und die Verhandlungsmaxime zu nennen. [S. 12]

Die 3 Teile des Verfahrens sind: der die Vorfragen betreffende Teil, das Hauptverfahren und die Beweiserhebung.

Im ersten Verfahrensteil wurden solche Fragen geklärt wie die, ob das Gericht vorschriftsmäßig besetzt war — die "Bank gespannt" sei — ob die Fürsprechen zugelassen wurden und sie Vollmacht hatten, sowie eventuell eine Bekümmerung. Unter der Bekümmerung ist zu verstehen, daß eine Partei das Recht hatte, einen unsicheren Zeugen oder eine unsichere Partei persönlich oder aber ein Gut solcher Personen festzuhalten, um das Erscheinen vor Gericht und auch die Realisierung der mit dem Rechtsstreit verfolgten Forderung zu sichern32.

Für diesen die Vorfragen betreffenden Verfahrensabschnitt mag folgender Quellenauszug als Beispiel dienen:

"... Ick frage j[u]w N. dwil ick heb de macht van Godt und dat bevell van den ehr- und werdigen heren domdechen und capitell der do[m]kerchen to Munsther und dat schwerdt van den landfursten entfangen, oft et icht si dach und tit, dat ick hir tot stede moge sitten und holden ein gogericht na gerichtz rechte?

Darup antwert he:

Dwil, her gogreff, gi hebben de macht van Godt und dat bevell van den ehr- und werdigen heren domdechen und capitell und dat schwerdt van den lantfursten enthfangen, szo mogen gi allhir tor stede besitten und holden ein gericht na gogerichtz rechte.

Ick frage wyders: Wess ick in dussen gerichte so schuldich to gebeiden und to verbeiden?

Darup antwert he:

Her gogreff, gi solt in dussen gerichte gebeiden recht und verbeiden unrecht, unlust, scheltwort, nytwort, strytwort, kyffwort, hennewort und nemans to sprecken in dit gerichte, he doe dat vermitz sinen togelaten und erloefften vorspreicken. So ock wie saickhafftich, breckhafftich und peenfellich wordde in dussen gerichte, sal van dussen gerichte nicht wycken offt gaen, et si dan mit willen juwer und des gerichtz. [S. 13]

Ick frage wyders: So nu etzliche saken vorqweimen, der ick bi mi so nicht kunde vinden ader schiren, offt ick nicht mochte upstaen und leggen ein instrument in minen stede und beraden mi mit den umbstande und frunden dusses gerichtz und kommen wedderumb und becleden minen stoel und richten vor als na, na als vor?

Darup antwort he:

Dwil gi dat mit enen ordell verwaren, so moge gi upstaen, so j[u]w sodane sachen vorqweimen und beraden j[u]w mit den umbstande und laten so lange enen anderen guiden, frommen, unverspracken man ader mit enen instrument j[u]w stede becleiden und kommen weder und becleiden juwen richtstoel und richten vor als na, na als vor.

Dan spreckt de Gogref:

Nachdeme mi solx allent mit ordele und rechte is toerkant, so hege und beclede ich hir wegen miner heren ein gogerichte na gogerichtz rechte und gebeide recht und verbeide unrecht, unlust, nytwort, strytwort, nemans to sprecken in dit gerichte, he en doe dat vermitz sinen togelaten vorsprecker und dat bi enen brock van vif marc."33

Dieser Auszug war es wert, vollständig wiedergegeben zu werden, da er nicht nur die Art und Weise des Vorgehens beim Gogericht — in allen drei Verfahrensabschnitten — wiedergibt, sondern auch die Befugnisse des Gografen eindeutig bestimmt.

Zunächst ist festzuhalten, daß jeweils eine Urteilsfrage gestellt wird, woraufhin dann ein Urteil gewiesen wird, nämlich in der oben in dem den Umstand betreffenden Kapitel beschriebenen Weise. Jede Frage wird durch Urteil beschieden. Am Ende jeden Verfahrensschritts steht also ein Urteil, und nur durch Urteilen kommt das Verfahren voran, ein Verfahrensmerkmal, das typisch ist für das gogerichtliche Verfahren. Charakteristisch ist weiter, daß die Parteien in jedem Verfahrensabschnitt nur die dort vorgesehenen Prozeßhandlungen vornehmen können und mit diesen in einem späteren Verfahrensabschnitt präkludiert sind.

Diese Verfahrensweise gilt selbst für das Spannen der Bank, betrifft also nicht nur Prozeßhandlungen der Parteien, sondern auch solche des Gerichts. Nach heutiger Terminologie ist damit klargestellt, daß der Umstand sowohl über Zulässigkeit als auch Begründetheit eines [S. 14]Prozesses zu entscheiden hat, wobei zur Zulässigkeit unter anderem die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts gehört.

Der Gograf hat seine Macht zu richten von Gott, den Befehl dazu vom Domdechant (es handelt sich bei der vorgenannten Quelle um ein Gogericht des Domkapitels) und das Schwert, das Sinnbild für die Iustitia als "Ausdruck der Sehnsucht des Menschen nach Frieden, Ordnung, Recht und Gerechtigkeit",34 mithin auch für die Macht, eine einmal getroffene Entscheidung auch durchzusetzen, vom Landfürsten. Er hat im Gogericht das Recht zu sprechen und bestimmte das Gericht oder die Parteien verunglimpfende Handlungen zu verbieten; so wird für den Gografen die Sitzungspolizei begründet.

Straftaten oder anderen Ungebührlichkeiten hat der Gograf nur dann nachzugehen, wenn es seinem und des Gerichtes Willen — hierzu zählt auch der Umstand — entspricht.

Bei Unklarheit des Gografen über eine Rechtsfrage, hat er zwei Möglichkeiten:

Entweder läßt er einen würdigen Vertreter die Verhandlung weiterleiten, bis er sich mit dem Umstand über die Frage beraten hat, oder er berät sich mit dem Umstand und läßt zum Zeichen, daß nach wie vor die "stede becleidet" ist, ein "instrument" auf dem Gerichtsstuhl liegen. Anschließend wird die Verhandlung fortgesetzt, die Beratung mit dem Umstand hat also nicht zur Folge, daß der Prozeß von neuem beginnen müßte, sondern er wird an der Stelle fortgesetzt, an der er unterbrochen worden ist.

Interessant ist noch, daß vor dem Gogericht "Anwaltszwang" herrschte, jeder konnte nur vermittels eines am Gericht zugelassenen Fürsprechers wirksame Prozeßhandlungen vornehmen.

Mit der Bestätigung dieser verfahrensrechtlichen Regelungen, der Vorgang wird "Hegung" genannt, ist die Bank gespannt.

Anschließend an diesen Verfahrensabschnitt folgte die Zulassung der Fürsprecher. Diese waren allerdings nicht Rechtsanwälte im heutigen Sinne, sondern Leute, die besser im Vortrag vor Gericht geübt waren als die jeweilige Partei. Das Studium der Rechtswissenschaften hat sich konsequenterweise aus dem Fach "Rhetorik" entwickelt. Die Gerichtsrhetorik ist also bereits hier für die Rechtsuchenden [S. 15]eine unverzichtbare Voraussetzung für die Durchsetzung des Rechtsgewährungsanspruches. Auch über die Zulassung der Fürsprechen mußte durch Urteil entschieden werden35.

Dann wurde durch Urteil festgestellt, ob sie ausreichende Vollmacht hatten,36 und, ob der Beklagte vor diesem Gericht und an diesem Tage zur Antwort verpflichtet war37.

Es folgte die sogenannte "Bekümmerung". Dieser Begriff wurde bereits erörtert38. Hierzu ein Beispiel aus dem Jahre 1506:

"Ick Gerdt Haver, nu tor tydt eyn gesworne gogreve ... do kundt unde bekenne ..., dat vor my gekomen syn amptlude der erwerdigen edelen unde walgeboren Marien dochter to Tekenborch abdisse des gestichtz to Freckenhorst, als by namen ... unde leten bekumeren vormiddest eren gewunnen vorspreckende gemen bur von Velsten, de warheyt to seggen unde recht nawysinge to donde, wes em wytlich unde kundich wer van eynem hove geheten de Buschhove, so de belegen ys imme olden kerspel to Warendorpe, in der burschup Vesten, tobehorich demme Stichte to Freckenhorst; ..." 39

Hier wurde ein Bauer gerichtlich gezwungen, eine Aussage zu Protokoll zu geben. Dieser Vorgang hieß "Bekümmerung".

Danach konnte das Hauptverfahren beginnen. Es trug zunächst der Kläger den Sachverhalt vor, wobei er nach jeder Behauptung ein Beweisangebot für die vorgenannte Tatsache machte. Am Ende stand das Klagebegehren, heute als "Antrag" bezeichnet. Dazu die folgende Quelle40:

"... und begherden, dat ick, gogreve vorscreven, den vorgenomten buerrichter wolde dwingen myt deme rechte, dat he den broke uthgeve und den schaden vorgenomt richtede, off tor rechten antworde." [S. 16]

Wenn der Beklagte eine Sicherheit bietet — das sogenannte "Handgeloiffte",41 ein förmliches Schuldversprechen unter Verpfändung der Treue — soll ihm zur Erwiderung eine Frist von 14 Tagen gewährt werden. Das "Handgeloiffte" entspricht der Wette und dem "burgen setzen" im Sachsenspiegel42/43. Es dient dazu, den Beklagten zu zwingen, sich vor Gericht zu verantworten. Der Beklagte trägt dann vor wie der Kläger, wobei jeder dem anderen wieder antworten kann; so entstehen Replik, Duplik usw.

Durch stetiges Fragen an den Umstand "off wat dar recht up were" 44, fällt das Gericht zu den einzelnen Fragen Urteile, die selbst als Urteile, wobei hier unter dem Begriff "Urteil" die Entscheidung einer das Verfahren oder einer einzelnen, nicht notwendig für den Gesamtrechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfrage verstanden wird, mit der Schelte angreifbar sind. Wird ein solches Urteil gescholten, so stellt das Gericht einen Richtschein aus, mit dem der Schelter zum nächst höheren Gericht gehen und den Urteilsspruch dort überprüfen lassen kann. Dafür mag folgende Quelle als Beispiel dienen45:

"... gekomen is Anthonius ton Stenweghe und sachte, wo dat in verledenen tyden he eyn ordel geschulden hadde in den gogerichte der Korffe to Warendorppe, na inholt eynes besegelten richtschynes he aldar in dat gerichte brachte, luden(de) van worden to worden aldus: ...".

Dieses Sandweller Weistum belegt zum einen die Praxis der Richtscheine, zum anderen die Stellung dieses Gerichtes als "zweite Instanz".

Es gibt zwei Formen der Schelte: wenn der Schelter die formelle Erklärung, das angefochtene Urteil nicht anzuerkennen abgegeben und einen besseren Entscheidungsvorschlag — "vurraem" — gemacht hat, so kann die Gerichtsgemeinde durch Stimmenmehrheit über die eingebrachten [S. 17]Vorschläge entscheiden. Dann fallen gleichsam erste und zweite Instanz zusammen.

Oder es wird diesen Handlungen noch die Erklärung angefügt, ein höheres Gericht angehen zu wollen; dann fertigt der Gograf einen Richtschein aus, falls eine Einigung in bestimmter Zeit nicht zu[s]tande kommt. Damit können die Parteien das Urteil beim nächst höheren gebotenen Goding zur Verhandlung stellen 46.

Ist nach der Hauptverhandlung durch fortwährendes Fragen und Urteilen geklärt, welche Punkte zwischen den Parteien streitig sind, so erläßt das Gericht ein Beweisurteil, in dem unter der Bedingung, daß die dem Streitgegenstand nähere Partei für ihre Behauptungen einen gesetzlich zulässigen Beweis erbringen kann, über den Klageanspruch erkannt wird47.

Beweismittel sind neben dem Parteienschwur mit und ohne Schwurgehilfen auch Zeugen der heute bekannten Art.

Bei allen Urteilen, die den Verfahrensfortgang betreffen, wirkt der Gograf mit, indem er den Spruch zum Urteil erhebt. Dies geschieht, wenn der Gograf das Urteil "befestigt" oder aber, wenn er die Schelte entgegen nimmt und einen Richtschein ausstellt, mit dem das Urteil am ungebotenen Goding abstrakt auf die Richtigkeit der Beantwortung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage überprüft werden kann.

Das Versäummisverfahren ist folgendermaßen ausgestaltet:

Wenn der Beklagte nicht erscheint und sich nicht "vernotsinnigen" läßt, z.B. durch einen Boten, also echte Not dartun lassen kann, so ergeht ein Versäumnisurteil, das sich nicht auf das Vorbringen des Klägers, sondern auf das Nichterscheinen des Beklagten gründet. Das Vorbringen des Klägers wird dann als "unstreitig" behandelt; jedoch wird der Klageanspruch nicht auf seine Schlüssigkeit hin geprüft. Dies ergibt sich beispielsweise aus folgender Quelle48: [S. 18]

"Quemen se ok upp den vurgenomden teynden dach nicht, so mach de kleger de sake upp se vorderen und upp se wynnen."

Daraus ergibt sich, daß allein auf das Nichterscheinen des Beklagten das Versäumnisurteil gegründet wird.

Im ungebotenen Goding muß der Kläger die einmalige Ladung des Beklagten nachweisen, im gebotenen Goding nicht49. Rechtskräftig wird das Urteil, wenn niemand zur "scheldunge "erschienen ist50.

Im Stift Münster ging die Schelte an das gebotene Goding Sandwelle oder Desum51.

D. Zwischenbemerkung

Dies ist der Zustand der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts im Zeitpunkt des Erlasses der LGO von 1571. Mit dem Erlaß der LGO wurde der schwierige Versuch unternommen, eine in Jahrhunderten gewachsene Gerichtspraxis — die Formulierung ist hier bewußt offen gehalten, da von einer einheitlichen Ordnung bislang nicht gesprochen werden kann — zu modernisieren. Dies sollte in einer Weise geschehen, die sowohl die tradierten Praktiken als auch neue Impulse berücksichtigte.

Es kam darauf an, zunächst die Schwächen des bisherigen Verfahrens zu erkennen und sodann Neuerungen so einzuführen, daß sich als Ergebnis zwar eine grundlegende Änderung ergab, aber die hergebrachten Strukturen noch erkennbar blieben. Römischrechtlich beeinflußte Juristen, die sich von Berufs wegen mit der Rechtsprechung befaßten und den Trend weg von der Volksgerichtsbarkeit hin zur Rechtsprechung durch Berufsrichter einleiteten, waren maßgeblich an dem Umbau des Gerichtswesens beteiligt. [S. 18]

Die LGO von 1571 steht damit im Bereich der Rechtspflege für den Bereich des Fürstbistums Münster — und darüber hinaus — für einen Wendepunkt in der Rechtswissenschaft. [S. 20]

Teil 2: Die LGO

A. Entstehung

Der Erlaß der LGO von 1571 durch Johannes von Hoya, Fürstbischof zu Münster, fällt in eine Zeit der allgemeinen Veränderungen. Es ist die Zeit der Renaissance, d.h. der Wiedergeburt, des Wiederauffindens der Klassiker des Altertums52. Die griechischen und römischen Klassiker werden wieder gelesen, aus den alten Schriften erhebt sich eine ganze Kultur, aus ihnen fließt ein "Reichtum von Kenntnissen und Erfahrungen" 53.

Es ist auch die Zeit, in der an die Stelle der mittelalterlichen Sicht der Dinge, "somit an die Stelle der früheren phantastischen oder scholastischen Betrachtungsweise der Natur", an die Stelle des auf übersinnliche und theologische Gegenstände gerichteten Geistes, eine objektive, rein physische Anschauung der Natur gesetzt wird54. Der wichtigste Vertreter dieser neuen philosophischen Schule, der dem Denken ein "neues Organon" gab, ist Franz von Bacon.

Aber auch auf dem Gebiet der Jurisprudenz erfolgen gravierende Veränderungen; insbesondere in Italien werden das Griechische, die griechische Gelehrsamkeit, gesammelt und wiederentdeckt, verbunden mit dem erneuten Bemühen um die antiken lateinischen Vorbilder. Von den Zentren Florenz, Venedig, Mailand, Padua, Bologna wird das Wissen überallhin gespült; man kommt nach Italien, um es zu erwerben55. Der Prozeß der Rezeption des römischen Rechts ist in vollem Gange. Gelehrte Juristen, die in Italien ihr Wissen erwerben, gewinnen überall an Einfluß56. Aus der Rückbesinnung auf die antiken Vorbilder [S. 21]und ihrer Einbeziehung konnte erst die Rechtswissenschaft, wie wir sie heute kennen, entstehen.

So hat beispielsweise Johannes Althusius ein System des Rechts entwickelt, indem er juristische Begriffe durch Definition herausgebildet hat. So entstand eine Art von "Begriffspyramide", in der jedes juristische Problem seinen Platz hatte57. Die Hauptwerke des Johannes Althusius sind die "Politica methodice digesta" (AD. 1603) und die "Iurisprudentiae romanae methodice digesta (AD 1586).

Es kann festgehalten werden, daß sich im Fürstbistum Münster eine Entwicklung vollzog, welche das antike Vorbild schon längst hinter sich gelassen hatte:

Erst unter der "Einarbeitung" des römischen Rechts in das existierende Partikularrecht vollzog sich im Fürstbistum Münster die Herausbildung einer Fachjurisprudenz. Im antiken Rom war dies auf folgende Weise geschehen:

Zunächst hatte es erstmals eine Aufzeichnung des geltenden Rechts auf den sogenannten zwölf Tafeln gegeben, etwa im Jahre 450 v.Chr. In der Folgezeit wurde das darauf aufgeschriebene Recht durch Rechtsgelehrte, iuris consulti, weitergebildet. Die Einflußnahme dieser iuris consulti auf die Rechtsprechung geschah auf folgende Weise: Die Prätoren hatten das Recht, den Zivilrechtsstreit und die Vollstreckung der Urteile auf iudices, nämlich Laienrichter aus einer Geschworenenliste zu übertragen. Ab dem 2. Jh. v.Chr. waren sie berechtigt, ihre iudices konkret zu instruieren. Das heißt, sie konnten geschriebene Spruchformeln durch eigene Zusätze oder Änderungen beeinflussen58. Dadurch bildete sich nach und nach ein Amtsrecht heraus, das durch die Juristen bis zur frühen Kaiserzeit — etwa 30-283 n.Chr. — vervollkommnet wurde.

Dieser Prozeß ist demjenigen vergleichbar, der hier skizziert wird. Die Übertragung der Rechtsprechung auf gelehrte Juristen und die Schaffung der hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen erkennt das Bestehen einer Fachjurisprudenz an und verwendet sie für die [S. 22]eigenen Zwecke. In folgender Formulierung ist der gesamte Prozeß zusammengefaßt:

"Die römische Jurisprudenz entdeckte zum erstenmal die Bedeutung eines autonomen, gedanklich zwingenden Ableitungsverfahrens, eben des fachjuristischen, für die Objektivierung und Neutralisierung der sozialen Konflikte, die jeder Rechtsfrage zugrunde liegen, und hat damit den Rechtsgedanken gegenüber religiöser, moralischer und politischer Ideologie verselbständigt und gesichert." 59

Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der vorliegend geschilderten Rechtsänderung um eine revolutionäre Umgestaltung innerhalb des betrachteten Raumes auf dem Gebiet des "Rechtes" handelt, die allerdings einem konkreten antiken Vorbild folgte. Hierbei war der Territorialstaat, vorliegend also das Fürstbistum Münster, durch die bereits skizzierte Loslösung einzelner Königsrechte vom Kaiser und die damit einhergehende Schwächung der Königsgewalt und gleichzeitige Stärkung der Partikulargewalt, ein Vorreiter. Die Rechtsbildung wurde im Territorialstaat monopolisiert mit der Folge, daß es nicht zu einer Bewahrung und Fortbildung einer überregionalen deutschen Rechtsordnung, sondern zu unterschiedlichsten partikularen Rechtsordnungen kam. Durch die Besetzung der Gerichte und der Verwaltung mit gelehrten Juristen zog das ius commune in das Partikularrecht ein und verschmolz mehr oder weniger mit ihm. In verschiedenen Fürstbistümern galten seit der confoederatio cum principibus ecclesiasticis im Jahre 1220 und dem statutum in favorem principum im Jahre 1231 privilegia de non evocando und de non appellando, so daß sich die Rechtsprechung und -setzung vom Reich loslöste60. Dieser Prozeß ging einher mit der oben61 skizzierten Entwicklung der Schwächung der kaiserlichen Macht. Allerdings waren den geistlichen Fürsten erst unter den Kaisern Friedrich II. und Heinrich VII. zusammen mit dem Regal der Gerichtsbarkeit das Privileg, von Evokation als auch Appellation an das Gericht des Kaisers befreit zu sein, verliehen worden. Die Stadt Münster erhielt von Kaiser Karl V. ein privilegium de non appellando, beschränkt auf [S. 23]150 Gulden rheinisch in Gold. Am 17.10.1561 erweiterte Ferdinand I. dieses Privileg auf 200 Gulden rheinisch in Gold62. Die Betrachtung der LGO ist damit die Betrachtung einer von dem sie umgebenden königlichen Machtbereich weitgehend unabhängigen Verfahrensordnung, wobei gewisse Einschränkungen zu machen sind, auf die an dafür geeigneter Stelle noch zurückzukommen sein wird. An dieser Stelle zeigt sich jedoch bereits aus der politischen Umgebung, daß die partikularrechtliche Verfahrensordnung zunächst für sich allein zu betrachten ist.

Auch Johannes von Hoya, der selbst in Italien studiert hatte63, bediente sich römischer Juristen zur Vorbereitung seiner LGO. Er ließ beamtliche Berichte anfertigen, die die Zustände an den Gerichten seines Fürstbistums schildern sollten. Einer davon ist der Bericht des Gografen Strick zum Sandwelle, der 21 "misbruich und unordnungh der weltlichen gerichteren" anzeigt64. Die Sprache allein deutet schon auf einen starken römischrechtlichen Einschlag hin, da das Mittelniederdeutsche mit lateinischen Sätzen und Satzfragmenten vermischt ist, wie auch lateinische Ausdrücke mit deutschen Endungen versehen, eingedeutscht werden.

Dieser beamtliche Bericht bringt zum Ausdruck, welche Ziele eine Kodifizierung des Verfahrensrechts vor den Gogerichten verfolgt.

Als erstes Ziel ist die Vereinheitlichung des Gerichtsverfahrens zu nennen. Das ergibt sich schon daraus, daß der beamtliche Bericht in vielen Punkten davon spricht, daß "an etzlichen Gerichten" bestimmte Mißstände bestehen, daß also bestimmte Verfahrensweisen an manchen Gerichten beachtet, an anderen wiederum nicht beachtet werden. Vergleichsweise sei darauf hingewiesen, daß Kaiser Friedrich II. im Landfrieden von 1235 bereits bemängelte, daß die Gerichte nicht nach schriftlichem Recht, sondern nach hergebrachten Gewohnheiten Recht sprächen65.

Das Ziel der Vereinheitlichung des Gerichtsverfahrens ergibt sich aber auch eindeutig aus der Vorrede zur LGO, wo es heißt: [S. 24]

"...thun kundt und bekennen vor menniglichen, als uns für und nach angenommener Regierung unsers Stiffts Münster der mißbräuchlichen übung und hochschädlichen an allen gerürts Stiffts Münster Gogh/Landt/Frey/Criminal unnd anderen Gerichten auff dem Lande eingerissener mänglen halben, fast vielfaltigen klagten, und beschwerlichkeiten vorkommen und vor augen gestanden, derwegen dann wir embsiges fleisses von jetzermelts unsers Stiffts Münster getrewhertzigen Underthonen ... und demnach durch die unsere hierzu deputirte nachfolgende Landgerichts und andere gemeine Ordnung begreifen..."

In Nr.9 der Anzeige der Mißbräuche wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in kaum einem Termin die wichtigsten Verfahrensregeln eingehalten werden. Als Beispiel dafür wird angeführt, daß in sogenannten "causis majoribus" nicht mehr an die Klagebefestigung und an den "Calumnieneid" gedacht wird. Der Calumnieneid, iuramentum calumniae, ist der Eid der Parteien, daß ihre Sache ein gute sei und daß die Parteien den Streit auf guten Glauben und ohne Betrug fortführen wollen66. Er nimmt auch in der LGO einen wichtigen Platz ein.

Das nächste wichtige Ziel, wenn nicht sogar das wichtigste, ist die Straffung des Verfahrens.

Der Gograf Strick beklagt die Langsamkeit und Schwerfälligkeit des gogerichtlichen Verfahrens und führt hierfür Beispiele an. Sie findet sich vor allem darin begründet, daß durch ständiges Aufeinander-Antworten der Parteien, wobei für jede Antwort ein gesonderter Termin angesetzt wird, das Verfahren in die Länge gezogen wird und der Vorsitzende, der Gograf, keine verfahrensrechtliche Handhabe hat, hier mäßigend und abkürzend einzuwirken. Strick rügt unter Nr.10, daß selbst vor der Beweisaufnahme noch repliziert, dupliziert usw. wird, und er spart nicht mit Ironie, wenn er sagt, das geschehe zu dem Zweck, daß die Parteien in Armut verfielen; er schlägt vor, es solle hier bei einer Replik bleiben.

Unter Nr.8 schlägt er für Streitigkeiten in causis majoribus bei einem Streitwert von nicht mehr als 10 Mark vor, daß nicht erst verschiedene Termine zur Replik, Duplik usw. anberaumt werden sollten, [S. 25]sondern daß sofort im Termin zur Antwort, also Replik, auch Beweis erhoben werden solle.

Ein weiteres Ziel ist, so die beamtlichen Berichte, die Ordnung des Apellationswesens:

Unter Nr 19 beanstandet Strick, daß eine Appellation oft mehrfach zwischen Vorder- und Appellationsrichter hin- und herverwiesen wird. Dies liege daran, daß alle Appellationen von dem Appellationsgericht angenommen würden und das Gericht, von dem aus appelliert werde, "apostolos refutatorios" ausstelle. Dadurch werde das Appellationsgericht gezwungen, die Sache wieder in die erste Instanz zurückzuverweisen.

Unter "Apostoli" sind Briefe zu verstehen, "wodurch der Richter, von welchem man sich beruft, auf Anhalten des Appellanten, oder wer sich auf den Oberrichter berufen hat, demselben zu wissen macht, ob er die Appellation deserieren oder stattfinden läßt" 67. Die Apostoli sind ein Bericht des iudex a quo an den iudex ad quem, worin ersterer den ordnungsgemäßen Abschluß des Verfahrens erster Instanz bescheinigt und eine Schilderung seines Ablaufes gibt. Zusammen mit den Apostoli werden die Akten erster Instanz an den iudex ad quem versandt. Die Apostoli dienen dem Appellanten als Bestätigung der fristgerechten Einlegung der Appellation und eröffnen dem iudex a quo die Möglichkeit, zu der Begründetheit der Appellation Stellung zu nehmen68. Er kann damit maßgeblich Einfluß auf die Entscheidung des Appellationsgerichts nehmen.

Apostoli refutatorii sind also Stellungnahmen des Gerichts erster Instanz, in welchen dieses in dem Sinne Stellung zur eingelegten Appellation nimmt, daß die Appellation zurückzuweisen ist.

Zum Verfahren selbst beanstandet Strick unter Nr.18, daß in der Appellationsinstanz keine Tatsachenverhandlung stattfinde, sondern sofort das Urteil vom Umstand beraten werde. [S. 26]

Als weiterer Schwerpunkt erscheint in den beamtlichen Berichten die Tendenz, die Rechtsprechung nicht mehr durch das Volk, sondern durch den Richter stattfinden zu lassen. Dies bedeutet, die Abkehr von der Volksgerichtsbarkeit hin zu einer Berufsgerichtsbarkeit vorzuschlagen.

Strick beanstandet dann auch konsequenterweise unter Nr.11 seines Berichtes die Praxis, daß Zeugen nicht nur zu Tatsachen vernommen werden, sondern auch zum anwendbaren Recht — iura novit curia; unter Nr.14, daß der Richter letztlich nichts zum Urteil beitrage, sondern das Urteil aus der Gerichtsversammlung heraus gefunden werde unter Beiziehung der Meinung von gar nicht im Gericht befindlichen Rechtsgelehrten; unter Nr.15, daß bei Bestadung des Urteils an einen aus dem Umstand die Gerichtsgebühr fällig werde und sämtliche bis dahin ergangenen Urteile von den Parteien wieder eingebracht werden müßten, und zwar ohne Unterschrift der Rechtsgelehrten, die das Urteil verfaßt hätten. Dank dieser Anonymität gehe das Gerücht um, daß zwischendurch Urteilssprüche von Idioten beim Trinken verfaßt würden.

Letztlich will Strick erreichen, daß das Urteil von gelehrten Rechtskundigen gefällt wird. Dies sollen keine Leute aus dem Umstand sein, sondern der Gograf, der Richter soll das Urteil finden und fällen. Er bemängelt, daß das anzuwendende Recht mittels Zeugen in die Verhandlung eingeführt — bewiesen — werden muß, da doch das Gericht selbst das Recht kennen sollte.

Abschließend wird bemängelt, daß die Prozesse nach ihrem Abschluß nicht mehr nachvollzogen werden können. Daher schlägt Strick unter Nr.21 seiner Anzeige vor, daß festgelegt werden soll, was und in welcher Form der Gerichtsschreiber protokollieren solle.

Um die Unabhängigkeit der Rechtsprechenden zu sichern, schlägt er in Nr. 21 vor festzulegen, was die Richter und Gografen von den Parteien empfangen sollen.

Es zeigt sich, daß das Verfahren vor den Gogerichten überhaupt einer festen Regelung bedarf, da offensichtlich große Uneinigkeit über viele Verfahrensfragen besteht. Die Änderungsvorschäge des Gografen Strick stehen damit in der Tradition der Forderungen des Nicolaus von Kues, der ebenfalls unter anderem dazu aufrief, eine umfassende [S. 27] Gerichtsbarkeit im Reich und seinen Ländern einzurichten69. Hier zeigt sich nochmals die Einbettung der Veränderungen im Verfahrensrecht des Fürstbistums Münster in die allgemeinen Umwälzungen.

Weitere Beanstandungen des Gografen Strick richten sich gegen die Art der Ladung, die Einlassungsfristen und Appellationsfristen, sowie die Folgen des Ausbleibens der Parteien in den verschiedenen Verfahrensstadien.

Wichtigste Ziele der Reform des Gerichtswesens und damit der LGO waren also zusammenfassend:
  • - die Einheitlichkeit des Gerichtsverfahrens
  • - die Straffung des Verfahrens
  • - die Ordnung des Appellationswesens
  • - die Rechtsprechung durch den Richter statt durch den Umstand
  • - die Nachvollziehbarkeit der Prozesse

Selbstverständlich ist der Bericht des Gografen Strick nur einer von vielen, aber leider der einzige erhaltene. Er gibt jedoch sehr anschaulich einen Überblick über die wichtigsten Fragen, die den Praktiker beschäftigen.

An dieser Stelle ist noch einmal auf den Einfluß des römischen Rechts zurückzukommen.

Die vorgenannten Forderungen entstammen letztlich einem ausgedehnten Studium der antiken Vorbilder, zusammengefaßt im Codex Justinianus.

Dort lautete im 3.Buch,1,1270 eine Forderung Justinians, daß die Prozesse schnell entschieden werden sollen. Sie sollten im übrigen auf die Dauer von maximal drei Jahren von der litis contestatio an begrenzt sein71. Die dort aufgestellte Forderung, welche in [S. 28]Gesetzesform gekleidet ist, wendet sich an die Richter, die den Prozeß in die Länge zu ziehen allein Macht haben.

"Es soll also den Richtern insgesamt, mögen sie in dieser hohen Stadt oder in den Provinzen eine höhere oder niedere Verwaltung führen, mögen sie in einem hohen Amte stehen, mögen sie von Unserem Hofe bestellt oder von Unseren Würdenträgern beauftragt sein, nicht gestattet werden, die Prozesse länger als auf eine Zeit von drei Jahren auszudehnen. Denn jedermann sieht ein, daß dies mehr in der Hand der Richter (als der Parteien) liegt; denn wenn sie selbst es nicht wollen, so findet sich gewiß keiner, der es wagen könnte, den Prozeß gegen den Willen des Richters in die Länge zu ziehen ..." 72

Weiter findet sich bereits an dieser Fundstelle die Forderung bzw. Verordnung, daß Gerichtsgebühren zu zahlen sind und darüber hinaus nichts, 3,2,1, daß nur mit dem römischen Recht vertraute Personen Richter sein können, 3,13,2, und viele weitere Einzelregelungen.

Es wird damit deutlich, daß die Anzeige der Mißbräuche Verbesserungsvorschläge enthält, die vom Studium des römischen Rechts zumindest inspiriert sind.

Im Folgenden wird nun zu überprüfen sein, ob und wie die vorgenannten Ziele in der LGO umgesetzt worden sind.

B. Die Regelung des Gerichtsverfahrens durch die LGO.

Bereits in der Vorrede zur LGO von 1571 wird deutlich, welch umfassender Aufgabe sich der Fürstbischof von Münster gestellt hatte, indem er die Geltung der LGO für alle Go-, Frei-, Kriminal- und andere Gerichte des Stifts Münster festschreibt. Das heißt nämlich, daß hier kein Unterschied für die Straf- und Zivilverfahren gemacht wird. Für alle Gerichtszweige gilt nur eine Verfahrensordnung. Auch [S. 29] der Grund für die — erstmalige — Kodifizierung des Verfahrensrechts ist genannt: der Fürstbischof ist den Bitten der Eingesessenen des Stifts Münster nachgekommen. Zweifellos meint er hierbei insbesondere diejenigen, die bereits mit den Gerichten von Berufs wegen zu tun hatten, also vor allem die Praktiker, die in den beamtlichen Berichten ihre Beschwerden dargelegt hatten.

Das Inkrafttreten der LGO ist jedoch nicht nur an die Annahme durch die gemeinen Stände des Stifts Münster, sondern auch an die Bestätigung des Kaisers geknüpft. Sie ist, wie in der Vorrede zur LGO festgehalten, "auch durch die Röm. Kay. Maiest. ... allergnedigst confirmiert und bestettigt worden".

Kaiser Friedrich I. Barbarossa hatte in den ronkalischen Gesetzen den Versuch unternommen, das Auseinanderbrechen des Reiches zu verhindern, indem diese Gesetze "zum Reichs-Staat strebten" 73. Im Vordergrund standen die Sicherung der Regalien, die Stärkung der Staatsgewalt und die Förderung des Studiums des römischen Rechts74. Dazu gehörte auch, daß sich der Kaiser eine wesentliche Beteiligung an der Gesetzgebung vorbehielt. Hierdurch wird seine Stellung als oberster Gerichtsherr betont. Die Bestätigung der LGO ermöglichte es dem Kaiser darüberhinaus, auf Rechtsgleichheit in den einzelnen Fürstentümern seines Reiches hinzuwirken. Die oben zitierte Formulierung ist Ausdruck dessen, daß es in der Macht und Gewalt des Kaisers liege, Gesetze zu machen und zu geben75.

Die LGO folgt einer strengen Gliederung, die sich wie folgt kurz darstellen läßt:

Sie besteht aus drei Teilen, die wiederum in einzelne Artikel unterfallen, diese sind in Absätze gegliedert.

Im ersten Teil ist geregelt, welche Personen das Gericht besetzen und wer vor Gericht Prozeßhandlungen vornehmen kann. Hierbei werden unter den Artikeln, die das Amt der jeweiligen Person betreffen, gewisse Formalien, wie z.B. die Zustellung von Ladungen, mitgeregelt. Gleichzeitig finden sich oft Straftatbestände, die im Anschluß [S. 30]an die Normierung der Pflichten der verschiedenen Personen als Sanktion ihrer Verletzung aufgenommen sind.

Im zweiten Teil erfolgt die Darstellung des Ganges der Verhandlung, d.h. die Verfahrensordnung im engeren Sinne. Fragen wie Zuständigkeit, Verhandlungsgrundsätze, Ablauf einer Gerichtsverhandlung und Art und Form der Entscheidungen sowie der möglichen Rechtsmittel werden hier geregelt.

Der Dritte Teil enthält die Regelungen darüber, welche Zuständigkeiten den übrigen Gerichten wie Holzgerichten, Bauergerichten, peinlichem Halsgericht und Freigericht verbleiben sollen. Er enthält desweiteren einzelne materielle Vorschriften.

Bei der nachfolgenden Betrachtung wird der dritte Teil außer Betracht bleiben, da im Rahmen der vorliegenden Arbeit allein die zivilprozeßrechtliche Regelung von Interesse ist.

I. Die Gerichtspersonen der LGO.

Als Gerichtspersonen nennt die LGO den Richter, die Schöffen, den Gerichtsschreiber, den Gerichtsboten und die Procuratoren und "Fürsprächen".

1. Der Richter.

War das Richteramt vor Erlaß der Landgerichtsordnung noch verknüpft mit der Wahl durch die Freien des Goes, so ist es nun abhängig von der Einsetzung durch den Gerichtsherrn, d.h. den Fürstbischof von Münster.Die Kenntnis der Kaiserlichen Halsgerichtsordnung von 1532 und der "Gebräuche, Gewohnheiten und Gerechtigkeiten" des Stifts Münster ist für die Erlangung des Richteramtes erforderlich, Teil 1, Art. I LGO.

Die Richterschaft stammt aus den Eingesessenen des Gerichts, die Schöffen müssen diese Voraussetzung nicht unbedingt erfüllen, Teil 1, Art. I LGO.

Beide, Richter und Schöffen, sollen fromme und redliche Leute, ehelich und frei geboren und älter als 25 Jahre sein, Teil 1, Art. I LGO. Sie bilden jetzt zusammen das Gericht. Wenn die vorgeschriebene [S. 31] Zahl von Schöffen, das sind mindestens vier Schöffen, maximal sechs, und der Richter zur rechten Zeit am rechten Ort sich niedergesetzt haben, dann ist diesem Gremium kraft der LGO die rechtsprechende Gewalt des Fürsten bzw. des jeweiligen Gerichtsherrn übertragen, Teil 1, Art. II LGO. Eine Hegung, die durch mehrfaches Fragen von Urteilen aus dem Umstand diese Befugnisse dem Gografen zusprechen ließ, entfällt nunmehr. Der Gerichtsspruch gilt, weil er in einem rechtsförmlichen Verfahren gefunden wurde, das auf einer landeseinheitlichen Regelung beruht.

War also vor Erlaß der LGO jeweils durch das Volk, den Umstand, festzustellen, daß der Gograf die Macht zu richten hatte und daß jeder, der dort um ein Urteil fragte, sich dem Spruch des Umstandes, der durch den Gograf zum Urteil erhoben wurde, beugen mußte, so geschieht dies jetzt kraft obrigkeitlicher Rechtsetzung.

Diese Bindung der Iudikative an den Landesherrn ermöglicht die Kontrolle der Gerichte im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung. Dies trägt zur Schaffung von Rechtssicherheit durch Rechtseinheit innerhalb des Geltungsbereiches der LGO bei. Wie oben gesehen, wurde gerade der Mißstand beklagt, daß an dem einen Gericht so, am nächsten anders verfahren wurde. Dies ist keineswegs ein allein auf verfahrensrechtliche Fragen beschränkter Mißstand; ebenso sind hier die Unterschiede in der Rechtsprechung zum materiellen Recht angesprochen. Durch die nunmehr vorliegende einheitliche Regelung wird einer solchermaßen begründeten Rechtsunsicherheit vorgebeugt. Hiermit einher geht jedoch die deutliche Abkehr vom Prinzip der Volksgerichtsbarkeit hin zu einer Berufsgerichtsbarkeit. Dies wird bereits hier erkennbar.

So ist es folgerichtig, wenn in Teil 1, Art I LGO festgehalten wird, daß die Schöffen zwar ohne zeitliche Beschränkung eingesetzt werden, aber "auß redlichen ursachen ihres gerichtlichen Amptes durch die Obrigkeit erlassen" werden können, Teil 1, Art. I LGO. Daraus zieht Bartmann76 zwar den Schluß, daß die Schöffen auf Lebenszeit eingesetzt worden seien, treffender wird ihre Einsetzung jedoch durch "Einsetzung auf jederzeitigen Widerruf" gekennzeichnet; denn in der Praxis läßt sich aufgrund einer so dehnbaren Bestimmung immer ein "redlicher" Grund für die Entlassung finden. [S. 32]

Für die "übrigen Gerichts Personen vacierende Platzen" wird denn auch in derselben Bestimmung der LGO festgeschrieben, daß sie jederzeit "durch uns oder denen das Gericht zustehet wie fürgemelt besetzt werden".

An dieser Stelle ist noch auf folgendes hinzuweisen:

Wie bereits oben bemerkt, sind die Richter nicht mehr vom Volk gewählt, sondern sie werden vom Landesherrn eingesetzt. Ihre Tätigkeit ist somit Ausübung hoheitlicher Befugnisse. Dies zeigt wiederum den Einfluß des römischen Rechts.

Denn dort war die Rechtspflege dem Magistrat und dem judex privatus übertragen77. Der Magistrat leitete seine hoheitlichen Befugnisse direkt von seiner hoheitlichen Stellung her, der judex privatus von seiner Ernennung durch einen Prätor, der wiederum mit hoheitlicher Gewalt beliehen war. Dem zugrunde lag die Vorstellung, daß über den Bürgern eine Staatsgewalt stand, die alle zusammenhielt und deren Repräsentanten, in diesem Falle die Richter, dem Rechtsuchenden nicht wie Ihresgleichen gegenüberstanden, sondern die über diesen standen und die Statthalter der Staatsgewalt waren. Die Rechtsprechung war damit nicht der Akt der Rechtsetzung im einzelnen Fall — Rechtsweisung —, sondern die Anwendung des bestehenden Rechtssatzes auf den Einzelfall. Das Recht wurde als bestehend vorausgesetzt, es wurde nicht für jeden Fall neu geschaffen78.

Diese fundamentalen Grundsätze des römischen Rechts finden nunmehr Eingang in das deutsche Recht.

Im ersten Teil konnte über einzelne Institute des Prozeßrechts nicht nur aus Mangel an einschlägigen Quellen nur wenig berichtet werden; der altdeutsche Prozeß war eben nicht allein auf die Entscheidung des Einzelfalles gerichtet, konnte es auch gar nicht sein, da das entscheidungserhebliche Recht noch nicht bekannt war, es mußte erst geschaffen, zumindest jedoch durch ein Gericht erstmals ausgesprochen werden. Dies betraf sowohl das materielle als auch das Verfahrensrecht, so daß nach altdeutschem "Recht" lediglich Strukturen und einzelne Weistümer als "Verfahrensrecht" zur Verfügung standen. An [S. 33]diesem Rahmen orientierte sich der Verfahrensablauf. Daher stand ein geschlossenes System nicht zur Verfügung.Es wird mit der LGO von 1571 erstmals eingeführt.

Der Prozeß endete nach altdeutschem Verfahrensrecht regelmäßig mit einer Rechtsweisung, "off wat dar recht umme sy", die Rechtsuchenden erhielten einen abstrakten Rechtssatz zur Antwort auf ihre Rechtsfrage. Auffällig wird nunmehr auch, daß die Fragen von vornherein so gestellt waren, daß nur ein abstrakter Rechtssatz auf sie als Antwort gegeben werden konnte. Nunmehr sollen die Richter das ihnen bekannte Recht auf den ihnen zur Entscheidung vorgelegten Einzelfall anwenden.

Es bleibt bis hierher festzuhalten, daß die Richter von Rechtsschöpfern zu Rechtsanwendern wurden. Dies ist ein wesentliches Ergebnis der Neuordnung des Gerichtswesens im Fürstbistum Münster und zurückzuführen einzig auf die Rezeption des römischen Rechts.

Die Gerichtspersonen sollen am Ort ihrer Tätigkeit Wohnung nehmen, damit sie jederzeit erreichbar sind, Teil 1, Art. I LGO.

Die Urteile des Gerichts werden mit der Stimmenmehrheit gefällt, Teil 1, Art. II LGO, sie sollen verlesen werden und das Urteil kann direkt auf die mündliche Verhandlung ergehen. Vertreter des Richters ist in dessen Abwesenheit der älteste Schöffe.

2. Die Gerichtsschreiber.

Geregelt wird der mit dem Amt des Gerichtsschreibers verbundene Aufgabenkreis in Teil 1, Art. IV und XI LGO. Dabei ist in Teil 1, Art. XI LGO lediglich der Eid der Gerichtsschreiber enthalten, der eine Zusammenfassung der Pflichten des Gerichtsschreibers bildet und besagt, daß dieser den Pflichten getreulich nachzukommen habe.

Die Gerichtsschreiber sollen den gesamten mündlichen Vortrag protokollieren und den schriftlichen registrieren. So sollen die Prozesse für die Richter erster Instanz und zweiter Instanz nachvollziehbar werden.

Die Urteile und Dekrete, das heißt, die Gerichtsverfügungen, sollen von den Gerichtsschreibern in das Protokoll genommen werden, sie sollen weiterhin den gesamten Schriftverkehr führen. Dabei sollen die Gerichtsschreiber nur das Notwendige aufschreiben, insbesondere unnötige Wiederholungen vermeiden. Dadurch werden Kosten gespart, da die Gerichtsschreiber für jede einzelne Tätigkeit nach Teil 1, Art. XVI LGO bezahlt werden müssen.

Die Gerichtsschreiber können auch als Notare tätig sein, indem sie Urkunden ausfertigen. Dann sollen sie jedoch unparteiisch bleiben und aus dem Notariat heraus keiner daran beteiligten Partei

"Klag / Exception oder dergleichen Materien ausserhalb der Volmachten und Gewälde machen und einstellen oder auch in ihren Sachen gegen der andern Parthey ein oder beyrähtig seyn oder aber dieselb für einen theil am Gericht sollicitiren oder befürdeten sollen".

Schließlich sind die Gerichtsschreiber selbstverständlich gehalten, das Beratungsgeheimnis zu wahren. Es zeigt sich, daß mit der Schaffung des Amtes des Gerichtsschreibers durch die LGO ein wesentliches Ziel der Reform Johannes von Hoya`s erreicht wird, nämlich die Nachvollziehbarkeit der Rechtsstreitigkeiten.

Dies ist zum einen wichtige Voraussetzung dafür, daß der Verfahrensgang gestrafft werden kann; zum anderen ist es unabdingbare Voraussetzung für die Neuordnung des Appellationswesens.

So besteht die Möglichkeit, in der Appellationsinstanz die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen vollständig zu würdigen, was Gograf Strick in Nr 18 seiner Anzeige der Mißbräuche gefordert hat. Wie dies im einzelnen geschieht, ist in der Hofgerichtsordnung geregelt.

In Teil 2, Art. XXX LGO wird für das Verfahren in Appellationen nämlich auf die Hofgerichtsordnung verwiesen, die ihrerseits in Teil 2, Art. XXXV HofgerichtsO auf das der Hofgerichtsbarkeit in erster Instanz unterworfene Verfahren verweist. An dieser Stelle sei nur so viel gesagt, daß das Verfahren der Hofgerichtsordnung und damit auch in Appellationssachen demjenigen der LGO stark angeglichen ist79.

3. Die Gerichtsboten.

Die für die Gerichtsboten geltenden Vorschriften finden sich in Teil 1, Art. VI, VII, VIII und XIII LGO. Zusätzlich bestimmt Teil 1, Art. I LGO, daß die Gerichtsboten aus den Eingesessenen des Gerichts genommen werden sollen.

Die Gerichtsboten sollen lesen und schreiben können und schwören ihren Eid gegenüber dem Gericht. Darin geloben sie unter anderem, "den Richter unnd Schöpffen gewertig und gehorsam zuseyn, auch alle gebott, Gerichtsbrieffe und anders was ihnen von Gerichtswegen befohlen wurdt, fleissig und getrewlich außzurichten und zuverkündigen...", Teil 1. Art. XIII.

Die Gerichtsboten sind also nicht Gerichtspersonen im engeren Sinne, sondern sie sind dem Gericht unterstellt.

Zu den Aufgaben der Gerichtsboten zählen folgende Tätigkeiten:
  • - Sie laden die Parteien auf Befehl des Gerichts.
  • - Sie rufen die Sache und die Parteien vor Gericht auf.
  • - Im Namen des Fürstbischofes oder des sonstigen Gerichtsherrn gebieten sie, daß Friede und Ehrbarkeit herrsche.
  • - Sie rufen nach der ungehorsamen ausgebliebenen Partei mit folgenden Worten: "Euch M. ruffe ich hiemit zum ersten, andern und dritten mal auff außgangne Ladung alhie vorm Gericht zuerscheinen."

Es ist nicht durch geschriebenen Rechtssatz geboten, vor Gericht Frieden und Ehrbarkeit einzuhalten, sondern dies geschieht noch immer durch das Gericht, welches wiederum solches Gebot durch seinen verlängerten Arm, den Gerichtsboten, bekannt gibt. Da dieser wiederum im Namen des Fürstbischofes oder sonstigen Gerichtsherrn auftritt, Teil 1, Art. VI LGO, handelt es sich um ein fürstliches Gebot, dessen Verletzung unmittelbar Sanktionen des Fürsten auslösen kann.

Die Gerichtsboten spielen auch eine wichtige Rolle für den Beginn eines Prozesses. Zu ihren Aufgaben gehört es, nach der säumigen Partei zu rufen, gegen die bei erfolglosem Rufen in contumaciam verfahren werden kann. An dieser Stelle soll jedoch noch nicht das normale Verfahren und dasjenige in contumaciam erörtert werden; hier sei nur soviel erwähnt, daß folgerichtig bei der Beschreibung der Tätigkeit der Gerichtsboten eine vollständige Regelung der Art und Weise der Ladung der Parteien und der Zustellung von Schriftstücken, die für den Gang des Verfahrens von Bedeutung sind, enthalten ist. Diese soll im Folgenden skizziert werden.

Zunächst ist jede Partei schriftlich zu laden, wenn es sich nicht um einen geringen Streitwert handelt. Ein solcher wird bis zu einem Wert von zwanzig Talern angenommen. Bei geringen Streitwerten überbringt der Gerichtsbote die Ladung auf Befehl des Richters mündlich. Die Ladung darf ausschließlich der geladenen Person oder — in deren Abwesenheit — seiner Ehefrau bekanntgegeben werden. Die Ladung muß in einem solchen Falle mindestens sechs Tage vor dem Termin überbracht worden sein, Teil 1, Art. VII LGO.

In den Sachen mit einem höheren Streitwert als zwanzig Taler soll die schriftliche Ladung der jeweiligen Partei vom Gerichtsboten überbracht werden, sobald der Gerichtsschreiber ihm diese übergeben hat. Der Gerichtsbote begibt sich mit der Ladung im Original und einer "glaubwürdigen" Kopie zu der zu ladenden Person und liest dieser das Original vor, während sich die zu ladende Person durch Mitlesen der Kopie davon überzeugen kann, daß die Kopie mit dem Original übereinstimmt. Diesen Vorgang hält der Gerichtsbote in einer Niederschrift über die Ladung fest, die auch Feststellungen darüber enthält, "welcher gestalt ihme darauff geantwort oder sonst begegnet". Anschließend übergibt der Gerichtsbote dem zu Ladenden das Original dieser Niederschrift und übergibt die Kopie dem Gerichtsschreiber.

Sind mehrere Personen zu laden, so bekommen diese jeweils eine vom Gerichtsschreiber unterschriebene Kopie und das Original nimmt der Gerichtsbote wieder mit.

Dies ist geregelt in Teil 1, Art. VII LGO.

Anschließend erfolgt im selben Artikel die Regelung der Ersatzzustellung.

Sollte der zu Ladende nicht anwesend sein, so übergibt der Gerichtsbote der Hausfrau oder einem verständigen Diener des Hauses die Ladung mit der Aufforderung, diese dem zu Ladenden bekannt zu machen. Will keine solche Person die Ladung annehmen, so soll der Gerichtsbote die Ladung im Hause liegen lassen im Beisein eines "verstendigen vom Haußgesinde". Ist auch niemand solches anwesend oder gar das Haus verschlossen, so soll der Gerichtsbote die Ladung im Beisein von einem oder mehreren Zeugen aus der Nachbarschaft an das Haus heften. Sind keine Nachbarn vorhanden, soll auch ohne Zeugen die Ladung an das Haus geheftet werden.

Es folgen noch Regelungen der Zustellung an ein Gericht oder eine Gemeinde und ein Kirchspiel, sowie der Hinweis, daß bei Ladung eines Kirchspiels die Frist zum Termin ab der wirksamen Ladung zu laufen beginne. Diese Regelung gilt offensichtlich allgemein, da sie sich nur einmal in dieser Bestimmung findet.

Fehler bei der Zustellung hat der Gerichtsbote auf eigene Kosten zu beheben. Solche Fehler werden im übrigen nach Ermessen des Richters und der Schöffen bestraft.

Diese Regelung wurde so eingehend erörtert, da hier zum einen der ersten Mißbrauchsanzeige abgeholfen wird; zum anderen, da die Regelung der heute nach der ZPO geltenden sehr nahe kommt. Zugleich ist das Bemühen erkennbar, Prozesse über geringe Streitwerte möglichst kurz zu gestalten. Es wird damit besonders der Mißbrauchsanzeige Nr. 7 Rechnung getragen. Denn eine mündliche Ladung ist billiger als eine schriftliche, da jedes vom Gerichtsschreiber ausgestellte Schriftstück gesondert vergütet wird. Die getroffene Regelung erleichtert es somit weniger wohlhabenden Parteien, einen Rechtsstreit auch um geringere Streitwerte zu führen, den sie sich bei Einhaltung der sonst geltenden Regelungen nicht leisten könnten.

4. Die Procuratoren.

Der Procurator ist ebenso nur der Stellvertreter der Partei, der ihr kraft seiner Kenntnis von "der rechtlichen Hendel und dieser Ordnung" hilft, sich vor Gericht zu artikulieren wie der Fürsprecher, der — wie oben in der Vorgeschichte gesehen — ebenfalls nur dazu da war, einer Partei zu helfen, die im Umgang mit dem Gericht nicht erfahren war. Die Bezeichnung "Procurator" bezeugt die starke Beeinflussung des Verordnungsgebers durch das römische Recht. Der Begriff läßt zunächst darauf schließen, daß der Procurator lediglich die Stellung eines Vertreters vor Gericht, nicht auch gleichzeitig eines Geschäftsbesorgers, innehat; dies wird in der Darstellung des von den Procuratoren zu leistenden Eides unter Teil 1, Art. XII, bestimmt, daß sie

" wollen und sollen den Partheyen, deren sachen sie angenommen oder annehmen werden, trewlich und auffrichtiglich dienen, derselben Sachen nach ihrer bester verstendtnuß ihren Principalen zu guttem mit fleiß vertretten, darin wissentlich keinerley falsch oder unrecht gebrauchen, noch gefehrliche schub und dilation zu verlengerung der sachen zusuchen ...".

Als Procurator zugelassen wird nunmehr jede "fromme unverleumbte person freyer Condition darzu dieser Ordnung und der Rechtlichen hendel zur notturfft verstendig und erfahren seyn"; weiter muß diese Person durch den Richter und zwei unparteiische Schöffen für treulich befunden werden. Es erfolgt mithin eine Zulassung. Das heißt jedoch, daß jeder Rechtskundige, der von zwei Schöffen und dem Gericht für "treulich" befunden wird, als Procurator auftreten kann. Dies eröffnet den Rechtsgelehrten, die früher lediglich mit der Erstattung von Gutachten durch das Gericht oder den Kornoten beauftragt worden waren, den Weg vor Gericht. Diese Regelung bedeutet nicht, wie Bartmann meint80, daß die LGO keine Advokaten, d.h. Gelehrte, die die Parteien außerhalb des Gerichtes beraten, kennt, sondern im Gegenteil, durch diese offene Regelung wird es gerade solchen Gelehrten ermöglicht, vorgerichtlich und gerichtlich tätig zu werden.

Die Annahme Bartmanns liefe zudem dem Zweck des Erlasses der LGO zuwider, der vor allem darin besteht, dem gelehrten Recht den Vorrang vor dem Rechtsempfinden des Umstandes einzuräumen, was selbstverständlich nur dann durchführbar war, wenn ein Anreiz für den Erwerb von Kenntnissen des gelehrten Rechtes geschaffen wurde. Dieser Anreiz besteht nun gerade darin, das gelehrte Recht nicht nur im stillen Kämmerlein studieren, sondern vor Gericht auch praktizieren zu können.

Zwar ist Bartmann zuzugeben, daß die LGO nicht sauber zwischen Procuratoren und Fürsprächen unterscheidet; die einen könnte man nach heutigem Sprachgebrauch als Bevollmächtigte und allein bei den Gerichten zugelassene Anwälte bezeichnen, die anderen als Vertreter im Wort; letztere kennt auch die LGO, wenn sie davon spricht, daß sich die jeweilige Partei auch selbst vertreten kann, Teil 2, Art. IV, und sich zur besseren Artikulierung ihres Vorbringens vertreten lassen darf. Jedoch werden beide, Procuratoren und Fürsprächen immer gleichzeitig und als Synonyme genannt, ihnen obliegen dieselben Pflichten, sie haben dieselben Rechte und sie schwören auch denselben Eid. Sie werden also von der LGO einander gleichgestellt. Eine Unterscheidung zwischen solchen Bevollmächtigten, die nur für die Partei reden und solchen, die die erforderlichen Prozeßhandlungen vornehmen, kennt die LGO mithin nicht.

Eine weitere Behauptung, die sich als nicht haltbar erweist, findet sich in diesem Zusammenhang bei Bartmann, wenn er erklärt, es würden bei Gericht nur zwei oder drei Procuratoren fest angestellt81. Hierzu heißt es in der LGO Teil 1, Art. 1:

" Es sollen auch nach eines jeden Gerichts gelegenheit zweyen, drey oder mehr Procuratoren oder Fürsprächen ... angeordnet werden".

Das heißt zwar, daß das Gericht darüber entscheidet, wieviele Procuratoren bei ihm zugelassen werden, die Zahl ist aber ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt.

Die weitere These Bartmanns, daß nämlich die LGO als Rechtsbeistände keine Gelehrten kenne, die die Parteien außergerichtlich beraten82, ist angesichts der Regelung nicht haltbar.

So findet sich in Teil 1, Art. V, die Pflicht der Procuratoren, den schriftlichen Vortrag so straff wie möglich zu gestalten und nur wenn nötig das gemeine(!) Recht zu referieren. Um eine Verlängerung der Sachen zu vermeiden, wird jeder Procurator mit einer Mark Münsterisch bestraft, wenn er nicht notwendigen oder überflüssigen Vortrag oder Termin hält. Solch straffer Vortrag ist aber nur möglich, wenn vor dem Gerichtstermin eine Besprechung der Angelegenheit mit der Partei stattfindet.

Diese Regelung läßt also ausdrücklich die Möglichkeit offen, bereits vor der Gerichtsverhandlung für die Partei tätig zu werden. Bartmanns Blick richtet sich in diesen Punkten zu sehr auf die Regelung der LGO als einer abschließenden für alle Bereiche der Rechtspflege. Angesichts der Ziele des Fürstbischofs Hoya, die er mit Erlaß der LGO verfolgte, ist diese Sicht jedoch zu eng. Hier wird vielmehr bewußt nur die Art und Weise der Tätigkeit der Procuratoren vor Gericht geregelt, während ihre Tätigkeit vor der Einleitung eines Prozesses außen vor bleibt. Darüberhinaus ist die Kenntnis der römischrechtlich geprägten LGO erforderlich, um als Rechtbeistand zugelassen zu werden. Es sind also gerade Gelehrte, denen die Zulassung als Rechtsbeistände ermöglicht wird. Das Fehlen der ausdrücklichen Erwähnung solcher Art von Rechtsbeiständen belegt nicht, daß die LGO sie nicht kenne. Vielmehr fördert die LGO gerade die Zulassung solcher Rechtsbeistände, ohne dies jedoch ausdrücklich zu erwähnen.

Geradezu selbstverständlich erscheint es, daß die außergerichtliche Tätigkeit der Procuratoren nicht mitgeregelt wird, denn dies ist gar nicht Regelungszweck der LGO. Allein dadurch, daß zur Tätigkeit vor Gericht die Kenntnis der LGO sowie sonstiger "Rechtlichen hendel" erforderlich ist, schafft der Fürstbischof von Münster einen einheitlich gebildeten Stand von Procuratoren. Hinzu kommt, daß sich kaum ein Advokat die vom Gericht festzusetzenden Gebühren entgehen lassen wollte, die ihm für die Vertretung einer Partei vor Gericht zustehen. Die einzelnen den Advokaten zustehenden Beträge sind aufgeführt in Teil 2, Art. XXXII LGO.

Festgehalten werden kann, daß aus der Tatsache, daß die Regelung der außergerichtlichen Tätigkeit der Procuratoren offen bleibt, nicht geschlossen werden kann, sie seien nicht Geschäftsbesorger ihrer Partei. Vielmehr muß daraus, daß die Regelung geradezu eine außergerichtliche Tätigkeit herausfordert, geschlossen werden, daß die LGO sehr wohl außergerichtlich tätige Procuratoren kennt.

Die Procuratoren mußten für jeden Prozeß eine schriftliche Vollmacht ihrer Partei vorlegen. Fehlte diese bei einem Klägerprocurator, so konnte der Procurator "mit verunderpfendung aller irer haab unnd güter gerichtliche handtaftung und glübde thun"..."daß ihr principal was durch sie gehandelt genehm halten sol und woll". Das heißt, der Procurator haftete mit seinem gesamten Vermögen dafür, daß der von ihm Vertretene die gerichtlichen Handlungen des Procuratoren für und gegen sich gelten ließ.

Wenn ein Procurator eines Klägers jedoch solche Sicherheit nicht leisten wollte, so sollte gegen den säumigen Kläger verfahren werden, "wie diese Ordnung hernacher ausweist". Es wird also die Fiktion aufgestellt, daß für die Klägerpartei niemand erschienen ist.

Die Vollmacht für die Klägerseite mußte spätestens bis zur litis contestatio eingebracht worden sein, andernfalls hatte der Procurator die daraus entstehenden Kosten und den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen und wird zu weiterer Verhandlung in diesem Prozeß nicht zugelassen.

Der Beklagtenprocurator hingegen brauchte die Vollmacht erst zum Schluß der mündlichen Verhandlung nachzuweisen, wenn er in derselben Weise wie der Klägerprocurator Kaution geleistet hatte. Wenn der Beklagtenprocurator solche Sicherheit nicht leisten wollte, sollte ein Procurator von Gerichts wegen bestellt werden. War das nicht möglich, so wurde gegen den Beklagten "in contumaciam" verfahren. Dies bedeutet, daß der Beklagte vom Gegner des Ungehorsams beschuldigt wurde und der Richter ihn für ungehorsam erkannte mit der Folge, daß er die Kosten insoweit tragen mußte83 Auf dieses Verfahren wird noch einzugehen sein.

Der Procurator ist zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Er darf keine überhöhten Gebühren verlangen.

Die LGO strebt eine Waffengleichheit der Parteien an, wenn sie unter Teil 1, Art. V anordnet, daß "in allen sachen den begerenden Partheyen bekeme des Gerichts Fürsprächen zugeordnet und gegeben, damit dieserhalb niemandt so seine notturft selbst fürzubringen ungeschickt oder der Personen des Gerichts unkündig hierin verfurtheilt oder vernachtheilt sonder einem jeden zur gebür gedient und zu seinem Rechten verholfen werden möge". Dadurch wird die Prozeßgefahr für diejenige Partei, welche sich nicht durch einen zugelassenen Advokaten vertreten läßt, verringert.

II. Das Verfahren in erster Instanz nach der LGO.

1. Überblick.

Im zweiten Teil der LGO von 1571 ist der Ablauf eines Gerichtsverfahrens geregelt.

Der Aufbau ist geprägt von starker Praxisbezogenheit und orientiert sich daher am Gang eines Verfahrens. Man kann den zweiten Teil der LGO daher lesen und erlebt gleichzeitig den Ablauf eines Musterprozesses mit allen möglichen Varianten mit.

Zunächst, in Teil 2, Art. I, legt die LGO fest, daß alle vierzehn Tage Gerichtstag gehalten werden soll. Abgeschafft wird damit der Mißstand der Verlängerung der Zwischenräume zwischen den Gerichtstagen

"so an etzlichen orten diesem zuwider im zwang gewesen und geubt worden unsern Unterthonen zu wolfart hiemit auffgehoben seyn".

Außerdem soll das Gericht unter einem Dach abgehalten werden, um den Gerichtspersonen und den Rechtsuchenden mehr Annehmlichkeit zu verschaffen.

Desweiteren sollen zwei Protokolle an jedem Gericht geführt werden, in deren einem alle Prozesse, in deren anderem alle errichteten Urkunden registriert werden sollen. Der Sinn dieser Anordnung besteht darin, eine Sammlung von "Weistümern" über das materielle Recht zu erhalten, wie z.B. festgehalten in den Sandwellischen Weistümern bei Philippi84.

Im nächsten Artikel des zweiten Teiles der LGO wird die sachliche und persönliche Zuständigkeit der Gogerichte festgelegt.

Sodann folgt eine ausführliche Regelung des Verfahrens. Sie beginnt mit den Artikeln über die Ladung. Im Anschluß daran folgt die Regelung der einzelnen Termine, dann schließen sich die Vorschriften über die Vollstreckung der Urteile und daran diejenigen über die Appellation an.

Alsdann folgen die Regelungen der "Extraordinari und Privilegierten Sachen" sowie des Versäumnisverfahrens, Teil 2, Art. XXIII und XXVI ff. LGO.

Systemwidrig angeordnet sind am Ende des zweiten Teils in Art. XXIV LGO die Regelungen über Wesen und Vorbringen der dilatorischen und peremptorischen Einreden.

Bei den Regelungen der Beweistermine finden sich beispielsweise Vorschriften darüber, wie und wann sowie in welchen Fristen Parteienvortrag zu erfolgen hat. Die Vorschrift in Teil 2, Art. XXIV LGO enthält Regelungen, die hierzu speziell sind. Da die LGO das Allgemeine ausklammert, wäre die Stellung dieser Vorschrift systemrichtig am Beginn des zweiten Teiles der LGO gewesen.

Strikt durchgeführt ist dagegen die Regelung des Contumazialverfahrens, wenn im ersten Teil bei der Zustellungsregelung bereits auf die Folgen für dieses Verfahren hingewiesen wird, aber erst im zweiten Teil das sich aus der Säumnis ergebende Verfahren normiert wird.

Hier ist unterschieden zwischen den Prozeßvoraussetzungen, die für die Einleitung eines jeden Verfahrens vorliegen müssen und dem jeweiligen Verfahren selbst. Konsequent ist daher auch, daß sich die Regelung des Contumazialverfahrens am Ende des zweiten Teiles der LGO als besondere Angelegenheit findet, es handelt sich hierbei nämlich um ein gegenüber dem gewöhnlichen Prozeß spezielles Verfahren.

Ein Vergleich mit der Regelung der heute geltenden ZPO ergibt, daß auch hier zunächst der Gang des Rechtsstreites im Allgemeinen und sodann im Besonderen — §§253 ff. und §§331 ff. ZPO — geregelt ist. Die ZPO kennt jedoch keine statisch festgelegten Termine wie die LGO.

Auch die Regelung der Widerklage findet sich am Ende des zweiten Teiles, Art. XXV LGO. Sie wird — anders als nach heutigen Recht in §33 ZPO — als besonderes Verfahren begriffen und deshalb hier geregelt.

Die Regelung der Appellation findet sich systemrichtig nach oben Gesagtem nach der Regelung der Abfassung von Urteilen in Teil 2, Art. XXX LGO.

Es schließt sich die Regelung der Gerichtskosten, der Verfertigung der Akten und der Zwangsvollstreckung an.

In Teil 2, Art. XXXI LGO findet sich eine Regelung, die vergleichbar ist mit derjenigen in § 265 ZPO. Auf ihren Inhalt wird weiter unten noch ausführlicher in anderem Zusammenhang zurückzukommen sein.

Einstweilen sei nur so viel gesagt, daß diese Regelung — "daß in hangenden Rechten kein neuwerung fürzunemmen noch die streittige gütter veralienirt werden sollen" — nur aus dem Grunde ihren Platz hinter der Regelung der Appellation gefunden hat, weil mit ihr klargestellt wird, daß eine der dort genannten Handlungen während des Rechtsstreites keine Wirkung hat, wenn das in Abs. 2 dieser Regelung vorgeschriebene Verfahren eingehalten wird.

Es handelt sich also sowohl um die Anordnung einer Rechtsfolge, die über das Urteil hinaus Bestand haben kann, aber auch um die Regelung eines besonderen Verfahrens. Daher ist nach der Logik der LGO ihr Platz am Ende des zweiten Teiles.

2. Die Zuständigkeitsregelung.

In Teil 2, Art. II LGO findet sich die Regelung darüber, welche Personen sich an das Gogericht wenden können und welche Sachen dort verhandelt werden.

Im dritten Abschnitt der Regelung wird festgelegt, daß jede Person und jedes Gut, das im Bezirk des Gogerichtes gelegen ist, dort dingpflichtig ist, es sei denn, daß die Person oder das Gut besonders von dieser Gerichtsbarkeit befreit ist. Diese Befreiung kann durch die Hofgerichtsordnung oder durch Privilegierung aus Gewohnheitsrecht erfolgen.

Die Zuständigkeit in persönlicher Hinsicht ist dadurch bestimmt, daß jemand Gerichtseingesessener ist oder die Sache, um die gestritten wird, im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Gogerichts belegen ist.

Dabei knüpft die LGO an den Wohnsitz des Klägers als zuständigkeitsbegründend an, da in allen Vorschriften nur die Rede davon ist, daß der Gerichtsstand sich danach richtet, wer gerichtseingesessen ist oder danach, wo sich die streitbefangene Sache befindet. Immer ist von der Zustellung der Ladung die Rede, welche ihrerseits wiederum durch den Kläger veranlaßt ist.

Der Beklagte hat also am Gericht, das für den Kläger zuständig ist, zu verhandeln. Dies steht im Gegensatz zu der Regelung, die im Codex Justinianus zum Ausdruck kommt, wo es unter 3,13,2 heißt, daß der Kläger dem Beklagten an dessen Wohnsitz folgen solle, da dieser nur dort, wo er seinen Wohnsitz hat oder zur Zeit der Eingehung des Kontraktes gehabt hatte — auch wenn er ihn anschließend verlegt hat — belangt werden dürfe85.

In diesem Punkt folgt die LGO also nicht dem Vorbild des römischen Rechtes.

Zur sachlichen Zuständigkeit nennt die LGO in Teil 2, Art. II als wichtigste Neuerung, daß für die Appellation nunmehr das Hofgericht zuständig ist. Es erfolgt also jetzt eine klare Instanzentrennung.

Die LGO nennt nicht eine abschließende Zahl von Sachen, die von nun an vor den Gogerichten verhandelt werden sollen. Die beispielhafte Aufzählung in Teil 2, Art. II LGO läßt erkennen, daß die Zuständigkeit für alle denkbaren Sachen gegeben ist, für die in personeller Hinsicht die Zuständigkeit der Gogerichte begründet ist. Dies wird im übrigen auch durch Teil 1, Art. I LGO belegt, wo es heißt:

"Es soll ein jedes Gog / oder ander Gericht auffm Landt / da man Burgerlich oder Peinlich handelt/ ..."

Die Aufzählung in Teil 2, Art. II LGO ist im Kontext mit dieser Bestimmung zu sehen. Daraus ergibt sich, daß die sachliche Zuständigkeit des Gogerichts für alle bürgerlichen (rechtlichen) Sachen gegeben ist.

Es zeigt sich also, wie auch im Gang der Darstellung deutlich geworden ist, daß die LGO nicht zwischen sachlicher und persönlicher Zuständigkeit unterscheidet; es soll vielmehr eine Gerichtsbarkeit geschaffen werden, die bis auf wenige Ausnahmen — Privilegien und anderweitig begründete Zuständigkeit eines anderen Gerichts — für alle Eingesessenen des jeweiligen Gogerichts gilt.

Damit trägt die LGO der bereits in Teil 1, A. skizzierten sozialen Entwicklung Rechnung, nach der die Zuständigkeit sich in persönlicher Hinsicht mehr und mehr hin zu den Gogerichten verlagerte. Dies ist ein weiterer Beweis für die Reformwilligkeit Fürstbischofs Johannes von Hoya´s, der nicht nur die juristischen Neuerungen, sondern auch die sozialen Entwicklungen, also beispielsweise die abnehmende Anzahl von Freien und gleichzeitige Zunahme abhängiger Bauern bei seiner Gerichtsreform berücksichtigte.

Gleichzeitig berücksichtigte der Fürstbischof jedoch auch, daß ein vollständiger Bruch mit der jahrhundertealten Tradition der Gerichtspflege nicht möglich gewesen wäre. Daher verpflichtet er den Gografen oder Richter — die beiden Begriffe werden synonym verwendet — dazu,

"einmal im Jahr zu Sommers zeiten ein gemein Godingk oder Beisammenkunfft der eingesessenen solchs Gerichts offentlich von der Cantzel verkündigen und publiciren zulassen auff welchen gerürter Gograff oder Richter für sich selbst oder uff ansuchen der Partheyen die erscheinende insgemein befragen soll, wie es nach Landts gebrauch mit graben zeunen potten oder pflanzen seen mehen wegen stegen und dergleichen zuhalten Item von Mist und pflug Gerechtigkeit wie weit sich dieselbig erstrecke" ... "zuvermelden Was dann einhelliglich oder durch mehrern theil also einbracht und erklert landtbreuchlich zuseyn das soll durch den Gerichtschreiber fleissig verzeichnet und unsern Nachkommen mit aller umbstendigkeit zugeschickt werden Un[d] so wir oder sie dasselbig bestettigen würden sollen solche Landtgerichts Urtheil in ein ordnung gebracht unnd folgents für ein Landtrecht der ort publicirt und gehalten werden."

Aus diesen Sitzungen des gebotenen Godinges entstanden ebenfalls die Sandwellischen Weistümer, wie auch nach der Regelung in Teil 2, Art. I LGO.

Der Fürstbischof macht sich damit also das Wissen der ehemaligen Urteilsweiser zunutze, um das materielle Recht festzuhalten, wenngleich es sich hauptsächlich um Fragen, die mit der Landwirtschaft zusammenhängen, handelt.

Hinzu tritt der weitere Aspekt, wonach die Fülle der Gewohnheiten, nach denen Recht gesprochen wurde, nicht mehr zu überblicken war. Es ist daher das Bestreben des Landesherrn, dasjenige davon, was nach seiner Einschätzung zu einem allgemein geltendes Gesetz erhoben werden konnte, "in ein ordnung" zu bringen, indem es aufgezeichnet wurde86.

Es kam dem Fürstbischof jedoch bei diesen Terminen allein auf die bürgerlich-rechtlichen Fragen des Nachbarrechts etc. an, da er aus dem Studium des römischen Rechts die beispielsweise mit dem Kaufrecht zusammenhängenden Fragen ohnehin beantworten konnte. Zwar gab es auch im römischen Recht Antworten auf die das Nachbarrecht in der Landwirtschaft und diese betreffenden Fragen; jedoch hat der Fürstbischof richtig erkannt, daß gerade in diesem Bereich eine starke Abhängigkeit des materiellen Rechts von der jeweiligen Geographie besteht87. Es ließ sich eben nicht einfach eine für den Geltungsbereich des römischen Rechts aufgestellte Regel auf das Fürstbistum Münster übertragen; vielmehr mußte gerade hier sogar Rücksicht auf die verschiedenen bestehenden Gogerichte im Fürstbistum genommen werden, an denen sich mitunter unterschiedliche Antworten auf dieselben Fragen herausgebildet hatten.

So bleibt also die Kenntnis der Eingesessenen des Gerichts im Bereich des materiellen Rechts für dieses erhalten, während sie im Bereich des Verfahrensrechts vollkommen zugunsten einer Kodifizierung — der LGO — zurückgedrängt wird.

Es zeigt sich, daß eine starre Form gefunden werden sollte, innerhalb derer sich das sich verändernde materielle Recht artikulieren konnte, wobei die Dynamik des materiellen Rechts durch jährliches Befragen der Eingesessenen des jeweiligen Gerichts festgehalten werden konnte.

3. Das Terminsystem,

Der Begriff "Termin" bezeichnet sowohl den Zeitpunkt, an dem die jeweils hierfür vorgeschriebene Prozeßhandlung vorgenommen werden muß, als auch den Abstand zwischen den Gerichtstagen88.

Dies findet seinen Ausdruck in der Regelung des Teil 2, Art. III LGO, wo es heißt:

"Item es sollen die Citationes und Ladungen allwege peremptorié und zu fruher tagzeit doch also daß die tag unnd zeit in der Ladung bestimpt in drey Termin getheilt und kein Termin geringer als drey tag auch kein höher als neun gesetzt und mitgetheilt werde zuverstehen als da einer in neun tagen erscheinen soll daß ihme alßdann drey für den ersten drey für den andern und drey für den letzen endtlichen und Peremptorischen Termin angesetzt werden im gleichen zuhalten da einer in sieben und zwenzig tagen zuerscheinen schuldig neun für den ersten neun für den andern und neun für den letzten bestimpt werden."

Es finden also die Termine, zu denen geladen wird, im Abstand von mindestens drei, höchstens neun Tagen statt, so daß die Dauer des Rechtsstreites auf maximal siebenundzwanzig Tage beschränkt ist.

Auch findet sich hier eine Regelung, die auf die unter Nr. 1 der Mißbräuche beklagte Praxis reagiert, daß die Ladungen dem Beklagten erst am Abend vor der Verhandlung mitgeteilt werden und daß die Beklagten keine Zeit hätten, sich zur Verhandlung zu rüsten89. Desweiteren soll durch diese Regelung der LGO einer ausufernden Prozeßdauer vorgebeugt werden.

Durchbrochen wird dieser Grundsatz, daß die Prozesse in einer bestimmten, in der Ladung bereits festgelegten Zeit zu beenden seien, durch die Möglichkeit des Gerichts, zusätzliche Termine anzuberaumen.

Voraussetzung hierfür ist zunächst allgemein, daß eine Partei auf einem Termin auf neuen Vortrag nicht sofort zu antworten in der Lage ist, Teil 2, Art. XXVIII. In der Regelung, was auf den einzelnen Terminen gehandelt werden soll, finden sich die hierzu speziellen Regelungen, wie z. B. in Teil 2, Art. VII LGO. Danach darf der Beweispflichtige im dritten Termin sofort Beweis antreten, wenn die Beweismittel präsent sind; benötigt der Beweispflichtige jedoch noch Zeit, um die Beweisführung vorzubereiten, so soll ihm hierfür ein neuer Termin durch das Gericht bestimmt werden.

Es läßt sich demnach der Grundsatz der LGO erkennen, daß jeder Partei gestattet wird, sich genügend auf neue Situationen vorzubereiten, die in einem der gesetzlichen Termine auftreten können.

Andererseits enthält die LGO Verspätungsregeln, auf die bei den Verhandlungsgegenständen der einzelnen Termine noch zurückzukommen sein wird. Hier sei lediglich auf die Regelung des Teil 2, Art. XXII LGO hingewiesen, wonach eine Triplik hinsichtlich der Einwendungen gegen die Zeugen und ihre Aussagen nicht zugelassen wird.

Es erhebt sich nun allgemein die Frage, ob alle in der LGO vorgeschriebenen Termine Substantialtermine sind.

Substantialtermine sind solche, auf denen unverzichtbare Prozeßhandlungen vorgenommen werden. Der Begriff wird in der LGO selbst verwendet. Denn Teil 2, Art. XXXII LGO enthält bei der Regelung der Kostenfestsetzung die Bestimmung, daß Advocaten für Substantialtermine zwei Schillinge Münsterisch erhalten.

Die Bestimmung einzelner Termine als Substantialtermine hängt definitionsgemäß von der Frage ab, ob alle gesetzlich für einen bestimmten Termin vorgeschriebenen Prozeßhandlungen vorgenommen werden müssen, damit eine Entscheidung in der Sache möglich ist.

Im ersten Termin wird die Klage eingebracht und Sicherheit von Seiten des Klägers und auf dessen Antrag hin auch von dem Beklagten erbracht.

Der "ander", zweite, Termin ist derjenige, auf dem der Beklagte erklären muß, ob er der Klage geständig ist. Ist er der Klage geständig, so kann gegen ihn bereits ein Urteil ergehen, vergleichbar dem heute bekannten Anerkenntnisurteil. In diesem Falle gibt es keine Notwendigkeit mehr für die Durchführung der weiteren Termine. Der zweite Termin ist folglich ebenfalls ein Substantialtermin.

Hinsichtlich des dritten Termins, in dem sich die Parteien zum Beweis bereit machen sollen, indem sie ihre Beweismittel nennen, gilt ebenfalls, daß ohne Abhaltung dieses Termins eine Sachentscheidung nicht möglich wäre. Es handelt sich folglich auch um einen Substantialtermin.

Alle Folgetermine hängen davon ab, daß die auf den ersten drei Terminen vorgeschriebenen Prozeßhandlungen vorgenommen worden sind. Deshalb handelt es sich bei diesen nicht um Substantialtermine.

Nunmehr wird auch erklärlich, warum die LGO in Teil 2, Art. II LGO nur von drei Terminen spricht: die Substantialtermine bilden das "Gerüst" des Rechtsstreites als unverzichtbare Termine, die übrigen beiden Termine, deren Verhandlungsgegenstände die LGO ausdrücklich regelt, sind nicht zwingend notwendig, um eine Entscheidung in der Sache herbeizuführen. Das Ideal der LGO ist es also, daß mit Abhaltung der ersten drei Termine der Rechtsstreit erledigt werden kann.

Auf den einzelnen Terminen werden folgende Prozeßhandlungen vorgenommen:

a) Der erste Termin.

Im ersten Termin, Teil 2, Art. IV LGO, hat der Kläger die Ladung sowie die Zustellungsurkunde und die Klage einzubringen, wobei die Klage schriftlich oder mündlich — letzeres in Sachen mit einem Streitwert unter zwanzig Talern oder in privilegierten Sachen — artikuliert werden kann. Desweiteren hat ein vom Kläger Bevollmächtigter seine Vollmacht nachzuweisen.

Anschließend weist der Beklagtenvertreter seine Vollmacht nach, sofern sich der Beklagte vertreten läßt und erhält auf seinen Antrag hin eine Abschrift der Klage. Dann wird er zum nächsten Gerichtstag zugelassen, wenn er dies beantragt.

Daran schließt sich das wechselseitige Stellen einer Kaution an, wobei dies für den Kläger zwingend ist, für den Beklagten nur auf Antrag des Klägers. Es läßt sich anhand des Textes der LGO nicht klären, ob das Gericht den Antrag des Klägers, nach dem der Beklagte eine Kaution stellen soll, bescheiden muß. Die Vorschrift des Teil 2, Art. IV LGO enthält lediglich die Anordnung, daß "auf begern des Klägers" der Beklagte dies zu tun habe. Für eine Mitwirkung des Gerichts ist nichts ersichtlich.

Es ist daher davon auszugehen, daß der Rechtsgrund für die Pflicht des Beklagten, Kaution zu leisten, allein die LGO ist, die diese Pflicht unter einer aufschiebenden Bedingung statuiert. Zum Nachweis des Eintritts der Bedingung steht dem Kläger im Falle der Nichtleistung der Kaution durch den Beklagten das Gerichtsprotokoll zur Verfügung, in das alle Erklärungen der Parteien aufgenommen werden, Teil 1, Art. IV LGO.

Sinn dieser Regelung ist, wie in der LGO in Teil 2, Art. IV ausgeführt, das Verfahren zu beschleunigen. Vor Geltung der LGO wurde die Einrede um Kaution irgendwann während des Verfahrens erhoben und hat dementsprechend den weiteren Gang des Verfahrens verzögert. Die Kautionsgestellung wird daher in der LGO an den Beginn des Verfahrens gesetzt und zu einer echten Prozeßvoraussetzung für den Kläger erhoben.

Die LGO sieht Sicherheitsleistung durch Bürgschaft oder durch Eid vor. Hat der zur Sicherheitsleistung Verpflichtete im Gerichtsbezirk Grundbesitz, so ist eine Sicherheitsleistung nicht erforderlich. — Dieser Gedanke findet sich noch heute bei der Ausländersicherheit, die u.a. dann nicht zu erbringen ist, wenn der ausländische Kläger im Geltungsbereich der ZPO Grundbesitz nachweist. -

b) Der zweite Termin.

Im zweiten Termin erklärt der Beklagte, ob er "der Klage geständig" ist. Erkennt er an, so wird er — ohne klägerischen Antrag — verurteilt, wobei ihm jedoch ein Zahlungsziel oder sonstiges Ziel zur "Entrichtung" gesetzt wird. Eine Kostenentscheidung wird hier nicht getroffen.

Dieses Urteil ist nach der LGO vollstreckbar bei Nichteinhaltung des Zieles.

Erkennt der Beklagte nicht an, so hat er die "klage zu verneinen", der Wortlaut ist in Teil 2, Art. V genau vorgeschrieben. Sodann trägt der Kläger seine Klage vor, "sagt dieselbe wahr und beweißlich zu seyn", woraufhin der Beklagte seine responsiones, defensiones oder peremptoriales vorbringt.

Diese Aufzählung bringt lediglich zum Ausdruck, daß der Beklagte gehalten ist, umfassend auf die Klage zu erwidern. Er hat hierbei alle ihm zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel vorzubringen, seien es peremtorische Einreden, sei es einfaches oder qualifiziertes Bestreiten.

Auffällig ist, daß die dilatorischen Einreden hier keine Erwähnung finden. Darauf wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein.

Die Einwendungen müssen vollständig vorgebracht werden, es sei denn, daß der Beklagte von dem Bestehen dieser Einwendungen erst nach dem Termin erfährt oder diese erst nach dem Termin entstehen. Daß diese Voraussetzungen vorliegen, muß der Beklagte beeiden.

Auf jedes Vorbringen, die sogenannten Artikel, muß der Gegner sofort antworten, ob er es für wahr oder nicht wahr hält; tut er das nicht, so kann er in eine Strafe von einer Mark Münsterisch verurteilt werden und muß im nächsten Termin antworten.

Das Gericht kann den Parteien auferlegen, das iuramentum dandorum oder das iuramentum respondendorum zu leisten.

Bei dem iuramentum dandorum handelt es sich um den Eid des Klägers oder Beweisführers, durch den er bekräftigt, daß er sein Vorbringen für wahr halte und sich es zu beweisen getraue90.

Hiermit korrespondiert das iuramentum respondendorum, das den Eid des Beklagten darstellt, durch den dieser gehalten wird, nicht nur auf die Artikel und Punkte des Klägers zu antworten, sondern auch seine Artikel, wodurch er die Klage aufzuheben oder sich zu verteidigen sucht, eidlich zu bekräftigen91.

Ausgenommen von dem Inhalt des Eides sind diejenigen Artikel, auf die der jeweils Schwörende nicht antworten muß. Diese werden als unstreitig fingiert.

Wenn nun aber in dem Antworttermin die zur Antwort verpflichtete Partei nicht antworten kann, so wird ihr ein weiterer Termin zur Antwort nachgelassen, nach dessen fruchtlosem Ablauf die Artikel, auf die diese Partei hätte antworten müssen, als unstreitig behandelt werden.

Wenn sich auf diese Weise herausgestellt hat, was zwischen den Parteien streitig und was unstreitig ist, so erfolgt die sogenannten "Kriegsbefestigung" durch Ableistung des "iuramentum calumniae". Der Inhalt dieses Eides ist geregelt in Teil 2, Art. VI LGO. Leistet der Kläger diesen Eid nicht, "so ist er damit von seiner Klag gefallen". Die Klage wird sodann durch Urteil abgewiesen und dem Kläger werden die Kosten auferlegt.

Verweigert der Beklagte die Leistung des iuramentum calumniae, so wird er behandelt, als hätte er die Klage anerkannt.

c) Der dritte Termin.

Im dritten Termin antwortet zunächst der Kläger auf die Verteidigung des Beklagten und tritt Beweis für seine Behauptungen an, soweit er hierauf "gefaßt" ist, d.h., soweit er die Beweismittel präsent hat. Ist dies nicht der Fall, so wird ihm durch das Gericht ein neuer Termin zur Beweisführung gesetzt. Teil 2, Art. VII LGO.

Dieser Termin kann insgesamt viermal neu angesetzt werden, Teil 2, Art. XII LGO, wobei beim vierten Male der Beweisführer — diese Vorschriften gelten selbstverständlich nicht nur für die klägerische, sondern auch für die Beweisführung des Beklagten — den Eid schwören muß, keine Kenntnis von den zu erwartenden Zeugenaussagen zu haben.

Die Kosten für die Zeugen hat der Beweisführer zu tragen, ihre Kosten werden durch das Gericht geschätzt, Teil 2, Art. XIII LGO.

Wenn nun der Beweisführer — ob Kläger oder Beklagter — seinen Beweis durch Zeugen führen will, so soll er die Zeugen schriftlich auf einen bestimmten Tag laden, diese Ladung dem Beklagten bzw. dem Gegner bekannt geben, der wiederum seine Interrogatoria beilegen soll. Die Ladungsfrist beträgt mindestens vierzehn Tage. Damit wird, so der Text der LGO, der Mißbrauch abgeschafft, daß im selben Termin der Beweis des Gegenteiles geführt wird, ohne daß dies vorher vorgetragen wurde.

Für die Nichtbeachtung der oben genannten Regelung hat derjenige, der sie verletzt, eine Strafe zu zahlen und der Richter, der diese Verfahrensweise zuläßt, hat ebenfalls eine Strafe zu zahlen.

Die Einwendungen einer Partei gegen die Zeugen der anderen Partei sind vor der Ablegung des Eides durch die jeweiligen Zeugen einzubringen, oder aber der Einwendende muß sich die Anfechtung der Aussage dieses Zeugen vorbehalten.

Bleibt eine Partei in einem Termin, in dem ein Zeuge der anderen Partei vernommen wird, trotz Ladung aus, so soll der Zeuge dennoch vernommen werden.

Die Zeugen sind ausführlich von dem Richter über ihre Wahrheitspflicht zu belehren und darüber, daß sie bei falscher Aussage die Allmacht Gottes lästern würden. Desweiteren sollen den Zeugen ihre Aussagen vorgelesen werden, damit sie diese notfalls korrigieren können.

Die Zeugenbefragung ist in Teil 2, Art. IX LGO geregelt. Sie wird durch den Richter vorgenommen und erst im Anschluß an die Befragung erhalten die Parteien das Fragerecht.

Der Richter hat nach den einzelnen Behauptungen, zu denen der Zeuge gehört werden soll, vorzugehen. Zuvor jedoch hat er ihm einige Fragen zu stellen, die in Teil 2, Art. IX LGO aufgeführt sind:
  • - wie alt der Zeuge sei
  • - ob er in kaiserlicher Acht stehe
  • - ob er mit der Partei, die ihn benannt hat, versippt, verschwägert oder sonst verwandt sei
  • - ob ihm für seine Aussage eine Belohnung angeboten worden sei
  • - ob er von dem Gewinn des Prozesses durch die Partei, die ihn benannt hat, Vorteile habe
  • - ob er einer Partei mehr zugetan sei als der anderen
  • - ob ihm irgendjemand gesagt habe, welche Aussage er machen solle
  • - ob er seine Aussage mit den anderen Zeuge abgestimmt habe

Weitere Fragen, "als die zu der Zeugen schandt und verleumbdung gereichen und zu der sachen dannoch nichts thun" sind nicht erlaubt.

Anschließend wird der Zeuge zur Sache befragt, wobei er anzugeben hat, was er weiß und woher er dies weiß. Die Zeugenaussagen sind nicht öffentlich. Auch eine Vertretung von mehreren Zeugen durch einen ist nicht erlaubt.

Der Zeuge wird, wenn er trotz Ladung ausbleibt, in eine Strafe von zehn Goldgulden verurteilt, von denen fünf dem Gericht und fünf der Partei, die den Zeugen benannt hat, zustehen, Teil 2, Art. X LGO. Erscheint der Zeuge dann noch immer nicht, so kann das Gericht eine härtere Strafe festsetzen. Voraussetzung ist allerdings, daß die beweisführende Partei das Gericht zu weiteren Maßnahmen anhält, den Zeugen zu laden, um ihr Interesse an dessen Aussage zu dokumentieren. Eine Entschuldigungsmöglichkeit für das Ausbleiben mit der Folge, daß eine Geldstrafe gegen den Zeugen nicht festgesetzt wird, sieht die LGO nicht vor. Man wird jedoch hier die Vorschriften über das Versäumnisverfahren und die dort vorgesehenen Entschuldigungsmöglichkeiten entsprechend anwenden müssen.

Diese Regeln gelten für alle Zeugen, die Gerichtseingesessene des erkennenden Gerichts sind. Hinsichtlich Zeugen, die außerhalb des Gerichtsbezirkes wohnen, erfolgt die Vernehmung nach den oben genannten Regeln durch das für ihren Wohnsitz zuständige Gericht. Erforderlich hierfür ist die Anzeige des Beweisführers, daß der Zeuge außerhalb des Gerichtsbezirkes wohnt und eine Bitte um Vernehmung durch den zuständigen Richter. Teil 2, Art. XI LGO.

Zeugenaussagen können nicht vor der litis contestatio aufgenommen werden. Dieser Grundsatz erfährt in Teil 2, Art. XVI LGO eine Durchbrechung: wenn nämlich die Befürchtung besteht, daß Zeugen vor dem Gerichtstermin, in dem sie aussagen müßten, versterben werden, oder daß sie sich an ihre Aussage in diesem Termin nicht mehr erinnern würden, so können diese Zeugen schon vor der litis contestatio vernommen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein Antrag des "begerendes theils" und die Möglichkeit des anderen Teiles zur Stellungnahme und Teilnahme an dieser Vernehmung. Hier hat sich die in Teil 1 erörterte Bekümmerung in Bezug auf die Sicherung von Beweismitteln erhalten.

Für den Kläger behalten solche Aussagen ein Jahr lang Gültigkeit, danach sind sie nicht mehr als Beweis zulässig. Für den Beklagten jedoch bleiben diese Aussagen "für und für in krefften", da es nicht von ihm abhängt, wann der Kläger gegen ihn vorgeht. Wenn der Beklagte aufgrund dieser Aussagen gegen den Kläger vorgehen will, so gilt auch für ihn die Einjahresfrist. Dies ist nach heutiger Lesart also eine Art Beweissicherungsverfahren.

Der Urkundenbeweis ist dadurch zu führen, daß die entsprechende Urkunde bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, d.h. bis zum Beschluß der Sache, eingebracht wird. Ein Unterschied zwischen Privaturkunde und öffentlicher Urkunde wird hinsichtlich der Beweiskraft nicht gemacht. Der Gegner hat ein Einsichtsrecht und muß bei Einsichtnahme Einwendungen gegen die Echtheit oder Form der Urkunde vorbringen. Der Gegenpartei sind auf ihr Verlangen Abschriften der jeweiligen Urkunde zu fertigen, wofür der Gerichtsschreiber zuständig ist, Teil 2, Art. XIV LGO.

Will eine Partei den Beweis mit Hilfe einer Urkunde führen, die sich im Besitze der anderen Partei befindet, so wird der Urkundenbeweis durch Vorlage durch den Gegner angetreten, wobei bei umfangreichen Urkunden, die unter anderem Dinge enthalten, die für den Rechtsstreit ohne Belang sind, der Gerichtsschreiber nur die wichtigen "Artikel" kopieren soll. Diese Abschrift steht dem Original gleich, Teil 2, Art. XV LGO.

Der Beweis durch Augenschein ist, Teil 2, Art. XVII LGO, nicht durch eine Partei anzutreten; vielmehr entscheidet allein der Richter darüber, ob dieser Beweis eingeholt wird, und zwar vor und nach Beschluß der Sache. Das heißt nichts anderes, als daß im Beschluß der Sache nicht notwendig ein den Rechtsstreit beendendes Urteil ergehen muß, sondern das Gericht kann auch eine Beweisaufnahme durch Augenscheinseinnahme anordnen. Hierzu sind die Parteien zu laden.

d) Der vierte Termin.

Auf dem vierten Termin wird über das Beweisergebnis verhandelt. Die Parteien haben zuvor Abschriften der Protokolle der Zeugenaussagen und der Urkunden erhalten und können im daraufhin vom Gericht angesetzten Termin "dagegen handeln", Teil 2, Art. XVIII LGO.

Gehört wird die Partei nur mit Einreden gegen die Zeugenpersonen, das sind die eigenen Zeugen sowie die des Gegners. Der Text spricht hier lediglich davon, daß eine Partei sich ausbedungen habe, "wider der Zeugen personen zu excipieren und Einrede zuthun". Gemeint ist vor Eröffnung der Zeugenaussage tatsächlich nur der Vortrag zur Glaubwürdigkeit des Zeugen. Denn die Einwendungen gegen die Aussagen der Zeugen sollen erst nach Eröffnung ihrer Aussagen vorgebracht werden, Teil 2, Art. XIX, XX LGO.

Die Partei, welche solche Einwendungen vorbringen will, muß sich diese jedoch vorbehalten haben, Teil 2, Art. XIX i.V.m. Teil 2, Art. VII LGO. Hat sie sich dies nicht vorbehalten und auch nicht vor der Zeugenaussage protestiert, so ist ihr diese Einwendung nunmehr abgeschnitten. Allenfalls kann die Partei einen Eid schwören, daß sie diese Einwendung nicht "arger gefehrlicher boshafftiger weiß fürgenommen hab".

Gegen die Urkunden ist sowohl der Beweis ihrer Formmangelhaftigkeit als auch ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit zulässig.

Im vierten Termin werden in der Sache keine neuen Zeugen zugelassen. Neue Zeugen können allenfalls zum Beweis der Einwendungen gegen die bereits gehörten Zeugen benannt werden, die sogenannten "reprobatorii probatoriorum". Gegen diese Zeugen können wiederum Zeugen benannt werden, die ebenfalls nur zu Einwendungen gegen deren Person gehört werden und die "reprobatorii reprobatoriorum" heißen. Weitere Zeugen werden nicht zugelassen.

Lediglich das Gericht kann die vorher gehörten Zeugen noch einmal vernehmen, wenn es dies für notwendig ansieht, oder aber die Protokolle der Zeugenaussagen verloren gegangen sind und dies der Richter und der Gerichtsschreiber mit ihrem Eid gegenüber den Schöffen bestätigen, Teil 2, Art. XX LGO.

e) Der fünfte Termin.

Im fünften Termin, bei dem es sich um denjenigen handelt, den das Gericht auf dem vierten Termin zur Verhandlung über die Einreden gegen die Zeugenpersonen angesetzt hat, werden nun die oben unter d) beschriebenen Handlungen vorgenommen, d.h. es wird über die bisherige Beweisaufnahme mit allen zuvor beschriebenen Möglichkeiten verhandelt.

Zunächst bringen die Parteien ihre Einwendungen vor, daraufhin wird auf einem neuen Termin — dem nächsten Gerichtstag — repliziert und alsdann auf einem weiteren Termin dupliziert. Weiteres wird schriftlich verhandelt. Wird danach eine weitere Beweisaufnahme notwendig, so soll nach der LGO verfahren werden.

f) Der letzte Termin.

Im letzten Termin, Teil 2, Art. XXII LGO, beantragen die Parteien den Erlaß einer Entscheidung und wiederholen ihren gesamten Vortrag in der Formel:

"In sachen N. wider N. sag ich wider gegentheils N. schrifft oder fürbringen gemeine Einrede Repetir und erhole dagegen mein einbracht notturfft und alle geübte dienstliche handlung Bitte zuerkennen wie durch mich allenthalben gebetten und setze die sach zu erkenntnuß"

Will eine Partei nicht verhandeln, so nimmt das Gericht die Sache zur Entscheidung von Amts wegen an. Weiteres Vorbringen wird den Parteien verboten.

Neuer Vortrag ist nur noch unter der Voraussetzung möglich, daß dieser "auß rechtmessigen gegrundten ursachen beschehen unnd er mit seinem Eydt beteuren möchte daß er solchs nit gefehrlicher oder verzuglicher weiß begert sonder erst nach dem Beschluß solchs erfahren und darfür kein wissens davon gehabt".

Es ergibt sich somit ein vollständiges Bild von dem Ablauf eines Rechtsstreites. Nunmehr kann das Urteil verkündet werden.

4. Der Eventualgrundsatz.

Die LGO von 1571 bietet vielfache Anhaltspunkte für den Verfahrensgrundsatz der Eventualmaxime. Dabei werden die Parteien gezwungen, zur Vermeidung der Präklusion ihren gesamten Vortrag einschließlich aller Eventualitäten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einzubringen.

Grundsatz bei der Eventualmaxime ist es, zunächst zwischen konkurrierenden und solchen Parteihandlungen zu unterscheiden, die in einem Bedingungsverhältnis zueinander stehen92.

Klage und Beweis der Klagetatsachen sind z.B. Handlungen, die nur sukzessive vorgenommen werden können, daher also nicht miteinander konkurrieren. Dagegen sind konkurrierende Prozeßhandlungen z.B. Bestreiten der Klagetatsachen und Erhebung von Sacheinwendungen. Solche Handlungen sind auf derselben Prozeßstufe — bzw. in demselben Termin — vorzunehmen93.

Die Eventualmaxime bedeutet, daß die konkurrierenden Parteihandlungen nicht sukzessive, sondern auf einmal vorgebracht werden müssen, um der Gefahr der Prozeßverschleppung vorzubeugen. Dadurch wird eine Zweiteilung des Prozesses erreicht, wobei im ersten Teil die Tatsachen erörtert werden und im zweiten Teil das Beweisverfahren stattfindet94. Weiteres Kennzeichen der Eventualmaxime ist es, daß die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen einzelne Verfahrensabschnitte, besonders Beweisurteile, einzulegen, stark eingeschränkt wird95.

Die Eventualmaxime hat ihren Ursprung im altdeutschen Prozeß, wie er im ersten Teil der vorliegenden Arbeit dargestellt wurde. Dort wurde bekanntlich durch ständiges Urteilfragen und Urteilen der Prozeß vorangetrieben. Jeder dadurch geschaffene Abschnitt des Prozesses war damit durch die Präklusion der in diesem Abschnitt vorzunehmenden Prozeßhandlungen für den folgenden Abschnitt gekennzeichnet96. Auf jeder Prozeßstufe mußten folglich alle dort zulässigen Handlungen vorgenommen werden, anderenfalls die Partei damit im folgenden Abschnitt ausgeschlossen war. Dies führte somit zu einer Konzentration des Parteivorbringens für jeden einzelnen Verfahrensabschnitt, wobei kraft Natur der Sache die Parteien gezwungen waren, ihr Vorbringen auf alle Eventualitäten des gegnerischen Vortrages abzustimmen.

Die Eventualmaxime wurde jedoch erst durch die Reichsgesetzgebung kodifiziert und weiterentwickelt97. Das äußerst schleppende Verfahren altdeutscher Prägung, das gegen jedes Urteil, durch das der Prozeß eigentlich vorangetrieben werden sollte, die Appellation zuließ, bedurfte dringend der Straffung. Hierbei ging die Reichsgesetzgebung nicht den Weg des römischen antiken Rechts der Prozeßverjährung98, sondern stellte die konsequente Durchführung der Eventualmaxime und eine neue Einteilung des Prozesses in nur noch zwei Teile in den Vordergrund.

Hier zeigt sich, daß in dieser Beziehung das römische Recht keinen Einfluß auf die LGO ausgeübt hat. Denn die Beibehaltung der Trennung des Verfahrens in einen Abschnit, in welchem der Streitstoff festgestellt wird und einen, in dem die Beweise erbracht werden, ist dem römischen Recht fremd99. Zwar war der Rechtsstreit aufgeteilt in ein Verfahren vor dem Magistrat und eines vor dem privatus judex, wobei der Magistrat den Rechtssatz bekanntgab, der im zu entscheidenden Fall zur Anwendung kommen sollte und der privatus judex die Tatsachen feststellte und die Rechtsanwendung vornahm; jedoch weicht im antiken römischen Recht diese Aufteilung mit der ordo judiciorum privatorum einem einheitlichen Verfahren, in dem für jede Behauptung sofort zum Beweis geschritten wurde100. Es bildete sich nunmehr ein Instanzenzug heraus, wobei in zweiter Instanz eine vollständige neue Verhandlung stattfand und von daher auch nur die Appellation gegen Endurteile gestattet war101.

Die Einführung der Eventualmaxime in der LGO steht also für eine deutschrechtliche Tradition in der LGO.

Nach der vorausgegangenen Schilderung des Terminsystems, so wie es die LGO vorsieht, erschließen sich Art und Weise der Durchführung der Eventualmaxime. Allein die Termine und ihre feste Abgrenzung des jeweils abzuhandelnden Prozeßstoffes bilden für sich einen Anhaltspunkt dafür, daß die Eventualmaxime ihren Eingang in die LGO gefunden hat, wobei dies allein jedoch vornehmlich auf die Tradition des altdeutschen Prozesses zurückzuführen ist. Mit ihrer Einführung sollte der Prozeßverschleppung vorgebeugt werden, welche die beamtlichen Berichte unter mehreren Ziffern, z.B. Ziff. 8,9,10, monieren. Folgerichtig finden sich an allgemeiner Stelle, aber auch in den Vorschriften zu den einzelnen Terminen, Regelungen über die Art und Weise des Vortrages des Prozeßstoffes sowie Verspätungsregeln. Teilweise wurde hierauf bereits bei der Darstellung dessen, was auf den einzelnen Terminen gehandelt werden soll, eingegangen.

Die allgemeinste und zugleich wichtigste Vorschrift findet sich in Teil 2, Art. XXIV LGO, wo geregelt wird, was dilatorische und peremptorische exceptiones und wann sie vorzubringen sind.

Die LGO zählt die exceptiones dilatoriae auf, wobei jedoch nicht sämtliche nach römischem Recht bekannten erfaßt sind. Die Formulierung "Dilatoriae oder verzügliche Exceptiones seind als da wider ..." erweckt zunächst den Anschein der abschließenden Aufzählung. In der später erfolgten Formulierung "Damit nu in darthuung solcher Exceptione ..." kommt hingegen zum Ausdruck, daß es sich lediglich um Beispiele, nach Ansicht der Verfasser der LGO offensichtlich um die wichtigsten, handelt. Denn anders ist das Wort "solcher" nicht zu verstehen, als daß es Raum für die Erhebung weiterer, im Text der LGO nicht aufgezählter exceptiones dilatoriae läßt.

Insbesondere zählt die LGO die folgenden exceptiones dilatoriae auf:
  • - Befangenheit der Richter
  • - Einwand der fehlenden Prozeßfähigkeit der Partei wegen Minderjährigkeit oder Entmündigung
  • - Einwand der fehlenden Prozeßfähigkeit wegen Verhängung der kais. Acht
  • - Einwand der fehlenden Kautionsstellung
  • - Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit derselben Sache
  • - Einwand der Ungeschicktheit, Unförmlichkeit und Unschlüssigkeit der Klage.

Die Übertragung der heutigen Begrifflichkeiten auf die in der LGO verwendeten Institutsbezeichnungen ist durchaus vertretbar, da dem Sinne nach genau das gemeint wurde, was auch heute noch unter den verwendeten Begriffen verstanden wird.

Es fehlen sämtliche materiellen exceptiones dilatoriae, wobei jedoch berücksichtigt werden muß, daß sich die LGO nur mit der Regelung des Verfahrensrechtes beschäftigt und insofern auch nur die sich auf das Verfahren beziehenden exceptiones dilatoriae nennt. Dilatorische Einreden sind folglich nur solche, bei deren Geltendmachung sich aus formellen Gründen die Einlassung auf den Klaggrund erübrigt102.

Wie bereits oben gesehen, wird das materielle Recht als bekannt vorausgesetzt, sei es, daß es bereits aufgezeichnet ist, sei es, daß es auf einem Goding erfragt, dann aufgeschrieben, in eine Ordnung gebracht und schließlich nach Prüfung vom Landesherrn bestätigt wird, wie es in Teil 2, Art. II LGO vorgesehen ist.

Die LGO zählt die exceptiones peremptoriae nicht auf, sondern ordnet sie allein dem materiellen Recht zu und damit der Frage nach der Begründetheit der jeweiligen Klage, wenn es heißt:

"Peremptoriae Exceptiones seind die Einreden oder außzüge einer geurtheilten oder vortragenen sachen Item der außzug wider betrug unnd die Exception eines gedinges dasjenig nit zuforderen darumb Gerichtlich geklagt ist"

Wenn es weiter heißt, "Diese und der gleichen entliche unnd außleschliche Exceptiones...", so wird deutlich, daß die oben zitierte Aufzählung allein als Beispiel dient. Peremtorische Einreden betreffen allein die Begründetheit der Klage, weshalb für diese in der LGO allein der Zeipunkt ihres Vorbringens geregelt wird.

Es zeigt sich jedoch, daß bei genauer dogmatischer Unterscheidung der exceptiones dilatoriae und peremtoriae beispielsweise der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht den dilatorischen, sondern den peremtorischen Einreden zuzuordnen ist103. Nach der Einordnung dieser Einrede in die Gruppe der dilatorischen Einreden durch die LGO beendet die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit den Prozeß nicht wegen Unzulässigkeit, sondern hemmt lediglich seinen Ablauf. Diese Entscheidung der Verfasser der LGO findet ihre Stütze in der weiteren Bestimmung des Teil 2, Art. XXIV, wo es heißt:

"Und werden under diesen Peremptorischen Exceptionen etliche gefunden die man zu Latein Litis finitae nennt die haben diese art unnd freyheit daß sie für der kriegsbefestigung als andere außleschliche einreden die hauptsach damit gentzlich abzuschneiden fürgewendt werden Als da einer uber geurtheilte vertragene und fürhin geendigt sachen von neuwem beklagt würde."

Diese Regelung bezieht sich ausschließlich auf die Wirkung der peremtorischen Einreden, nicht jedoch auf die dilatorischen. Der letzte Teil dieser Bestimmung hat nur vergleichenden Charakter und betrifft im übrigen auch nur die Fälle, daß die Sache anderweitig schon beendet ist, nämlich entweder durch Urteil oder anderweitig. Nicht erfaßt ist folglich der Fall der anderweitigen Rechtshängigkeit, so daß aus der Gesamtschau des Teil 2, Art. XXIV LGO geschlossen werden muß, daß die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit den Prozeß nicht beendete, sondern nur unterbrach.

Es findet sich jedoch keinerlei Regelung darüber, wie ein solcher Prozeß später fortzusetzen ist, wenn in dem Parallelprozeß eine Entscheidung getroffen wurde. Jedoch stünde bei Vorliegen der anderweitigen Entscheidung dem nunmehr fortzuführenden Prozeß der peremtorische Einwand entgegen, daß in der Sache bereits anders entschieden worden sei, so daß es letztlich bei dem Ergebnis verblieb, daß der spätere Prozeß wegen anderweitiger Rechtshängigkeit ohne weitere Verhandlung in der Sache beendet wurde. Diese Wirkung trat nach der LGO jedoch nicht bereits mit der Feststellung der anderweitigen Rechtshängigkeit ein, sondern erst mit der Entscheidung im Parallelprozeß. Es zeigt sich, daß die LGO auch insoweit ein stimmiges Gesamtsystem für das Verfahrensrecht darstellt.

Die Bestimmung des Teil 2, Art. XXIV LGO enthält nun klare Regeln dafür, wann die oben genannten Einwendungen vorgebracht werden müssen und welche Folgen sich an die Verspätung knüpfen.

Teil 2, Art. XXIV LGO bestimmt hierzu:

"Damit nu in in darthuung solcher Exception kein verzug der sachen bößlich und gefährlich gesucht sollen dieselb nit für und für sonder allein für der kriegsbefestigung und auff den ersten Termin so viel man deren gebrauchen will eins mals zugleich fürbracht und die Partheyen hernacher damit nit weitere zugelassen oder gehört werden."

Gleiches gilt nach den weiteren Regelungen in Teil 2, Art. XXIV LGO für die exceptiones peremptoriae.

Dies ist eine Präklusionsklausel, die keinerlei Ausnahmen duldet. Es wird nicht einmal die Entschuldigung zugelassen, daß einer Partei das Bestehen einer Einrede erst nach der litis contestatio bekannt wird. Weiter wird der Beklagte, dem das Gericht eine dilatorische Einrede aberkennt, nicht nur in die bis dahin durch Erhebung der Einrede aufgelaufenen Gerichtskosten, sondern auch in eine Geldstrafe verurteilt, die das Gericht nach seinem Ermessen festsetzt.

An diesen Merkmalen zeigt sich, daß die LGO die Eventualmaxime streng durchführt. Sie tut dies bezeichnenderweise an derjenigen Stelle, an der die Parteien den Prozeß am meisten fördern oder verschleppen können: sie können ihn fördern durch Erhebung einer peremtorischen Einrede, die den Prozeß sofort ohne weitere Verhandlung beendet; sie können ihn verschleppen, indem dilatorische Einreden nach und nach während des Prozesses vorgebracht werden.

Einer solchen Taktik schiebt Teil 2, Art. XXIV LGO einen Riegel vor, indem nach der Kriegsbefestigung eine Partei mit dilatorischen und peremtorischen Einreden nicht mehr gehört wird.

Die Strenge der Regelung wird nur dadurch abgemildert, daß die LGO an gleicher Stelle dem Kläger die Möglichkeit zur Verneinung und bei Erheblichkeit dem Beklagten zum Beweis gibt. Wenn der Kläger repliziert, so soll er dies auf dem nächsten Gerichtstag ausführen und der Beklagte hiergegen auf dem darauf folgenden Gerichtstag duplizieren dürfen. Anschließend wird in der Sache beschlossen und gegebenenfalls dem Replikanten der Beweis seiner Replik zugelassen. Weiterer Vortrag wird nicht zugelassen.

Über die exceptiones dilatoriae findet ein Zwischenstreit zwischen den Parteien statt, wofür Teil 2, Art. XXIV LGO vorsieht, daß hierüber nicht weiter als bis zur Replik vorgetragen wird. Über diese Einreden wird gesondert von den klagebegründenden Tatsachen und den materiellen Einwendungen des Beklagten Beweis erhoben, da bei Beweis einer dilatorischen Einrede über den materiellen Anspruch im Moment nicht mehr entschieden zu werden braucht, wie oben bereits festgehalten. Das Verfahren wird teilweise begriffen als ein gesonderter Abschnitt des gesamten Rechtsstreites; berücksichtigt man, daß die Parteien gezwungen sind, gleichzeitig ihre exceptiones dilatoriae und die Geschichtserzählung vorzubringen, woraufhin dann der erste Verfahrensabschnitt durch ein Beweisurteil abgeschlossen wird, so kann man hier nur von einem einheitlichen Verfahrensabschnitt sprechen.

Planck104 spricht von einer verdeckten Beibehaltung der alten Dreiteilung. Er nennt als Grund hierfür das Bestreben der Particulargesetzgebung, sich nicht in Widerspruch zur Reichsgesetzgebung zu setzen, die in der RKGO auf die Dreiteilung des Verfahrens setzte.

In der LGO läßt sich jedoch nach den bisherigen Ausführungen erkennen, daß alle Behauptungen, sowohl die die Geschichtserzählung betreffenden als auch die die exceptiones betreffenden, bis zu dem Zeitpunkt vorgebracht werden mußten, an dem das Beweisurteil verkündet wurde. Weiter ist ausdrücklich keine Regelung darüber getroffen, daß noch ein besonderes Verfahren über die exceptiones dilatoriae stattfinden sollte. Es ist vielmehr erkennbar, daß die Verhandlung hierüber nur auf Antrag einer Partei gesondert von dem übrigen Streitstoff erfolgen konnte, Teil 2, Art. XXIV LGO. Darin wird ausdrücklich angeordnet, daß diese exceptiones bereits auf dem ersten Termin vorgebracht werden sollten, "damit nu in darthuung solcher Exception kein verzug der sachen bößlich und gefährlich gesucht". Die LGO mag hierin der Reichsgesetzgebung Widersprechendes festlegen; es ist jedoch allgemein festzuhalten, daß die LGO sich nicht einseitig entweder der altdeutschen Tradition der Rechtspflege anschließt, wie dies etwa in der Chursächsischen Oberhofgerichtsordung und in den dazugehörigen Constitutionen von 1572 geschehen ist, oder aber der rein römischrechtlich orientierten RKGO von 1555. DIe LGO sucht vielmehr in ihrer Konzeption wie in einzelnen Fragen einen Mittelweg zwischen Tradition und römischem Recht, wie dies bisher schon mehrfach angeklungen ist. Daß eine vermittelnde Lösung im oben dargestellten Sinne denn auch eher im Interesse einer vernünftigen und für die Bevölkerung wie für die berufsmäßigen Rechtsanwender verständlichen Neuregelung lag, verkennt auch Planck nicht105, wenn er bekennt, daß in Fällen, in denen streng der einen oder anderen Richtung nachgeeifert wurde, schon bald eine Reformation erforderlich wurde, wobei die Elemente der jeweils anderen Richtung wiederum Berücksichtigung fanden, z.B. im Falle der Cölner Gerichtsordnung von 1538106.

Von daher erstaunt es nicht, daß auch in der Konzeption des Prozesses eine Abweichung von der im übrigen von den Particularrechtsordnungen eingehaltenen Linie besteht.

Über die peremtorischen Einreden hingegen wird zusammen mit den Klageartikeln Beweis erhoben, da diese Einwendungen gegen die Begründetheit der Klage darstellen.

Die Parteien haben also die Möglichkeit und gleichzeitig die Pflicht, bereits in diesem Verfahrensabschnitt den Prozeßstoff so weit aufzubereiten, daß die dilatorischen und peremtorischen Einreden sowie der dazugehörende Tatsachenvortrag deutlich werden. Dies dient unzweifelhaft dem Zweck, bereits bei der litis contestatio festgestellt zu haben, ob dem weiteren Verfahren ein hemmendes Hindernis entgegensteht, oder ob es bereits jetzt entscheidungsreif ist. Diese Regelung dient also der Beschleunigung der Prozesse.

Es zeigt sich nun, daß die LGO vordringlich das Ziel verfolgt, das Verfahren zu straffen und daß sie folgerichtig den Parteien aufgibt, den Prozeßstoff so früh wie möglich vollständig vorzutragen, damit für das Gericht deutlich wird, ob der Prozeß gehemmt, sofort beendet, oder ob er in das Beweisverfahren übergeht. Die strikte Durchführung der Eventualmaxime in der eingangs erläuterten Definition wird zur Erreichung dieses Zieles eingesetzt. Sie ist damit wesentlicher Verfahrensgrundsatz.

Hinzuweisen ist hier noch auf die Bestimmung des Teil 2, Art. XXVIII LGO, wonach das Gericht nach seinem Ermessen Fristverlängerungen gewähren kann, wenn die jeweils Fristverlängerung begehrende Partei entschuldigt nicht unmittelbar vortragen kann. Allerdings ist nur die Anberaumung eines weiteren Termines möglich, weitere Fristverlängerungen sind nicht statthaft.

Die Eventualmaxime zeigt sich zwar nirgendwo so deutlich wie in der Bestimmung des Teil 2, Art. XXIV LGO, findet sich jedoch auch in den einzelnen Terminregelungen. Die eben erörterte Regelung betraf die Frage, wie ab der litis contestatio weiter verfahren wird; die Präklusionsvorschriften innerhalb der Regelungen dessen, was auf den einzelnen Terminen gehandelt werden soll, sind Ausdruck des Bemühens um eine Straffung des jeweils abzuhandelnden Prozeßstoffes.

In Teil 2, Art. V LGO wird der Beklagte verpflichtet, seine responsiones, defensiones oder peremtoriales vollständig vorzubringen, wie bereits oben unter B II 2 b) dargestellt. Auch hier wird er mit späterem Vortrag nicht mehr gehört, allerdings mit der Ausnahme, daß er durch Eid nachweist, er habe von dem Bestehen seiner Einwendungen erst nach dem zweiten Termin erfahren.

Als weitere Präklusion sieht Teil 2, Art. V LGO vor, daß Artikel, auf die der Antworter im ihm gesetzten Antworttermin nicht antwortet, als unstreitig angesehen werden.

Auch diese Vorschriften dienen der Prozeßbeförderung.

Im übrigen kann für die weiteren Präklusionsvorschriften auf die Erörterungen des Inhaltes der Termine unter B II 2 verwiesen werden.

So befassen sich die weiteren Artikel, die die Termine drei bis fünf betreffen, mit dem Beweisverfahren und dem Beschluß der Sache. Die dort genannten Präklusionsvorschriften dienen dem Zweck, das Beweisverfahren zu straffen. Sie lassen die Pflicht der Parteien erkennen, den Prozeß zu fördern, insbesondere wenn in Teil 2, Art. XII LGO dem Beweisführer viermal ein neuer Termin zur "Zeugenführung" gesetzt wird unter der Voraussetzung, daß er "auß ehehafften ursachen in solchem angesetzen [sic] Termin an volnführung seiner beweisung were verhindert". Für die vierte Dilation ist es sogar erforderlich, daß der Beweisführer schwört, er habe keine Kenntnis von der zu erwartenden Zeugenaussage erhalten, und, er begehre die Dilation nicht aus Betrug, Arglist, sondern zur Vollendung seiner Beweisführung. Damit werden die Parteien sogar durch ihren Eid auf die Prozeßförderung verpflichtet.

In den Regelungen für die einzelnen Termine findet sich die eingangs erörterte Tradition des altdeutschen Prozesses insofern wieder, als die Durchführung der Eventualmaxime sich nicht nur auf die durch sie geschaffenen zwei großen Verfahrensabschnitte bezieht, sondern auch auf die Verhandlungsgegenstände der einzelnen Termine. Es kann also festgehalten werden, daß die LGO keinen vollständigen Bruch mit den hergebrachten Verfahrensgrundsätzen statuiert, sondern diese aufnimmt und weiterentwickelt. Damit befindet sich die LGO in der deutschrechtlichen Tradition und trägt gleichzeitig den Entwicklungen ihrer Entstehungszeit Rechnung.

Was den oben genannten zweiten Aspekt der Eventualmaxime betrifft, nämlich die Verkürzung der Möglichkeiten, einzelne Verfahrensabschnitte mit einem Rechtsmittel anzugreifen, so ist auf die Vorschriften der Hofgerichtsordnung hinzuweisen, die im Grundsatz das gleiche Prozeßverfahren wie vor den Gogerichten vorsehen; die Hofgerichtsordnung enthält die einschlägigen Vorschriften darüber, wie die Appellation durchzuführen ist. Die LGO verweist auf diese Vorschriften in Teil 2, Art. II, XXX LGO, enthält jedoch auch selbst Vorschriften über das Appellationsverfahren. Diese betreffen die Zulässigkeit der Appellation.

Teil 2, Art. XXX LGO bestimmt zu der Frage, inwieweit einzelne gerichtliche Entscheidungen mit der Appellation anfechtbar sind:

"Es mag von Endturtheiln auch Bescheidt und Gerichtlichen beschwerungen so durch die Appellation von der Endturtheil in der hauptsachen nit reparirt oder wider herbey geberacht [sic]werden mögen Appellirt werden".

Entscheidendes Kriterium der Zulässigkeit einer Appellation gegen eine andere einen Verfahrensabschnitt abschließende Entscheidung als ein Endurteil ist folglich, ob diese Entscheidung bei der Appellation gegen das Endurteil ebenfalls Gegenstand der Entscheidung in zweiter Instanz ist.

Der Umfang der Nachprüfung einer erstinstanzlichen Entscheidung ist nunmehr in Teil 2, Art. XXXV HofGO geregelt. Es wird in zweiter Instanz nämlich das gesamte Vorbringen erster Instanz eingebracht und es muß nicht notwendig neues Vorbringen erfolgen. Für beide Fälle, nämlich daß in der Appellationsinstanz neuer Vortrag erfolgt oder daß lediglich der gesamte erstinstanzliche Vortrag wiederholt wird, ist eine bestimmte Entscheidung, nämlich ein Endurteil oder ein Beweisverfahren vorgesehen. Das bedeutet jedoch, daß damit grundsätzlich jede Entscheidung des Gerichtes erster Instanz, die einem Endurteil vorausgegangen ist und das Verfahren nicht — wie etwa ein Anerkenntnisurteil — vorzeitig abgeschlossen hat, nicht selbständig anfechtbar ist. Ob und welche Ausnahmen dieser Grundsatz erfährt, wird erst bei Darstellung des Appellationsrechts zu behandeln sein.

Die LGO im Zusammenhang mit der Hofgerichtsordnung schränkt also die Möglichkeiten, einzelne Verfahrensabschnitte mit einem Rechtsmittel anzugreifen, drastisch ein. Auch dieser Aspekt ist wesentliches Kennzeichen der Eventualmaxime. Eine Überprüfung des erstinstanzlichen Verfahrens findet allenfalls durch Einlegung der Appellation statt.

Die LGO löst das Problem der Straffung des Verfahrens durch Weiterentwicklung und konsequente Durchführung der Eventualmaxime und im weiteren Verfahren durch vielfache Präklusionsvorschriften. Desweiteren wird das Verfahren gestrafft durch Verkürzung der Appellationsmöglichkeiten, indem lediglich eine Anfechtung des Endurteiles mit der Appellation zugelassen wird, in deren Rahmen sodann das gesamte Verfahren erster Instanz übergeprüft werden kann.

Allerdings ist das System von fünf Terminen nur ein Gerüst, an dem sich der Ablauf des Prozesses zu orientieren hat. Denn durch die Vielzahl von Vorschriften, aufgrund derer eine Dilation gewährt wird, finden die fünf Termine nicht nur an jeweils einem Tag statt, sondern jeder einzelne Termin kann auf mehrere verschiedene Tage verteilt werden. So stellt sich das Ziel der LGO, wie es in Teil 2, Art. III LGO zum Ausdruck kommt, daß nämlich kein Rechtsstreit länger als siebenundzwanzig Tage dauern soll, als kaum realisierbar dar.

Weiter führt der Zwang der Parteien zu vollständigem Vortrag, auch im Hinblick auf alle Eventualitäten des gegnerischen Vortrages, dazu, daß sich der Prozeßvortrag aufbläht und für den Rechtsuchenden unüberschaubar wird107.

Andererseits stellt die LGO in der Form, wie sie sich bisher darstellt, einen großen Fortschritt gegenüber dem vorher geltenden Verfahrensrecht dar, da sie versucht hat, für alle Kritikpunkte, welche in der Anzeige der Mißbräuche zusammengefaßt sind, Abhilfe zu schaffen. Sie hat Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung und vor allem zur Festlegung von Verfahrensgrundsätzen geschaffen hat. Die Durchführung der Eventualmaxime hat hierzu wesentlich beigetragen, weshalb in ihr eine "wesentliche und vorzügliche Grundform des gemeinen Civilprozesses" gesehen wird108.

5. Dispositions- und Verhandlungsgrundsatz.

Beide Begriffe sind gemeinsam zu behandeln. Noch heute ist ihre Abgrenzung gegeneinander nicht unumstritten109.

Für die Beurteilung der Frage, wie in der LGO die beiden Grundsätze durchgeführt sind, kann diese Streitfrage außer Betracht bleiben. Die beiden Begriffe wurden zur Zeit der Einführung der LGO nicht dermaßen scharf wie heute unterschieden. Die Prozeßführung beruhte nicht nur in Bezug auf die Begründung eines Prozesses auf dem Parteiwillen, sondern auch in Bezug auf diejenigen Vorgänge, die aufgrund der litis contestatio zur Vorbereitung der richterlichen Entscheidung erforderlich waren. Man schaute also allein auf den Parteiwillen und trennte die Begriffe "Dispositionsmaxime" und "Verhandlungsmaxime" nicht.110. Es ist daher vorliegend die Frage zu stellen, inwieweit der Fortgang des Verfahrens und der Inhalt desselben in die Hände der Parteien gelegt war.

Vorab sei bemerkt, daß die LGO den zivilrechtlichen Schutz der Gerichte des Fürstbistums Münster niemandem aufdrängt, da auch hier die Einleitung eines Prozesses im Belieben der Parteien steht und von der Ladung der beklagten durch die klägerische Partei abhängt, Teil 2, Art. III LGO. Insoweit ist wiederum eine Parallele zum Codex Justinianus zu erkennen, der in Buch 3: 3,7,1 festlegt, daß niemand gezwungen werden soll, gegen seinen Willen zu klagen oder anzuklagen.

Die Einleitung des Prozesses obliegt also einer Partei, die den Gegner vor Gericht "zitiert". Bereits auf dem zweiten Termin kann das Verfahren durch Geständnis des Beklagten und darauf ergehendes (Anerkenntnis-)Urteil oder durch die Verweigerung des iuramentum calumniae durch eine der Parteien und darauf erfolgendes (Anerkenntnis-)Urteil oder klageabweisendes Urteil ergehen. Das Ende des Prozesses in diesem Stadium hängt allein von den Parteihandlungen ab.

Der Zweiteilung des Verfahrens gemäß sind diese Möglichkeiten nur bis zur litis contestatio gegeben.

Die weiteren Vorschriften über den Tatsachenvortrag und seine Rechtzeitigkeit, auf die bereits oben näher eingegangen wurde, betreffen allein die Frage, in welchem Umfang die Parteien ihren Vortrag nach der litis contestatio ergänzen, korrigieren oder zurücknehmen können.

Hierher gehört jedoch unter dem Stichwort "Dispositionsmaxime" der Begriff der sogenannten "litis contestatio".

Dieser Begriff stammt aus dem römischen Recht und bezeichnet die Einsetzung des Rechtsstreites durch den Gerichtsmagistrat, womit sich die Parteien gegenüber dem Magistrat dem künftigen Spruch des Geschworenenrichters unterwerfen und ein zweiter Streit ausgeschlossen ist111.

Die litis contestatio bezeichnet den Moment der eigentlichen Aufnahme des Prozesses. Zwar erklärte im römischen Recht der Beklagte, "iudicium capere", womit er deutlich machte, das Vorverfahren vor dem Prätor sei abgeschlossen und der Rechtsstreit solle einem Richter zur Entscheidung überwiesen werden112; eine ausdrückliche Erklärung des Klägers hierauf erfolgte nicht.113 Die litis contestatio ist folglich nicht zu vergleichen mit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nach heutigem Recht. Sie kennzeichnet lediglich den Abschluß des ersten Verfahrensteiles, in dem der gegenseitige Sachvortrag erfolgte und Streitiges sich von Unstreitigem trennte.

Die Regelung der LGO folgt diesem antiken Vorbild.

In Teil 2, Art. V wird von der "Kriegsbefestigung", d.i. die litis contestatio, gesprochen. Es heißt dort:

"Da er (der Beklagte) aber der Klag nit gestendig noch bekennen kundte alßdann mag er dieselbige verneinen unnd dißfals des krieg Rechtens zu beyden theilen doch in nachfolgender form ungefehr verfahren werden. In sachen N. wider N. bin ich der Klag nit gestendig Bitte mich oder meine Parthey so der Principal selbst nit handelt davon mit abtrag kosten und schäden zuerledigen Dargegen soll der Kläger oder sein Anwaldt also fürtragen In angezeigter sachen Repetir und erhole ich mein einbrachte Klag sa dieselb wahr und beweißlich zu seyn und erwarte darauff Gegentheils klare antwort unnd sein fernere handlung."

Der Beklagte hat es also nach der Regelung der LGO in der Hand, den Rechtsstreit an dieser Stelle zu beenden, indem er "der Klage geständig" ist, oder aber durch die Verneinung der Klage den Prozeß aufzunehmen. Die Erklärung des Beklagten, nicht anzuerkennen, beendet folglich den ersten Verfahrensabschnitt und führt notwendigerweise zum zweiten. War jedoch dieser Zeitpunkt im römischen Recht noch eher dem Begriff der Rechtshängigkeit im heutigen juristischen Sprachgebrauch zu vergleichen, da erst dann die Unterwerfung unter die Rechtsprechung des Geschworenenrichters erfolgte, so ist der erste Verfahrensabschnitt nach der LGO als Teil eines Gesamtprozesses zu begreifen, da die Unterwerfung unter die Rechtsprechung des Richters bereits mit Einbringung der Klage geschieht. Es handelt sich folglich bis zur litis contestatio nicht um eine Art Vorverfahren nach Art eines Schiedsverfahrens römischrechtlicher Prägung, sondern lediglich um die Klarstellung des Sachverhaltes, auf dessen Basis das Beweisverfahren im selben Prozeß geführt wird.

Es läßt sich festhalten, daß sowohl Dispositions- als auch Verhandlungsmaxime in der LGO rein durchgeführt worden sind, wobei immer zu bedenken ist, daß gerade die Verhandlungsmaxime weitgehend von der ebenfalls geltenden Eventualmaxime bestimmt wird und mit dieser in einem sich wechselseitig beeinflussenden Verhältnis steht.

6. Kalumnieneide.

Durch das "iuramentum calunmniae" bekräftigt die jeweilige Prozeßpartei mit ihrem Eid, daß sie "nicht falsch anklage". Dieser Eid wird abgeleistet sowohl im Hinblick auf einzelne Verfahrensabschnitte als auch im Hinblick auf den gesamten Rechtsstreit. So sind Unterfälle des Kalumnieneides z.B. das iuramentum dandorum, das iuramentum respondendorum und das iuramentum malitiae114. Von diesen Eiden war bereits oben die Rede, als die auf dem zweiten Termin vorzunehmenden Prozeßhandlungen erörtert wurden. Der wichtigste Fall des iuramentum calumniae ist jedoch der "Eid für Gefährde". Die Bedeutung dieses Eides liegt, wie aus Teil 2, Art. V LGO ersichtlich wird, in seiner Wirkung, nämlich der beiderseitig dadurch bekräftigten litis contestatio, die zuvor durch die oben dargestellten Spruchformeln erklärt wird. Durch Ableistung des Eides für Gefährde beschwören die Parteien, daß ihre Sache eine gute sei, daß sie wahrheitsgemäß vorgetragen hätten, dies weiterhin tun und niemanden bestechen werden, um ein Urteil zu erhalten; Teil 2, Art. VI LGO.

Inhaltlich korrespondieren dieser Eid und die iuramenta dandorum et respondendorum; sie beziehen sich jedoch auf unterschiedliche Verfahrensteile: während sich die beiden letztgenannten Eide allein darauf beziehen, daß die Parteien ihren Tatsachenvortrag im ersten Verfahrensabschnitt als "nach bestem Wissen und Gewissen" vorgetragen beschwören, beinhaltet der Eid für Gefährde diese Schwüre und darüberhinaus die Zusage des Vortrages nach "bestem Wissen und Gewissen" auch für den kommenden Verfahrensabschnitt.

Der Eid für Gefährde ist also umfassend. Er betrifft den gesamten Prozeß. Folgerichtig hat die LGO an seine Nichtleistung durch eine der Parteien den sofortigen Verlust des Rechtsstreites durch Urteil geknüpft, Teil 2, Art. V a.E. LGO und angeordnet, daß dieser Eid in jedem Falle zu leisten sei.

Die iuramenta dandorum et respondendorum werden hingegen nur geleistet, wenn dies der Richter für erforderlich hält oder eine der Parteien darauf anträgt. Sie bekräftigen die Wahrheit des bis zur litis contestatio Vorgebrachten.

Wichtig ist noch, daß der Eid für Gefährde der litis contestatio nachfolgt, seine Ableistung jedoch eine ebenso wesentliche Verfahrensvoraussetzung wie diese ist.

7. Artikelverfahren.

In Teil 2, Art. IV LGO heißt es:

"Wann der kläger auff angesetzten tag vor Gericht selbst erscheinet soll er die außgangne Ladung mit irer Execution und darzu die Klag oder Libell jeder zeit artikulirt in schrifften (sofern die sach uber zwenzig thaler werdt und laut dieser Ordnung nit privilegiert) einbringen oder da er durch einen Volmächtigen erscheinen woll derselb soll seine Volmacht neben obbestimpter Ladung Execution und klag imgleichen fürbringen und ubergeben lassen."

Die Klage ist demnach an einen vorgegebenen Aufbau gebunden. Sie hat "artikuliert" zu erfolgen. Das bedeutet, daß der Klagevortrag in Tatsachenkomplexe oder sogar in einzelne Positionen und Tatsachenbehauptungen aufgegliedert wurde. Es handelt sich um die reine Durchführung der Relationstechnik, wie sie auch heute noch gebräuchlich ist und als Grundstein der Juristenausbildung gilt115. Der Kläger trägt also nicht eine Sachverhaltserzählung vor, sondern er trägt jede Tatsache einzeln vor. Die Angabe der Beweismittel ist jedoch in diesem Stadium noch nicht notwendig. Sie wird erst im Beweisverfahren, im zweiten Teil des Prozesses, nachgeholt.

Entsprechend hat die Antwort des Beklagten auszusehen, der auf jeden Artikel des Klägers zu antworten hat, ob er wahr sei oder nicht. Dies ist geregelt in Teil 2, Art. V LGO, wo es heißt:

"Unnd sollen sonst die Antworten allenthalben auff einen jeden Artickel vermög der Rechten pure, durch das wort Glaub wahr oder nit wahr seyn ohn einichen verbottenen anhang bey peen einer Marck Münsterisch beschehen"

Diese Art und Weise des Parteivortrages dient dazu, die streitigen von den unstreitigen Tatsachen zu scheiden und somit zur Vorbereitung des Beweisverfahrens. Sie ist dem ius commune entlehnt. Diese Verfahrensweise ist wiederum ein Beleg für die in der LGO durchgeführte Rezeption des römischen Rechts116.

8. Schriftlichkeit/Mündlichkeit.

Wie bereits mehrfach oben gesehen schreibt die LGO vor, daß grundsätzlich schriftlich zu verhandeln sei.

So enthält sie in Teil 2, Art. IV die Regelung, daß die Klage in artikulierten Schriften einzubringen sei. Sie schreibt weiter in Teil 2, Art. V vor, der Beklagte habe bei Verneinen der Klage "seine Responsiones, Defensionales oder peremptoriales, so viel er deren hette, auff einmal zu ubergeben". Letzteres "übergeben" bedeutet nichts anderes als die Übergabe einer schriftlichen Replik auf die Klage.

Im ersten Verfahrensabschnitt ist folglich schriftlich zu verhandeln.

An dieser Stelle ist jedoch noch einmal zurückzukommen auf die Zeit vor Erlaß der LGO.

Ursprünglich handelte es sich um einen rein mündlichen Prozeß Die Aufzeichnung des Rechtsstreites war nicht erforderlich, da nur wenige des Schreibens kundig waren. Es ging hauptsächlich um Fragen der Landwirtschaft und des Nachbarrechtes.

Nun war jedoch, wie oben bereits gesehen, das Gogericht nicht mehr nur für solche kleineren Streitigkeiten, sondern für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten zuständig geworden, Teil 2, Art. II LGO. Hinzu kam, daß die LGO maßgeblich von dem römisch-kanonischen Prozeßrecht geprägt wurde, allein deshalb, weil an ihrer Entstehung vor allem römisch-rechtlich ausgebildete Juristen mitgewirkt hatten.

Wie bereits mehrfach festgestellt sind die Forderungen des Gografen Strick in der Anzeige der Mißbräuche fast deckungsgleich mit den prozessualen Grundsätzen des gemeinen Rechtes. Dieses verfolgte in prozeßrechtlicher Hinsicht jedoch vornehmlich das Ziel, wegen der Sicherheit und Ordnung der Rechtspflege für das zu fällende Urteil eine möglichst sichere Basis zu schaffen. Dies sollte durch die Einführung der Schriftlichkeit des Prozesses erreicht werden117. Somit wurde die Schriftlichkeit zum zentralen Anliegen einer jeden Verfahrensrechtsreform. Das fand seinen Niederschlag insbesondere in den Reichsabschieden zur RKGO118.

In den Landesgerichtsordnungen und Stadtgerichtsordnungen wurde dies jedoch nicht reichseinheitlich durchgeführt. Vielmehr läßt sich eine grobe Zweiteilung feststellen: im Süden und Südwesten des Reiches und für die RKGO wurde das rein schriftliche Verfahren eingeführt, im Norden und Nordosten des Reiches konnte es sich nicht in dieser Schärfe durchsetzen, sondern wurde abgemildert eingeführt, bedingt durch den starken Einfluß des Sachsenspiegels119. Stattdessen wird das Verfahren "vom Mund in die Feder" eingeführt, was bedeutet, daß alles mündlich vorgetragen wird und vom Gerichtsschreiber protokolliert werden muß120.

Der Gerichtsschreiber ist nach der LGO schon durch seinen Eid gehalten, "der Partheyen Fürträge unnd Gerichts Acta deßgleichen alle brieffe schrifften abschrifften und urkunden getrewlich zuprothocolliren und auffzuschreiben...".

Daraus ergibt sich, daß auch die LGO die Schriftlichkeit nicht vollumfänglich eingeführt hat, sondern noch in der Tradition des altdeutschen Prozesses steht und unter dem Einfluß des Sachsenspiegels sich die mündlichen Verhandlung erhalten hat.

Es ergibt sich damit zusammengefaßt, daß für den ersten Teil bis zur Kriegsbefestigung schriftliches Verfahren vorgesehen ist, anschließend nur noch bestimmte Prozeßhandlungen schriftlich vorzunehmen sind, wie die Regelung in Teil 2, Art. VII LGO zeigt. Danach haben die Parteien ihre Fragen an die Zeugen und ihre Beweiseinreden schriftlich vorzutragen.

Die LGO kombiniert also beide Verfahrensgrundsätze, indem sie teilweise Schriftlichkeit vorschreibt, den mündlichen Vortrag jedoch nicht abschafft. So ist die Klage "vorzubringen und zu übergeben", Teil 2, Art. IV LGO, d.h., sie ist schriftlich abzufassen und mündlich vorzutragen. Auch für die Antwort ist mündlicher Vortrag vorgesehen, da der Beklagte auf jeden Artikel "Glaub wahr oder nit wahr" antworten soll, Teil 2, Art. V LGO.

So ist der mündliche Teil des Prozesses für den Kläger der Vortrag seiner Klage und für den Beklagten der Vortrag seiner Antwort und der damit verbundenen Formeln, wie z.B. in Teil 2, Art. V LGO vorgeschrieben. Die einzelnen Tatsachenvorträge sind jedoch in Schriftsatzform einzureichen, für die wiederum ein bestimmter Aufbau vorgeschrieben ist, nämlich das oben bereits erörterte Artikelverfahren.

Fristverlängerungen können gegebenfalls mündlich beantragt und auch beschieden werden, diese Erklärungen werden jedoch in das Protokoll aufgenommen, Teil 1, Art. IV LGO.

Die LGO beugt damit den Einwänden gegen das rein schriftliche Verfahren vor und zeigt auch hier wieder eine enorme Voraussicht:

Die RKGO, welche ausschließlich das schriftliche Verfahren vorschrieb, bewirkte dadurch überwiegend eine lange Prozeßdauer 121. Alle Versuche, diesem Mißstand gegenzusteuern, vor allem durch den Grundsatz der Reihenfolge und Eventualbehandlung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln122, konnten die Langwierigkeit der Verfahren nicht durchgreifend verändern. Ein weiterer Nachteil der Schriftlichkeit war es, daß ein persönlicher Eindruck des erkennenden Richters von den Parteien und Zeugen nicht mehr gegeben war.

Vorausschauend ordnet daher die LGO nicht die reine Schriftlichkeit an. Dies darf ohne Übertreibung für die damalige Zeit als eine bahnbrechende Entscheidung angesehen werden, wird doch auch späterhin eine Kombination der Schriftlichkeit und der Mündlichkeit als optimale Lösung angesehen123.

Rein mündliche Verhandlung findet in Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert unter zwanzig Talern statt. Hier wird die LGO in weiten Teilen für nicht anwendbar erklärt.

So bestimmt Teil 2, Art. III LGO generell, daß in solchen Sachen eine schriftliche Ladung nicht erforderlich sei. Auch die Einbringung der Klage in solcher Sache wie auch in privilegierten Sachen ist nicht an die Schriftform gebunden, Teil 2, Art. III LGO. Zwar enthält diese Regelung der LGO keine Entsprechung für den Vortrag des Beklagten; jedoch kann aus dem Zusammenhang der Regelungen geschlossen werden, daß die LGO auch hier aus Beschleunigungsgründen keine Schriftlichkeit vorsah. Denn es wäre sinnwidrig, für die Klage auf das Schriftformerfordernis zu verzichten und dem Beklagten gleichzeitig die Artikulation in Schriftform aufzuerlegen.

Dadurch wird dem siebten Mißbrauch laut Aufstellung des Gografen Strick Rechnung getragen, wonach den Armen eine Prozeßführung bei einem Streitwert von unter zwanzig Talern aus Kostengründen bei Einhaltung der Schriftlichkeit nicht möglich ist. Tatsächlich dürfte dieser Aspekt für den Verordnungsgeber nicht die entscheidende Rolle gespielt haben; Ziel war vor allem die Beschleunigung der Prozesse und die Entlastung der Gerichte. Der Schutz der Armen vor dem Risiko, einen Prozeß aus Kostengründen nicht führen zu können, wird nämlich bereits durch die bereits erörterte124 Regelung in Teil 1, Art. V gewährleistet, die ergänzt werden in der "Gemeinen Münsterischen Landtordnung" aus dem Jahre 1571125 in Art. VIII und IX.

Die Landordnung enthält ergänzende Vorschriften zur LGO zur Vollstreckung, zur Einsetzung von Vormündern, über das Führen von "Notarien" und zu den "Armen Partheyen".

So ist nach Art. VIII der Landtordnung einem Armen, der seine Armut mittels Eid, Art. IX Landtordnung, glaubhaft macht oder dessen Armut gerichtsbekannt ist, ein Procurator und, "wo nötig", ein Advokat beizuordnen. — Die Landtordnung unterscheidet bereits anders als die LGO zwischen Procuratoren und Advokaten, also Vertretern im Termin und Anwälten, die das Verfahren in außergerichtlicher Tätigkeit vorbereiten und begleiten.- Solche Armenfälle sollen gleichmäßig unter den Anwälten aufgeteilt werden, die diese Mandate nicht ablehnen dürfen.

Für die zweite Instanz soll eine Prüfung vorgenommen werden, ob die Sache des Armen mit "zimblichen Grunden" versehen sei. Erst wenn dies bejaht wird, soll auch für die zweite Instanz so wie in erster Instanz fortgefahren werden, wobei sich diese Anordnung nicht allein auf die Einlegung eines Rechtsmittels, sondern auf alle erforderlichen Schritte bezieht.

Übersehen hat der Verordnungsgeber freilich, daß auch in solchen Fällen Prozeßkosten für das Gericht anfallen, Teil 1, Art. XVI LGO, die von den Armen nicht aufgebracht werden können. Eine Linderung schafft hier lediglich die vorstehend skizzierte Regelung insofern, als sie offenbar davon ausgeht, daß die Armen ohnehin in der Hauptsache Streitigkeiten mit einem Wert unter zwanzig Talern vor Gericht auszutragen hätten. Dann fallen nämlich aufgrund dieser Regelung keine Kosten für den Gerichtsschreiber an, Teil 1, Art. XVI LGO.

Im übrigen enthält die Landtordnung in Art. IX eine Regelung darüber, daß die Armen, wenn sie zu Vermögen kommen und in einem Rechtsstreit unterliegen, "im Rechten obliegen", sodann jedem das ihm Zustehende bezahlen sollen. Hierin kann jedoch keine Regelung gesehen werden, daß die Armen die anfallenden Kosten erst dann zu zahlen hatten, wenn sie zu Vermögen kamen; vielmehr ist mit dieser Regelung nur gemeint, daß sie das zu zahlen haben, was ihnen gegenüber bereits ausgeurteilt ist.

Mit dieser Regelung sollte dem Mißbrauch vorgebeugt werden, daß die Armen es auf einen Prozeß ankommen ließen, um die Zahlung einer begründeten Forderung hinauszuschieben. Die Anwaltskosten mußten sie in jedem Falle bezahlen, da deren Forderung nicht erst mit der Festsetzung ihrer Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren entstanden, sondern mit Auftragserteilung des Mandanten. Die Berücksichtigung im Kostenfestsetzungsverfahren fand vielmehr statt als "abtrag und schäden", womit klargestellt ist, daß es sich um bereits von der zur Festsetzung berechtigten Partei verauslagte Kosten handelte.

In jedem Fall kann festgehalten werden, daß die Schriftlichkeit der Prozesse vor allem wegen der Möglichkeit, diese später nachvollziehen zu können, ein vordringliches Ziel der LGO war. So darf an dieser Stelle noch einmal an die Regelung im Eid des Gerichtsschreibers erinnert werden, die mehrfach wiederholt und durch flankierende Regelungen unterstrichen wird. Bei der Darstellung des Amtes des Gerichtsschreibers in Teil 1, Art. IV LGO findet dies seinen Niederschlag, aber auch in Teil 2, Art. I LGO, wo angeordnet wird, daß die Prozesse in ein Register gebracht werden sollen, in dem sämtliche Parteihandlungen und ihre Schriften, Urkunden und auch mündlichen Prozeßerklärungen aufgezeichnet werden sollen. Die Nachvollziehbarkeit der Prozesse vor allem im Interesse der besseren Vorbereitung der Appellationsinstanz ist folglich wesentlicher Grund für die Anordnung der Schriftlichkeit.

Gleichzeitig ist dadurch auch die Tendenz des Fürstbischofes zu erkennen, daß die erstinstanzlichen Gerichte durch das Hofgericht als Appellationsinstanz besser kontrolliert werden können. Auf diesem Umweg war der Fürstbischof in der Lage, Einfluß auf die Rechtsprechung seiner Untergerichte zu nehmen und für eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung in seinem Territorium zu Sorge zu tragen. Die Einführung der Schriftlichkeit der Prozesse stellt sich damit außerdem noch als ein Machtinstrument des Fürsten dar126.

9. Öffentlichkeit.

Gemäß Teil 2, Art. I LGO soll alle vierzehn Tage Gogericht gehalten werden. Im Sommer beginnt die Sitzung um acht Uhr, im Winter um neun Uhr und dauert bis um zwölf oder zwei Uhr oder auch bis Sonnenuntergang. Ferner soll aus Bequemlichkeitsgründen und damit das Aufschreiben der Rechtsstreitigkeiten einfacher vonstatten gehen kann, nicht mehr auf offenem Feld, sondern in einem Wigbold auf dem Rathaus oder sonst an einem dazu geeigneten Ort getagt werden.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit kommt nicht darin zum Ausdruck, daß bei offener Tür verhandelt, sondern dadurch, daß an einem "bequemen" Ort zu Gericht gesessen wird. Kriterium ist folglich, daß das Gerichtsgebäude für alle Rechtsuchenden gut erreichbar ist, woraus folgt, daß dort jeder Zutritt hat.

Soweit in Teil 2, Art. IX LGO davon die Rede ist, daß die Zeugen nicht mehr "öffentlich fürgestelt und sämptlich kundtschafft zugeben" sollen, ist dies keine Einschränkung der Öffentlichkeit, sondern lediglich die Anordnung, daß nicht alle Zeugen gleichzeitig, sondern nacheinander und ohne Beisein der nachfolgenden Zeugen zu verhören sind.

Auch die "Parteiöffentlichkeit" ist in der LGO rein durchgeführt, da den Parteien ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht zusteht. In Teil 2, Art. I LGO ist nämlich verordnet, daß der Richter den einen und der älteste Schöffe den anderen Schlüssel zu den von ihm verwalteten Kästen, in denen sich die Urkunden und die Prozeßakten befinden, bei sich haben soll, um den Parteien auf deren Begehren Einsicht gewähren zu können. Wie wichtig dieses Recht ist, zeigt sich in der weiteren Anordnung, daß bei Tod des Gerichtsschreibers vor Ablauf des Jahres und damit vor Ablieferung des Registers an das Gericht seine Erben in seine diesbezüglichen Verpflichtungen eintreten.

10. Rechtliches Gehör.

In jedem Verfahrensabschnitt ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorbringen der Gegenseite zu geben. Dies betrifft sowohl den ersten Teil des Rechtsstreites bis zur litis contestatio als auch das Beweisverfahren, wobei die Stellungnahmemöglichkeiten auf die im jeweiligen Verfahrensabschnitt vorzunehmenden Prozeßhandlungen beschränkt sind.

Ausdruck findet der Grundsatz des rechtlichen Gehörs weiterhin in der Armenrechtsregelung, die oben dargestellt wurde. Jedermann kann also unabhängig von seiner finanziellen Lage seine Rechte vor Gericht verfolgen, wobei auch hier noch einmal auf die Lücke in der Armenrechtsregelung hingewiesen werden soll, die in ihrer Konsequenz als eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs anzusehen ist.

11. Beweis.

Die Grundsätze des Beweisverfahrens haben sich durch die Neuregelung des Gerichtsverfahrens in der LGO nur geringfügig verändert.

So ist festzuhalten, daß es nunmehr eine Zweiteilung des Gerichtsverfahrens in einen Teil über die Behauptungen und exceptiones dilatoriae und einen über den Beweis gibt. Dies ist oben bereits ausführlich erörtert worden.

Es hat sich desweiteren gezeigt, daß die Parteien ihre Sache in artikulierter Form vorzutragen hatten, wobei sie jedoch nicht gehalten waren, zu den jeweiligen Behauptungen die zugehörigen Beweise anzubieten. Folgerichtig stellt Teil 2, Art. VII LGO klar, daß im dritten Termin nur bei Präsenz der Beweismittel sofort zum Beweis geschritten werden, andernfalls ein Termin zur Beweisführung angesetzt werden soll.

Die gerichtliche Entscheidung, die den ersten Verfahrensabschnitt beendet, ist lediglich in einem Nebensatz in Teil 2, Art. VII LGO angesprochen, wenn es heißt, daß die Parteien zum Beweis zugelassen werden sollen, entweder sofort oder durch Anberaumung eines besonderen Termins. Weitere Regelungen finden sich hierüber nicht. Vielmehr hat im terminus probandi der beweisende Teil zu erklären, wie er seinen Vortrag zu beweisen gedenkt und daraufhin wird hierüber beschlossen, wobei dem Beweisführer Fristen gesetzt werden können. Wie dies bei den einzelnen Beweismitteln ausgestaltet ist, wurde bereits bei Erörtertung der Gegenstände der einzelnen Termine dargelegt.

Es ist nicht mit letzter Sicherheit zu klären, ob es sich bei der den ersten Verfahrensabschnitt beendenden Entscheidung des Gerichts um ein Urteil handelt. Es ist jedoch davon auszugehen, daß ein Urteil gesprochen wird unter der Voraussetzung, daß jede Seite ihren Vortrag beweisen kann127.

Festzuhalten bleibt hier nur so viel, daß gegenüber dem altdeutschen Prozeß lediglich die Beweismittel nicht mehr im ersten Verfahrensabschnitt genannt werden müssen, sondern erst im zweiten.

Darüberhinaus sind folgende gemeinrechtliche Beweisgrundsätze zu beachten, die gegenüber dem altdeutschen Prozeß eine Neuerung darstellen:

(1) Es ist nur das Beweisgrund, "was nach allgemeinen Regeln historischer Untersuchung auf die Überzeugung des Richters von der Wahrheit einer bestrittenen Tatsache einzuwirken imstande ist"128.

(2) Daraus ergibt sich zwingend, daß gegenüber der altdeutschen Praxis, wonach bereits das vom Richter als wahr und damit unstreitig angesehen werden mußte, was die insofern vortragspflichtige Partei als wahr behauptete, dahingehend geändert ist: nur das muß der Richter als wahr und damit unstreitig ansehen, was an Streitigem die Gegenpartei zugesteht und wo sie nicht widerspricht129, vgl. Teil 2, Art. V LGO.

(3) Die Regeln über die Beweislast orientieren sich an römischem Recht130.

(4) Die Beweise können erst dann geführt werden, wenn der Prozeßabschnitt, der die Feststellung des streitigen und unstreitigen Sachverhaltes enthält, durch abschließendes Urteil beendet worden ist131, wobei insofern eine Besonderheit besteht, als bereits im ersten Abschnitt, soweit es darauf ankommt, ein Beweisverfahren über die den exceptiones dilatoriae zugrundeliegenden Tatsachen eingefügt werden kann.

Es zeigt sich, daß auch in diesem Punkt die LGO von 1571 einen Mittelweg zwischen der Tradition des altdeutschen Rechts und dem römischen Recht beschreitet.

III. Besondere Verfahren.

Zunächst wird das allgemeine Verfahren, dann werden die besonderen Verfahren geregelt. Die Geltung der allgemeinen Verfahrensvorschriften auch für die besonderen Verfahren ergibt sich dabei aus der systematischen Stellung der Vorschriften über das jeweilige besondere Verfahren.

1. Widerklage.

Die Regelung der Widerklage findet sich in Teil 2, Art. XXV LGO. Sie ist dort insofern systemrichtig geregelt, als die LGO vom Allgemeinen zum Besonderen vorgeht.

Die Widerklage wird in der LGO wie folgt bestimmt:

"Würden auch sachen warumb einer vor Gericht Citirt fürfallen dardurch der Beklagt zu dem Kläger hinwider zusprechen hette und dann die Klag dieser sachen anhengig oder daraus flösse oder in ander weiß dieselben betreffen würde alßdann soll..."

Die LGO setzt für die Zulässigkeit der Widerklage also die Anhängigkeit einer Klage gegen den Widerkläger voraus, weiter, daß die Widerklage mit der Klage in einem bestimmten Zusammenhang steht. Dieser Zusammenhang ist gekennzeichnet durch nicht näher bestimmte Übereinstimmungen der Streitgegenstände der Klage und Widerklage. "Konnexität" ist also Zulässigkeitsvoraussetzung der Widerklage.

Dies findet seine Bestätigung in der weiteren Regelung:

"Dieselb soll auch im fall sie sonst erheblich und zulässig vom Gericht angenommen und neben der hauptklagen Simultaneo processirt, das ist..."

Die Widerklage muß folglich für die Klage erheblich sein. Das heißt, daß die die Klage tragenden Tatsachen — zumindest teilweise — auch die Widerklage stützen. Weiter ist aus dem Wort "dardurch" zu schließen, daß nicht nur ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen Klage- und Widerklageanspruch bestehen muß, sondern auch ein rechtlicher.

Danach ist festzuhalten, daß der Begriff der Konnexität in Übereinstimmung mit dem heute geltenden Recht132 der LGO bekannt war.

Die Widerklage kann erhoben werden bis zum Termin zum Beschluß der Sache. Wird sie spätestens im zweiten Termin erhoben, so wird über Klage und Widerklage gemeinsam, in alternierenden Terminen, entschieden.

Die LGO beinhaltet als Sollvorschrift, daß die Widerklage noch vor der litis contestatio erhoben wird. Der Grund hierfür liegt in der Beibehaltung der Zweiteilung des Verfahrens. Es soll mit der litis contestatio feststehen, über welche Tatsachen Beweis zu erheben sein wird.

Äußerstenfalls wird über Klage und Widerklage gemeinsam verhandelt,wenn die Widerklage noch im zweiten Termin, aber nach der litis contestatio erhoben wird. Zwar enthält die LGO keine entsprechende ausdrückliche Regelung, jedoch wird aus einer Gesamtschau des Systems deutlich, daß bei Nichteinhaltung dieser Sollbestimmung hinsichtlich der Widerklage ebenfalls noch ein weiterer "zweiter Termin" mit einer für die Widerklage gesonderten litis contestatio stattzufinden hat. Die Erhebung der Widerklage verzögert den Prozeß folglich nur unerheblich. Im Interesse einer ökonomischen Rechtsprechung nimmt die LGO diese Verzögerung in Kauf.

Eine Regelung über die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage enthält die LGO nicht. Jedoch ergibt sich daraus, daß bereits ein Rechtsstreit anhängig ist, die örtliche Zuständigkeit des für die Klage zuständigen Gerichts, wobei die LGO offensichtlich davon ausgeht, daß die Streitgegenstände von Klage und Widerklage einander so ähnlich sind, daß zwei verschiedene örtliche Zuständigkeiten ohnehin nicht in Betracht kommen. Darüberhinaus enthält die LGO — wie bereits gesehen — keine derart differenzierte Regelung der örtlichen Zuständigkeit wie das heutige Recht.

Dies erhellt über das Vorgesagte hinaus, daß die Widerklage unter der Geltung der LGO als eigenes — besonderes — Verfahren begriffen wird, während die ZPO die Widerklage nur als besonderen Gerichtsstand erwähnt.

2. Das Versäumnisverfahren.

a) Überblick.

Die LGO unterscheidet zwischen der Säumnis, auf ein Vorbringen des Gegners zu antworten und der Säumnis einer Partei in einem Termin. Im ersten Fall wird das Vorbringen, auf das zu antworten versäumt wurde, als zugestanden fingiert. Teil 2, Art. V LGO bestimmt hierzu, daß einer Partei, die nicht unmittelbar auf die eingebrachten Artikel zu antworten in der Lage sei, ein Termin zur Antwort nachgelassen wird mit der Androhung, daß bei dann versäumtem Antworten "die Artickel für bekant angenommen und gehalten werden sollen".

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Geständnisfiktion, vergleichbar der Regelung in § 138, Abs. III ZPO.

Im zweiten Fall wird unterschieden nach dem Zeitpunkt, an dem eine Prozeßpartei einen Termin versäumt. Entscheidend ist hier, ob bereits die litis contestatio erfolgte. Je nachdem, ob sie erfolgte oder nicht, kann die nicht säumige Partei unterschiedliche Verfahrensweisen zur weiteren Betreibung des Rechtsstreites wählen.

Die LGO von 1571 folgt nicht mehr dem Kontumazialprinzip, das als Folge der Säumnis einer Partei deren "Bestrafung" mit der Klagestattgabe zugunsten des nicht säumigen Klägers oder die Klageabweisung zugunsten des nicht säumigen Beklagten vorsah. Es erfolgte nach diesem Prinzip keine weitere Sachprüfung, der Prozeßverlust der säumigen Partei knüpft allein an das Ausbleiben im Termin an. Das Kontumazialverfahren findet sich im früheren römischen und auch spätmittelalterlichen deutschen Prozeßrecht133. Es tritt jedoch zum Ende des Mittelalters und zu Beginn der Renaissance zugunsten des Eremodizialprinzips zurück134. Dieses fordert grundsätzlich eine Sachprüfung des Richters und läßt der nicht säumigen Partei die Möglichkeit, den Prozeß weiter zu führen. Es findet sodann ein einseitiges Verfahren statt.

Die LGO hat das Versäumnisverfahren — von Contumazialverfahren zu sprechen wäre in Anbetracht der obigen Erörterungen begrifflich unscharf — in Teil 2, Art. XXVI und XXVII LGO geregelt.

b) Säumnis des Klägers.

In Teil 2, Art. XXVI LGO heißt es zu Beginn:

"Wann der Kläger oder desselben Anwaldt auff den angesetzten Rechtstag nit erscheinen würde..."

Das Nichterscheinen des Prozeßbevollmächtigten wird demnach dem Nichterscheinen der Partei gleichgesetzt. Diese Regelung verwundert auf den ersten Blick, herrscht doch vor dem Gogericht kein Anwaltszwang. Zwar kann sich jeder durch einen Anwalt vertreten lassen, zwingend vorgeschrieben ist dies jedoch nicht. Die vorstehend wiedergegebenen Regelung ist daher Ausfluß der Stellung des Anwaltes im LGO-Prozeß. Wenn sich eine Partei für die Vertretung durch einen Anwalt entschieden hat, so muß sie sich auch dessen Handeln — und in diesem Falle Nichthandeln — zurechnen lassen. Konsequenterweise gehört hierzu auch sein Nichterscheinen im Termin.

Wenn jedoch der Anwalt nicht, die Partei aber doch erscheint, so wird dies nicht als Fall der Säumnis begriffen. Denn die LGO knüpft die Säumnisfolgen daran, daß keiner von beiden erschienen ist.

Bleibt der Kläger vor der litis contestatio im Termin aus, so wird auf Antrag des Beklagten der Kläger durch den Gerichtsboten gerufen. Erscheint der Kläger hierauf nicht, so "soll der Kläger auff folgenden Gerichtstag für ungehorsam und den Gerichtskosten abzulegen schuldig erkent..." werden.

Hier findet sich noch ein Rest des Kontumazialprinzips, daß nämlich das Ausbleiben eine Art Strafe nach sich zieht. Jedoch zieht es nicht automatisch den Verlust des Rechtsstreites nach sich. Vielmehr kann der Beklagte auf dem Termin, zu dem der Kläger infolge seines Ungehorsams geladen und dort für ungehorsam erklärt wird, dem Kläger, der auch jetzt noch seine Klage nicht einbringen will, eine Frist hierzu setzen lassen, nach deren fruchtlosem Ablauf dem Kläger am nächsten Gerichtstag auferlegt wird, ein "ewig Stillschweigen" über seine Forderung zu bewahren und dem Beklagten alle "erlittenen Gerichtskosten zu bezahlen.

Diese Möglichkeit hat der Beklagte jedoch nur, wenn er in dem Termin, in dem der Kläger für ungehorsam erklärt wird, anwesend ist. Eine Pflicht hierzu besteht nicht. Das führt zu der Frage, wie weiter verfahren wird, wenn der Kläger für ungehorsam erklärt wird und der Beklagte dort nicht anwesend ist.

Dann sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: entweder, der Kläger bringt seine Klage ein oder er tut das nicht.

Im ersten Fall hat er lediglich die Prozeßkosten zu tragen, die durch seine Säumnis verursacht worden sind. Das Verfahren nimmt im übrigen seinen normalen Gang, d.h. im nächsten Termin findet die litis contestatio statt etc.

Im zweiten Fall bleibt dem Gericht lediglich die Möglichkeit, einen neuen Termin anzusetzen, auf dem dann auch der Beklagte erscheint und der Prozeß begonnen wird, indem der Kläger seine Klage einbringt. Tut er das nicht, so findet sich in der LGO keine Möglichkeit des Beklagten, den Rechtsstreit zu beenden. Das bedeutet, daß der Kläger auf diese Weise den Beginn des Rechtsstreites nach seinem Belieben hinauszögern kann.

Nochmals sei darauf hingewiesen, daß diese Konstellation nur dann eintreten kann, wenn der Beklagte auf dem Termin "in contumaciam" nicht erscheint. Selbstverständlich ist dies eine Konstellation, die kaum vorgekommen sein wird; jedoch findet sich hier eine Regelungslücke. Die LGO hat kein Instrument für den Beklagten geschaffen, wonach diesem die Möglichkeit eingeräumt wird, bei "Nichtverhandeln" des Klägers den Rechtsstreit zu beenden. Daher war es für den Beklagten empfehlenswert, im Termin "in contumaciam" immer zu erscheinen.

Es fragt sich nunmehr, welche verfahrensrechtlichen Regelungen gelten, wenn der Kläger auf einem Termin nach der litis contestatio nicht erscheint.

Eine ausdrückliche Regelung findet sich in der LGO hierzu nicht. In Teil 2, Art. XXVII LGO ist jedoch eine Regelung enthalten, die in solcher Fallgestaltung Anwendung finden könnte. Dort ist nämlich zunächst festgehalten, daß die ausgebliebene Partei, die erst nach Haltung eines oder mehrerer Termine erscheint, den Prozeß in der Lage annehmen muß, in dem sie ihn vorfindet. Diese Regelung findet entsprechende Anwendung auf Parteien, die zu einem Termin zu spät, jedoch noch am selben Gerichtstag, erscheinen und hierfür eine erhebliche Entschuldigung vorbringen können.

Erkennnbar geht die LGO davon aus, daß der Prozeß nach erfolgter litis contestatio immer fortgesetzt wird. Denn nach der litis contestatio steht für Gericht und Parteien fest, über welche Artikel Beweis erhoben werden muß und es kommen als Prozeßhandlungen nur noch die im zweiten Verfahrensabschnitt zulässigen in Betracht. Mit seinem Nichterscheinen in einem der litis contestatio nachfolgenden Termin begibt sich der Kläger folglich nur bestimmter Prozeßhandlungsmöglichkeiten, im übrigen bleibt der Fortgang des Rechtsstreites jedoch unberührt. Die Sanktionen eines Ausbleibens des Klägers finden sich folglich nicht in der allgemeinen Regelung über das Versäumnisverfahren, sondern in den Regelungen über die nach der litis contestatio stattfindenden Termine. Hierzu kann auf die Ausführungen zu den hierfür maßgebenden Terminen verwiesen werden.

Die Bestimmung des Teil 2, Art. XXVII LGO gilt hier also nicht. Vielmehr regelt Teil 2, Art. XXVI LGO einen Sonderfall, nämlich:

"Were aber die sach mit Klag und antwort verfasset und mit notturfftiger beweisung instruiert so mag das Gericht volnfahren unnd für den Kläger oder Beklagten je nach gestalt des Gerichts handels urtheilen".

Dies betrifft nur den Fall, daß im Termin zu endlichem Beschluß der Sache niemand mehr erscheint, die litis contestatio und die Beweistermine, soweit sie nach dem bisherigen Streitstand erforderlich waren, stattgefunden haben, die Sache also entscheidungsreif ist. Für diesen Fall soll das Gericht "nach Lage der Akten" durch Endurteil entscheiden können.

Zuvor kann ein Endurteil nicht ergehen.

c) Säumnis des Beklagten.

Der weitaus größte Teil der Regelung der Säumnis der Parteien in Teil 2, Art. XXVI, XXVII LGO ist dem Fall der Säumnis des Beklagten vorbehalten.

Auch hier wird wieder betont, daß diese Regelung nur für den Zeitpunkt vor der litis contestatio gilt. Der Kläger beantragt das Rufen des Beklagten. Erscheint dieser nicht auf dem nächsten Gerichtstag, so hat der Kläger drei Möglichkeiten, das Verfahren voranzutreiben. Entweder, er führt das Verfahren fort, indem er mit Beweisung seiner Artikel fortfährt, oder er läßt sich ex primo decreto in die Güter des Beklagten einweisen (missio in bona), oder aber er beantragt einen Gebotsbrief(monitorium) gegen den Beklagten.

(1) Weiterführung des Verfahrens

In diesem Fall wird die litis contestatio fingiert, was insbesondere in der Präklusionsregel in Teil 2, Art. XXVI seinen Niederschlag gefunden hat. Danach ist nämlich der Beklagte mit allen exceptiones dilatoriae und peremptoriae ausgeschlossen.

Der Kläger führt nunmehr den Beweis seiner Artikel, wobei ihm hierfür "zimbliche Termin" gegeben wird. Kann er seine Klage nicht beweisen und unterliegt folglich, so hat er jedenfalls die Kosten des Rechtsstreites nicht zu tragen. Gewinnt er den Prozeß, so steht das Urteil einem Urteil gleich, das auf einen Rechtsstreit ergeht, in dem beide Parteien ständig anwesend waren, es ist ebenfalls ein Endurteil.

(2) Die missio in bona

Der Kläger hat weiter statt der Verfahrensfortführung die Möglichkeit, nach "beschehenem Ruffen und erkendten ungehorsam" sich in die Güter des Beklagten einsetzen zu lassen. Diese Einsetzung findet zunächst ex primo decreto statt, das ist eine Einsetzung, wodurch der Kläger lediglich ein Sicherungsrecht an den Gütern erwirbt. Erst nach Ablauf einer "gebürlichen zeit", nämlich einem Jahr, kann sich der Kläger sich ex secundo decreto einsetzen lassen. Erst hierdurch wird er "ein volkomner Besitzer also daß die abnutzung der Gütter darin er auß dem zweiten Dekret gesetzt ihme zugehört".

Der Kläger erwirbt also nicht etwa Eigentum durch gerichtlichen Gestaltungsakt, etwa dem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren nach heutigem Recht vergleichbar, sondern er erwirbt ein Nießbrauchsrecht an den Gütern, in die er eingesetzt worden ist.

Die LGO unterscheidet hinsichtlich der Streitgegenstände, derentwegen die Einsetzung erfolgen soll: handelt es sich um eine Klage "Realis, alß wann sie auff Haab und Gütter die der Kläger als sein eigenthumb ansprechen thet", dann findet die Einsetzung in genau diese Güter statt, die ohnehin streitbefangen sind; handelt es sich um eine persönliche Klage "als da einer den andern umb schuldt oder anders auß fürgehendem Contract ichtswes zutuhn oder zugeben obligirt und verbunden", so findet die Einsetzung in die Güter des Beklagten nur in Höhe der streitgegenständlichen Schuld statt. Hierbei wird zu der Hauptschuld noch der Betrag an Kosten und Schäden hinzugerechnet, womit die Regelung etwa vergleichbar ist der Sicherheitsleistung zur Abwendung der vorläufigen Vollstreckung nach heutigem Recht.

Vor dem Erlaß des Dekrets ist jedoch dem Beklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.

Wenn binnen Jahresfrist nach Einsetzung ex primo decreto der Beklagte dem Kläger die Kosten und Schäden ersetzt, die durch seine Säumnis entstanden sind, und er ferner versichert, nunmehr den Prozeß "wie recht außzuführen", so wird in der Hauptsache weiter verfahren und die Einsetzung ist "abgethon".

Erst ein Jahr nach Erlaß des ersten Dekretes kann der Kläger den Erlaß des zweiten beantragen. Die Wirkung des zweiten Dekretes tritt jedoch nicht mit dem Ablauf eines weiteren Jahres, sondern bereits mit seinem Erlaß ein.

(3) Der Erlaß eines Gebotsbriefes

Die dritte Möglichkeit des Klägers, gegen den säumigen Beklagten vorzugehen, besteht in seinem Recht, einen Gebotsbrief oder "Monitorium" zu beantragen.

Dabei handelt es sich um eine gerichtliche Ladung unter Strafandrohung bei Nichterscheinen. Folge des Nichterscheinens ist nur, daß der Beklagte in die angesetzte Strafe verurteilt wird. Der Prozeßausgang bleibt von dem Ausbleiben des Beklagten auf einen solchen Gebotsbrief unberührt.

Diese Möglichkeit, auf Säumnis des Beklagten zu reagieren, stellt somit die für den Rechtsstreit am wenigsten förderliche dar. Sie ist lediglich dazu geeignet, den Beklagten an Einhaltung seiner Erscheinenspflicht zu erinnern. Es handelt sich um ein reines Ordnungsmittel.

Erscheint der Beklagte nach erfolgter litis contestatio in einem Folgetermin nicht, so gelten allein die Regelungen des Teil 2, Art. XXVII LGO.

Er hat danach den Prozeß in dem Stande anzunehmen, in dem er ihn vorfindet. Allenfalls kann er seine Säumnis entschuldigen mit der Folge, daß er von der Kostentragungspflicht hinsichtlich der durch seine Säumnis entstandenen Kosten befreit wird.

Wenn er noch im "wehrenden Gerichte" während der Verhandlung in contumaciam gegen ihn erscheint, so kann er die Folgen der Säumnis nur unter Beibringung erheblicher Entschuldigungsgründe abwehren.

Diese Regelung gilt im übrigen für alle säumigen Parteien, gleichviel, in welchem Verfahrensstande.

3. Privilegierte Verfahren.

Besondere Regelungen gelten für die sogenannten "Extraordinarii und Privilegierten Sachen". Teil 2, Art. XXIII LGO zählt diese Streitgegenstände, für die besondere Regeln gelten, abschließend auf. Es handelt sich z.B. um Streitgegenstände unter zwanzig Taler Wert; um Streit um verderbliche Sachen; um Hausratssachen; um Strafen, die am Gericht verwirkt worden sind; um Handelssachen; um Drittwiderspruchsklagen und alle weiteren Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung.

Allen Sachen ist gemeinsam, daß eine Entscheidung über den jeweiligen Rechtsstreit keinen Aufschub duldet. So sind die Regelungen über das Verfahren in solchen Angelegenheiten geprägt von dem Bestreben, die Sachen so schnell wie möglich zur Entscheidung gelangen zu lassen. Im einzelnen gelten folgende Regelungen:

In diesen Prozessen kann mündlich oder schriftlich verhandelt werden, je nach Erfordernis. Es finden höchstens drei Termine, d.h. drei Verhandlungstage, statt, auf denen wie folgt verfahren wird:

Auf dem ersten Termin soll die Klage vorgebracht werden. Eine Ladung des Beklagten durch das Gericht erfolgt nur bei schriftlicher Klage, ansonsten ist das Verfahren auf den Parteibetrieb abgestimmt.Dies ist Ausfluß des Gedankens, daß in solchen Angelegenheiten die Klagepartei an möglichst schneller Entscheidung ein großes Interesse hat. Der Kläger leistet im ersten Termin das iuramentum dandorum.

Dann hat der Beklagte den Krieg zu befestigen, seine Antwort, alle Exceptiones, Defensionales und Peremtoriales vorzubringen und das iuramentum respondendorum zu schwören.

Auf dem zweiten Termin besteht für beide Parteien die Möglichkeit, auf das Vorbringen im ersten Termin hin abschließend Stellung zu nehmen. Eine weitere Dilation wird nicht gewährt, es sei denn, daß eine Partei an der Beweisführung im zweiten Termin aus "ehehafftigen" Gründen verhindert wäre. In diesem Falle wird ein zweiter Termin ad probandum peremptorie anberaumt.

Daraus folgt, daß im zweiten Termin auch die Beweisführung zu erfolgen hat.

Im dritten Termin können die Parteien zur Beweisaufnahme Stellung nehmen. Anschließend wird ohne weiteren Termin die Sache für beschlossen erachtet, so der Text der LGO, eines Termines zum Beschluß bedarf es daher kraft Gesetzes nicht mehr. Das Gericht fällt sodann sein Urteil.

Lediglich wenn der Beklagte im ersten Termin exceptiones dilatoriae vorbringt, findet hierüber ein Zwischenstreit statt. Der Kläger soll hierzu so bald wie möglich, spätestens am nächsten Gerichtstag, Stellung nehmen. Für den Beweis der Behauptungen zu den exceptiones dilatoriae setzt das Gericht sodann einen Termin an, woraufhin es sein Urteil zu den Einreden fällt.

Für den Fall der Säumnis des Beklagten ordnet die LGO an, daß der Kläger nach der LGO verfahren solle. Erscheint der Beklagte später im Termin, so hat er den Rechtsstreit so aufzunehmen, wie er ihn vorfindet.

Bei den "Extraordinarii und Privilegierten Sachen" handelt es sich somit um erheblich abgekürzte Verfahren, bei denen zwar ebenfalls ausreichend rechtliches Gehör gewährt wird, jedoch dieses auf das Mindestmaß beschränkt ist. Die wesentlichen Verfahrensgrundsätze des allgemeinen Prozeßrechtes, wie vorstehend dargestellt, werden jedoch beibehalten, so daß festzuhalten bleibt, daß eine Verkürzung lediglich aufgrund der Zusammenfassung von Terminen und der Einführung von weiteren Präklusionsvorschriften erreicht wird.

IV. Urteil und Gerichtskosten.

1. Das Urteil.

In Teil 2, Art. XXIX LGO wird geregelt, wie ein Urteil, sei es ein Endurteil oder ein Beiurteil, zustande kommt.

Dabei ist unter einem Endurteil ein das gesamte Verfahren beendendes, unter einem Beiurteil ein im laufenden Verfahren, vor dem Endurteil ergehendes Urteil zu verstehen135. Beispiel für ein solches Beiurteil ist dasjenige, das auf die Verhandlungen zu den exceptiones dilatoriae ergeht, ebenso die zunächst das Verfahren beendenden missiones in bona ex primo / secundo decreto.

In diesem Zusammenhang ist darauf zurückzukommen, daß der altdeutsche Prozeß durch fortwährendes Urteilen vorangetrieben wurde, wobei jedes einzelne Urteil selbständig gescholten werden konnte. Zugrunde lag die Vorstellung, daß jedes dieser Urteile unabänderliche Richtschnur für das weitere Verfahren erster Instanz war.

Dieser Vorstellung tritt nun die römischrechtlich geprägte Vorstellung entgegen, wonach nur das Endurteil unabänderlich war, alle Zwischen- oder Beiurteile, die im Laufe des Verfahrens gesprochen wurden, nicht bindend waren136. Daraus ergibt sich für den hier untersuchten Rechtszustand unter Geltung der LGO zwangsläufig die Frage, ob es zwei Kategorien von Urteilen gibt.

Diese Frage war lange Zeit zwischen den Gelehrten umstritten. Es bildete sich jedoch zuletzt die folgende Meinung heraus:

Es gibt zwei verschieden Typen von richterlichen "Maßnahmen":

(1) Soweit das Gericht lediglich Anordnungen trifft, wie z.B. die Ladung, die Verwerfung von Anträgen auf Prozeßverbindung oder die Aufforderung an eine Partei, eine bestimmte Prozeßhandlung vorzunehmen, liegt eine "Maßnahme" des Gerichts vor, die durch den Vorderrichter und den Appellationsrichter abänderlich ist. Diese "Maßnahmen" können daher als richterliche Verfügungen begriffen werden.

(2) Soweit das Gericht eine streitige Entscheidung trifft, d.h. nach Anhörung der Parteien zu diesem Punkt, liegt eine Entscheidung vor. Es handelt sich hierbei z.B. um den Fall, daß das Gericht eine exception verwirft137.

Soweit die LGO also in Teil 2, Art. XXIX von Urteilen spricht und bereits hier zwischen End- und Beiurteilen unterscheidet, sind die beiden zuvor beschriebenen Kategorien von Urteilen gemeint.

Festzuhalten bleibt, daß sich aus dem altdeutschen Prozeß heraus auch in Bezug auf den Fortgang des Verfahrens — früher durch ständiges Urteilen — eine neue Art von Prozeßleitung durch das Gericht ergeben hat. Dies hängt im übrigen wesentlich damit zusammen, daß das Gericht nunmehr als staatliche Autorität auftritt und den Prozeß leitet, während früher durch ständiges Fragen nach der Rechtsgrundlage für die gerade vorzunehmende Prozeßhandlung sich die Parteien im Zusammenwirken mit dem Gografen mühsam ihren Weg durch den Prozeß suchen mußten.

Die nachfolgenden Erörterungen gelten, dies sei noch einmal klargestellt, sowohl für die End- als auch für die in obigem Sinne verstandenen Beiurteile.

Nachdem die Sache "auff Endt- oder Beyurtheil beschlossen" ist, lassen sich Richter und Schöffen den gesamten Prozeßstoff vom Gerichtsschreiber noch einmal vorlesen. Sie stimmen nach Beratung ab, wobei eine einfache Mehrheit der Stimmen hinreichend ist. Dieses Urteil wird sodann vom Gerichtsschreiber verfaßt und dem Gericht noch einmal vorgelesen. Wenn über diese Fassung des Urteils "zum mehrern theil" Einigkeit besteht, soll es entweder noch auf demselben, spätestens aber auf dem nächsten Gerichtstag verkündet werden.

Die Urteilsverkündung geschieht durch vollständiges Verlesen des Urteils in öffentlicher Sitzung.

Wenn die Richter jedoch nicht zu einem Urteil gelangen können, so hat die LGO ihnen die Möglichkeit eingeräumt, das Urteil durch Rechtsgelehrte verfassen zu lassen. Einer oder zwei solcher Rechtsgelehrter, die unparteiisch sein müssen — hierauf müssen sie einen Eid leisten — erhalten nach Verfertigung der Akten diese übersandt und gleichzeitig die Aufgabe, nicht nur das Urteil zu finden, sondern es auch zu formulieren. Die Kosten der Verfertigung des Urteils durch die Rechtsgelehrten tragen die Parteien. Die Kostenquote der einzelnen Prozeßpartei folgt der Kostenentscheidung zur Hauptsache. Erst nach Zahlung dieser Kosten durch die Parteien — in diesem Stadium wird mangels ausdrücklicher Kostenverteilungsregel von hälftiger Teilung auszugehen sein — schicken die Rechtsgelehrten die Akten zurück zum Gericht, wo dann am nächsten Gerichtstag das von den Rechtsgelehrten zwingend zu unterschreibende Urteil wie oben geschildert verkündet wird.

Durch diese Regelung setzt sich Johannes von Hoya teilweise über die Wünsche des Gografen Strick hinweg, der in der Anzeige der Mißbräuche unter Ziffern 14 und 15 gerade diese Praxis angegriffen hatte, daß die Urteile von Rechtsgelehrten verfaßt würden. Er hatte bemängelt,
  • - daß das Gericht sich im zu entscheidenden Einzelfall überhaupt von Rechtsgelehrten beraten läßt
  • - daß die Parteien die Urteilsgebühr zahlen müssen, wenn das Urteil an einen aus dem Umstand "bestadet" wurde
  • - daß die Gelehrten die Urteile nicht unterschreiben mußten
  • - daß es deshalb vorkommen könne, daß Sprüche von Idioten beim Trinken verfaßt wurden138.

Der einzige angezeigte Mißstand, den Johannes von Hoya als solchen erkannte und den er beseitigte, war die Unterschriftspflicht für die Rechtsgelehrten. Alle übrigen Anzeigen ignorierte er. Zwar hatte er mit der Unterschriftspflicht gleichzeitig die Gewähr dafür geschaffen, daß Urteile nicht mehr in erheitertem Zustande verfaßt wurden; dennoch, daß das Verfassen der Urteile nicht mit dem nötigen Ernst betrieben wurde, sobald diese Tätigkeit auf Rechtsgelehrte übertragen worden war, konnte nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Die weitere Forderung Stricks, die Urteilsgebühr nicht in dem Augenblick fällig werden zu lassen, in dem Gelehrte den Auftrag zur Verfertigung des Urteiles erhalten, wird von der LGO. Denn die Urteilsgebühr wird nunmehr erst nach Verfertigung des Urteiles, aber vor dessen Verkündung fällig.

Hatte die frühere Regelung noch den alleinigen Zweck, die Parteien zur weiteren Betreibung des Verfahrens zu veranlassen und ihr Interesse daran dazu zu nutzen, vorab schon einmal die Gerichtskosten einzuziehen, deren Beitreibung nach Verkündung des Urteils eine Angelegenheit der Zwangsvollstreckung wäre, so verfolgt die LGO mit ihrer Regelung einen darüber hinausgehenden Zweck: sie nutzt nicht nur das Interesse der Parteien im oben beschriebenen Sinne, sondern fördert auch das Interesse der Rechtsgelehrten an baldiger Fertigstellung des Urteils, indem sie ihnen nicht im voraus die Gebühr verschafft, sondern deren Verdienst an die Verfertigung des Urteiles knüpft.

Somit löst die LGO zwei Probleme auf einmal: sie bietet Gewähr für pünktlichen Geldeingang für die Rechtspflege beim Fürsten und sie beschleunigt das Verfahren. Letzteres ist eines der vorrangigen Ziele der LGO.

Von dieser Warte aus betrachtet stellen sich die angezeigten Mißbräuche nicht als solche dar; vielmehr ist die Verschärfung der Regelungen, welche Strick als Mißbräuche anzeigt, dazu angetan, Mißbräuchen anderer Art vorzubeugen.

Ein weiterer Aspekt der Möglichkeit, das Urteil durch Rechtsgelehrte finden zu lassen, tritt hinzu.

Wie oben bereits bemerkt, sind als Richter nur solche Personen berufen, die die LGO, die Peinliche Halsgerichtsordnung und die Rechtsgebräuche des Stifts Münster kennen, Teil 1, Art. I LGO. Weiter wurde bereits festgestellt, daß die Rechtsgebräuche hinsichtlich nachbarrechtlicher und landwirschaftlicher Fragen alljährlich einmal von den Gerichtseingesessenen erfragt werden sollen, Teil 2, Art. I LGO. Die Regelungen der LGO selbst sind geprägt von dem Bemühen um die Aufnahme des römischen Rechts unter genügender Berücksichtigung des althergebrachten Verfahrens.

Wenn nun die Urteile der Rechtsgelehrten — die Rechtsgelehrten waren ausnahmslos Gelehrte des römischen Rechts — dasselbe Gewicht haben wie die Urteile der Richter, die eher nach deutschem Recht urteilten, so bedeutet das die faktische Gleichstellung des ius commune mit den alten deutschrechtlichen Traditionen. Hier fand keine verordnete Rezeption des römischen Rechts statt, wie z.B. in der RKGO von 1555 zum Ausdruck kommt: "... zu richten nach des Reichs gemeinen Rechten"; hier wird die Möglichkeit geboten, wenn das deutsche Recht nicht mehr weiter hilft, die Römischrechtler zu befragen, deren Spruch sodann Urteil ist, und zwar Urteil mit landesherrschaftlichem Geltungsgrund. Die LGO findet folglich eine Möglichkeit, das ius commune nach und nach mit dem deutschen Recht zu verschmelzen, so daß nicht einfach ein Schnitt gemacht wird, sondern für den Rechtsuchenden immer der Eindruck entsteht, daß in seinem Fall das deutsche Recht ergänzungsbedürftig war, nicht abänderungsbedürftig. Die Gewöhnung der Bevölkerung an das ius commune war damit erheblich einfacher als wenn seine Geltung kraft Gesetzes eingeführt worden wäre. Daher kann die soeben beschriebene Regelung nicht als ein Mißbrauch verstanden werden, sondern ist im Gegenteil ein enormer Fortschritt.

Im übrigen wäre es unklug gewesen, die vom Fürstbischof eingesetzten Richter auf die Anwendung des ius commune festzulegen. Dies hätte nämlich kaum einer der alten Gografen leisten können und die Gografen konnten nicht einfach ausgetauscht werden. Dazu waren sie in ihren Bezirken zu einflußreich und damit für den Fürstbischof zur Erhaltung seiner Landeshoheit zu wichtig. Wären sie auf die Anwendung des ius commune verpflichtet worden, so hätte dies womöglich zu einer starken Unterbesetzung der Gerichte geführt. Die Lösung, die die LGO wählt, stellt sich also als eine äußerst elegante und weitblickende dar.

Im übrigen ist noch einmal darauf zurückzukommen, daß das römische Recht nicht die Rechtsschöpfung durch das Gericht vorsah, sondern die Anwendung des bestehenden Rechts auf den zu entscheidenden Einzelfall.

Auch nach der LGO ist jetzt das Weistum ersetzt durch ein Einzelfallurteil. Das Gericht entscheidet nach anzuwendendem, bestehendem Recht, bei dem es sich nach Teil 1, Art. I LGO um die LGO, die Peinliche Halsgerichtsordnung aus den Jahren 1530 und 1532 sowie die "wohlherbrachter gebräuch gewohnheiten und gerechtigkeiten unsers Stiffts Münster" handelt. Durch welche Hintertüren das gemeine materielle Recht Eingang in den Rechtsalltag der Gerichtspraxis fand, wurde bereits oben dargelegt. Wichtig ist jedoch festzuhalten, daß die Kenntnis dieses materiellen Rechts vorausgesetzt und allein seine Anwendung durch die Richter gefordert wird. Die Weiterentwicklung des materiellen Rechts in bestimmten Rechtsgebieten erfragt der Fürstbischof regelmäßig einmal im Jahr, wie bereits oben erörtert. Die LGO geht mithin erkennbar davon aus, daß das Recht nun nur noch angewendet wird und nicht mehr durch das Gericht geschaffen.

2. Gerichtskosten.

Teil 2, Art. XXXII LGO regelt die Entscheidung über die Gerichtskosten und "in der handlung auffgelauffen" Schäden.

Zunächst ist festzuhalten, daß hierüber nur auf Antrag einer Partei entschieden wird.

Zu unterscheiden ist nach der Regelung der LGO zwischen der Kostengrundentscheidung und der Entscheidung über die Höhe der vom Kostenschuldner zu tragenden Kosten.

Ausdrücklich geregelt ist die Kostengrundentscheidung für den Fall der Säumnis einer Prozeßpartei. Auf Antrag der nicht säumigen Partei wird entweder sofort über die Kosten der Säumnis entschieden, oder aber die Entscheidung hierüber bleibt dem Endurteil vorbehalten. Diese Regelung gilt für die Gerichtskosten, die vor dem Beschluß der Sache, also vor dem fünften Termin, und dem Endurteil anfallen.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß die LGO hier nur von den Gerichtskosten spricht. Nach heutigem Sprachgebrauch sind damit nur die Kosten gemeint, die nach dem GKG und dem ZSEG als Kosten des Verfahrens angesehen werden, nicht jedoch die außergerichtlichen Kosten der Parteien.

Die LGO unterscheidet nicht zwischen solchen außergerichtlichen Kosten und Gerichtskosten, sie versteht unter "Gerichtskosten" auch diejenigen, welche nach heutigem Sprachgebrauch als außergerichtliche Kosten bezeichnet werden. Dies ergibt sich aus der weiteren Regelung in Teil 2, Art. XXXII LGO, der Regelung über die "Kostenfestsetzung" aufgrund des Kostenausspruches im Endurteil.

Ist eine Partei im Endurteil — auf Antrag der anderen Partei — in die Kosten verurteilt worden, so findet ein Verfahren statt, das dem der Regelung der §§ 104 ff. ZPO nahe kommt.

Die anspruchsberechtigte Partei hat in "einem Zettel" die Kosten aufzustellen und dem Gericht einzureichen, das wiederum eine Kopie dieser Kostenaufstellung der Gegenseite zur Stellungnahme übersendet. Diese kann sodann ihre Einwendungen bis zum nächsten Gerichtstag vorbringen, woraufhin mündlich zu beschließen ist. Sieht sich das Gericht außerstande, eine Entscheidung zu fällen, so soll es den gesamten Vorgang nach der oben für das Verfassen der Urteile beschriebenen Regelung den Gelehrten übersenden, die dann anstelle des Gerichts entscheiden.

Diesen Gelehrten, wie auch dem Gericht, hat die LGO eine Regelung an die Hand gegeben, nach welcher Reihenfolge welche Kosten in die Festsetzung aufgenommen werden:

(1) An erster Stelle stehen die Kosten, die durch die Tätigkeit des Gerichts, bestehend aus den bereits aufgezählten Gerichtspersonen, entstanden sind, wobei hierzu auch die Kosten der Gelehrten zählen, die etwa ein Urteil zu verfassen haben.

(2) An zweiter Stelle stehen die Kosten der Advokaten und ihrer "producta". Hierbei wird den Anwälten für jeden "Substantialtermin" zwei Schilling Münsterisch, für einen "schlechten" Termin und für den Termin, in dem sie nur eine Kopie der Schrift der Gegenseite beantragt haben, ein Schilling Münsterisch zugebilligt. In gleicher Weise wird die übrige Arbeit der Anwälte abgegolten.

In diesem Zusammenhang wird dem Gericht ein Ermessen eingeräumt zu beurteilen, ob eine Partei überflüssige Schriften und Termine veranlaßt hat. Die hierdurch angefallenen Kosten können nach dem Ermessen des Gerichts gesenkt oder aber ganz gestrichen werden. Hier wird also sanktioniert, was den Parteien als Pflicht auferlegt worden ist, nämlich, den Prozeß zu fördern und nicht zu verschleppen.

(3) An dritter Stelle stehen die Kosten, die der anspruchsberechtigten Partei durch eine Reise zum Gericht entstanden sind. Einem Bürger, Bauern oder Handwerksmann, der "zu fuß gienge", soll hierfür pro Tag zwei Schilling Münsterisch zugebilligt werden, für einen Geschäftsmann, der seine Wege zu Pferde oder zu Wagen zurücklegt, soll das Gericht nach seinem Ermessen sechs bis acht Schillinge Münsterisch ansetzen.

Alle weiteren Schäden, die der anspruchsberechtigten Partei durch den Rechtsstreit entstanden sind, sollen ebenfalls festgesetzt werden.

Festzuhalten bleibt damit, daß die Gerichtskostenregelung sich streng an den Vorgaben aus dem zuvor geregelten Verfahren orientiert und dort kostenrechtliche Sanktionen verübt, wo entsprechende prozessuale Pflichten aufgestellt worden waren. Dies trägt wesentlich zur Geschlossenheit des Systems bei und fördert das Ziel der Straffung des Verfahrens.

V. Die Appellation.

Das Recht der Appellation ist geregelt in Teil 2, Art. XXX, XXXI LGO sowie durch eine knappe Zusammenfassung in Teil 2, Art. I HofGO (im folgenden: HofGO = Hofgerichtsordnung des Fürstbischofs Johannes von Hoya von 1571).

Mit den Mißständen im Appellationswesen befaßte sich bereits der Bericht des Gografen Strick, die "Anzeige der Mißbräuche", unter den Ziffern 12, 13, 17, 18, 19. Bemängelt ist dort das Verfahren der Appellationseinlegung, nämlich, daß man an vielen Gerichten sofort nach Urteilsverkündung appellieren müsse, während man an anderen Gerichten hierfür zehn Tage Zeit habe; es wird die Praxis des "vurraem" beklagt139; als ein weiterer Mangel wird dargestellt, daß die Appellationsrichter das Verfahren nicht durch Beschleunigung der Aktenübersendung vorantreiben; es finde, so Strick, keine zweite Tatsachenverhandlung statt; zu guter letzt wird bemängelt, daß der Vorderrichter jede Appellation annehme und aufgrund unterschiedlicher Ansicht der Appellationsrichter über die Zulässigkeit daher die Sache zwischen den Instanzen hin- und herverwiesen werde140.

Es fragt sich nun, ob und wie die LGO für diese Mängel des Verfahrens Abhilfe geschaffen hat.

1. Zulässigkeit der Appellation.

Die Zulässigkeit der Appellation bestimmt sich nach der Regelung in der LGO, die trotz ihrer Wiederholung in der HofGO allein maßgeblich und daher abschließend ist. Die Regelung in Teil 2, Art. I HofGO dient lediglich der Bestimmung derjenigen Verfahren, die am Hofgericht verhandelt werden, ist mithin allein eine Vorschrift über die sachliche Zuständigkeit des Hofgerichts, nicht über die Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Verfahren.

Mit der Appellation anfechtbar sind Endurteile und Beiurteile, deren Beschwer nicht mit dem Endurteil zusammen angegriffen werden kann. Welche Beiurteile hiermit gemeint sind, wird beispielhaft in Teil 1, Art. I HofGO aufgeführt. Es handelt sich hierbei z.B. um:
  • - Bescheide darüber, ob Parteivorbringen zuzulassen sei, wie z. B. exceptionen, Replik, Duplik etc.
  • - Bescheide darüber, ob die litis contestatio vorgenommen werden müsse
  • - Bescheide, ob "auf die Articuln gnugsam geantwortet" sei
  • - Bescheide darüber, ob "Gezeugen und Kundtschafft zuführen" sei
  • - Bescheide, ob "Commission oder Dilation" zu gestatten sei

Die Frage, die jedesmal zu entscheiden ist, besteht darin, ob die Beschwer dieses "Bescheides" mit der Anfechtung des Endurteiles behoben werden kann.

Nach römischem Recht ist lediglich die Anfechtung eines Endurteiles möglich, da nur dieses in Rechtskraft erwachsen141 kann. Dies liegt begründet in dem Grundsatz, daß die zweite Instanz den Rechtsstreit vollkommen neu aufrollt mit der Folge, daß sämtliche in erster Instanz ergangenen Zwischenbescheide aufgehoben sind und den zweitinstanzlichen Richter nicht binden142.

In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf die Ausführungen zu den verschiedenen Arten von Urteilen zurückzukommen.

Es gibt Endurteile und Beiurteile. Nach römischem Recht sind nur die Endurteile appellabel, die Beiurteile nur in folgenden zwei Fällen:
  • - wenn die durch das Beiurteil zugefügte Beschwerung durch die Anfechtung des Endurteiles nicht behoben wird;
  • - wenn das Beiurteil die Kraft eines Endurteiles hat.

Diese Grundsätze sind aufgenommen worden in der Bestimmung des Teiles II, Art. XXIX, § 3 RKGO aus dem Jahre 1555. Es gibt also appellable und nicht appellable Beiurteile. Das Unterscheidungsmerkmal kann allein in der oben gefundenen143 Differenzierung zwischen richterlicher Verfügung und Entscheidung gesehen werden. Damit ist für die Abgrenzung das entscheidende Merkmal, daß diejenigen Beiurteile appellabel waren, die beispielsweise die Geltendmachung einer Einrede verwarfen, die also dazu führten, daß das Endurteil durch die durch das Beiurteil vorweggenommene Entscheidung über eine einzelne Frage nachhaltig beeinflußt wurde144.

Selbstverständlich wäre ein solches Beiurteil in der Appellationsinstanz nicht bindend gewesen, es hätte aber dies bereits in erster Instanz geklärt werden können, da aus reiner Praktikabilität heraus ein solches Urteil als appellabel angesehen wurde.

Damit ergibt sich, daß das Unterscheidungsmerkmal in Teil 2, Art. XXX LGO "so durch die Appellation von der Endturtheil in der hauptsachen nit reparirt" von Fall zu Fall nach den oben genannten Kriterien beurteilt werden mußte145. Die streng nach ihrem Wortlaut verstandene Klausel hätte alle Appellationen von Beiurteilen ausgeschlossen. Dies wäre jedoch sogar nach römischrechtlichem Verständnis zu weitgehend gewesen, weshalb die Interpretation in der oben genannten Weise dem Willen des Verordnungsgebers am ehesten Rechnung trägt.

Bezogen auf die eingangs der Betrachtung genannten Beispiele der HofGO für die Anfechtbarkeit von Beiurteilen läßt sich festhalten, daß es sich sämtlich um solche Beiurteile handelt, die bei Unrichtigkeit ein falsches Endurteil präjudizieren, ein weiteres Indiz für den zuvor erläuterten Willen des Verordnungsgebers.

Die zweite Voraussetzung für die Zulässigkeit der Appellation ist die Beschwer des Appellanten. Die Art der Beschwer und ihr Umfang sind nicht geregelt, erforderlich ist also lediglich eine wie auch immer geartete Beschwer.

Die Art und Weise der Appellation ist ausführlich geregelt. Die Appellation muß zunächst bei dem Vorderrichter interponiert werden, d.h. der Appellant hat anzuzeigen, daß er appellieren werde146. Da diese Interposition an bestimmte Fristen gebunden ist, entscheidet der Vorderrichter allein über ihre Einhaltung.

Erst daran schließt sich die Prozeßhandlung des Anhängigmachens der Appellation in der zweiten Instanz an, indem der Appellant die Ladung reproduzieren und an den Appellaten durch das Gericht zustellen läßt.

Die Appellation, also die Abgabe der Erklärung, daß gegen ein Urteil appelliert werden soll, erfolgt dergestalt, daß entweder alsbald nach Eröffnung des Urteils erster Instanz mündlich — in continenti — oder aber binnen zehn Tagen nach Eröffnung des Urteils schriftlich vor Gericht oder vor Notarien und Zeugen appelliert wird, wobei hier allein die Interposition gemeint ist.

Die Formulierung in Teil 2, Art. XXX LGO ist hier insofern ungenau, als syntaktisch nicht klar wird, ob die mündliche Appellation unter Angabe der Gründe erfolgen muß wie die schriftliche, für die sich dieser Zwang aus der Formulierung der Regelung ergibt. Möglich wäre bei der mündlichen Appellation auch deren Begründung erst mit Anhängigmachen in der zweiten Instanz147.

Die LGO trifft über das Nachschieben der Appellationsgründe bei mündlicher Anhängigmachung der Appellation keine Regelung. Das Fehlen einer solchen Regelung läßt darauf schließen, daß sich der Begründungszwang sowohl auf die mündliche wie die schriftliche Appellation bezieht. Die wörtliche Wiederholung der Formulierung der LGO in der HofGO und die nachfolgende Wiederholung der Regelung, was nach erfolgter Appellation zu geschehen habe, bringt zwar expressis verbis keine Klarstellung; jedoch liegt angesichts der Gleichartigkeit der Formulierungen und des Gesetzesaufbaues der Schluß nahe, daß sowohl mündliche als auch schriftliche Appellation bei ihrer Einlegung zu begründen waren.

Mit dieser Regelung trägt der Verordnungsgeber dem angezeigten Mißbrauch Ziff. 12 Rechnung, indem nunmehr entweder sofort unter Angabe der Gründe oder aber schriftlich innerhalb von zehn Tagen nach Eröffnung des Urteils appelliert werden kann. Ausdrücklich findet sich im Text der LGO der Hinweis, daß damit die entgegenstehenden Mißbräuche aufgehoben sein sollen.

Soweit oben bereits von der "Einlegung" der Appellation gesprochen wurde, war dies voreilig, da die LGO erst dann von Einlegung der Appellation spricht, wenn der Appellant binnen dreißig Tagen nach Eröffnung des Urteiles dem erstinstanzlichen Richter seine Appellation einliefert. Erst ab diesem Zeitpunkt kann man von "Einlegung" der Appellation sprechen, wohingegen das Appellieren selbst hiervon unterschieden werden muß. Auch hier zeigt sich die deutschrechtliche Tradition und die Rezeption des gemeinen Rechts, indem das Appellieren, also das öffentliche Angreifen eines Urteils durch das gesprochene Wort, aufrechterhalten wird, gleichzeitig jedoch das schriftliche Appellieren dem mündlichen Appellieren gleichgestellt wird.

Mit Einlegung der Appellation hat der Appellant den Vorderrichter um die "Apostolos" zu bitten. Zum Begriff der Apostoli verweise ich auf das oben Ausgeführte148.

Das Fehlen solcher Apostoli ist jedoch kein Verfahrenshindernis, da die Appellation gleichwohl stattfindet, soweit sie im übrigen zulässig ist.

Drei Monate nach der Einlegung der Appellation und der Bitte um Apostoli hat somit der Appellant die Appellation beim Obergericht anhängig zu machen, indem er die Ladung reproduzieren läßt und ausbringt. Soweit also das zweitinstanzliche Gericht bis auf das Fehlen der Apostolorum keinen Zulässigkeitsmangel findet, hat es die Appellation anzunehmen und über sie zu verhandeln.

Wenn die dreimonatige Frist abgelaufen ist, ohne daß der Appellant die Sache bei dem Appellationsgericht anhängig gemacht hat, kann der "Appellat", also der Appellationsgegner, um Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils nachsuchen, indem er bei dem Vorderrichter einen entsprechenden Antrag stellt.

Zuständig für die Durchführung der Appellation ist das Hofgericht, soweit nicht die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet ist.

In Teil 2 Art. I HofGO ist für den gesamten Stift Münster die Zuständigkeit des Hofgerichts vorgeschrieben, soweit nicht eine ausdrückliche Befreiung durch den Fürstbischof erteilt worden ist.

Es bleibt für den Instanzenzug an ein anderes als das Hofgericht nur noch der Fall, daß sich aus alter Gewohnheit ein anderer Instanzenzug herausgebildet hat. Dies mag für das Gogericht Sandwelle Geltung gehabt haben, da sich auch nach Erlaß der LGO von 1571 noch Appellationsverhandlungen vor diesem Gericht urkundlich belegt finden. Diese Verhandlungen hatten gemäß Teil 2, Art. XXX LGO dem hergebrachten Recht zu folgen, während für das Appellationsverfahren vor dem Hofgericht die Hofgerichtsordnung galt, Teil 2, Art. XXX LGO.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang noch einmal an die Grundsätze des römischen Prozeßrechts, die auf die Regelung der Appellation, wie sie oben geschildert wurde, maßgeblichen Einfluß hatten. Die wichtigsten sind folgende:
  • - es kann gegen ein Urteil nur dann appelliert werden, wenn es eine höhere Instanz in der Beamtenhierarchie gibt, der die das erstinstanzliche Urteil fällende untergeordnet ist149;
  • - zur Appellation ist jeder berechtigt, der sich durch das Urteil beschwert fühlt, so wie jeder sich über die sonstige Amtsführung des Magistrats bei dessen Vorgesetzten beschweren kann150;
  • - die Entscheidung über das Rechtsmittel muß von der Rechtsmittelinstanz ausgehen, die der Instanz, gegen deren Urteil appelliert wird, übergeordnet ist, da es sich bei der Durchführung der Appellation um die Kontrolle der Rechtsanwendung handelt, nicht um Rechtsetzung151;

Mit der Schaffung eines Instanzenzuges, dessen Spruchkörper Träger hoheitlicher Gewalt und die somit staatlich legitimiert sind, trägt die LGO dem ersten römischrechtlichen Grundsatz Rechnung. Die Einführung der Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung der Appellation ist nicht nur erneut Ausdruck der Schaffung einer staatlichen Rechtspflege; sie zeigt wiederum, daß der Appellant nicht allein deswegen ein Rechtsmittel einlegen kann, weil er einen anderen, seiner Meinung nach besseren Entscheidungsvorschlag macht, ein "vurraem". Das Rechtsmittel der Appellation dient allein dazu, einem im Prozeß Unterlegenen die Möglichkeit zu verschaffen, die dadurch für ihn begründete Beschwer noch einmal von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen. Es dient daher der Kontrolle der Rechtsanwendung der Untergerichte durch die Obergerichte.

Die Forderung des Gografen Strick, das "vurraem" abzuschaffen, ist damit erfüllt. Es zeigt sich auch insoweit, daß durch Erfüllung dieser Forderung das Ziel erreicht wird, die Rechtsprechung dem zu Volk entziehen und auf Berufsrichter zu übertragen.

2. Suspensiv- und Devolutiveffekt.

Zum Wesen der Rechtsmittel gehören der Suspensiv- und der Devolutiveffekt. Nach heutigem Verständnis bedeutet "Suspensiveffekt" die Wirkung, daß das Rechtsmittel den Eintritt der Rechtskraft hemmt, soweit es sich um ein statthaftes Rechtsmittel handelt152.

Nach der gemeinrechtlichen Definition ist unter dem Suspensiveffekt zu verstehen, "daß sowohl der Richter als die Parteien den bisherigen Stand der Sache beizubehalten, oder was dasselbe ist, sich jeder Neuerung (innovatio, attentatum) zu enthalten haben"153. Diese Definition geht mithin weit über das heutige Verständnis vom Suspensiveffekt hinaus. Ist nach heutigem Verständnis der Eintritt der Rechtskraft gehemmt und damit grundsätzlich auch die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht gegeben, so sieht die gemeinrechtliche Definition darüberhinaus ein Verbot der Veräußerung und Belastung der streitbefangenen Sache vor.

Die Regelung der §§ 265, 266 ZPO stellt zunächst einmal klar, daß es solch ein Verbot nicht gibt; weiter knüpft sie bestimmte Folgen für die Aktiv- oder Passivlegitimation der veräußernden Prozeßpartei an eine solche Veräußerung / Belastung. Diese Regelung gilt nicht nur für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels, sondern für jede Instanz, da nämlich die Wirkungen der §§ 265, 266 ZPO allein an den Eintritt der Rechtshängigkeit geknüpft sind. Daher erklärt sich auch die systematische Stellung der Vorschriften im Abschnitt über das Verfahren im ersten Rechtszug.

Die LGO gibt im Teil 2, Art. XXXI, also einen Artikel nach der Vorschrift über die Zulässigkeit sowie Art und Weise der Appellation, eine Regelung, "daß in hangenden Rechten kein neuwerung fürzunemen noch die streittige gütter veralienirt werden sollen".

Das gemeine Recht sah bereits das Verbot der Veräußerung der streitbefangenen Sache vor. Daran knüpft die Regelung der LGO an und wiederholt noch einmal das Verbot. Sie regelt darüberhinaus, daß der Besitzer eines "besprachten Gutts", also eines Gutes, das Gegenstand des Rechtsstreites ist, wobei unter "Gut" zuvörderst ein Grundstück zu verstehen ist, an ihm keinerlei Veränderungen vornehmen solle. Es werden unter Veränderungen verstanden die Veräußerung, es "gefehrliche verargern", was soviel bedeutet wie es vorsätzlich zu verschlechtern, die Belastung mit einer Hypothek und, das Gut "in frembde hande stellen".

Wird gegen dieses Verbot verstoßen, so kann der Gegner beweisen, daß ein solcher Verstoß vorliegt und der Richter erkennt sodann ohne erneute Klage, daß die Veränderung nicht eingetreten ist und die Sache "im fürigen standt würcklich gestelt" wird. Gegen diesen Entscheid des Richters ist eine Appellation nicht zulässig.

Diese Regelung füllt den oben erwähnten gemeinrechtlichen Begriff des Suspensiveffektes aus. Sie verbietet den Parteien, über den Streitgegenstand zu verfügen und läßt die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit solcher Verfügungen auf Antrag der jeweils anderen Partei zu. Entschieden wird über diese Anträge in einem Verfahren, das zu den "Extraordinarii und Privilegierten Sachen" gehört, Teil 2, Art. XXIII LGO.

Die Frage, ob Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein Attentat im Sinne des Teil 2, Art. XXXI LGO darstellen mit der Folge, daß über die Verfügung über die im Streit befindliche Sache ein Verfahren stattfindet, in dem darüber entschieden wird, ob die Verfügung unwirksam ist, erhebt sich vorliegend nicht. Denn die Zwangsvollstreckung nach Teil 2, Art. XXXIV LGO kann nur aus rechtskräftigen Titeln erfolgen und ein Verstoß gegen dieses Gebot ist in einem Verfahren, das zu den "Extraordinarii und Privilegierten Sachen" gehört, anzugreifen, Teil 2, Art. XXIII LGO. Für die "neuwerung" durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hat die LGO folglich eine abschließende anderweitige Regelung getroffen.

Die Stellung der Vorschrift läßt prima facie darauf schließen, daß sie nur für den Fall der Appellation gelten solle; hingegen ist ihr Regelungsgehalt derart allgemeiner Natur, daß er ebenso für das gesamte erstinstanzliche Verfahren gelten kann. Zu berücksichtigen ist auch hier wieder, daß die LGO vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitet. Dies wurde oben für die Stellung der Vorschriften über die Widerklage oder aber die exceptiones dilatoriae untersucht.

Dort wurde festgestellt, daß es sich jeweils um — nach dem Verständnis der Verfasser der LGO — besondere Verfahrenstypen handelte und daher die für sie geltenden Vorschriften systematisch an den Schluß der LGO gehörten.

Ebenso liegt es auch im vorliegenden Fall, da es sich bei dem Verfahren, in dem die Regelung des Teil 2, Art. XXXI LGO zum Tragen kommt, um ein Verfahren in causis extraordinariis handelt. Die Vorschrift löst folglich ein besonderes Verfahren aus und hat demgemäß ihren nach dem Verständnis der Verordnungsgeber richtigen Platz am Ende der LGO. Wegen der Konnexität zu dem das Verfahren der Appellation prägenden Suspensiveffekt ist ihre Stellung folglich nach der Regelung der Zulässigkeit und der Art und Weise der Appellation logisch.

Der Devolutiveffekt betrifft lediglich die Frage, wann das Appellationsgericht mit der Sache befaßt ist und das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit verliert.

In Betracht kommt hierfür allein der Zeitpunkt, in welchem der Appellant seine Appellation am Appellationsgericht anhängig macht. Eine Zulässigkeitsprüfung hinsichtlich der Einlegung der Appellation findet — wie oben ausgeführt — nur am erstinstanzlichen Gericht statt, so daß das Appellationsgericht sich nur noch mit der Sachprüfung zu befassen hat. Die Erwachsenheit der Appellation an das Appellationsgericht tritt nämlich nach Teil 2, Art. XXX LGO bereits mit ihrer Anhängigmachung bei dem Appellationsgericht ein.

3. Das Verfahren in Appellationssachen.

Zunächst ist hier noch einmal auf die Regelung in Teil 2, Art. XXX LGO zurückzukommen, wonach nicht allein das Hofgericht Appellationsinstanz sein kann, sondern auch andere Gerichte, die aus Tradition bisher für bestimmte Sachen Appellationsinstanz waren.

Vor diesen Gerichten soll dann in der Appellationsinstanz das Verfahrensrecht Geltung behalten, das dort überliefert ist. Lediglich vor dem Hofgericht gilt in Appellationssachen die HofGO.

Mit dieser Regelung schafft Johannes von Hoya auch in der zweiten Instanz die Kontinuität des bisher praktizierten Verfahrensrechtes.

Während er für die erste Instanz zwar verfahrensrechtlich eine Vereinheitlichung verordnete, gleichzeitig jedoch das materielle Recht durch jährliche Befragung der Eingesessenen des Stifts Münster erhielt, so beläßt er den Rechtsuchenden hier verfahrensrechtlich ihre alten Gebräuche und Gewohnheiten, wohlwissend, daß für deren Anwendung nur noch ein äußerst geringfügiger Raum verblieb. Er fördert damit die Akzeptanz der neuen Gerichtsordnung, indem er den Wechsel der Verfahrensordnung gleitend gestaltet.

Raum für die Zuständigkeit anderer Appellationsgerichte als des Hofgerichts dürfte sich aus der im ersten Teil angesprochenen überragenden Stellung des Gogerichtes Sandwelle ergeben haben. Dort fanden bekanntlich sowohl gebotene als auch ungebotene Godinge statt, so daß das Gericht erste und zweite Instanz war. Hier bestand folglich eine Gewohnheit, von der in Teil 2, Art. XXX LGO die Rede ist.

Gleichzeitig hat jedoch das Gogericht Sandwelle in erster Instanz das Verfahren nach der LGO einzuhalten mit der Folge, daß allein hierdurch die Praxis des "vurraem" auch für dieses Gericht aufgehoben ist, vgl. Anzeige der Mißbräuche Ziff. 13154. Erst für das Verfahren in zweiter Instanz, nicht etwa für die Art und Weise der Appellation, gelten die bisherigen Gewohnheiten, Teil 2. Art. XXX LGO.

Das Verfahren nach der HofGO ist demjenigen nach der LGO ähnlich. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, werden im Folgenden nur die die Appellation betreffenden Besonderheiten behandelt.

Die Ladung geschieht durch Einbringung einer Supplikation des Appellanten bei dem Hofgericht, das sodann die Ladung ausstellt und reproduziert. Der Gerichtsbote stellt die Ladung zu, wie auch in erster Instanz. Bei Nichtbefolgung einer solchen Ladung durch den Gegner kann der Appellant den Erlaß von Compulsorialbriefen beantragen, die eine erneute Ladung enthalten und für den Fall des Nichterscheinens eine Strafe androhen, Teil 2, Art. II HofGO.

Die vorgenannte Vorschrift ordnet desweiteren an, daß eine Supplikation sowohl von der Partei selbst als auch von einem Anwalt unterschrieben werden kann. Auch die weiteren Verfahrenshandlungen kann die Partei selbst vornehmen, es herrscht kein Anwaltszwang. Allerdings ist zu beachten, daß die HofGO nicht mehr Advokaten, Fürsprächen und Procuratoren als Synonyme benutzt; sie unterscheidet sehr wohl zwischen Advocaten und Procuratoren, wobei die ersten den Prozeß schriftlich vorbereiten, Teil 1, Art. IV HofGO, die zweiten jedoch allein die Vertretung in der Gerichtsverhandlung übernehmen, Teil 1, Art. VI HofGO.

Im ersten Termin hat der Appellant die Zustellungsurkunde über die Ladung, die Klageschrift, die Appellationsschrift und die Akten erster Instanz zu übergeben. Hat er die Akten erster Instanz noch nicht bei sich, so kann er durch Supplikation einen Kompulsorialbrief an den Vorderrichter beantragen, um ihn zur Edition der Akten zu zwingen, Teil 2, Art. III HofGO. Vor der Einbringung der Akten braucht der Appellat den Krieg nicht zu befestigen.

Sodann findet zunächst das Verfahren über die exceptiones dilatoriae und peremptoriae statt, Teil 2, Art. V HofGO. Diese Vorschrift ist gleichlautend mit derjenigen in der LGO. Erst nach diesem Verfahren erfolgt die litis contestatio, Teil 2, Art. VII HofGO.

Nach Teil 2, Art. XXXV HofGO kommt es nunmehr darauf an, ob nach der litis contestatio die Parteien gegenüber der ersten Instanz etwas Neues vorgetragen haben. Ist dies nicht der Fall und will auch nach der litis contestatio keine Partei mehr etwas vortragen, so soll auf Antrag der Parteien der Termin zum Beschluß der Sache, "terminus producendi omnis et concludendi", angesetzt werden.

Will eine Partei trotz des Antrages der anderen Partei auf Anberaumung eines Termines zum Beschluß der Sache noch etwas vortragen. so wird ihr hierfür eine Frist gesetzt und danach entschieden, ob sie "wie in erster Instanz zuhandlen zugelassen und gestattet" wird.

Wird befunden, daß "in der sachen wol geurtheilt und ubel davon Appellirt", so wird der Appellant in die Gerichtskosten verurteilt und, soweit die Appellation mutwillig erscheint, wird ihm zusätzlich eine Geldstrafe auferlegt.

Es ergibt sich somit, daß nur bei neuem Vorbringen ein erneutes Beweisverfahren stattzufinden hat, im übrigen wird auf Basis der Akten des Vorderrichters entschieden, wobei die erstinstanzlich erhobenen Beweise verwertet werden.

Die Entscheidung in Appellationssachen erfolgt entweder durch Prozeßurteil, wonach der Appellant der Appellation verlustig ist, weil die Appellation unzulässig ist, durch stattgebendes Urteil oder in der Sache die Appellation zurückweisendes Urteil.

Die Zurückweisung der Appellation durch Prozeßurteil beruht darauf, daß das Hofgericht zu der Ansicht gelangt, die Appellation sei nicht zulässig. Insofern hat der Appellant die Voraussetzungen im ersten Termin darzulegen. Es findet folglich eine Zulässigkeitsprüfung des Appellierens in erster Instanz und der gesamten Appellation in zweiter Instanz statt. Hier wird unter anderem auch die Frage geprüft, ob überhaupt ein appellabler Titel vorliegt.

In der Hofgerichtsordnung findet sich keinerlei Regelung, die derjenigen in Teil 2, Art. XXIX LGO über das Urteil entspricht. Nirgendwo ist geregelt, welchen Inhalt ein Appellationsurteil haben muß. Folglich erhebt sich damit die Frage, in welcher Weise, mit welchem Tenor und von wem das Appellationsurteil abzufassen ist.

Sucht man in der Hofgerichtsordnung nach einer Generalverweisung auf die Landgerichtsordnung, so stößt man auf die Bestimmung des Teil 2, Art. XXXV HofGO, wonach bei Erforderlichkeit einer erneuten Beweisaufnahme in zweiter Instanz über neues Vorbringen der einen oder anderen Partei eine jede "wie in erster Instanz zuhandlen zugelassen und gestattet werden" soll. Weitere Verweisungsvorschriften existieren nicht.

Diese Verweisung betrifft jedoch zunächst nur die Parteiprozeßhandlungen, welche bei erneuter Beweisaufnahme vorzunehmen sind. Eine Generalverweisung kann hierin nicht gesehen werden; immerhin wird jedoch deutlich, daß LGO und HofGO in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Die LGO regelt das Verfahren in erster Instanz von seiner Einleitung bis zu seinem Ende mit allen dabei auftretenden Eventualitäten. Die HofGO beschränkt sich demgegenüber auf die Regelung der Verfassung des Hofgerichts und der für das Appellationsverfahren besonderen Vorschriften sowie der besonderen Vorschriften für die wenigen Verfahren vor dem Hofgericht als erster Instanz. — Letztere sind beispielsweise Fiscalsachen. — Sogar für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Hofgericht gibt es keine Vorschriften über das Urteil. Andererseits sind die Verfahren vor Hof- und Gogericht im wesentlichen gleich ausgestaltet. Desweiteren ist das Hofgericht nach eigenem Verständnis vornehmlich Appellationsgericht, wie sich bereits aus Teil 2, Art. I HofGO ergibt. Darin sind nämlich die erstinstanzlichen Verfahren vor allem als "Extraordinarii und Privilegierte Sachen" gekennzeichnet und der Regelung der Appellationsverfahren wird ein weitaus größerer Raum in diesem Artikel, der allein die sachliche Zuständigkeit bestimmt, gewidmet.

Das Appellationsverfahren ist weiterhin als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet, eine der wichtigsten Forderungen des Gografen Strick in der Anzeige der Mißbräuche.

Zu bedenken ist weiterhin, daß HofGO und LGO im selben Jahre, also für damalige Verhältnisse gleichzeitig erlassen wurden.

Damit wird erkennbar, daß zwischen HofGO und LGO eine Verzahnung nicht nur in dem Umfang der oben erörterten Verweisungsvorschrift gewünscht war, sondern daß hier auch eine stillschweigende Verweisung insofern angenommen werden muß, als Verfahrensrecht zweiter Instanz in der HofGO nicht geregelt ist, angesichts der Gleichartigkeit von Verfahrensabschnitten erster und zweiter Instanz jedoch eine erneute Regelung in der HofGO allein eine Wiederholung von Selbstverständlichkeiten bedeuten würde.

Gelangt man so zu der Auffassung, daß für die Frage, wie, mit welchem Tenor und von wem das Appellationsurteil zu verfassen sei, die Vorschriften über das Urteil aus der LGO gelten sollen, so steht dieser Ansicht auch nicht die Vorschrift des Teil 2, Art. LI HofGO entgegen, wonach in Sachen und Fällen, die in der HofGO nicht ausdrücklich geregelt sind, nach "gemeinen Kaiserlichen Rechten" gehandelt werden soll. Denn diese Vorschrift betrifft allein die sachliche Zuständigkeit des Hofgerichts, nicht einzelne verfahrensrechtliche Fragen.

Es ist demnach festzuhalten, daß für die Frage, von wem, wie und mit welchem Tenor das Appellationsurteil abgefaßt wird, die obigen Erörterungen zum Urteil nach der LGO gelten.

Zu erinnern ist hier nochmals an die oben, B IV,1 genannten Grundsätze des römischen Rechts zur Appellation und hierbei besonders an den dritten der dort genannten.

Das Hofgericht entscheidet, wie gerade gesehen, nicht durch Erteilung einer Rechtsweisung, sondern durch Sachurteil — so der heute begrifflich schärfere Sprachgebrauch. Es überprüft somit die Rechtsanwendung in erster Instanz auf ihre Richtigkeit. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Untergericht findet nicht statt.

Gegen Endurteile sowie Beiurteile des Hofgerichts, deren Beschwer nicht mit der Anfechtung des Endurteils behoben werden kann, ist wiederum die Appellation an die Römische Kaiserliche Majestät oder das Reichskammergericht möglich, Teil 2, Art. XLI HofGO.

Voraussetzung hierfür ist zunächst, daß der Appellant durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist. Weiter darf kein Verzicht auf die Appellation durch den Appellanten vorliegen. Appellationen sind nicht zulässig für Personen, die in Bezug auf die Appellation ein Privileg genießen: zu denken ist hier an das privilegium de non appellando aus der Goldenen Bulle von 1356. Unzulässig ist auch die Appellation in Fällen, in denen die RKGO sie nicht zuläßt. Bei solcher Konstellation soll das Hofgericht die zu treffenden Entscheidungen nach Kaiserlichem Recht fällen. Hierbei ist offenbar gedacht an die Zurückweisung der Appellation wegen offensichtlicher Unzulässigkeit, für die nicht erst das RKGO angegangen werden soll, sondern die das Hofgericht ausspricht. Schließlich hat der Appellant zu schwören, daß er nicht mutwillig oder zur Verzögerung des Rechtsstreites Rechtsmittel einlegt, ein ähnlicher Eid wie derjenige erster Instanz für Gefährde.

Die Gerichtskostenregelung entspricht derjenigen erster Instanz.

Zu erwähnen ist noch das Verfahren in Nullitätssachen. Gemäß Teil 2, Art. XLIII HofGO kann in solchen Sachen nur innerhalb der Frist von sechs Wochen und drei Tagen nach Urteilsverkündung der Nullitätsgrund eingebracht und begründet werden, andernfalls keine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils aus diesem Grunde mehr möglich ist.

Die HofGO regelt nicht abschließend, was unter Nullitäten zu verstehen ist. Sie zählt nur Beispiele hierfür auf, als da sind die Anfechtung wegen falschen Zeugnisses eines in erster Instanz vernommenen Zeugen oder aber Gebrauch falscher Instrumenta, also beispielsweise falscher Urkunden. Einschlägig ist wiederum das Appellationsverfahren zur Geltendmachung der Nullität.

Soweit sich die Anfechtung wegen Nullität als mutwillig erweist, hat die anfechtende Partei die Kosten zu tragen und fünf Gulden Strafe an den Fiscal des Hofgerichts zu zahlen.

Zusammengefaßt läßt sich festhalten, daß es nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen einen Instanzenzug vom Gogericht bis zum Reichskammergericht gibt, wobei für jeden Rechtszug eine eigene Verfahrensordnung besteht. Weiter ist das Appellationswesen im Fürstbistum Münster vollständig geregelt und vereinheitlicht.

VI. Die Zwangsvollstreckung.

Die Zwangsvollstreckung ist zum einen geregelt in Teil 2, Art. XXXIV LGO, was ihre Zulässigkeit betrifft und was das Verfahren betrifft in der Gemeinen Münsterischen Landtordnung von 1571, dort Art. I.

1. Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Zunächst ist es erforderlich, daß ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn von dem Urteil, aus dem vollstreckt werden soll, nicht appelliert wurde. Ferner, wenn sofort appelliert wurde, aber die Frist zum Anhängigmachen der Appellation nicht gewahrt wurde. Letztlich, wenn im Falle der Appellationserklärung vor Notarien und Zeugen die Appellation nicht innerhalb von dreißig Tagen dem Vorderrichter vorgelegt worden ist.

Die obsiegende Partei erbittet bei Vorliegen der vorgenannten Zulässigkeitsvoraussetzungen strafbewehrte Gebotsbriefe von dem iudex a quo, worin dem unterlegenen Teil eine Frist von höchstens dreißig Tagen bei Androhung einer Geldstrafe zur Erfüllung des im Urteilstenor enthaltenen Anspruches gesetzt wird.

Bei Nichterfüllung dieses Gebotes muß der Vollstreckungsschuldner vor Gericht erscheinen und sich als in die Strafe gefallen erklären. Er kann jedoch aus offensichtlicher Not um Fristverlängerung zur Erfüllung des Gebotes nachsuchen, die ihm einmal gewährt werden kann.

Verstreicht auch diese Frist fruchtlos, so wird der Schuldner als in die Geldstrafe gefallen verurteilt und die Vollstreckung läuft nach den Bestimmungen der Landtordnung. Die Vollstreckung durch die danach berufenen Amtleute und "Befelchhaber" soll binnen vierzehn Tagen nach Beauftragung dieser Vollstreckungspersonen beginnen.

Weiter enthält Teil 2, Art. XXXIV noch Regeln über die Amtshilfe in Zwangsvollstreckungen, wobei letztlich für die Durchführung der Vollstreckung wiederum auf die Landtordnung verwiesen wird.

2. Das Vollstreckungsverfahren.

In Klagen, die reale sind, sollen die Amtleute des Ortes, in dem der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz hat, die streitbefangenen Güter oder Sachen ihm wegnehmen und dem Gläubiger übergeben.

In Klagen, die personale sind, wird entweder in die Sache, sofern vorhanden, vollstreckt, oder aber es werden, wo eine solche Vorgehensweise nicht möglich ist, Hab und Güter des Schuldners gepfändet. Hierbei soll an erster Stelle in die beweglichen Güter vollstreckt werden, an zweiter Stelle in die unbeweglichen, an dritter Stelle in die Forderungen des Schuldners, wenn die "Drittschuldner" die Forderung anerkennen und an vierter Stelle in die übrigen Vermögensgegenstände.

Die beweglichen und unbeweglichen Güter werden versteigert. Hierbei ist jeweils ein Versteigerungstermin anzusetzen, in dem der Gerichtsschreiber des Ortes Protokoll zu führen hat. Wird die zu versteigernde Sache nicht abgenommen, so wird ihr Wert geschätzt und der Gläubiger wird "in sie eingesetzt". Der Gläubiger erwirbt dann also durch staatlichen Akt Eigentum an diesem Gegenstand.

Wenn im Versteigerungstermin jemand die Sache als sein Eigentum anspricht, so hat das Gericht, von dem die Vollstreckung ausging, hierüber zu entscheiden. Bis zur Entscheidung ist die Vollstreckung ausgesetzt.

Die Landordnung kennt auch Pfändungsfreigrenzen und die Erhaltung des Existenzminimums: sofern "Hausleute" Vollstreckungsschuldner sind, wird die gegen sie vom Gläubiger auszubringende Pfändung der Höhe nach durch die von ihnen zu zahlende Pacht oder den von ihnen zu leistenden Dienst beschränkt. Erst wenn dies zur Befriedigung des Gläubigers nicht hinreicht, kann auf ihr Eigentum zugegriffen werden.

Wenn die Amtleute mit der Vollstreckung nicht zum Erfolg kommen, weil sie am Widerstand des Schuldners scheitern, so ist oberstes Vollstreckungsorgan der Fürstbischof selbst.

C. Vergleich mit anderen Gerichtsordnungen.

Der nun folgende Abschnitt befaßt sich in der gebotenen Kürze mit anderen zeitnah zum Erlaß der LGO ergangenen Gerichtsordnungen, die zur Regelung des Verfahrensrechts in erster Instanz dienen sollten. Die Darstellung kann und will jedoch nur die wichtigsten Fragen ansprechen und somit einen summarischen Überblick bringen, der ausführliche Vergleich mag anderen Arbeiten zu diesem Thema vorbehalten bleiben. Ziel dieses Abschnittes ist es aufzudecken, welchen Einflüssen die anderen Regelungen folgten.

I. Die Chursächsischen Konstitutionen von 1572155

Sinn der Chursächsischen Konstitutionen aus dem Jahre 1572 war es nach der Vorrede, den Juristen zur Regelung streitiger Fälle an den Untergerichten "ein paar Grundsätze" an die Hand zu geben. Vollständige Kodifikationen fanden sich für den Bereich Chursachsens in der Hofgerichtsordnung zu Wittenberg aus dem Jahre 1550 und in der Oberhofgerichtsordnung zu Leipzig aus dem Jahre 1549156.

Die beiden Gerichtsordnungen verweisen gegenseitig aufeinander und sie galten außerhalb ihres sachlichen Regelungsbereiches im Grundsatz als Grundlage für das Verfahren an den Untergerichten. So hält Titel I der Konstitutionen fest, daß wie am Oberhofgericht verfahren werden solle.

Im selben Titel findet sich jedoch bereits eine wichtige Aussage. Es wird nämlich ausdrücklich das Verfahren "vom Munde in die Feder" angeordnet und zwar vor der litis contestatio, die ausdrücklich erwähnt wird. Der Sinn dieser Regelung wird gleich im zweiten Titel erläutert, wo es heißt, daß der sächsische Prozeß erhalten bleiben soll. Artikulierte Klagen sind nicht zulässig, ebenso wie die schriftliche Klageeinbringung.

Hier zeigt sich bereits ein wesentlicher Unterschied zum Verfahren nach der münsterischen LGO. Das Verfahren ist aus alter Tradition grundsätzlich mündlich, schriftliches Vorbringen ist unzulässig. Man sperrte sich offenbar gegen die neuen Einflüsse, was sich auch in der Oberhofgerichtsordnung, dort Titel XIII und der Hofgerichtsordnung, dort Titel XII, zeigte, in denen angeordnet wird, daß allein sächsisches Recht angewendet werden soll, "wie die außgedruckt unnd inn landtläuffiger übung vor alters herkommen" gehalten werden. Bereits hier ist das Festhalten am sächsischen Prozeß erkennbar und der Grund dafür, daß es im damaligen Reich unterschiedliche Verfahrensrechtsordnungen, aber auch unterschiedliche materielle Rechtsordnungen gab.

Die Chursächsischen Konstitutionen sehen folgerichtig die Konzentration des Parteivorbringens vor. So müssen alle exceptiones und die Geschichtserzählung sowie die sich daraus ergebenden Schlüsse auf einmal vorgebracht werden, Titel X, III der Konstitutionen. Gleichzeitig muß die litis contestatio eventuell erklärt werden. Letzteres kann nur dann unterbleiben, wenn über eine ganz zweifelhafte Deklination gestritten wird. Wenn der Beklagte nicht so handelt oder aber nur teilweise in dieser Weise verfährt, so wird gegen ihn in contumaciam verfahren.

Die Chursächsischen Konstitutionen gehen in ihrer Strenge hinsichtlich der Ausgestaltung der Eventualmaxime also noch weiter als die münsterische LGO.

Die Sicherheitsleistung vor der litis contestatio kann nur "in actu corporali", nicht mittels Eidesleistung erbracht werden

Das Verfahren ist nicht in feste Termine eingeteilt. Der eine Termin ergibt den nächsten, wobei hier jedoch ein Abstand von 14 Tagen zwischen den Terminen eingehalten werden soll, Titel III der Konstitutionen.

Nach der litis contestatio kann nur noch solcher Vortrag erfolgen, der die Beweismittel betrifft oder in anderen Akten bereits geschehene "confessiones", Titel IX der Konstitutionen, betrifft. Für solchen Vortrag erhält die jeweilige Partei auf Antrag eine Frist von vier Wochen und die Gegenseite von weiteren vier Wochen für die Replik. Hier wird ausnahmsweise auch die Einbringung dieses Vortrages mittels "Produkten" zugelassen, also auch schriftlich. Anschließend schreitet das Gericht auf entsprechendes Verhandeln der Parteien zum Beschluß der Sache. Dieser Beschluß kann entweder ein Endurteil oder ein Beweisurteil sein.

In diesem Beweisurteil wird festgehalten, wer Beweis erbringen muß und es wird ihm eine Frist zur Beibringung seiner Beweisartikel von sechs Wochen und drei Tagen gesetzt. Beachtlich ist hier, daß von nun an das artikulierte Verfahren zulässig ist. Dieser Begriff wird ausdrücklich im Text verwendet. Offensichtlich wird durch die Artikulation der beweisbedürftigen Behauptungen der Parteivortrag übersichtlicher, so daß diese Anordnung als Zugeständnis an die Praktikabilität aufzufassen ist.

Nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Beibringung der Beweisartikel ist ein Beweis unzulässig. Eine Dilation gibt es nicht.

Die Interposition erfolgt sofort nach Urteilsverkündung, Titel XXIX Oberhofgerichtsordnung, die Appellation selbst kann aber auch vor Notarien und Zeugen erfolgen, Titel XX der Konstitutionen. Es sollen alle Appellationen angenommen werden.

Erhalten hat sich hier noch die Praxis des "vurraem". In Titel XXIX der Oberhofgerichtsordnung findet sich nämlich der Hinweis, daß ein vor dem Hofgericht gefundenes besseres Urteil mit der Appellation eingebracht werden kann, verbunden mit der Bitte, entweder das angefochtene Urteil oder aber den anderen, besseren Urteilsvorschlag zu bestätigen. Da diese Vorschriften sinngemäß auch für die Untergerichte gelten, ist hiermit die Praxis des "vurraem" erstmals als zulässig kodifiziert.

Die Appellation mußte im übrigen binnen zehn Tagen nach Urteilsverkündung begründet und bei dem Oberhofgericht eingebracht worden sein.

Die Spruchkörper am Oberhofgericht setzten sich wie folgt zusammen: sie bestehen aus drei Rittern, drei Doctores, Dreien aus der Ritterschaft und einem Hofrichter. Das bedeutet, daß hier teils Richter mit, teils Richter ohne Juristenausbildung — solche benötigte der Hofrichter nämlich nicht, wie sich in der Darstellung des anzuwendenden Rechts zeigt — Recht sprechen, sondern gelehrte Richter zusammen mit Laien. Hier haben sich also stärker die altdeutschen Rechtstraditionen erhalten. Gerade das, was die münsterische Gerichtsverfassung auszeichnete, nämlich die Rechtsprechung durch den Landesherrn, der sich dazu beamteter Juristen bediente, fehlt hier. Dies zeigt, daß die Chursachsen noch in der altdeutschen Tradition standen und vehement daran festhielten.

Der Vergleich führt somit zu dem Ergebnis, daß die Chursächsischen Konstitutionen zum im ersten Teil beschriebenen Prozeß nach der münsterischen LGO wesentliche Unterschiede aufweisen, die vor allem auf das Festhalten an althergebrachten Rechtsgewohnheiten zurückzuführen sind.

II. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555.

Die am stärksten an das römischen Recht angelehnte Verfahrensordnung ist die Reichskammergerichtsordnung in der Fassung des Reichsabschiedes aus dem Jahre 1555. Hinsichtlich dieser Verfahrensordnung wird statt aller auf die Veröffentlichung von Dick157 verwiesen.

Für die vorliegende Arbeit sei nur noch auf folgendes hingewiesen:

Die RKGO statuierte die Aufteilung des Prozesses in drei Abschnitte, wobei das Verfahren "in entlichen Außzügen" einen eigenen Abschnitt bildete. Den Gegenstand dieses Verfahrens bildeten die Einreden gegen die Zulässigkeit des Prozesses, also die dilatorischen und peremtorischen Einreden verfahrensrechtlicher Art. Die RKGO kennt darüber hinaus ein festes Terminsystem und läßt allein schriftlich eingebrachte Parteivorträge zu. Der Vortrag hat artikuliert zu erfolgen und insgesamt auf dem ersten Termin. Die Einführung weitreichender Präklusionsvorschriften im Reichsabschied aus dem Jahre 1555 dienten dem Zweck der Verfahrensstraffung. Die RKGO führte schließlich den Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz ein.

Gerichtet wurde "nach des Reichs gemeinen Rechten". Die Statutentheorie verpflichtete das Reichskammergericht dazu, Partikularrechte möglichst eng auszulegen, damit sie dem römischen Recht entsprachen. Durch den Instanzenzug zum Reichskammergericht, der sich — wie oben gesehen — auch in der münsteraner LGO findet, bestand immer die Möglichkeit, daß das Reichskammergericht ein untergerichtliches Urteil aufhebt, weil es mit dem römischen Recht nicht in Einklang stand. Auf diesem Wege ist die Aufnahme des römischen Rechts durch Einflußnahme des Reichskammergerichts auf die Rechtsprechung Untergerichte und auf die Partikularrechtsordnungen begünstigt worden158.

Hierdurch hat die RKGO weitgehend für Rechtseinheit im Reich und für die Weiterbildung des Rechts in den Einzelstaaten gesorgt159.

Vergleichend mit der münsteraner LGO läßt sich festhalten, daß in letzterer eine sehr starke Anlehnung an die Grundsätze der RKGO zu verzeichnen ist, sich jedoch noch gewisse deutschrechtliche Aspekte erhalten haben. Die LGO steht aber der RKGO erheblich näher als den übrigen deutschrechtlich orientierten Verfahrensordnungen wie beispielsweise den Churfürstlich sächsischen Konstitutionen.

D. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

Die Landgerichtsordnung des Fürstbischofs Johannes von Hoya aus dem Jahre 1571 stellt einen markanten Wendepunkt in der Rechtspflege im Fürstbistum Münster dar.

Gekennzeichnet ist diese Wende von der Abkehr von deutschrechtlichen Traditionen in wesentlichen Grundfragen des Gerichtsverfahrens, wie z.B. durch Einführung der Dispositionsmaxime und des Verhandlungsgrundsatzes. Weitere wichtige Merkmale liegen in der Übertragung der Rechtsprechung auf vom Landesherrn berufene Richter, wobei teilweise erst vorhandene Gerichtspersonen in ihren Ämtern belassen, teilweise neue Gerichtspersonen berufen wurden. Diese rechtsprechenden Organe waren nicht mehr nur aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung, sondern nunmehr aufgrund ihrer Kenntnisse für die Besetzung einer Richterstelle qualifiziert.

Die Rechtsprechung selbst erfolgte nicht mehr durch abstrakte Rechtsweisung, sondern durch Anwendung des vorhandenen Rechts auf den zu entscheidenden Einzelfall. Hierbei wird in materiellrechtlichen Fragen, deren Regelung entscheidend von der Geographie beeinflußt wird, die Gerichtsgemeinde nach ihren Rechtsvorstellungen gefragt, die sodann als Landrecht in solchen Streitigkeiten als materielles Recht zur Entscheidungsfindung dienen; das materielle Recht wird jedoch vor allem aus dem gemeinen Recht genommen, indem die Urteilsfindung nach Ermessen der Richter auf Gelehrte übertragen werden kann, die aufgrund des Ausbildungsmonopoles der Römischrechtler selbstverständlich römisches Recht ihrer Entscheidung zugrunde legen. Weiter wird die Einführung des römischen Rechts in materiellrechtlichen Fragen durch die Eröffnung des Instanzenzuges an das Reichskammergericht begünstigt, welches gehalten ist, römisches Recht weitestgehend zur Anwendung gelangen zu lassen.

Gleichzeitig mit diesen Einfalltüren für das gemeine Recht im Hinblick auf das materielle Recht wird so die Beeinflussung des Verfahrensrechtes durch das gemeine Recht gefördert.

So wird das Urteil, das die nach altdeutschem Recht gebildeten Verfahrensabschnitte abschloß, abgelöst von der prozeßleitenden Verfügung, die zwar immer noch als Urteil aufgefaßt wird, aber nur noch in beschränktem Umfang und aus reinen Praktikabilitätserwägungen mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist.

Auch die Einführung und Strenge Durchführung der Eventualmaxime mit der Zweiteilung des Verfahrens und der litis contestatio als Trennungslinie zwischen den Abschnitten ist zurückzuführen auf die Rezeption römischer Verfahrensgrundsätze. Ob das Ziel der Straffung des Verfahrens dadurch erreicht wurde, darf jedoch angesichts der Vielzahl von möglichen Dilationen auf Antrag der Parteien und dem korrespondierenden Ermessen des Spruchkörpers bezweifelt werden.

Erhalten haben sich die altdeutschen Beweisgrundsätze sowie althergebrachte Zuständigkeiten besonderer Gerichte in Appellationssachen.

Es zeigt sich, daß das Verfahren vor den Gogerichten nach Erlaß des Landgerichtsordnung von 1571 weitgehend von römisch-rechtlichen Grundsätzen geprägt wurde und die wenigen noch erhaltenen Elemente altdeutscher Rechtspflege vor allem dazu dienten, den Übergang von der einen zur anderen Verfahrensordnung gleitender und damit widerspruchsloser zu gestalten. Die LGO folgte in fast allen Punkten den Vorschlägen des Gografen Strick, die ihrerseits als Leitlinie wiederum römisch-rechtliche Grundsätze hatten.

Die Landgerichtsordnung von 1571 weist eine weitere Besonderheit auf, die für die Zeit ihres Erlasses angesichts der politischen Geschichte verwundert: sie folgt nämlich dem Bestreben der Reichskammergerichtsordnung nach einer Rechtsvereinheitlichung im Reich unter gleichzeitiger Weiterbildung des Partikularrechts, wobei federführend das gemeine Recht sein sollte. Angesichts des damals bereits seit langem erkennbaren und fortschreitenden Verfalles der politischen Integrationskraft des Reiches, die sich, um nur zwei Indizien hierfür zu nennen, in der confoederatio cum principibus ecclesiasticis wie auch dem statutum in favorem principum zeigte, ist diese Tendenz und ihre Umsetzung in dem münsterischen Partikularrecht erstaunlich.

Die Wirkungen der Neuorientierung des Verfahrensrechts zu Beginn der Renaissance reichen bis in das heute geltende Zivilprozeßrecht hinein. Es kann folglich die Bedeutung der Landgerichtsordnung des Fürstbischofs Johannes von Hoya aus dem Jahr 1571 selbst für heute geltendes Recht insofern nicht unterschätzt werden, als sie in ihrer Gratwanderung zwischen der Erhaltung tradierter Grundsätze, wo es möglich war, und der Aufnahme neuer Grundsätze, wo es nötig war, eine ausgewogene Lösung findet.

Fußnoten
Quelle. Dr. Wolfgang Hachenberg, Die Gogerichte des Fürstbistums Münster und die Landgerichtsordnung von 1571; Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Rechte durch die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (1997) => zurück
1. HRG. Stichwort "Go", G. Landwehr => zurück
2. Schmitz, WZ 59,II, 93, 99. => zurück
3. Schmitz, aaO. => zurück
4. Bartmann in: Dtschrechtl. Beiträge, Bd. II, S. 303 ff. => zurück
5. Bartmann aaO.; Philippi, W.Ldr.I, S. 198. => zurück
6. Bartmann, aaO., S. 305. => zurück
7. Bartmann, aaO. => zurück
8. s. dazu HRG, Stichwort "Go" m.w.N. => zurück
9. vgl. hierzu Kroeschell in FS f.Hugelmann, S. 295 ff. => zurück
10. Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, S. 170. => zurück
11. Hattenhauer, aaO., S. 171, 275 ff. => zurück
12. Hattenhauer, aaO., S. 271, 328. => zurück
13. s. Fn.7. => zurück
14. Herold, Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, S. 446ff.; Hömberg, Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, S. 29. => zurück
15. A. Benkert, Das Gogericht zum Sandwelle. => zurück
16. HRG, Stichwort "Go",G.Landwehr. => zurück
17. Ssp. I, Abschnitt LV bis LVII. => zurück
18. Ssp. I, Abschnitt LV, 2. => zurück
19. aaO., Fn.18. => zurück
20. Ssp. I, Abschnitt LVII, S. 1. => zurück
21. Ssp. I, Abschnitt LVI, S. 1. => zurück
22. Ssp. I, Abschnitt LVIII, 1., S.1 => zurück
23. HRG, aaO. => zurück
24. His, Recht und Verfassung Westfalens im Mittelalter, aus: Bildwiedergaben ausgewählter Urkunden und Akten zur Geschichte, S. 19. => zurück
25. Philippi, W.Ldr I, S.84. => zurück
26. Philippi, W.Ldr. I, S. 113. => zurück
27. HRG, G.Buchda, Stichwort "Gerichtsverfassung". => zurück
28. Philippi, W.Ldr.I, S.92ff. => zurück
29. HRG, aaO. => zurück
30. Philippi, W.Ldr.I, S. 84. => zurück
31. Bartmann, aaO., S. 310. => zurück
32. Bartmann, aaO.; Westfälische Landordnung, II. Titel, in: Saurius, Fasciculus iudicarii ordinis singularis, 1580 => zurück
33. Philippi,W.Ldr. I, S. 143. => zurück
34. Köbler, Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, S.139f. => zurück
35. Bsp.: Philippi, aaO., S.144. => zurück
36. Bsp.: Philippi, aaO., S. 86. => zurück
37. Philippi, aaO., S. 239a. => zurück
38. vgl. S. 12. => zurück
39. Philippi, W.Ldr.I, S. 242. => zurück
40. Philippi, aaO., S. 84. => zurück
41. Philippi,aaO., S. 151. => zurück
42. Ssp. II, VI. => zurück
43. Ssp. I, LXI. => zurück
44. Philippi, aaO., S. 239a. => zurück
45. Philippi, aaO., S. 84. => zurück
46. Bartmann, aaO., S. 317. => zurück
47. Bartmann, aaO., S. 313; Philippi, aaO., S. 239e. => zurück
48. Philippi, aaO., S. 198, 3. => zurück
49. Bartmann, aaO., S. 316. => zurück
50. vgl. oben Fn. 28. => zurück
51. Philippi, aaO., S. 216. => zurück
52. E.Garin in: PWG, Bd.6, S.431ff. => zurück
53. E. Garin, aaO., S. 444ff. => zurück
54. Feuerbach, Geschichte der neuern Philosophie von Bacon bis Spinoza, S.35f. => zurück
55. E.Garin, aaO., S.452. => zurück
56. Köbler, Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, S.236ff.; Hattenhauer, aaO., S. 304. => zurück
57. Hattenhauer, aaO., S.373. => zurück
58. Wieacker, Ausgewählte Schriften, Bd. 1, S. 5. => zurück
59. Wieacker, aaO., S. 6. => zurück
60. Wieacker, PrivRGesch. d. Neuzeit, S. 99 ff. => zurück
61. vgl. S.4, 5. => zurück
62. Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia De Non Appellando, S. 104. => zurück
63. Philippi, W.Ldr.I, Vorrede. => zurück
64. Abdruck bei: Philippi, aaO., S.151 ff. => zurück
65. Hattenhauer, aaO., S. 269. => zurück
66. Oberländer, Juristisches Lexikon. => zurück
67. Oberländer, aaO., Stichwort "Apostoli". => zurück
68. HRG, E. Merzbacher, Stichwort "Apostelbrief". => zurück
69. Hattenhauer, aaO., S. 337. => zurück
70. zit. nach Härtel/Kaufmann, Codex Justinianus, 1991. => zurück
71. Fn. 69, 3,1,13. => zurück
72. Fn. 70. => zurück
73. Hattenhauer, Europ. Rechtsgeschichte, S. 280. => zurück
74. Hattenhauer, aaO. => zurück
75. Köbler, Bilder aus der Dtsch. Rechtsgeschichte, S. 247. => zurück
76. Bartmann, aaO., S. 323. => zurück
77. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S.94 ff. => zurück
78. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 94ff. => zurück
79. Bartmann, aaO., S. 323. => zurück
80. Bartmann, aaO. S. 324. => zurück
81. Bartmann, aaO. => zurück
82. Bartmann, aaO. => zurück
83. Oberländer, aaO., Stichwort: "contumacia". => zurück
84. Philippi, W.Ldr, I => zurück
85. Härtel/Kaufmann, Codex Justinianus, 3,12,2. => zurück
86. Hattenhauer, aaO., S. 377. => zurück
87. Großfeld, Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, S. 136 ff. => zurück
88. vgl. für die RKGO: Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555, S. 104. => zurück
89. Philippi, W.Ldr. I, S. 152. => zurück
90. Oberländer, aaO., Stichwort "iuramentum dandorum". => zurück
91. Oberländer, aaO., Stichwort "iuramentum respondendorum". => zurück
92. zur Terminologie: Schulte, Die Entwicklung der Eventualmaxime, S. 6, Fn. 27 und die dort Genannten. => zurück
93. Fn 90. => zurück
94. Wetzell, System des ordentlichen Civilprozesses, § 71. => zurück
95. Wieacker, PrivRGesch. d. Neuzeit, S. 186. => zurück
96. Schulte, aaO. => zurück
97. Schulte, aaO., S. 7. => zurück
98. vgl. Codex Justinianus, 3,1,13. => zurück
99. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 116. => zurück
100. Planck, aaO., S. 116 ff. => zurück
101. Planck, aaO., S. 119. => zurück
102. Dick, aaO., S. 154 mwN. => zurück
103. Oberländer, aaO., Stichwort "Peremptoriales". => zurück
104. Planck, aaO., S. 188. => zurück
105. Planck, aaO., S. 189. => zurück
106. Planck, aaO., S. 190, Fn. 1. => zurück
107. Schulte, aaO., S. 10. => zurück
108. Schulte, aaO., S. 11. => zurück
109. Baur, ZPO, Rdnr. 36; Dick, aaO, S. 125; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, Grundz. § 128, Anm. 3 B => zurück
110. Dick, aaO., S. 126 f.; Wieacker, PrivRGesch. d. Neuzeit, S. 186 mwN. => zurück
111. Köbler, Jur. Wörterbuch, Stichwort "litis contestatio". => zurück
112. Wolf, J.G., Die litis contestatio im römischen Zivilprozeß, S.35f. => zurück
113. Wolf, aaO. => zurück
114. Wetzell, aaO., § 30,I,1. => zurück
115. Wieacker, PrivRGesch. d. Neuzeit, S. 187. => zurück
116. Wieacker, aaO., S. 186. => zurück
117. Kip, Das sogenannte Mündlichkeitsprinzip, S. 6. => zurück
118. Dick, aaO., S. 119 ff. => zurück
119. Kip, aaO., S. 10 f.; Planck, aaO., S. 149ff. => zurück
120. Kip, aaO. => zurück
121. Dick, aaO.; Goethe, Dichtung und Wahrheit, S. 474 ff. => zurück
122. Kip, aaO., S. 6. => zurück
123. Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 85. => zurück
124. vgl. S.41. => zurück
125. abgedruckt in: Saurius, Fasciculus iudicarii ordinis singularis. => zurück
126. so auch die Tendenz bei Wieacker, PrivRGesch. d. Neuzeit, S. 185. => zurück
127. Planck, aaO., S. 166. => zurück
128. Planck, aaO., S. 173. => zurück
129. Planck, aaO. => zurück
130. Planck, aaO. => zurück
131. Planck, aaO., S. 180. => zurück
132. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, zu § 33, Anm.2 B. => zurück
133. Dick, aaO., S. 187. => zurück
134. Dick, aaO. => zurück
135. Dick, aaO., S. 176 ff.; Planck, aaO., S. 168. => zurück
136. Planck, aaO., S. 159. => zurück
137. Planck, aaO., S. 164 ff. => zurück
138. Philippi, WLdR, I, S. 152 f. => zurück
139. vgl. S. 26. => zurück
140. Philippi, WLdr I, S. 152 f. => zurück
141. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 111. => zurück
142. Planck, aaO., S. 119. => zurück
143. vgl. S. 94. => zurück
144. Planck, aaO., S. 157ff. => zurück
145. Planck, aaO. => zurück
146. Wetzell. aaO., S. 721. => zurück
147. so für die RKGO Dick, aaO., S. 200. => zurück
148. vgl. S. 25. => zurück
149. Planck, aaO., S. 98 f. => zurück
150. Planck, aaO. => zurück
151. Planck, aaO. => zurück
152. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO,Grdz vor §511, Anm.1 B; Wetzell, aaO., S. 721f. => zurück
153. zit. nach Dick, aaO., S. 203. => zurück
154. Philippi, WLdr I, S. 151 ff. => zurück
155. abgedruckt in: Saurius, aaO. => zurück
156. abgedruckt in: Saurius, aaO. => zurück
157. Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555. => zurück
158. Dick, aaO., S. 223. => zurück
159. Odersky, 500 Jahre Reichskammergericht, NJW 95,2901 ff. => zurück


Date: 2010-04-30
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