Waldmann, Nürnberger Reformation 1908


Die Entstehung der Nürnberger Reformation von 1479 (1484) und die Quellen ihrer prozeßrechtlichen Vorschriften. Von Daniel Waldmann :: Digitale Edition 2011

[Editorial]

In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Bd. 18 (1908) 1 – 98. Auf Grund des Digitalisates der Bayerischen Staatsbibliothek mit Hilfe eines OCR-Programms digitalisiert und in Anlehnung an die Richtlinien der Text Encoding Initiative mit Markierungen versehen.
Speyer/Klagenfurt 2011/2013. Heino Speer.

I. Teil
Die Entstehung der Reformation und die Quellen ihrer prozeßrechtlichen Vorschriften im allgemeinen.

1. Kapitel. Der Gesetzgebungsakt.

Wie die Wende des 15. Jahrhunderts in der Weltgeschichte überhaupt den Anfang einer neuen Kulturepoche bedeutet, so gilt das insbesondere auch von der Rechtsentwicklung in Deutschland. Die uralten Rechtsgewohnheiten, die, auf bäuerliche Verhältnisse zugeschnitten, meist unaufgezeichnet waren, mußten mit zunehmendem Verkehr immer unsicherer und bestrittener werden. Und vollends dem Ansturme, den das römische Recht im Laufe des 15. Jahrhunderts mit besonders starker Macht unternahm, konnten sie, soweit sie überhaupt noch lebensfähig waren, nur mit Mühe standhalten. So lag denn, vorzüglich im Süden, das einheimische Recht mit dem fremden in schwerem Kampfe. Denn das letztere fand nicht allein in den römisch-rechtlich gebildeten doctores eifrige Förderer, welche in ihren einflußreichen Stellungen als Stadtschreiber, Konsulenten, Advokaten, Schiedsrichter oder gar als ordentliche Richter, die historisch gewordenen Verhältnisse verkennend, bisweilen mit einem Schlag den fremden Anschauungen zum Siege verhelfen wollten, sondern auch die deutschen [Seite 2] Kaufleute, die auf ihren Handelsreisen mit den verschiedenen italienischen Partikularrechten in Berührung kamen, mußten dem klaren Geiste, den das fremde Recht atmete, Achtung zollen. Die überwiegende Mehrheit der Einheimischen jedoch hielt krampfhaft an den von den Altvordern überlieferten Rechtsgewohnheiten fest. Darin wurden sie unterstützt von einem gewissen Mißtrauen, welches sie dem fremden Rechte entgegenbrachten. Denn, unkundig der lateinischen Sprache, hatten sie keine Gelegenheit, die Prinzipien desselben genauer kennen zu lernen, sodaß sie oft trotz der größten Vorsicht, welche sie bei Abschluß von Rechtsgeschäften beobachteten, bedeutende Nachteile erlitten. Die Folge war, daß das Eindringen des romanischen Rechts auf den Unternehmungsgeist der Geschäftswelt lähmend wirkte. Das Rechtsleben war im höchsten Grade unsicher. Am meisten mußte sich das aber in der Rechtspflege, insbesondere im Gerichtsverfahren, geltend machen. Die uralten Vorschriften des germanischen Prozesses, die meist nicht aufgezeichnet waren, hatten sich teils überlebt, teils schwebten sie dem Gedächtnisse der Schöffen selbst nur noch in dunklen Umrissen vor. Hier fand das fremde Recht eine natürliche Bresche, durch die es auch in die weltlichen Gerichte eindringen konnte, nachdem es von der Praxis der zahlreichen geistlichen Gerichte bereits lange vorher anerkannt war. Die Folge aber war, daß Parteien wie Schöffen jetzt noch mehr einer festen Richtschnur entbehrten als vorher, an die sie sich bei ihren Prozeßhandlungen hätten halten können. Da versteht man dann leicht den Ruf nach Reform, nach geschriebenen Gesetzen, nach Regelung des mißlichen Verhältnisses zwischen fremdem und einheimischem Rechte. Und so finden wir gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts die deutschen Gemeinwesen damit beschäftigt, durch Kodifikationen dem unsicheren Rechtsleben abzuhelfen. Den Territorien voran eilten auch hier die Städte. Das erste Ergebnis dieser Reformtätigkeit hatte die mächtige Reichs- und Handelsstadt Nürnberg aufzuweisen. Bereits 1479 war hier eine bedeutende Kodifikation des Zivilrechts zum Abschluß gekommen, in der sogenannten Reformation, welche, 1484 als das erste deutsche Stadtrecht gedruckt, zahlreichen Gesetzgebungen, besonders Frankfurt und Hamburg, zum Vorbild dienen sollte. [Seite 3]

Den bedeutenden Einfluß, den sie auf die Gesetzgebungen jener Periode ausübte, verdankt sie hauptsächlich ihren prozeßrechtlichen Bestimmungen.3.1 Es liegt daher die Frage sehr nahe: Aus welchen Quellen schöpfte der Gesetzgeber jene Vorschriften?

Wenn die von Anton Koburger 1484 gedruckte Ausgabe selbst in ihrer Vorrede als Hauptquellen für das ganze Werk das römisch-kanonische und deutsche Recht angibt, indem sie sagt, daß »sölliche gesetz nach rat vil hochgelerter doctor und den gemeinen geschriben rechten, sovil sich das nach der stat Nüremberg gelegenheit, herkomen und leufte hat erleiden mügen, gemeß gemacht sind«, so gilt dies auch für das Prozeßrecht.

Bevor jedoch auf die Quellen selbst eingegangen werden kann, ist von der Entstehungsgeschichte der Kodifikation zu handeln; denn diese ist für eine Untersuchung nach den Quellen nicht ohne Bedeutung. Deshalb müssen die Aufzeichnungen darüber, so spärlich sie auch sein mögen, gewürdigt werden.

Bezüglich des Zeitraums, innerhalb dessen die Reformation abgefaßt wurde, steht nur 1479 als Vollendungsjahr fest. Denn bereits am 9. Februar ordnete der Rat an, die Titel der Reformation sollen »in ein zimlich forme pracht, fürter getruckt und menniglich, so des begert, gegeben werden«.3.2 Nachdem darauf auch die Publikation stattgefunden hatte, wie das Ratsmanuale von 1479 (16. April) ausweist: »Item die vorrede in der neuen reformacion gesetzt soll auf allen tagen, so man dieselb reformation lesen wirdet, am anfang und erstlich gelesen werden und die ausruffung derhalb begriffen sol auf sontag schirst vom rathaus verrufft werden«3.3, trat das neue Gesetz noch im gleichen Jahre in Kraft, doch ließ der Rat die Sätze noch vorher auch in den Kirchen verkünden. Deshalb ordnete er 1479 (10. April) an: »Die vorrede der neuen reformacion nach dem neuen rate von dem rathaus zu beruffen und nachvolgend uff tage, da man rätig wirdet, die gesetze derselben neuen reformacion in den kirchen alle zu lesen und, nachdem sie verlesen sind, sollen dieselben gesetze mit iren penen angeen und pinden.«3.3 [Seite 4]

Zweifelhafter dagegen ist der Zeitpunkt, in welchen der Beginn der Kodifikation fällt. Indessen scheint der Schluß Merkels,4.1 der als solchen das Jahr 1477 angibt, richtig zu sein. Denn wenn es im Ratsmanuale zu Anfang des Jahres 14774.2 heißt: »Item das gesetz der bekanntnus in das gerichtspuch zugelassen, doch mit pesserung zwaier genannten und inen das ansagen. Jobs Haller. Pauls Volkamer« und dieses Gesetz in der verbesserten Redaktion noch in die von Merkel veröffentlichte Statutensammlung aufgenommen ist, wenn aber andererseits gegen Ende 1477 der Rat anordnet: »Item in die reformacion ze setzen, so einer sein appellacion zu jarsfrist mit ausbringung, citation, inhibition nit nachkomme, wie es sol gehalten werden«4.2 und jene Statuten einer Appellation überhaupt nicht erwähnen, so ist anzunehmen, daß bereits in der 2. Hälfte des Jahres 1477 das Gesetzgebungswerk in Angriff genommen wurde.

Für diese Annahme spricht auch der Zusatz, der von dieser Zeit ab den auf die Gesetzgebung bezüglichen Ratsverlässen beigefügt ist, »die herren ob der Reformation«4.3, während sie vorher nur mit dem Namen der Referenten abschlossen. Die Haupttätigkeit der Kommission aber — das bezeichnen wohl die Worte: herren ob der reformation — fällt in das Jahr 1478. Denn erst jetzt scheint der Rat den Entschluß gefaßt zu haben, eine Privatrecht und -Prozeß umfassende Kodifikation herstellen zu lassen. Die Worte eines Ratsbeschlusses von Anfang 1478: »Item den herren ob der reformacion ist gelüftet, das sie die tage, so gericht gehalten wird, zu verrer vollstreckung und rechtvertigung der reformacion, ob dieselben reformacion sein soll«4.3, sind wohl dahin zu verstehen, daß es dem Rate anfänglich nur um Abfassung einer Gerichtsordnung — bereits oben wurde gezeigt, daß nicht sowohl das materielle als vielmehr das Prozeßrecht einer dringenden Regelung bedurfte — zu tun war. Demnach ist bei den Bestimmungen der Reformation bezüglich der Abfassungszeit zu scheiden zwischen prozeßrechtlichen und materiellrechtlichen. [Seite 5]

Waren die ersteren in der Mehrzahl bereits vor 1478 redigiert5.1, so erstreckte sich die Arbeit der Kommission in diesem Jahre hauptsächlich auf die letzteren. Selbstverständlich ist, daß die Kommission bisweilen Umarbeitungen vornehmen mußte, wollte sie beide Teile in Einklang bringen.

Es war bereits im Vorhergehenden mehrmals die Rede von der Kommission, welche das Gesetzbuch bearbeitete. Daß der Rat von Nürnberg tatsächlich eine solche aufgestellt hat, kann nach den angeführten Ratsbeschlüssen keinem Zweifel unterliegen. Schwerer läßt sich die Frage beantworten, wie sich diese Kommission zusammensetzte. Die Nachrichten hierüber sind sehr dürftig. Gewiß ist, daß der Rat den Gesetzgebungsakt, abgesehen von seinem eigenen Prüfungsrecht, nicht ausschließlich in die Hände gelehrter Juristen legte. Dafür spricht nicht nur der Umstand, daß man den doctores wohl immer noch Mißtrauen entgegenbrachte, sondern auch die Tatsache, daß der Rat 1478 seine Mitglieder »Jobs Haller, Paulus Volkamer, Jörg Spengler« als »potschaft zu den doctorn gen Frankfurt geordent der reformacion halb uff Elisabeth« des gleichen Jahres sandte.5.2 Denn es ist wohl anzunehmen, daß man zu der in Frankfurt stattfindenden Verhandlung Mitglieder der Kommission auswählte, da nur diese in die Fragen der Gesetzgebung eingeweiht waren. Von den den Laien gegenüberstehenden Juristen ist nur der Name eines einzigen Vertreters, Sebald Schreyer, bekannt. Ist von ihm bezeugt5.3, daß er zur »Verfertigung« des Gesetzbuches »gebraucht« wurde, so ist das zwar nicht der Fall von den anderen bedeutenden Juristen, deren sich Nürnberg in dieser Zeit zur Durchführung seiner Verwaltungsaufgaben bediente, so von Dr. Schütz und Peter Stahl5.4, es wäre indessen nicht einzusehen, warum man diese tüchtigen Männer zur Gesetzgebung nicht herangezogen haben sollte. [Seite 6]

Von größerem Interesse als die Zusammensetzung der Kommission ist für die Quellenuntersuchung jedoch die Arbeitsmethode, die sie beobachtete. Bevor eine Materie gesetzlich geregelt werden konnte, mußte der Rat die Genehmigung erteilen, es sei denn, daß dieser selbst einen Gesetzentwurf verlangte. Dieser, meist von den Konsulenten ausgearbeitet, wurde von den Referenten6.1) in der Ratssitzung vorgelegt, wo er dann entweder angenommen oder in gewissen Punkten zur Korrektur gegeben oder aber ganz verworfen wurde. Ob der Rat die Genehmigung erteilte, hing schließlich wieder von seiner eigenen Entscheidung ab oder von dem Gutachten eines Rechtsgelehrten, das man häufig sogar von auswärtigen, wohl aber im Dienste der Stadt stehenden Juristen6.2 einholte. Als ein Beleg für den Gang der Gesetzgebung mögen die Schicksale des Judeneides angeführt werden, da sich gerade hier ein auf urkundlichem Materiale beruhendes Bild zeichnen läßt, welches am besten die Arbeitsweise der Kommission charakterisieren dürfte.

Anläßlich der Neuregelung des Prozeßrechts sollte auch die Form des von den Juden im Zivilprozesse zu schwörenden Eides eine Änderung erleiden. Der Rat beauftragte zu diesem Zwecke die Kommission, von den Konsulenten Entwürfe für die neue Eidesformel einzufordern, welche durch ihren Inhalt einen Protest der Juden möglichst ausschließen sollte. Darauf bezieht sich ein Ratsbeschluß von 1478, der lautet: »Item verners rats pflegen des juden aids halb mit furhaltung der sorgveltikeit der appellacion, die da wider durch die juden alz ein neuikeit mochte furgenommen werden, bei den gelerten und auch den prediger zu den predigern« (Referent war G. Imhof und Ul. Stromair).6.3 Indes zahlreiche Entwürfe scheinen eingereicht worden zu sein, bis endlich einer nach Vornahme verschiedener Einschiebungen bezw. Weglassungen die Zustimmung des Rates fand. Bevor sich dieser jedoch zur Aufnahme der Eidesformel in die Reformation entschloß, ersuchte er auswärtige Juristen um ihr Gutachten: »So man zu doctor Merten (Martin) schickt, [Seite 7] seins rats pflegen des neuen judenaids halben, ob der bestendig sein mag, und desgleichen zu Frankfurt bei den gelerten auch handeln.«7.1 Das mag ungefähr der Werdegang gewesen sein, welchen die Eidesformel durchzumachen hatte, ein Prozeß, der um so interessanter ist, als uns jene Entwürfe erhalten sind, welche somit als einzige Uberlieferung von den Vorarbeiten der Kommission höchst wertvoll sind, mögen sie auch nur einen kleinen Teil derselben darstellen.

Ein dicker Folioband in Holzumschlag (K. N. Nr. 438), ehemals das Eigentum eines Nürnberger Juristen, enthält unter anderem mehrere Gesetze, welche sich auf die Nürnberger Juden beziehen. Darunter finden sich auch jene Entwürfe für die jüdische Eidesformel. Die ausführlichste wurde die Grundlage für die in die Reformation aufgenommene. Das ergibt sich mit Sicherheit aus den Zeichen, die der Jurist bei seinen Besserungsvorschlägen, welche er zur genannten Formel machte, anbrachte. Er riet nämlich, wie er selbst schreibt,7.2 »auf besserung der weisen«, und je nachdem sein Entwurf von der Kommission bezw. dem Rate angenommen oder verworfen wurde, schrieb er an den Rand desselben ein b (auch ein t) oder aber ein vacat. Indes ein Vergleich der reformatorischen Eidesformel einerseits mit der zum Ausgangspunkt dienenden und den gebilligten Änderungen andererseits zeigt, daß eine nochmalige Überarbeitung dieser zwei Bestandteile stattgefunden hat, welche sich teils als Verkürzung, teils als Erweiterung darstellt und zum Schluß auch den bereits geltenden Judeneid berücksichtigt.7.2

Demnach schöpft die Kommission bei ihren Arbeiten zunächst aus dem geltenden Rechte, welches sie durch Anbringung entsprechender Verbesserungen den veränderten Zeitverhältnissen anzupassen sucht. Ihre Vorarbeiten müßten also den besten Schlüssel zu einer Quellenuntersuchung abgeben. Da sie jedoch mit Ausnahme der auf die jüdische Eidesformel bezüglichen Entwürfe trotz umfassender Nachforschungen als unauffindbar anzusehen sind, muß sich die Untersuchung, wie nach den Quellen der Nürnberger Reformation überhaupt, so auch nach denen des in ihr enthaltenen Prozeßrechts zunächst darauf [Seite 8] beschränken, das vorreformatorische Recht nach seinen Grundzügen klarzulegen.

2. Kapitel. Das deutsche Prozeßrecht als Quelle des reformatorischen.

Nicht nur die Vorarbeiten der Kommission selbst, auch die Zivilgesetzbücher Nürnbergs sind, soweit sie der Zeit vor 1479 angehören, gänzlich verschollen; ob sie das Schicksal der 5 von Gengler8.1 erwähnten Kodices, deren Inhalt in der Hauptsache Nürnberger Polizeiordnungen bildeten und von denen nur noch Bruchstücke erhalten sind, geteilt haben, ist unbestimmt. Sicher dagegen ist, daß sie bis 1721, bis zu dem Jahre, in welchem Köhler seine Historia Reformationis Norimbergensis verfaßte, noch im Nürnberger Archive standen. Denn er spricht,8.2 von einem Dekret von 1461, welches in den Merkelschen Kodices nicht enthalten ist. Demnach wird sich der Gewährsmann Köhlers — er selbst hatte nicht Zutritt zum Archiv — die Mitteilung nicht sowohl aus einer Abschrift als vielmehr aus dem Original selbst geholt haben. Am wahrscheinlichsten dürfte sein, daß diese Statutenbücher wie die Entwürfe der Kommission erst bei dem großen Archivaliendiebstahl zu Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und wohl schon vorher dem Archiv verloren gingen.8.3

Was uns von Zivil- und Zivilprozeßrecht, welches in Nürnberg vor 1479 galt, überliefert ist, verdanken wir, abgesehen von den wenigen in Betracht kommenden Bestimmungen, welche die Polizeiordnungen enthalten, in der Hauptsache den schon oft erwähnten 2 Abschriften einer alten »Gerichtsreformation«, um deren Wiederauffindung und Veröffentlichung sich Professor Merkel (in Göttingen) verdient gemacht hat. Wenn aber diese Sammlung, deren Hauptinhalt Prozeßvorschriften aus den Jahren 1424—1477 bilden, nicht einmal alle Dekrete aufzuweisen hat8.4, welche während dieser Zeit erlassen wurden, [Seite 9] so kann ihr Stoff um so weniger für eine Beurteilung des vorreformatorischen Prozeßrechts Nürnbergs ausreichend sein. Es muß demnach ein Weg gesucht werden, auf welchem wir zur Kenntnis dieses Rechts gelangen. Diese vermitteln uns die zahlreichen Rechtsbeziehungen, die Nürnberg mit andern Städten unterhielt. Anfänglich an wirtschaftlicher Macht nicht stärker als seine deutschen und böhmischen Nachbarstädte, errang es sich durch den blühenden Handel, welcher sich auf eine einheimische Industrie stützen konnte, unter diesen bald eine dominierende Stellung. Seine Bedeutung wächst mit dem zunehmenden Handelsverkehr zwischen Deutschland und Italien. Wie es die vom Süden kommenden Produkte über Frankfurt im Westen und Erfurt im Norden als Haupthandelsplätze zwischen Ober- und Niederdeutschland bis an die Seestädte verschickt9.1, so sind auch die Handelsbeziehungen zu den östlichen Ländern, namentlich Böhmen, sehr lebhaft gewesen. Daraus erklärt sich vielleicht einerseits die irrige Ansicht einiger Schriftsteller, als habe Nürnberg sein Gesetzbuch 1479 lediglich von Venedig entlehnt9.2, andererseits zweifellos die Tatsache, daß Nürnberg den böhmischen Städten gegenüber geradezu als Oberhof auftritt. Letzterer Umstand indessen scheint auf noch intensivere Einwirkungen, welche von Nürnberg ausgehen, hinzudeuten als auf bloßen Handelsverkehr. Denn wie Bamberg, so bildete auch Nürnberg einen Stützpunkt des Deutschtums gegen die Slaven. Besteht die Hauptaufgabe Bambergs im Christianisieren und mußte es seine Rolle ausgespielt haben, wenn die Einführung des Christentums bei der slavischen Bevölkerung gelungen war, so liegt die Tätigkeit Nürnbergs auf dem Gebiete der Kolonisation und beanspruchte ungleich längere Zeit als erstere. In diese Aufgabe hatte sich Nürnberg anfangs mit sächsischen und regensburgischen Kolonisten zu teilen. Die letzteren jedoch mußten bald wegen ihres geringen Einflusses, den sie infolge der weiten Entfernung der slavischen Länder vom Mutterlande auf diese ausüben konnten, dem rührigen sächsischen und fränkischen Volksstamme das Feld überlassen. Entsprechend der geographischen Lage des Mutterlandes wurde das sächsische [Seite 10] Element, vertreten durch Halle und Magdeburg, durch Zuzug aus dem Norden, das fränkische, vertreten durch Nürnberg, von Westen her, verstärkt. Als Grenze, an der die beiden in ihrer Kulturarbeit zusammentrafen, kann im großen und ganzen die Elbe bezeichnet werden. Die Früchte dieser Tätigkeit aber bestanden in der Ausbreitung deutscher Sprache, deutscher Gesittung und nicht zuletzt deutscher Rechtsanschauung.10.1

Hier interessiert hauptsächlich die Ausdehnung, welche das Nürnberger Recht in diesen Landen gewann.

Den Hauptstützpunkt, von dem aus dasselbe seinen Eingang in zahlreiche Städte Böhmens und Mährens fand, bildete Eger. Ganz natürlich, denn Eger stand, wie ursprünglich Nürnberg selbst, unter der Gerichtsbarkeit der Burggrafen von Nürnberg. Waren demnach die Bewohner des Egerlandes schon von altersher gewohnt, ihren Rechtszug nach Nürnberg zu nehmen, so blieben sie dieser Einrichtung treu, auch nachdem die Burggrafen die Gerichtsbarkeit über Nürnberg allmählich eingebüßt hatten, um sie dieser Stadt selbst zu überlassen. So ist denn der Rechtsverkehr zwischen beiden Städten, der wohl schon seit Gründung Egers besteht, das ganze Mittelalter hindurch bis ins 16. und 17. Jahrhundert sehr rege. Diese Beziehungen sind für die Rechtsgeschichte überhaupt und insbesondere für die Nürnbergs um so interessanter, als eine Anzahl von Rechtsauskünften, welche der Rat von Nürnberg dem von Eger erteilte, überliefert sind. Diejenigen zivilrechtlichen Inhaltes gehören ausschließlich dem 14. Jahrhundert an und enthalten offenbar nichts anderes als Abschriften einzelner Bestimmungen, die einem noch älteren unbekannten Nürnberger Statutenbuche entnommen sind. Inwieweit sie als mittelbare Quellen des Prozeßrechts der Reformation in Betracht kommen, wird sich später zeigen. Hier genügt festzustellen, daß diese Tatsache ein Beleg dafür ist, daß aus dem Kampfe, der zwischen fränkisch-nürnbergischem und sächsischem Rechte in Eger, als an der Grenze zwischen beiden Rechtsgebieten gelegen, naturnotwendig entbrennen mußte, bereits im 14. Jahrhundert das erstere als [Seite 11] Sieger hervorging. Von Eger aus aber fand das nürnbergische Recht wieder in zahlreichen Orten Aufnahme, so daß Eger selbst für diese als Oberhof gilt oder doch indirekt den Rechtszug nach Nürnberg vermittelt.11.1

Diesen Orten, in welchen das Nürnberger Recht erst allmählich durch Erteilung von Rechtsbelehrungen seitens Nürnbergs festen Boden gewann, steht eine andere Gruppe von Städten in Böhmen gegenüber, die sofort bei ihrer Gründung mit Nürnberger Recht belehnt wurden. Unter diesen ragt besonders Prag durch seinen Einfluß auf andere Stadtrechte hervor. Daß Prag, seinerseits wieder Oberhof für zahlreiche Orte, häufig nach Nürnberg appellierte, schloß man mit Recht aus dem Verbote, welches, von König Wenzel 1387 erlassen, den Rechtszug der böhmischen Städte, namentlich Prags, nach Nürnberg untersagte, um Prag selbst zum ausschließlichen Oberhof zu erheben.11.2 Indes volle Gewißheit verlieh diesem Schlusse erst die Entdeckung der Lokationsurkunde des Dorfes Lubna, welche, im Original von König Johann von Luxemburg 1315 ausgestellt, in einer 1612 angefertigten Abschrift erhalten ist. Das Ende derselben lautet: … Ordinamus itaque …, ut tam villa ipsa, quam omnes inhabitatores villae ipsius praesentes et futuri iure civitatis Nurembergensis, quo maior civitas nostra Pragensis a prima sui fundatione freta et fruitur, in perpetuum regulari frui debeant et gaudere … u.s.w. Daraus ergibt sich aber — abgesehen von der großen Bedeutung und dem großen Einfluß, welchen das Nürnberger Recht auf die böhmischen Stadtrechte im Mittelalter ausübte, und dem frühen Zeitpunkt, in welchem es diesen Einfluß bereits gewonnen hat — der Grund, aus dem der Rechtszug von Prag nach Nürnberg ging. Wie die in unserer interessanten Urkunde angegebene »villa«, so lebte auch Prag, und zwar bereits seit seiner Gründung, nach Nürnberger Recht, und es ist deshalb sehr natürlich, daß sich seine Gerichte in zweifelhaften Fällen an diese Stadt als ihren Oberhof wandten. So mochte sich gerade um die Zeit, als König Wenzel jenes [Seite 12] Verbot erließ, das Nürnberger Recht des höchsten Ansehens in Böhmen erfreuen, um aber im Laufe der folgenden Zeit seine Bedeutung allmählich einzubüßen; denn in Prag selbst macht das Iglauer Recht, welches bereits seit Anfang des 14. Jahrhunderts dort einzudringen sucht, dem Nürnberger Rechte seinen Rang streitig.

Die Aufnahme des Iglauer Rechts konnte in Prag um so leichter erfolgen, als auch das Iglauer Recht ganz den Charakter des süddeutschen Rechts im Gegensatz zu dem im Norden Böhmens geltenden sächsischen trägt. Indes läßt sich bei Iglau, wenn auch schon seine Ausdehnung nach Prag, wo Nürnberger Recht gilt, auf eine Verwandtschaft mit dieser Stadt schließen läßt, ein direkter Einfluß des Nürnberger Rechts nicht mehr, wenigstens nicht durch äußerliche Beziehungen, nachweisen.12.1 Und so nimmt der Einfluß Nürnbergs immer mehr ab, je mehr wir nach Osten gehen. Auch für die mährische Stadt Brünn läßt sich ein direkter Rechtsverkehr mit Nürnberg nicht auffinden. Aber auch sein Recht mußte auf ähnlicher Grundlage ruhen wie das Nürnbergs; denn wie hätte sonst einerseits das mit Nürnberger Recht beliehene Prag dem Brünner subsidiäre Geltung beilegen und andererseits das mit Nürnberg durch engste Bande verknüpfte Eger 1352 einfach das Brünner Recht herüber nehmen können?12.2 Offenbar hatte auch in Mähren das fränkisch-nürnbergische Recht dieselbe Herrschaft inne wie im böhmischen Gebiete von Prag und Eger, konnte sie aber wegen des immer mehr an Boden gewinnenden sächsischen Rechts nicht so lange behaupten wie in Böhmen. Denn wenn auch im allgemeinen angenommen werden kann, daß die nördlichen Orte Böhmens und Mährens nach sächsischem, die südlichen dagegen nach fränkischem oder bayerischem Rechte lebten, so greifen doch diese Rechtsgebiete häufig in einander, was ja schon aus der wenig scharf gezogenen Grenze hervorgeht. So hat auch das Brünner Recht bereits im 13. und 14. Jahrhundert nicht nur römische, sondern auch zahlreiche sächsische Bestandteile in sich aufgenommen. Ähnliches gilt von Iglau, und von der Kleinseite Prags vollends steht fest, daß sein Schöffenrat lange vor König [Seite 13] Johann als Oberhof von den benachbarten Ortschaften anerkannt wurde, in welchen, im Gegensatze zu Prag selbst, sächsisches Recht galt.13.1

Sind auch von den Rechtsbeziehungen, in denen Nürnberg zu anderen Städten stand, diejenigen zu den böhmisch-mährischen Städten die wichtigsten, so sind sie doch nicht die einzigen. Denn wenn schon Nürnberg diese Rechtsentwicklung dieser weiter im Osten gelegenen Orte beeinflußt hat, so muß das noch mehr der Fall sein bei seinen nächsten Nachbarstädten.

Abgesehen von Rothenburg, von dessen Rate zwei Fälle überliefert sind, in welchen er die Stadt Nürnberg um Abschriften einzelner ihrer freilich nicht das Zivilrecht betreffender Verordnungen ersucht13.2, scheint die Einwirkung Nürnbergs hauptsächlich auf die bayerische Stadt Amberg eine starke gewesen zu sein. So hat ein altes Statutenbuch Ambergs aus dem 14. Jahrhundert neben 2 Briefen des Nürnberger Rats, welche als Antwortschreiben dem Rate von Amberg Auskunft über Übertretungen von »Friedpoten« und deren Bestrafung nach Nürnberger Rechte erteilen, eine Anzahl von Bestimmungen aufzuweisen, welche ziemlich starke Anklänge an das Nürnberger Recht zeigen, wenn dies auch meist nur aus einem Vergleich mit der Reformation geschlossen werden kann. Ja es liegt die Annahme nahe, daß zahlreiche dieser ambergischen Statuten lediglich Kopien von nürnbergischen sind. Ihrer Form nach läßt sich das aus einfachen Gründen nicht so leicht nachweisen als ihrem Inhalte nach.13.3 Jedoch deutet die Tatsache, daß der Amberger Judeneid mit dem offenbar schon aus dem 14. Jahrhundert stammenden nürnbergischen wortwörtlich gleichlautet13.4, darauf hin, daß auch andere Nürnberger Statuten selbst dem Wortlaute nach ins Amberger Rechtsbuch aufgenommen sind. Denn daß jene jüdische Eidesformel etwa auf eine dritte gemeinsame Quelle zurückgeht, ist kaum anzunehmen, läßt sich aber auf keinen Fall nachweisen. [Seite 14]

Bei seinen Rechtsbelehrungen, die der Nürnberger Rat der Stadt Amberg erteilte, mochte er auch mit dem in Amberg subsidiär geltenden bayerischen Landrechte14.1 in Berührung gekommen sein, dessen Rechtssätze freilich sich nur sehr wenig von den nürnbergischen inhaltlich unterscheiden mochten, wenigstens in der damaligen Zeit. Denn wie hätte sonst Amberg in zweifelhaften Fällen sich an den Nürnberger Rat wenden oder gar an ihn — was höchst wahrscheinlich der Fall war — appellieren können? Sollte aber von diesem Gesichtspunkte aus etwa die Hypothese, die Nürnberger hätten sich im 14. Jahrhundert des bayerischen Landrechts bedient, zu beurteilen sein?14.2 Wenn das wirklich der Fall wäre — eine Ansicht, die aus später darzulegenden Gründen falsch ist —, dann wäre es allerdings viel wahrscheinlicher, daß es aus dem nahen Amberg Eingang gefunden hätte als etwa aus Oberbayern selbst. Mit allen den aufgezählten Stadtrechten ist das Nürnberger insoferne verwandt, als jene sich mehr oder minder an dieses anlehnen. Dieses Verhältnis besteht nicht zwischen dem Nürnberger und Bamberger Recht, vielmehr läßt sich zwischen beiden Städten keinerlei Rechtsverkehr nachweisen. Gleichwohl wird Bamberg am besten an dieser Stelle erwähnt, da sein Recht eine enge innere Verwandtschaft mit dem Nürnberger aufweist. Denn die Rechtsentwicklung in der nahen Bischofsstadt war ganz ähnlichen Bedingungen unterworfen wie die in Nürnberg. Aus dieser Tatsache erklärt sich denn auch manche Übereinstimmung des durchaus süddeutschen Charakter tragenden Bamberger Stadtrechts mit dem vorreformatorischen wie reformatorischen Nürnberger Rechte.14.3

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Bande des Rechtsverkehrs, in welchem Nürnberg mit den verschiedenen Städten stand, bald mehr bald minder fest geknüpft waren. Von diesem Gesichtspunkte aus kann man diese Städte — abgesehen von Bamberg — vielleicht in 2 (große) Gruppen einteilen. Die erste Gruppe würde diejenigen umfassen, welche nicht nach Sitte und Herkommen, sondern nur gelegentlich in einzelnen Fällen den [Seite 15] Nürnberger Rat, dessen Gesetze und angestellte Juristen im ganzen östlichen Franken und Böhmen bis nach Mähren hinein bedeutendes Ansehen genossen, um Auskunft in schwierigen juristischen Fragen baten. Zu dieser Klasse ist nach dem bekannten historischen Materiale etwa Rothenburg, Ingolstadt15.1 zu zählen. Auch Amberg ist dazu zu rechnen, obwohl man hier zweifelhaft sein kann, ob es nicht besser unter die 2. Gruppe fällt. Diese setzt sich aus denjenigen Städten zusammen, welche, wie es in deutschen Rechtsquellen heißt, in Nürnberg zu Haupte gehen, für die Nürnberg als Oberhof fungiert. Zu dieser Gruppe gehört also abgesehen von Amberg vor allem Prag und Eger und mittelbar alle die Orte, welche ihrerseits wieder Prag oder Eger als Oberhöfe anerkannten. Die Überlieferung bezeugt, daß Nürnberg in seiner Eigenschaft als Oberhof den letztgenannten beiden Städten gegenüber eine rechtssprechende Tätigkeit ausübte, während es der Stadt Amberg wohl nur Rechtsbelehrungen erteilte.15.2 Es ist klar, daß der Grundton des Rechts, welches in den Städten beider Klassen im 14. und 15. Jahrhundert galt, nicht sehr verschieden sein kann von dem des Nürnberger Rechts. Es ist aber auch ebenso ersichtlich, daß das Recht der zur 2. Gruppe gehörenden Städte dem nürnbergischen ungleich ähnlicher sein wird als das der andern Städte. Damit gelangen wir zu der Bedeutung, welche diese Stadtrechte für die Quellenuntersuchung der Nürnberger Reformation und namentlich des in ihr enthaltenen Prozeßrechts haben.

Wenn Nürnberg sein Recht schon bei der Gründung Prags dieser Stadt mitteilt und deren Recht in seiner Fortentwicklung überwiegend süddeutschen Charakter aufweist, wenn Nürnberg später der Stadt Amberg Rechtsbelehrungen erteilt, welche ihrerseits dem bayerischen Landrechte subsidiäre Geltung beilegt, wenn selbst noch die Reformation Anklänge an Bamberger Recht verrät, so muß das Nürnberger Stadtrecht des 13. und 14. Jahrhunderts gleich den genannten Rechtsdenkmälern auf süddeutscher Grundlage, höchst wahrscheinlich auf dem Schwabenspiegel, ruhen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch die Tatsache, daß die Bevölkerung Nürnbergs dem nach [Seite 16] schwäbischen Rechte lebenden bayerischen Volksstamme angehört. Dazu kommt der Umstand, daß das damalige Recht in der Hauptsache auf altem Herkommen und Gewohnheit beruht, letztere wegen Überwiegens des süddeutschen Elementes entsprechenden Charakter trägt. Freilich mochten sich schon bald manche sächsische Rechtssätze in Nürnberg Geltung verschafft haben, jedenfalls aber mußte der Rechtsverkehr mit den östlichen Städten, insbesondere mit Prag, wo sich neben dem fränkischen auch das sächsiche Recht zu gewisser Geltung emporrang, dazu führen, daß das süddeutsche Recht mit zahlreichen Bestandteilen des sächsischen sich vermischte. Immer indessen erhielt sich der süddeutsche Grundton in den Nürnberger Rechtssätzen, die im Laufe der Zeit durch Verordnungen, von Bürgermeister und Schöffen mit oder ohne Zuziehung des Schultheißen ausgehend,16.1 den höheren Anforderungen des Rechtslebens entsprechend, vermehrt wurden. Demnach entwickelt sich das Nürnberger Recht in autonomer Weise fort. Von der Aufnahme eines auswärtigen Rechts, mag es bayerisches, augsburgisches oder sonst wie heißen, kann keine Rede sein. Denn ganz abgesehen von dem Umstande, daß der durch und durch konservative Rat Nürnbergs sich wohl kaum dazu hätte entschließen können, plötzlich ein auswärtiges Recht zu rezipieren, so sehr es auch dem einheimischen in seinen Grundprinzipien gleichen mochte — es hätte sich denn durch ganz besondere Vorzüge auszeichnen müssen —, hatte er zu einer solchen Handlungsweise auch nicht den geringsten Grund. Denn die Tatsache allein, daß Nürnberg von zahlreichen Städten als Oberhof anerkannt war, ist ein Beleg dafür, daß seine Rechtspflege mustergiltig war. Vielmehr mußte das Resultat, welches die einheimische Rechtsentwicklung selbst zeitigte, im großen ganzen dasselbe sein wie in andern süddeutschen Städten, so daß ungefähr das Bamberger und Münchner Stadtrecht bezw. bayerische Landrecht ein Bild abgeben können, welches dem Nürnberger Rechte zwar nicht gleich, wohl aber sehr ähnlich ist. Und darauf beruht denn auch die Bedeutung, welche diesen Kodifikationen im Verhältnisse zur Nürnberger Reformation zukommt: [Seite 17] Sie zeigen die Art, wie, und den Grad, bis zu welchem sich das schwäbische Landrecht im 14. Jahrhundert entwickelte. Freilich müssen dabei die allgemeinen Prinzipien scharf geschieden werden von rein lokalen Rechtssätzen, wie auch bei der Nürnberger Reformation ihrerseits. Die Fortsetzung dieser Gesetzbücher bildet dann die wieder Nürnberger Recht selbst enthaltende »Gerichtsreformation« aus dem 15. Jahrhundert, welche nach Merkel wieder in die »alte und erweiterte Gerichtsreformation« wie in einen »Anhang zur Gerichtsreformation« nach der Abfassungszeit der Hauptteile zerfällt. Neben dieser Entwicklung des süddeutschen Rechts läuft in Nürnberg noch die des sächsischen her, das an Bedeutung freilich hinter dem ersteren weit zurücksteht. Außer den rein sächsischen Rechtsdenkmälern kommen hier namentlich die böhmisch-mährischen Stadtrechte in Betracht. Stellen aber die ersteren nur mittelbare, auf einzelne Nürnberger Rechtssätze sich beziehende Quellen dar, so liegt die Bedeutung der letzteren nicht sowohl darin, als vielmehr in dem Umstande, daß sie das Nürnberger Zivil- und Prozeßrecht in seiner Totalität ungefähr wiederspiegeln. Denn auch bei ihnen ist die süddeutsche Hauptmasse der Rechtssätze mit zahlreichen sächsischen Bestandteilen durchsetzt. Diese Eigenschaft ist für die Untersuchung um so wertvoller, als die Bestimmungen dieser Stadtrechte, noch nicht so vollkommen und ausgebaut wie die der Reformation, ihre Wurzeln ziemlich rein erkennen lassen.17.1

Mit dieser Schilderung des Nürnberger Rechts im 14. Jahrhundert stimmt der Inhalt des sog. Codex Altemberger17.2 vollkommen überein. Das ergibt sich aus folgendem. Obwohl das Register dieses Buches die Überschrift trägt: »daz dâ heizet nuernpergisch Recht« und obwohl nachgewiesen ist, daß sich diese Bezeichung auf das »besondere Nürnberger Recht, nicht bloß im allgemeinen auf irgend ein Recht, das nur sonst auch in Nürnberg Geltung hat«, bezieht, war man nicht im stande, die angeführte Bezeichnung zu erklären, mit andern Worten, es ließ sich keine Beziehung finden, in welcher der Codex Altemberger zu Nürnberg stehen konnte. Namentlich hielten zwei Gründe von [Seite 18] der Annahme, daß Nürnberg vielleicht der Entstehungsort des Buches sei, ab; einmal spräche, so argumentiert Stobbe18.1, die Zusammenstellung des schwäbischen Rechts mit Magdeburger und Iglauer Recht dagegen, welche der Codex aufzuweisen hat, zum andern sei, nach Rockinger, nichts davon überliefert, daß man in Nürnberg, ähnlich wie in Prag, das schwäbische Landrecht — es bildet den Hauptinhalt des Buches — einfach als Stadtrecht herüber genommen habe. Die Haltlosigkeit beider Gründe ergibt sich ohne weiteres aus dem Erörterten. Eine Zusammenstellung des schwäbischen (hier »nuernpergischen«) Rechts mit Magdeburger und Iglauer erklärt sich aus der Tatsache, daß Nürnberg in mannigfachen Rechtsbeziehungen zu Iglau stand und daß das Magdeburger Recht, wenn nicht gerade in Nürnberg, jedenfalls aber in Iglau Einfluß gewonnen hatte. Den zweiten Grund widerlegt die Tatsache, daß Prag mit Nürnberger Recht bei seiner Gründung belehnt wurde. Wenn nun aber von Prag feststeht, daß es — wenigstens eine geraume Zeit — lediglich nach dem Schwabenspiegel lebte, so ergibt sich dessen Geltung auch für Nürnberg. Damit ist nicht positiv nachgewiesen, Nürnberg sei der Entstehungsort des Altemberger Codex, sondern lediglich der Beweis geführt, daß einmal die Annahme dieser Tatsache nicht vollständig ausgeschlossen und zum andern auf alle Fälle die Bezeichnung des Schwabenspiegels als »nuernpergisch Recht« nicht unerklärlich ist.

3. Kapitel. Das römisch-kanonische Prozeßrecht als Quelle der Reformation.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß sich die Reformation in ihren deutsch-rechtlichen Bestandteilen an bereits geltendes Gesetzesrecht anlehnt. Auch wenn die »Gerichtsreformation« noch nicht ans Licht gezogen wäre, müßten ganz äußerliche Gründe zu diesem Schlusse führen. Denn einmal weist die Funktion Nürnbergs als Oberhof darauf hin, daß es schon sehr frühe nach aufgezeichneten Normen lebte, wenn es der Stadt [Seite 19] Prag schon bei deren Gründung sein Recht mitteilte, zum andern beruft sich die Reformation selbst bei ihren prozeßrechtlichen Bestimmungen19.1 häufig nicht nur auf »Herkommen und Gewohnheit«, sondern auch auf »Gewohnheit und Recht«, welch letzteres Wort ohne Zweifel durch Gegenüberstellung von Gewohnheit als Gesetzesrecht zu fassen ist.

Ganz anders verhält es sich in dieser Beziehung mit den römisch-rechtlichen Bestimmungen der Reformation. Sie sind nicht aus bereits früher erlassenen Verordnungen geschöpft. Denn wenn schon die Merkelschen Codices keine einzige romanische Prozeßbestimmung aufweisen, so kann für Rechtsaufzeichnungen einer früheren Zeit um so weniger von solchen die Rede sein. Daraus aber folgt nicht, daß erst die Reformation dem fremden Rechte eine Pforte geöffnet habe. Denn wenn auch nicht Gesetze auf Grundlage desselben erlassen wurden, so hat es doch in der Form von Gewohnheitsrecht bereits Geltung erlangt. Das mußte um so leichter möglich sein, als das einheimische Recht selbst dem Fremden manchen Anknüpfungspunkt bot. So kennt bereits die »Gerichtsreformation« das Prinzip der Schriftlichkeit, wenn auch in beschränktem Maße, so erinnern ihre »Prokuratorenordnungen« an die prozessuale Stellvertretung des kanonischen Rechts, so mochte auch das Beweisverfahren schon lange vor der Reformation nach kanonischem Muster erfolgen, wie überhaupt das fremde Recht beim Gerichtsverfahren eine bedeutende Rolle spielt. Denn wie wäre sonst die Reformation mit ihren echt kanonischen Prinzipien als Fortsetzung der völlig in deutschem Sinne gehaltenen »Gerichtsreformation« zu denken, die sie doch der geschichtlichen Entwicklung nach darstellen muß?

Unter den Umständen, welche das Eindringen des fremden Rechts forderten, scheint von nicht geringer Bedeutung der Einfluß gewesen zu sein, welchen die Praxis des Hof- und Kammergerichts auf das Nürnberger Gerichtsverfahren ausübte. Denn dem Stadtgericht der Reichsstadt war zwar als höhere Instanz der Rat, als höchste aber das Reichskammergericht oder, wie es damals noch hieß, das Hof- und Kammergericht [Seite 20] übergeordnet. Und es wurde offenbar ziemlich häufig von Nürnberg an dieses höchste Gericht Deutschlands appelliert, da bereits ein Privileg von 1464 dem Rate das Recht einräumt, selbst den Appellationseid abzunehmen20.1. So werden zunächst die römisch-kanonischen Grundsätze der Appellation, welche für die Praxis des Kammergerichts bereits seit 1456 maßgebend sind20.2, unter den Bürgern immer bekannter, man mußte die Berufung schriftlich einlegen, die kanonischen Fristen beobachten u.s.w. Da die Verhandlung selbst wieder in den Formen des fremden Prozeßrechts erfolgte, mußte das Wesen desselben auch allmählich in Laienkreisen eindringen. Die Behörden aber sind bestrebt, das Verfahren an ihren Gerichten mit dem des Kammergerichts wenigstens einigermaßen in Einklang zu bringen20.3. Und gerade die Verwaltung der Reichsstädte muß dafür Sorge tragen, ihr Gerichtsverfahren dem in der Appellationsinstanz möglichst anzupassen, so auch der Rat von Nürnberg.

Und erst nachdem sich die Erkenntnis von der Notwendigkeit dieser Reform durchgerungen hat, scheint der Einfluß der doctores auf das Nürnberger Rechtswesen praktische Bedeutung gewonnen zu haben. Waren ihre mit lateinischen Zitaten geschmückten Gutachten, deren Inhalt manchem biederen Ratsmitgliede etwas dunkel bleiben mochte, vorher nur »Prunkstücke«, ohne auf die Praxis einzuwirken20.4, so änderte sich das bei der Abfassung der Reformation. Das Resultat des »rats pflegen der gelerten«, wovon die Ratsmanuale der Jahre 1477—1479 häufig sprechen, wird meist in einem Gesetze niedergelegt. Hervorzuheben ist hier aber der Umstand, daß man sich häufig nicht mit den Ratschlägen der Nürnberger Juristen allein begnügte, sondern auch zahlreiche Gutachten von auswärtigen Gelehrten, mochten sie im Dienste der Stadt gestanden haben oder nicht, einholte. Ja es hat sogar den Anschein, als wäre der Rat den letzteren wohlwollender gesinnt gewesen als den einheimischen Juristen. [Seite 21]

Unter jenen war besonders ein Mann von größter Bedeutung für den Geist, welchen das neue Gesetzbuch atmen sollte. Es war dies kein geringerer als der berühmte Martin Mair oder Mayr, ein ebenso gewandter Diplomat als scharfsinniger Jurist, der bedeutendste und ehrgeizigste Politiker seiner Zeit, dessen hochfliegende Pläne auf eine Neugestaltung der deutschen Reichsverfassung gerichtet waren21.1. Bereits 1449 Stadtschreiber und Rechtskonsulent in Nürnberg, leistete er der Sitte der damaligen Zeit entsprechend auch nach Aufgabe dieser Stellung der Stadt Nürnberg wertvolle diplomatische und namentlich auch juristische Dienste, welch letztere die Nürnberger bei ihrer Gesetzgebung nicht selten in Anspruch genommen haben mögen. Allerdings erwähnen die Ratsprotokolle nur einmal21.2 seiner mit dem vollen Namen: doctor Merten Mair, während sie ihn sonst nur doctor Merten nennen. Indessen mag einerseits die Berühmtheit dieses Mannes, welcher insbesondere den Nürnberger Ratsherren und dem Protokollführer eine bekannte Persönlichkeit gewesen war, die Weglassung des Familiennamens erklären, andererseits erheben die Verbindungen »item zu hertzog Ludwig und doctor Merten«21.3 und »doctor Merten in Landshut«21.2 die Identität des »Merten« mit Martin Mair zur Gewißheit, welcher der einflußreichste Rat am Hofe Herzogs Ludwigs in Landshut war. Es begreift sich leicht, daß der Ansicht, welche dieser gelehrte Praktiker in schwierigen Rechtsfällen oder bei Aufstellung gesetzlicher Normen vertrat, fast kritiklos beigestimmt wurde, und so mag er auch den konservativen Rat von Nürnberg durch seine Rechtsgutachten und Gesetzesentwürfe überzeugt haben, daß dem fremden Rechtselemente dem Zuge der Zeit entsprechend Zugeständnisse gemacht werden müßten und das geschehen könnte, ohne daß den deutsch-rechtlichen Bestimmungen des geltenden Rechts, welche sich in der Praxis bewährt hatten, Abbruch getan zu werden brauchte. [Seite 22]

Etwas anderer Art als die Beziehungen zu Landshut ist der Rechtsverkehr, welchen Nürnberg mit den Frankfurter Gelehrten unterhält. Schon seit langer Zeit mochten die beiden Städte, deren Existenzbedingungen, Verfassung und Bewohner viele gemeinsame Eigenschaften hatten, in Rechtsbeziehungen zu einander stehen. Aber sie treten, abgesehen von der unwichtigen Nachricht, nach welcher 1477 die Frankfurter den Rat von Nürnberg ersuchen, ihnen eine »abschrift der freiheit wider die westfälischen gericht« zu schicken22.1, erst im Jahre 1478 deutlich hervor, wo sich die Frankfurter abermals an den Rat von Nürnberg wenden, diesmal mit der Bitte, er möchte ihnen seine Gerichtsordnung übersenden, worauf dann sie die ihrige den Nürnbergern mitteilen22.2. Jedoch scheint die Nürnberger Gesetzgebungskommission das durchweg auf deutscher Grundlage beruhende Prozeßrecht als wenig geeignetes Vorbild für die Reformation erachtet zu haben. Jedenfalls aber nahmen die Nürnberger jetzt ihrerseits die Frankfurter in Anspruch. Inwieweit die Worte des Ratsprotokolls von 147822.3 »doctor Pfeffer und doctor Gelthauß22.4 zu Frankfurt zu schreiben der reformation halb« mit den eben besprochenen Beziehungen zu Frankfurt zusammenhängen, läßt sich nicht feststellen. Sicher dagegen ist, daß dieser schriftliche Verkehr, welcher die Vollendung ihrer Arbeit zu sehr verzögert hätte, der Kommission nicht zusagte. Deshalb beschloß der Rat, eine Deputation derselben, bestehend aus Jobst Haller, Paulus Volkamer und Georg Spengler22.5, abzuordnen, welche mit den Frankfurter Doctoren sich unterreden sollte, nachdem bereits vorher, wohl auf Anfrage in Frankfurt hin, als Zeit der Zusammenkunft der Elisabethstag festgesetzt worden war22.6. Es scheint jedoch, als ob die Tagung dieser Konferenz schon früher geplant gewesen wäre. Denn bereits die Worte im Ratsmanuale von 1477: »Item das stuck [Seite 23] der zeugknuß halben baß zu wegen und den ratslag deshalb hören« beziehen sich offenbar auf sie.

Daß den Verhandlungen, welche man mit Landshut schriftlich, mit Frankfurt überwiegend mündlich pflegte, in der Hauptsache Fragen über römisch-kanonische Materien zu Grunde lagen, ergibt sich wohl schon daraus, daß man sich an die Doktoren des fremden Rechts wandte. Wenn man nun erwägt, daß manche Materie bereits von den einheimischen Juristen geregelt war, da sie aber in manchen Punkten nicht die Zustimmung des Rates finden konnte, der Konferenz zur Änderung überwiesen wurde, wenn man ferner beachtet, daß der Stoff, namentlich bei der Frankfurter Verhandlung, sehr umfangreich gewesen sein muß, da der Rat sonst die Angelegenheit schriftlich erledigt hätte, so erklärt es sich leicht, daß sich die Reformation in zahlreichen dem fremden Prozeßrechte entnommenen Bestimmungen nicht etwa an andere Gerichtsordnungen anlehnt, sondern für sie das römische und kanonische Recht unmittelbare Quelle ist. Diesen Schluß bestätigt die Tatsache, daß es zur Zeit der Abfassung des Nürnberger Gesetzbuches, abgesehen von der Eichstätter Reformation, noch keine Gerichtsordnung in ganz Deutschland gab, die, für weltliche Gerichte bestimmt, romanische Prinzipien in der Weise enthalten hätte, um der Reformation zum Vorbild dienen zu können. Der zweite Schluß aber, welcher sich aus jenen Verhandlungen ziehen läßt, ist der, daß die dem fremden Rechte entnommenen Prozeßvorschriften nicht etwa einfach aus Schriften mittelalterlicher Juristen, namentlich der Italiener, kopiert sind, sondern den fremden Quellen nur inhaltlich und nur insoferne entlehnt wurden, als sie nach praktischen Gesichtspunkten geeignet waren, das einheimische Recht zu vervollkommnen oder aber den Zeitverhältnissen entsprechend zu ändern.23.1

Auf dieses Bestreben der Kommission weist auch die bescheidene Benützung hin, welche sie von der bereits erwähnten Eichstätter Reformation machte, wenn sie auch in mancher Materie dem fremden Rechte mehr huldigte als der bischöfliche [Seite 24] Gesetzgeber24.1. Man hat aus persönlichen Beziehungen, die zwischen beiden Städten bestanden, die Bekanntschaft der Nürnberger mit dem Eichstätter Gesetzbuch zu erklären gesucht. Inwieweit das zutrifft, mag dahin gestellt sein. Jedenfalls aber ist es auffallend, daß die Ratsprotokolle, soweit sie sich auf die Geschichte der Reformation beziehen, nie irgendwelche Beziehungen zu Eichstätt erwähnen. Dagegen ist die Stadt bezw. der Rat in anderen Angelegenheiten schon öfter mit dem Bischöfe persönlich in Berührung gekommen, so spielt er mehrere Male die Rolle des Vermittlers in den Streitigkeiten zwischen Nürnberg und dem Markgrafen Albrecht. Man hatte also wohl Gelegenheit, sich von dem friedliebenden Bischöfe eine Abschrift seiner Reformation zu erbitten, deren Vorzüge bald aus dem benachbarten Gebiete in Nürnberg bekannt wurden. So ist denn kaum anzunehmen, daß sie erst zur Zeit der Redaktion des neuen Gesetzbuches den Nürnbergern mitgeteilt wurde24.2. Das widerlegt wohl auch die Tatsache, daß der Fürther Kodex24.3, welcher die Eichstätter Reformation enthält, in der Hauptsache schon 147324.4 gesammelt war. Übrigens mußte dieses Gesetzeswerk schon bald nach seiner Vollendung das Interesse der Juristen erwecken, da es das erste in Deutschland ist, welches, für ein weltliches Gericht erlassen, römisch-kanonische Prinzipien ins Prozeßrecht aufnahm.

II. Teil. Die Quellen der einzelnen prozeßrechtlichen Bestimmungen.

1. Kapitel. Die Gerichte.

Das Recht, welches die Reformation aufstellt, gilt nur für die Rechtshändel, welche vor dem Stadtgericht ausgetragen [Seite 25] werden mußten. Es war deshalb eine Bestimmung nötig, welche die Kompetenz dieses Gerichtes anderen Gerichten gegenüber abgrenzt. Der Gesetzgeber tat dies in negativer Weise, indem er alle Rechtssachen dem Stadtgerichte zuwies, die nicht vor die besonderen Gerichte gehörten. Deshalb mußte die Kompetenz dieser letzten positiv geregelt werden.

Über das wichtigste unter diesen, das sog. Forst- oder Zeidelgericht, welches für die auf den Reichswald bezüglichen Lehensachen zuständig war, hatte der Rat bereits unter Friedrich II. eine Art Oberaufsicht erhalten, welche sich im Laufe der Zeit zu wirklicher Gerichtshoheit verdichtete. Seine Zuständigkeit, wie sie Ref. VII, 3 enthält, regelte bereits ebenso die Bestätigung der Forst- und Zeidelgerichte von 1452, worin es heißt: …. »und darzu ordnen und setzen wir …, daß alle stück und gütter, die da lehen seindt, es sein forst-hube, zeidlgüter oder anders, wie das namen hat, nichts ausgenommen, zu den vermelden wälden, zeidlern und gerichten gehörende, alle diejenigen, so damit belehnet, …. von den ambtleuten, so je zu zeiten von den vermelten bürgermeistern und rat zu Nürnberg über die genannten wälde, zeidler und gericht angesehen, fürgenommen, geordent und gesetzt werden, zu lehen fordern und empfahen sollen« … »Es sollen auch die rechtsprecher, die je zu zeiten zu solchen gerichten angesehen, fürgenommen und geordnet werden, urteil auf solches, als vorgeschrieben stehet, urteiln und sprechen« und alle darauf bezüglichen Irrungen sollen »an der bemelten forst- und zeidl-gerichten« ausgetragen werden »und anderswo nindert«.25.1

In spätere Zeit fällt die Entstehung des Fünfergerichts, so genannt wegen seiner Zusammensetzung aus 4 Ratsherren und 1 Bürgermeister. Zwar schon 1420 bestehend, scheint es aber mehr Justizverwaltungsbehörde25.2 als Gericht selbst gewesen zu sein, wenn auch schon damals die Frevelsachen vor seinem Forum verhandelt wurden. Dagegen ist urkundlich erst 1470 seine Zuständigkeit auf den Umfang beschränkt, welchen Ref. VII, 1 angibt. Das Privileg, welches Friedrich III. 1470 der Stadt [Seite 26] erteilte, enthält fast die Worte der Reformation, wenn es »ettlich erber tüglich man von und aus irem ratte, so die fünf genant«, für zuständig erklärt, »alle und jegliche personen, so sich in irer statt und gerichtzzwange mit und durch verlümdung, unfuge, scheldworte, frevel, verwuntung, ungehorsam, gebott und verbotte, auch irer gesatzt und statut und andern der geleichen sachen und geschichten« vergehen, abzuurteilen. Ebenso spricht es bereits den in die Reformation übergegangenen Grundsatz aus, daß von den Urteilen des Fünfergerichts nicht appelliert werden darf. 26.1

War der Rat oder ein Ausschuß desselben wahrscheinlich schon vor dem Aufkommen des Fünfergerichts bei Aburteilung dieser Frevelsachen vom Schultheißen vollständig unabhängig, so konnte in eigentlichen Kriminalfällen bis zum Jahre 1459, wo der Blutbann an die Stadt fiel, in der Regel ohne Zustimmung des Schultheißen weder ein Urteil gefällt werden, noch dessen Vollziehung erfolgen. Freilich hatte dieser bereits seine Hauptbedeutung eingebüßt, seitdem (1427) er vom Rate gewählt wurde und diesem alljährlich schwören mußte, ihm »gehorsam und gevolgig«26.2 zu sein. Damit hatte sich der Rat der Leitung der Kriminaljustiz in der Hauptsache bemächtigt. Aber er beteiligte sich auch selbst an der Rechtspflege. So berieten sich die »Älteren« regelmäßig über die »schweren Fäll«, d. h. über besonders bedeutende Kriminalfälle, bevor sie vor dem ordentlichen Schöffengerichte verhandelt wurden, und ihre Ansicht über das Delikt mag nicht ohne Einfluß auf dessen nachfolgende Aburteilung durch die Schöffen gewesen sein. Wenn demnach Ref. VII, 2 bestimmt, daß »all sprüch und vordrung ernstlichs recht berurende« nicht vor dem Stadtgericht, sondern »durch einen rat oder ernstlichs recht« ausgetragen werden sollen, so bedeutet das nur eine Anerkennung der bestehenden Verhältnisse. Alle diese Gerichte übertrifft an Bedeutung das Stadtgericht, zuständig für Prozesse, welche Nürnberger Bürger unter sich oder »Gäste«, d. s. Nichtnürnberger, mit ihnen über zivilrechtliche (ausgenommen lehensrechtliche) Ansprüche führen wollen. Bei der [Seite 27] Überwindung der zahlreichen Schwierigkeiten, welche ihm bei seinem Streben, in den Besitz dieses wichtigsten Zweiges der Gerichtsbarkeit zu kommen, entgegentraten, zeigte der Rat ebensoviel politische Klugheit als Ausdauer. Sein Ziel erreichte er dadurch, daß es ihm gelang, die Verleihung des Bannes über das Stadtgericht an einen Nürnberger Bürger beim Kaiser durchzusetzen.27.1 Auf diesem Wege wurde im Laufe der Zeit aus dem Reichsschultheißen ein städtischer Beamter, wenn er auch immer noch den alten Titel trug. 1427 bereits wird er vom Rate gewählt und verpflichtet. Jetzt mußten auch seine Funktionen genau bestimmt werden und damit ging Hand in Hand eine Regelung der Kompetenzfrage des Nürnberger Stadtgerichts. Dem einflußreichen Landgerichte des »Markgrafthumbs Nürnberg« gegenüber geschah dies durch das Privileg Sigmunds von 1431, welches bei Strafe von 50 Pf. Gold die Ladung an das kaiserliche Gericht verbot. Das gleiche Privileg richtete sich aber auch gegen die geistlichen Gerichte Bambergs, indem es zum wiederholten Male der Stadt Nürnberg das Recht bestätigte, daß für Rechtsstreitigkeiten ihrer Bürger in weltlichen Sachen kein anderes Gericht zuständig sein solle als das Stadtgericht.27.2 Der Rat seinerseits hielt es jedoch, wie schon früher, 1477 abermals für nötig, durch ein Dekret den Bürgern einzuschärfen, bei Verlust der eingeklagten Forderung — abgesehen von der bereits im Privileg festgesetzten Geldstrafe und den Gerichtskosten — die verbrieften Rechte der Stadt zu wahren. Diese Verordnung bildete die Vorlage für Ref. I, 9 (1. Hälfte). Sie wurde wörtlich rezipiert, jedoch fügte die Kommission gewisse Ausnahmen hinzu, welche ungeachtet der Fälle, die vor das Fünfer-, das Lehengericht und das »ernstlich Recht« gehören, auch Gerichte anderer Städte für zuständig erklären. Sie greifen Platz, wenn eine Partei sich wegen Forderung freiwillig fremder Gerichtsbarkeit unterwirft oder wenn die Klage einen außerhalb des Stadtgebietes abgeschlossenen Barkauf zum Gegenstand hat. [Seite 28]

2. Kapitel. Die Parteien.

a) Partei- und Prozeßfähigkeit.

Die Vorschriften, welche die Reformation über Partei- und Prozeßfähigkeit aufstellt, gehen offenbar auf altes deutsches Recht zurück; die Prozeßfähigkeit der Ehefrauen freilich scheint nach fremdem Rechte geregelt zu sein.

Echt deutsch ist jedenfalls der Grundsatz (VI, 10), daß der Geächtete oder Gebannte der aktiven Parteifähigkeit entbehrt. Schon der Sachsenspiegel (III, 16, § 3) versagt dem Geächteten und »vervesten« das Klagerecht, während er antwortweise seine Rechte geltend machen kann. In Nürnberg selbst galten schon lange diese Grundsätze, da bereits die älteste Halsgerichtsordnung, vielleicht noch aus dem 13. Jahrhundert, die Wirksamkeit der Klageerhebung ausdrücklich davon abhängig macht, daß sich Kläger nicht im Banne oder in der Acht befindet.28.1 Und die Bestimmung der Reformation vollends, nach welcher der Beklagte seine Einrede, Kläger sei geächtet oder gebannt, innerhalb 8 Tage beweisen muß, deutet durch diese Frist auf älteres, einheimisches Recht, wohl auf eine unaufgezeichnete Rechtsgewohnheit, hin. Der 2. Teil von Ref. VI, 10 endlich, welcher die Geltendmachung eines Gegenrechts wieder ausschließt, ist lediglich eine Konsequenz der Hauptregel.

Während ältere Quellen28.2 die Gefangenen auf gleiche Stufe mit Gebannten und Geächteten stellen, so daß auch der Gefangene aktiv parteiunfähig ist, unterscheidet hier die spätere Rechtsentwicklung. Ref. VII, 12 erklärt Gefangene für voll parteifähig, aber prozeßunfähig; sie haben dieselbe Stellung wie die neben ihnen genannten Unmündigen (unter 18 Jahren) und Geistesschwachen, an deren Stelle ein Pfleger die Prozeßhandlungen vornimmt. Auch diese Vorschriften sind auf ältere deutsche Gewohnheiten zurückzuführen. Abgesehen von der erwähnten Ausnahme, welche der Schwabenspiegel bezüglich der Gefangenen aufstellt, kennt schon dieses Rechtsdenkmal28.3 [Seite 29] den Pfleger und demgemäß dessen Stellvertretung im Prozeß für Unmündige, »ungeratene« und »unsinnige«, eine Satzung, die offenbar für das bayerische Landrecht vorbildlich war, welches einen Artikel (a 9, Ausg. v. Freyberg) ganz ähnlichen Inhaltes aufweist.

Nicht so klar sind die Vorschriften der Reformation über die Prozeßfähigkeit der Frauenspersonen. Jedenfalls aber kommt im allgemeinen der Frau fast die volle Prozeßfähigkeit zu. Das geht aus Ref. VI, 4 und 5 deutlich hervor. Inwieweit hier römische Grundsätze eingedrungen sind, läßt sich nur schwer feststellen. Denn der deutsche Grundsatz29.1, die Frauen könnten ohne Vormund vor Gericht nicht auftreten, mußte wie im römischen Rechte bei zunehmendem Geschäftsverkehr bald von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen werden. Es ist wohl auf Weiterentwicklung des deutschen Rechts allein im 14. Jahrhundert zurückzuführen, wenn einerseits der Ehemann nicht mehr schlechthin die Frau vor Gericht vertreten kann und andererseits jeder Frau ohne Rücksicht auf ihre Eigenschaft als Ehefrau in gewisser Beziehung Prozeßfähigkeit zuerkannt wird. So stellt das von römischem Geiste unbeeinflußte Münchner Stadtrecht bereits den in Ref. VI, 5 enthaltenen Grundsatz auf, daß »ain frau, deu ze marcht stat und deu chauft und verchauft«, bez. der dabei abgeschlossenen Rechtsgeschäfte dem Manne gleichsteht.29.2 Noch nähere Anklänge an die Reformation verrät das mit Nürnberg verwandte Amberger Stadtrecht,29.3 während das jedenfalls ältere Stadtrecht von Prag auch hier die Vertretung durch den Mann vorschreibt.29.4 Die naheliegende Annahme, daß die Amberger Bestimmung auf eine Nürnberger zurückzuführen sei, wird durch die Tatsache unterstützt, daß die »alte Gerichtsreformation« ein Statut ganz ähnlichen Inhalts aufzuweisen hat29.5, welches vor 1477 aufgestellt, auf ein noch früheres zurückgeht, das aus der Amberger Stelle zu schließen, bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts abgefaßt ist. [Seite 30]

Ebenso dürfte Ref. VI, 4 bereits geltendes Recht zur Quelle haben. Überliefert freilich ist nur die Vorschrift des obigen Statuts, nach welcher dem Fronboten verboten ist, verheiratete Frauen vorzuladen, und demgemäß den Schöffen, die Klage auf ihren Namen schreiben zu lassen, vielmehr der Ehegatte verklagt werden soll. Da sich diese Regel indes nur auf Ehefrauen bezieht, so ergibt sich, daß schon damals unverheiratete Frauen eine ähnliche Stellung einnahmen, wie Ref. VI, 4 bestimmt. Das machen ähnliche Vorschriften anderer Rechte höchst wahrscheinlich. Die Brünner Schöffensprüche von 1353 stellen den Satz auf: mulier tamen vidua, quia bonorum est domina, sive agat sive respondeat, tamquam vir jurando cadit et causam obtinet vel amittit30.1, den auch das Amberger Stadtrecht schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts kennt.30.2 Am nächsten aber kommt das Prager Stadtrecht der Reformation. Denn auch dieses läßt die Beschränkung auf Witwen fallen und dehnt den Grundsatz schlechthin auf alle Frauen aus.30.3 Den Schlußsatz von Reformation VI, 4 dagegen haben ältere Rechtsdenkmäler nicht aufzuweisen, er wird als eine durch die Kommission eingeführte Neuerung zu betrachten sein, welche aus dem fremden Rechte geschöpft hat. Denn selbst die bereits römischen Geist atmenden Brünner Schöffensprüche gehen noch nicht so weit vorzuschreiben, daß der Ehemann seine wegen ihres Sondergutes verklagte Frau nur mit deren Vollmacht vertreten könne, andererseits aber widerspricht das geradezu deutschen Prinzipien.

Mit dieser Satzung hängt die in Ref. VI, 3 aufgestellte zusammen, nach welcher der Mann spätestens vor der Fällung des Endurteils bei Strafe von 4 Pf. Heller und Kostenüberbürdung nachweisen muß, daß er von seiner Frau zur Führung des Prozesses bevollmächtigt sei. Der altdeutsche Grundsatz, daß der Mann als Vormund seiner Frau diese vor Gericht vertritt, scheint nicht nur durchbrochen, sondern geradezu zugunsten des fremden Rechts aufgegeben zu sein; denn die Reformation erklärt die Ehefrau für prozeßfähig, ja sie kann sogar auf Grund besonderer Vollmacht ihren Mann im Prozesse vertreten. Ob [Seite 31] das deutsche Recht zur Aufgabe der Geschlechtsvormundschaft bis zu diesem Grade sich selbständig entwickelte, ist zweifelhaft; denn noch 1470 galt das oben erwähnte Statut in Nürnberg, welches die Vorladung der Ehefrauen verbot, ja es ist wahrscheinlich, daß es erst durch die Reformation seine Geltung verlor, da man noch 1470 es für nötig hielt, an demselben eine Verbesserung anzubringen31.1. Demnach ist VI, 3 wohl als Neuschöpfung der Kommission anzusehen, innerhalb deren die dem wälschen Rechte zuneigenden Mitglieder um so leichter den Ausschlag geben konnten, als das Gebiet in die nach romanischen Grundsätzen geregelte Stellvertretung übergreift.

b) Stellvertretung durch Bevollmächtigte.

Das Institut der unbeschränkten direkten Stellvertretung, dem alten römischen Rechte ebenso unbekannt als dem germanischen, fand seine Ausbildung in Italien, wo es schon im 12. Jahrhundert anerkannt ist. Gleichwohl läßt auch das mittelalterlich-deutsche Recht unabhängig vom romanischen die Stellvertretung im Prozesse zu, jedoch sind diese Fälle lediglich als Ausnahmen zu betrachten.31.2) Daß die Stellvertretung in Deutschland anerkannt wurde, ist vielmehr römischem Einflüsse zuzuschreiben. Das zeigt deutlich die Reformation des Albrecht Achilles, welche er 1460 als Inhaber des Landgerichts Nürnberg zu Ansbach erließ. Sie beruft sich nämlich auf die »gemainen kaiserlichen und geschrieben Recht«, mit denen sie, als am höchsten Gerichte Deutschlands geltend, die Praxis des Landgerichts in Einklang bringen will, welche von jetzt ab prozessuale Stellvertretung zuläßt.31.3 Bedeutend früher als die Territorialgerichte mochten mit diesem für das Verkehrsleben unentbehrlichen Institut die Schöffengerichte der Städte sich vertraut gemacht haben. Und wenn insbesondere für das Stadtgericht Nürnberg die Vorschrift galt, »die erbbrief und gewaltsbrief [Seite 32] sollen die losunger ablesen, wie von alter herkemmen ist«32.1, so ist zu schließen, daß die Stellvertretung durch Bevollmächtigte — nur um diese handelt es sich hier — in diesem Gerichte ungleich früher anerkannt ist als im Landgerichte der gleichen Stadt.

Zweifelhaft dagegen ist, ob der Entwicklungsprozeß dadurch, daß man sie zuerst, wie am genannten Landgerichte, nur beschränkt zuließ, auch in 2 Stadien zerfiel.32.2 Die Reformation jedenfalls kennt eine derartige Beschränkung nicht. Die Bedingungen, welche sie für die Giltigkeit einer Vollmacht vorschreibt, decken sich im wesentlichen mit den Regeln anderer Rechtsaufzeichnungen. Auch sie verlangen eine bestimmten Formen genügende Urkunde, so das Bamberger Stadtrecht32.1 oder das Münchner Stadtrecht bezw. bayerische Landrecht. Die erwähnte Reformation des Nürnberger Landgerichts von 1460 vollends erinnert durch ihren Wortlaut an Ref. II, 2, handelnd von Vollmachtsurkunden, welche nicht in Nürnberg ausgestellt sind. Erwähnt das fast 20 Jahre ältere Gesetz der von Notaren, Grafen und Herren unterzeichneten Gewaltsbriefe nicht, so entsprechen den »zwei edelmann« und dem »gehechten gericht« des landgerichtlichen Gesetzes die zwei oder mehreren ehrbaren Leute und das »gebannte« Gericht der Reformation, abgesehen von den von Prälaten und Städten ausgestellten Urkunden, von welchen beide Rechtsaufzeichnungen sprechen. Daß demnach Ref. II, 2 ein heimisches Recht zur Quelle hat, unterliegt keinem Zweifel, eine offene Frage dagegen bleibt es, ob dieses einheimische Nürnberger Recht schon aufgezeichnet war oder nicht, so daß sich die Reformation nicht nur in inhaltlicher, sondern vielleicht auch in redaktioneller Hinsicht an ein älteres Statut anlehnt, oder aber ob sie einer schon lange bestehenden Rechtsgewohnheit lediglich Gesetzeskraft beilegt.

Die gleiche Frage läßt sich bei Ref. II, G. 1 aufwerfen, welches sich auf die in Nürnberg selbst ausgestellten Vollmachtsurkunden bezieht. Hier wird wohl die Antwort dahin zu lauten haben, daß als Quelle unaufgezeichnetes einheimisches Recht anzunehmen ist, da die Gegenwart eines Schöffen oder eines Angehörigen des kleineren Rates, wozu im 15. Jahrhundert [Seite 33] noch die zweier Genannten des größeren Rates kam33.1, ganz allgemein für jedes Rechtsgeschäft erforderlich war, welches in das Gerichtsbuch eingetragen wurde, sollte der Bedingung der Schriftlichkeit Genüge geschehen sein. Als dann, wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert33.2, die prozessuale Stellvertretung allgemein anerkannt war, fand diese uralte Rechtsgewohnheit auch auf die Errichtung von Vollmachturkunden Anwendung. Was demnach diese Rechtsgewohnheit an sich anlangt, so mag die Reformation auf einen bis auf die Einführung des Gerichtsbuches zurückgehenden Brauch zurückzuführen sein, welcher auch in anderen deutschen Städten galt, da eben ihre Bewohner die gleichen Rechtsanschauungen hatten und ihre Verfassung auf gleichen Grundlagen ruhte33.3.

Das Umsichgreifen des fremden Rechts führte aber mit der Stellvertretung überhaupt zugleich die berufsmäßige Stellvertretung ein. Denn die Formen, in denen sich der römischkanonische Prozeß bewegte, konnten dem gewöhnlichen Manne nicht in dem Maße geläufig sein, daß er sich ihrer in seinen Rechtshändeln hätte bedienen können; er ließ daher seine Prozesse von den römisch-rechtlich gebildeten Advokaten führen; mit keinem Worte gedenkt die Reformation des deutschen »Fürsprechers«.

Sie gibt genaue Vorschriften, innerhalb welcher Zeit auswärtige Advokaten aufgestellt sein müssen, um Prozeßhandlungen vornehmen zu können. Die Frist von 14 Tagen, innerhalb derer der Beklagte sich einen Advokaten wählen kann, erklärt sich leicht aus der Einlassungsfrist, die andere von 10 Tagen dagegen, welche zur replicatio und duplicatio erteilt wird, wenn sich eine Partei einesauswärtigen Advokaten bedient und eine etwaige Beschuldigung böser Absicht widerlegt hat, dürfte sich kaum etwa an eine frühere einheimische oder gar auswärtige Gesetzesbestimmung anlehnen, sondern scheint ein Gutachten des berühmten Martin Mair zur Quelle zu haben, um dessen [Seite 34] Erteilung ihn der Rat ersuchte.34.1 Abgesehen von dieser Frist aber ist das Gesetz wohl nichts anderes als eine Aufzeichnung bereits geltenden Rechts; insbesondere konnte das Gericht einer Partei nicht verwehren, sich durch mehrere Advokaten vertreten zu lassen. Schon die Brünner Schöffen antworten auf eine Anfrage: Definitum est, quod plures advocatos una pars pro sua pecunia potest convenire.34.2 Ebenso sprechen die Grundsätze Ref. III. 5, soweit sie sich auf die Vertretung beziehen, nur bestehendes Recht aus, wenn sie verlangen, daß der, welcher aus ehehafter Not am Erscheinen verhindert ist, während dieser Zeit einen Stellvertreter ernennen soll.

c) Beteiligung Dritter am Rechtsstreite.

Die Reformation kennt, wie sich aus den »Verkundungen« an Dritte in III, 1 und namentlich in III, 2 ergibt, das Institut der Intervention. Freilich scheidet sie nicht etwa zwischen Haupt- und Nebenintervention, sondern die Beteiligung eines Dritten am Prozesse ist durch einheitliche Rechtssätze geregelt. Ja aus III, 2 ist zu entnehmen, daß sie mehr Ähnlichkeit mit der heutigen Hauptintervention hat; denn der Dritte tritt beiden Parteien gegenüber selbständig auf. Doch besteht eine Verschiedenheit darin, daß er nicht nur als Kläger auftritt (wie bei der heutigen Hauptintervention), sondern unter Umständen auch die Rolle des Beklagten hat, die andere darin, daß seine Teilnahme in jedem Falle von einer vorhergehenden Verkündung abhängt, welche entweder das Gericht von Amtswegen (III, l) oder eine Partei auf Genehmigung eines bezüglichen Antrages hin ergehen läßt (III, 2). Erst wenn er der Verkündung Folge leistet, kann er entweder »sein sach und vermain te gerechtigkeit im (= sich) mit einer urfrag vorbehalten«, wenn die streitenden Parteien ihm überhaupt »einicher gerechtigkeit, interesse oder besonders antreffens seinerhalben«, »gestünden« oder nach den gewöhnlichen Vorschriften klagen oder aber endlich so verklagt werden. Der Prozeß wird demnach von drei, eventuell noch mehr Parteien geführt. [Seite 35]

Daß ein derartiges Institut nicht das römische Recht, welches die Parteirollen des Klägers und des Beklagten scharf abgrenzt, geschaffen haben kann, ist leicht ersichtlich. Vielmehr ist sein Grundgedanke deutsch-rechtlich. Das deutsche Gericht, sich zusammensetzend aus allen Dingpflichtigen, war nicht nur gebunden an die Anträge der Parteien, sondern mußte allen Rechtsbehauptungen, welche die Dingleute aus dem Ringe aufstellten, Würdigung schenken. Wie diese das Urteil schelten konnten, wenn es ihnen unbillig erschien, so konnten sie auch im Laufe des Prozesses ihr eigenes Recht geltend machen, welches ihnen besser zu sein dünkte als das der Parteien. Unterlassen sie aber diese Einwendungen, so erlangt auch ihnen gegenüber das Urteil Rechtskraft. Das deutsche Recht kennt also nicht den Grundsatz des römischen, daß der Prozeß, nur ein Verhältnis zwischen den ihn begründenden Parteien, auch nur die Rechtsverhältnisse dieser regelt.35.1 Als dann in späterer Zeit das Gericht nicht mehr unter freiem Himmel, sondern in dumpfer Ratsstube tagte, als mit allmählicher Ausschließung der Öffentlichkeit der Prozeßbetrieb mehr und mehr in die Hände der Schöffen und des Richters überging, da bedurfte es einer besonderen Verkündung, sollte derjenige, der am Ausgange eines Prozesses Interesse hatte, sein etwaiges Recht geltend machen können. Der wichtigste Fall dieser Streitverkündung ergibt sich aus Sachsensp. II, 36, § 5 (Richtsteig Landrecht, Kap. 13, § 3), handelnd vom Zug an den Geweren, welcher als Verkäufer an Stelle des wegen der gekauften Sache verklagten Käufers in den Prozeß eintritt. Also auf rein deutsches Recht gründet sich Ref. III, 2 und VI, 2. Denn wenn auch durch die Rezeption des römisch-kanonischen Prozeßrechts dieses dem römischen Rechte35.2 unbekannte Institut wieder neue Lebenskraft gewann, so ruhen seine Wurzeln doch im deutschen Rechte, da die Intervention des kanonischen Rechts bei ihrer Entwicklung von deutschen Prinzipien, namentlich solchen des langobardischen Lehenrechts, stark beeinflußt wurde.35.3 Deshalb führt die Reformation in diesen Gesetzen wohl kaum neues Recht ein, sondern [Seite 36] fixiert lediglich das bereits geltende Gewohnheitsrecht. Das bestätigt sowohl ein undatierter Ratserlaß in der überlieferten Gerichtsreformation36.1, als das auf altes deutsches Recht zurückgehende 4. Gesetz des XXVIII. Titels, nach dem der Verkäufer »werschaft thun« soll »jar und tag«.

3. Kapitel. Das Verfahren.

Die Vorschriften, welche die Reformation über die Prozeßhandlungen der Parteien oder des Gerichts aufstellt, zerfallen nach ihren Quellen in drei Hauptgruppen. Die erste Gruppe bilden die Vorschriften deutsch-rechtlicher Natur; die zweite Gruppe setzt sich aus Bestimmungen zusammen, welche dem römisch-kanonischen Prozeßrechte entnommen sind; die dritte Gruppe endlich enthält solche Rechtssätze, welche, ein Erzeugnis des deutschen Rechts, mit Anschauungen des fremden Rechts zwar vermischt, zugleich aber mit denselben in Einklang gebracht wurden, wodurch sie einen festen Grund zu ihrer Weiterentwicklung gewannen.

Ein Beispiel zur 1. Gruppe liefert die den Prozeß eröffnende

a) Ladung.

Die Vorschriften, welche das Gesetzbuch über die Ladung zwecks späterer Klageerhebung enthält, lehnen sich sämtlich an bereits geltendes Recht an und zwar teils an Gesetzes-, teils an Gewohnheitsrecht. So verlangt schon die alte Gerichtsreformation an Stelle des früheren »Dreistund «-Fürbietens eine zweimalige Vorladung durch den Fronboten oder Büttel36.2. Ref. I, 1 nimmt die gleiche Bestimmung wieder auf und zwar muß auch in ihr der Fronbote das erste Fürbot »under augen«, »bei seinem aide« getan haben36.3, soll die nachfolgende Klageerhebung giltig sein, wie das schon die Fronbotenordnung befiehlt. Ähnliche Bedingungen finden sich auch in anderen Stadtrechten. Das bayerische Landrecht36.4, das Landshuter36.5 [Seite 37] und Straubinger Stadtrecht37.1 einerseits begnügen sich mit einer zweimaligen Ladung, nach deren Erfolglosigkeit der Geladene sachfällig wird, die Eichstätter Reformation andererseits spricht ebenfalls von Vorladung unter Augen oder zu Haus und zu Hof37.2, ohne allerdings so präzis wie die Nürnberger die erstere nur beim 1. Fürbot vorzuschreiben, während beim 2. auch die zu Haus und Hof genüge. Daß das 2. Fürbot unterbleiben kann, wenn der Verantworter (= Beklagter) auf das 1. sein Erscheinen innerhalb 8 Tage zusagte oder am festgesetzten Termine vor Gericht kommt, ist eine selbstverständliche Vorschrift37.3; bezüglich der uralten Frist von 14 Tagen stimmt die Reformation mit anderen, namentlich süddeutschen Rechtsdenkmälern, überein, so dem Münchner Stadtrecht bezw. bayerischen Landrecht37.4, dem Amberger Stadtrecht37.5. Sie galt in Nürnberg selbst wohl schon Anfang des 14. Jahrhunderts, da sie in den alten Polizeiordnungen häufig, besonders auch für Vorladungen, erwähnt wird37.6.

Läßt sich bezüglich dieser Vorschriften nur in sachlicher Beziehung eine Übereinstimmung der Reformation mit dem früheren Rechte nachweisen, so ist die Quelle von Abs. 2 und 3 in Ref. I, 1 sogar hinsichtlich der Form erkennbar. Die alte Gerichtsreformation verbietet in einer »nota von furbieten« dem Büttel, während der Gerichtssitzung und — was den Ort anlangt — in der Kirche, auf dem Kirchhofe oder »am gericht« fürzubieten. Die Kommission nahm diesen Passus in das Gesetzbuch fast wörtlich herüber, nur die Worte »am gericht« weglassend, eine wohl zweckmäßige Verbesserung.

Besonderes bestimmt die Reformation über die Vorladung abwesender Bürger. Auch diese Vorschriften beruhen auf älterem Rechte und zwar, da die Gerichtsreformation darüber schweigt, wohl hauptsächlich auf Gewohnheitsrecht. An die Stelle des ersten Fürbots unter Augen tritt hier natürlich das zu Haus und Hof erfolgende. Ist aber das Anwesen oder die [Seite 38] Herberge unbekannt, so wird die Vorladung am Rathause angeschlagen, damit Leute, welche den Aufenthaltsort des Vorzuladenden wissen, diesen nennen oder ihm dort verkündigt werden kann. Bleibt auch dieses Verfahren erfolglos, so wird ihm »über die vier Weld« (= Wälder) verkündigt, innerhalb einer bestimmten Frist zu erscheinen. Erscheint er nach deren Ablauf nicht, so treten die Kontumazialfolgen ein. Daß auch dieses Gesetz eine Weiterentwicklung einer älteren Rechtsgewohnheit darstellt, erhellt aus einem Statut, welches der Rat zwar nicht für den Fall, daß ein Bürger den andern, sondern ein Gast den abwesenden Bürger vorladen will, erließ38.1. Hier beginnt das Verfahren genau so wie das in der Reformation bezüglich der Vorladung durch einen Bürger: Der Fronbote verkündigt das Fürbot in der Wohnung des Bürgers dessen Dienern und Hausgesinde. Die weiteren Bedingungen dagegen, welche die Reformation bei Vorladung durch einen Bürger vorschreibt, kommen, dem Charakter des kürzeren Gastprozesses entsprechend, in Wegfall. Indessen bietet gerade Ref. I, 3 ein hübsches Beispiel, wie sich deutsche und kanonische Rechtsgewohnheiten miteinander vermischten. Denn so wenig für den echt deutschen Fronboten oder Büttel etwa der nuntius des kanonischen Rechts das Vorbild abgegeben hat, wenn auch beiden die gleichen Amtspflichten obliegen, so sehr erinnert das Anschlagen der Ladung ans Rathaus an die Ediktalzitation, welche sich in Italien entwickelt hat. In Nürnberg scheint sie erst im 15. Jahrhundert im Zivilprozesse Anwendung gefunden zu haben, obwohl sie bereits durch ein Reichsgesetz Heinrichs VII. von 1313 in Deutschland, allerdings nur für Kriminalfälle, bekannt geworden war. Denn die Mitteilungen nach Eger aus dem 14. Jahrhundert, die häufig von Vorladungen sprechen, erwähnen ihrer noch nicht, sondern kennen nur den vom Gericht ausgestellten Ladungsbrief, der dem Vorzuladenden vom Fronboten übergeben wird38.2. Dagegen erinnert an rein deutsches Recht wieder die Verkündigung »über die vier Weld«. Was man unter letzterer Bezeichnung zu verstehen hat, ist keineswegs klar. Es wird anzunehmen sein, daß dieser Ausdruck, dessen sich verschiedene Quellen [Seite 39] bedienen, Verschiedenes bedeutet39.1. Ursprünglich nur in einer Rechtsaufzeichnung gebraucht, für deren Geltungsgebiet er passend war, mag er durch Herübernahme in andere Rechte seine eigentliche Bedeutung eingebüßt haben. Die Worte »vier Welt« speziell in der Nürnberger Reformation nur als Bezeichnung für unbekannten Aufenthalt aufzufassen, widerspricht zwar nicht I, 3, wohl aber IV, 7. Denn aus letzterer Stelle geht hervor, daß der Gesetzgeber mit dem Ausdruck einen ganz bestimmten Begriff verbindet, wenn er sagt »außerhalb der Stadt, aber doch innerhalb der vier Welt« und Später »außerlants über die vier Welt«. Namentlich aus den letzten Worten läßt sich der Schluß ziehen, daß die »vier Welt« nichts anderes bedeuten als das außerhalb der Landes- (nicht Stadt-) grenzen nach den 4 Himmelsrichtungen hinliegende Gebiet39.2. Die Schlußbestimmung, nach welcher bei der Vollstreckung die Verkündigung über die vier Welt (z. B. zwecks Auslösung des Pfandes) nicht mehr nötig sein soll, begreift sich leicht. Mit Ref. I, 3 hängt inhaltlich enge zusammen I, 4: »von den, die sich in der statt oder im pittelstab verpergen oder nit zetreffen sein«, ein Gesetz, welches die Entwicklungsfähigkeit des deutschen Rechts um so mehr bezeugt, als auch seine mittelbare Quelle, ein Nürnberger Statut, überliefert ist. Unmittelbares Vorbild war eine Ratsverordnung von 1468 bezw. 69, die nach Vornahme einiger sachlicher und redaktioneller Änderungen in die Reformation aufgenommen wurde39.3. Diese beruht aber ihrerseits wieder auf einer älteren Satzung, welche uns aus einer wohl die Worte des alten Stadtrechts selbst gebrauchenden Mitteilung des Nürnberger Rats an die Stadt Eger bekannt ist. Nach ihr muß der Kläger beweisen »mit dem fronboten, der der stat gesworn hat, daz zwen erberg (= ehrbar) man des selbsscholn nachtgepawern (= des Selbstschuldners Nachbarn) gesagt haben, als si sullen, daz er entwichen sei oder daz man sölch wahrhait funden hab in seinem hause, daz sein hausgeret verruckt sei oder daz er entronnen sei«39.4. [Seite 40]

Sie scheint jedoch auch für die Ratsverordnung von 1468 (1469) nur als mittelbare Quelle in Betracht zu kommen. Denn bei der lebhaften Gesetzgebung des Nürnberger Rats ist es unwahrscheinlich, daß dieses Statut, spätestens in der Mitte des 14. Jahrhunderts erlassen, über hundert Jahre Geltung gehabt hat, ohne eine Veränderung zu erleiden. Dafür spricht auch der Umstand, daß es zwar wie noch die Reformation der Nachbarn als Zeugen, nicht aber des Anheftens der Briefe an die Türe erwähnt, obwohl sich bereits Ende des 14. oder anfangs des 15. Jahrhunderts diese Gewohnheit unabhängig von der romanischen Ediktalzitation in Deutschland herausgebildet hatte. So ist sie dem rein deutschen Baculus judicii (Frankfurt) bekannt, welcher übrigens lebhafte Anklänge an die Ladungsweise der Nürnberger Reformation enthält, indem er bestimmt: »und obe der bode den man nicht finden mogte, so sulde er zu iglicher zit den brief der frawen antwurten, weren sie aber beide in fremden landen … und hatten doch wonunge«, welche er aber nach Öffnung der Zugänge leer findet, so soll der Bote die Briefe an die Tür »stossen« und zwar mit kuntschaft »etzlicher der nachbar«40.1.

Die Bedingungen der Vorladung müssen erleichtert werden für den Fall, daß nicht ein Bürger, sondern ein »Gast«, d. h. ein Fremder, gegen einen Bürger gerichtlich vorgehen will. Es entsprach nicht nur der Billigkeit, daß der Bürger bei hoher Strafe möglichst rasch dem vielleicht weit hergereisten Fremden zu antworten verpflichtet war, sondern die Gemeinwesen waren zur Aufstellung und strengen Handhabung derartiger Gesetze geradezu gezwungen, wollten sie die reichlichste Quelle ihrer Wohlhabenheit, den Handel, nicht verstopfen. Deshalb weichen die Vorschriften, welche die Stadtrechte des Mittelalters über die Vorladung durch Gäste aufstellen, von den gewöhnlichen Vorladungsbestimmungen ab. Noch im 14. Jahrhundert muß dem Gaste über Zwerchnacht, d. h. sofort des andern Tages, geantwortet werden40.2. Auch in Nürnberg galt eine Satzung solchen Inhalts40.3. Jedoch scheint sich diese Einlassungsfrist in [Seite 41] der Folgezeit als zu kurz erwiesen zu haben. Denn aus einem Ratserlasse, ergangen Mittwoch nach Bartholomäi (27. August) und ausgerufen Sonntag vor Egidii (1. September) 1477, geht hervor, daß sich auch für Gäste die Frist von 14 Tagen eingebürgert hat und zwar schon seit längerer Zeit, da die Ratsverordnung von »gewöhnlicher Ordnung des Gerichts« spricht41.1. Wenn sie sich ferner bereits mit einem einzigen unter Augen zu erfolgenden Fürbot begnügt, so ergibt sich, daß Ref. I, 2 lediglich bestehendes Recht enthält.

Die Bestimmungen von III, 1, nach welchen für die Verkündung dasselbe gilt wie für das Fürbot, eine Verkündung also, welche einem Abwesenden zu machen ist, denselben Bedingungen genügen muß wie ein solches Fürbot (III, 3; I, 3), und die Bestimmungen von I, 7, welche die Geltung der Gerichtsordnung, dem Wesen der städtischen Verfassung entsprechend, auf Ehalten, Diener, Söldner und andere »bestellte« Einwohner ausdehnen, führt die Reformation nur der Vollständigkeit halber auf. Übrigens behandelten schon ältere sächsische Quellen die Verkündung gleich der Ladung.41.2 Erwähnt mag noch werden Ref. III, 4, wozu ein Ratserlaß von 1463, handelnd von »Verneuung« einer Vollung oder eines Bekenntnisses das Vorbild abgab.41.3 ) Wichtiger ist das unklar gefaßte Gesetz 5 (I), welches von mehreren Klägern demjenigen den Vorrang gibt, dessen Ladung zeitlich am frühesten erfolgte, während sie bei gleichzeitiger Ladung bezüglich des Zeitpunktes, in dem der Prozeß beginnt, gleichstehen sollen. Das Gesetz erinnert an den Schluß der oben erwähnten Rechtsmitteilung nach Eger, welche bezüglich der Befriedigung mehrerer Gläubiger sagt: »so richtet man aber den klagern nach einander, nachdem und der fronbot ze den heiligen gesagen tar, daz der erster klager worden sei auf den tag und auf di zeit des tages, und die andern klager richtet man darnach aber von dem seinen, ob daz da ist, nach der ordnung, als si klager worden sein, di weil si daz sein ankumen mögen.« So lassen auch andere süddeutsche Städte die Priorität der Ladung entscheiden.41.4 [Seite 42]

b) Klageerhebung, Litiskontestation und Schriftenwechsel.

In den häufigsten Fällen wird die Ladung aus Anlaß einer Klageerhebung erfolgen. Nun hat nach Vorschrift der Reformation die letztere nur dann rechtliche Wirkung, wenn von den besprochenen zwei Vorladungen die erste »unter Augen« stattgefunden hat.

Insoweit stimmt das neue Gesetz (V, 1) mit der alten Gerichtsreformation überein42.1. Dagegen weicht es von der letzteren ab, wenn sie die Giltigkeit der Klageerhebung davon abhängig macht, daß die Klage entweder schriftlich im Gerichte eingereicht oder ins Gerichtsbuch eingeschrieben wird. Doch zeigt schon die Gerichtsreformation das Bestreben, bei den Parteihandlungen Schriftlichkeit zu verlangen. So stellt ein Ratsbeschluß von »reden und Widerreden« im ältesten Teile derselben es den Parteien zwar noch anheim, »clag, antwort, widerred und nachred« schriftlich oder mündlich geltend zu machen, wenn auch schon damals das Gericht »nach notdurft« den einen oder andern Weg anordnen konnte42.2, die Prokuratorenordnung im Anhang aber setzt bei der Klage immer Schriftlichkeit voraus und gewährt zu diesem Zwecke die in die Reformation übergegangenen beiden Möglichkeiten.

Ist auf eine dieser Arten die Klage schriftlich erhoben, so kommt es im Regelfalle zur Litiskontestation.

Daß dieses römische Institut in die Praxis des Stadtgerichts erst durch die Reformation eingeführt wurde, beweist nicht nur der Umstand, daß die überlieferte Gerichtsreformation zwar öfter von den vier regelmäßigen Parteihandlungen, nie aber von ihm spricht, sondern auch die Unklarheit, welche das Gesetzbuch von dem Wesen dieser wichtigen Prozeßhandlung verrät. Insbesondere gibt die Reformation nicht an, durch welchen Akt sie begründet wird. Indessen wird kaum anzunehmen sein, daß sie sich nach dem Vorbilde des kanonischen Rechts auf Grund von Prozeßhandlungen vollzieht, welche die beiden Parteien vornehmen, sondern sie wird ähnlich der am Reichskammergerichte üblichen Litiskontestation lediglich in der Antwort des Beklagten [Seite 43] bestehen. Dies dürfte die Wirkung der Litiskontestation, daß die klagende Partei auf »beschließ irer petitz« die Kondemnation ihres Gegners zu den Gerichtskosten noch vor »entlichem Rechtssatz« verlangen muß, will sie diese ihm aufgebürdet wissen, bestätigen. Jedoch zeigt gerade diese Vorschrift (VI, l), daß die Litiskontestation bezüglich der Unveränderlichkeit der Klage von nicht großer Bedeutung ist; denn bis zum »entlichen Rechtssatz«, d. h. wohl bis zum Aktenschluß, kann diese noch geändert werden.

Während das Institut der Litiskontestation erst durch die Reformation eingeführt wurde, lehnen sich die Bestimmungen über die »Gerichtsschäden« (VI, 1 Schluß) an ältere Satzungen an. Bereits ein Ratsdekret von 1471 ordnete an, daß die im Prozesse unterliegende Partei in die Kosten zu verurteilen sei, woran sich, wie in der Reformation, eine Aufzählung derselben reiht.43.1 Das neue Gesetz führt die allgemeinen Worte des Dekretes »durch wellich die genommen costen wurden« durch weitere Beispiele, Belohnung der Prokuratoren43.2, Richter, Richtersknechte und Zeugen lediglich weiter aus. Dagegen gründet sich die Regel, daß über die Gerichtskosten erst im Endurteil entschieden werden darf, wohl auf Gewohnheitsrecht, welches die Kommission lediglich aufzeichnete, da anzunehmen ist, daß die Stadtgerichte sich schon längst diesem in der Praxis des Kammergerichts herrschenden Grundsatze angeschlossen hatten43.2. Auf die Gerichtskosten nimmt auch V, 9 bezug, wo in der Hauptsache von der Unvererblichkeit der Parteirollen gehandelt wird, wenn die Litiskontestation noch nicht vollzogen ist. Dieser dem römischen und kanonischen Rechte entnommene Satz erleidet eine Ausnahme, wenn von einem Zwischenurteile appelliert worden ist und auf die Appellation Kosten ergangen sind. In diesem Falle muß der Prozeß vom Erben weitergeführt werden, da sonst über die Kosten überhaupt nicht entschieden werden könnte.

So wichtig auch diese Bestimmungen für die Rezeptionsgeschichte sein mögen, so stehen sie doch bezüglich ihres Inhalts hinter mancher deutschrechtlichen Materie zurück. Offenbar [Seite 44] verfolgen sie den Zweck, die Schöffen mit dem fremden Rechte einigermaßen vertraut zu machen, welchen sie infolge ihrer einfachen, jeden Prunks der Gelehrsamkeit entbehrenden Form wohl erreichen mögen. Fast lehrhaften Ton allerdings schlägt Gesetz 6 (VI) an, welches die verschiedenen Arten der Exzeptionen des kanonischen Rechts aufzählt, ohne jedoch hervorzuheben, welche vor oder nach der Litiskontestation geltend gemacht werden müssen. Schon aus diesem Zwecke folgt, daß die Kommission diese romanischen Rechtssätze nicht etwa einer andern Kodifikation oder gar den Schriften eines Juristen entnommen hat.

Die Reformation indessen verlangt nicht nur Schriftlichkeit der Klage, sondern auch Schriftlichkeit der Antwort, Widerrede und Nachrede (V, 3). Damit führt sie keine Neuerung ein, sondern verleiht nur dem historisch gewordenen Rechtszustande gesetzliche Anerkennung. Denn nachdem bereits früher44.1 das germanische Prinzip der Mündlichkeit zu Gunsten der italienischen Anschauung immer mehr durchbrochen wurde, beriet der Rat 1477, »ob es bei fier oder sechs geschriften beleiben mag«44.2, worauf er sich für vier entschied, wie die Prokuratorenordnung zeigt. Indes ist es offenbar, daß damals die Schriftlichkeit noch nicht unbedingte Regel war, da sonst der Befehl des Rates unverständlich wäre, welchen zu erlassen er 1478 noch für nötig fand: »Item dem G. Reicher und Franz Ortolf und Merten Geudern ze sagen, einem rat wolle gevallen, das sie irn handel, des sich ein rat angenommen hat, in schrift furbringen«44.3.

So ist denn das Gebot der Schriftlichkeit lediglich das Resultat eines Prozesses, welcher sich bei dem damaligen Rechtszustande44.4 notwendigerweise vollziehen mußte. Daß das eindringende italienische Recht ihm die Richtung der Entwicklung wies, daß er durch dessen Einfluß beschleunigt wurde, liegt auf der Hand. Aber dieses Ergebnis darf nicht vollständig auf Rechnung des fremden Rechts gesetzt werden. [Seite 45]

Denn das deutsche Recht selbst ebnete in mancher Beziehung dem fremden Rechte den Boden, so daß es leichter Fuß fassen konnte. So hat man mit Recht hervorgehoben, daß die an den deutschen Gerichten übliche Gewohnheit, Gerichtsbücher zu führen, in welchen alle wichtigeren Rechtshandlungen, insbesondere auch die Klageerhebungen, aufgezeichnet wurden, nicht wenig zur Ausbildung des schriftlichen Verfahrens beigetragen hat45.1.

Stellt die Reformation aber das Prinzip der Schriftlichkeit auf, so muß sie auch genaue Vorschriften über die Schriftsätze, insbesondere deren Inhalt geben. Daß vier Schriften die Regel bildeten, wurde bereits erwähnt. Jede Schrift mußte (V, 3) in zwei Exemplaren eingereicht werden, von denen das eine im Gericht blieb, während das andere dem Beklagten ausgehändigt wurde »umb deswillen, das einem jeden antworter, als woll notdurftig ist, sich der antwurt zu bedenken, als sich der clager villeicht vorbedacht hat«45.2. Allerdings dürfte die Annahme, daß die schriftliche Einreichung der Klage das persönliche Erscheinen des Klägers in der Hauptverhandlung überflüssig machte, zu weit gehen, vielmehr erleidet das Prinzip der Schriftlichkeit insoferne eine Milderung, als der Kläger in der Verhandlung anwesend sein mußte, um seine Klage vorzutragen. Das ist aus der Redaktion von 1500 V, 5 zu folgern. Das gleiche Verfahren beobachtete zur Zeit der Abfassung der Nürnberger Kodifikation die Praxis des Kammergerichts, wo der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine Klage »ganz und vollkommen furtragen« mußte. Was den weiteren Schriftenwechsel anlangt, so hatte er in den bereits besprochenen Fristen zu erfolgen (V, 5).

Die übrigen Vorschriften von V, 3 erklären sich hinsichtlich ihrer Quellen leicht: Der Partei mußten auf Antrag Abschriften von gegnerischen Urkunden ausgestellt werden, sollte sie sich gegen die aus diesem Materiale geschöpften Behauptungen verteidigen können. Das hängt mit dem Prinzipe der Schriftlichkeit zusammen. Ferner, das Verbot, daß spätere Schriftsätze nicht [Seite 46] den Inhalt der früheren wiederholen sollen, stellen alle Gerichtsordnungen jener Zeit auf; übrigens befaßt sich damit bereits das erwähnte Privileg von 1464.

c) Gegenstand der Klage.

Nach den deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, insbesondere den Rechtsbüchern, ist es für das Prozeßverfahren von Bedeutung, ob eine Klage um Schuld oder um Gut (fahrende Habe oder Liegenschaft) erhoben wird. Das Eindringen des fremden Rechts, dem eine derartige Scheidung unbekannt ist, führt naturgemäß zu einer Milderung dieses schroffen Gegensatzes. Auch das Nürnberger Gerichtsverfahren mochte zu Anfang des 15. Jahrhunderts eine Umgestaltung in dieser Richtung erlitten haben. Jedenfalls aber läßt sich aus der Reformation entnehmen, daß die Einteilung der Klagen nach ihrem Objekte bei weitem nicht mehr die große, ja grundlegende Bedeutung für die Art und Weise des Rechtsganges hat. Vielmehr gilt der Grundsatz, daß sich das Verfahren für alle Klagen, mögen sie auf Schuld oder Gut gerichtet sein, gleich gestaltet. Nur vereinzelte Vorschriften erinnern an den ehemals bedeutungsvollen Unterschied, deren Inhalt um so interessanter ist, als sie, ein Meisterstück des Gesetzgebers, dessen Bestreben verraten, die fremden Rechtsgedanken in tunlichst rechtspolitischer Weise mit den einheimischen zu verquicken.

Allerdings ist als Quelle der minder wichtigen Vorschriften, welche für die Klage um Schuld gelten (VI, 8), allein das römische Recht zu nennen. Denn es ist unzweifelhaft, daß Ref. VI, 8 (1. Hälfte) lediglich eine freie Übersetzung von § 10 J. de exceptionibus 4, 13 ist: Der Kläger, welcher seinen Anspruch »umb schuld, zins oder anders« vor der Fälligkeit erhebt, muß nicht nur für die »gerichtskost und scheden« aufkommen, sondern auch »sovil zeit der bezahlung und außrichtung halb zugeben, als er in (den Schuldner) vor der zeit oder zil wider die pillickeit und recht furgenommen hat«. Dasselbe meint wohl die auf der constitutio Zenoniana beruhende zitierte Institutionenstelle, wenn sie sagt: Sacratissimus legislator (d. i. Zeno) de iis, qui tempore plus petierint, protulit, ut et inducias, quas ipse [Seite 47] actor sponte indulserit vel quas natura actionis continet, si contempserit, in duplum habeant ii, qui talem iniuriam passi sunt.

Ebenso stellt die andere Hälfte des gleichen Gesetzes in der Hauptsache eine deutsche Übersetzung von § 24 J. de act 4, 6 dar. Der Gesetzgeber kopierte den römischen Satz, daß der Kläger, welcher sich einer plus petitio re schuldig macht, die dem Beklagten erwachsenen Gerichtskosten und Schäden »drivaltiklich« vergüten müsse. Dagegen darf der Schluß des Gesetzes, wonach der Kläger dieser Strafe nicht verfällt, wenn er seinen Anspruch nachträglich auf den gebührlichen Umfang beschränkt, nachdem letzterer bei der Klageerhebung zweifelhaft war, wohl als Schöpfung der Kommission bezeichnet werden.

Getrennt von diesen Bestimmungen sind die Vorschriften der andern hier in Betracht kommenden Gruppe, welche die Klage um Gut behandelt, erst in den XXIX. Titel eingestellt. Sie wurden bereits oben als gelungenes Beispiel für die Verschmelzung deutscher und römischer Rechtsanschauungen hingestellt. Über die Einzelheiten ihrer Quellen ist folgendes zu erwähnen.

Wie die scharfe Scheidung zwischen Fahrnis und Liegenschaft deutlich einen germanischen Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt, wie die Reformation wiederum deutscher Anschauung huldigt, wenn sie ein besonderes Verfahren für Klagen aus unfreiwilligen Besitzesverlust aufstellt, ebenso entschieden bekennt sie sich zur Lehre des römischen Rechts, wenn sie die Begriffe »aigenschaft« und »gewer« oder »beseß« (Eigentum — Besitz) scharf auseinander hält, wenn sie ferner in der Hauptsache die Beweislast nach dem Satze: actori incumbit probatio verteilt.

Am klarsten sind die Vorschriften, welche sie über die Durchführung der Eigentumsklage, mit welcher der Eigentümer die ihm gestohlenen oder geraubten beweglichen Sachen zurückfordert, aufstellt (XXIX, 2). Entsprechend dem erwähnten romanischen Prinzipe von der Beweislast hängt der Ausgang des Verfahrens zugunsten des Klägers davon ab, ob er 1. sein Eigentum und 2. den behaupteten Diebstahl oder Raub beweisen kann. Je nach dem es ihm gelingt, diesen Beweis vollkommen oder nur unvollkommen, oder gar nicht zu führen, siegt er ohne weiteres oder auf sein »beteurung« hin, daß er die [Seite 48] Streitsache nicht veräußert habe, oder aber wird mit seiner Klage abgewiesen. Im letzteren Falle aber muß ein »verdächtiger« Antworter den Reinigungseid schwören, will er von der Klage frei werden, es sei denn, daß solche »verdechtlichkeit merklich« wäre, dann soll der Ausgang des zu eröffnenden Strafverfahrens für die Berechtigung des klägerischen Anspruchs präjudiziell sein.

Erinnert bereits die Unterscheidung zwischen vollkommener und unvollkommener Beweisführung an Grundsätze des deutschen oder doch kanonischen Rechts, so ist das im gleichen Gesetze erwähnte Institut des Zuges an den Geweren, wonach der Inhaber seinen Geweren, dieser wieder seinen Vormann u. s. w. stellt, um selbst aus dem Prozesse auszuscheiden, vollkommen dem einheimischen Rechte entnommen.

Unklarer sind die übrigen Gesetze (3 und 4) des XXIX. Titels gefaßt und zwar insoferne, als sie nicht erkennen lassen, ob sie sich nur auf unbewegliche oder auch auf bewegliche Sachen beziehen. Schon aus diesem Grunde ist man hier geneigt, fremdes Recht als Quelle anzunehmen, eine Ansicht, die dadurch unterstützt wird, daß beide Gesetze offenbar den Zweck verfolgen, die Feststellung eines streitigen Besitzverhältnisses zu regeln und so den künftigen Eigentumsprozeß vorzubereiten, also nach romanischem Muster reinlich zwischen Besitz und Eigentum scheiden.

Insbesondere verlangt Ges. 3, daß »die parthei, die umb entwerung ze klagen vermaint«, zunächst gehört werden soll, mag sie nun die beklagte oder klagende sein. Genauere Vorschriften über dieses Verfahren gibt Ges. 4. Die »entwerte« Partei muß beweisen 1) daß sie »in gewere und possehs des, darumb sie clagt, auf die zeit der entwerung gewesen ist« 2) »solche entweltigung und gewaltsams Entwerung«. Ob hier die Verteilung der Beweislast auf das deutschrechtliche Prinzip, »daß man sich zum Beweisrecht nicht rauben noch stehlen könne«48.1, zurückgeführt werden kann, ist zum mindesten sehr zweifelhaft. Denn weder das 4. noch das 3. Gesetz spricht von Raub oder Diebstahl wie Gesetz 2, sondern bedient sich nur der Ausdrücke »entwerung« oder »entweltigung«. Vielmehr [Seite 49] dürfte der römisch-rechtlich geschulte Gesetzgeber am romanischen Prinzipe der Beweislast festgehalten haben, wie ihm bei der Abfassung der beiden Gesetze überhaupt ein romanisches Institut vorgeschwebt hat »das interdictum unde vi«. Diese Annahme erläutert den Begriff der »entwerung« und »entweltigung«, indem sie ihn mit der »vis atrox« der römischen Quellen identifiziert, sie erklärt ferner den Grund, warum die Gesetze im Gegensatz zu Gesetz 2 nicht den engeren Begriff des Raubes und Diebstahles erwähnen; denn sie beziehen sich wie das »interdictum unde vi« nur auf Grundstücke, und so erklärt sie endlich den Umstand, daß die Gesetze nicht zwischen Fahrnis und Liegenschaft scheiden. Der Schluß des Gesetzes vollends bestätigt die Richtigkeit dieser Auffassung, wenn er unter Anlehnung an das »interdictum unde vi« verlangt, daß der »entwert widerumb zur gewere kommen und gelassen werden« soll »mit bekerung der entwerten abnutz zins, außstands, so man zu latein interesse nennet, und auch erlittener kost und scheden«; denn namentlich das letzte Moment, der Ersatz des gesamten Interesses, widerlegt die etwaige Ansicht, als sei das in unserem Gesetze aufgestellte Verfahren dem »possessorium summarissimum« des kanonischen Prozesses nachgebildet, bei dem die Frage der Entschädigung nicht in Betracht kommt.

d) Kontumazialverfahren.

Diese Rechtssätze durchbrechen, wie bereits erwähnt, die Regel, daß das Verfahren, insbesondere die Verteidigung des Beklagten, unabhängig vom Gegenstande der Klage ist. Bedeutet die Aufnahme dieser Regel in die Reformation ein Zugeständnis, welches der Gesetzgeber dem fremden Rechte macht, so ist umgekehrt das Kontumazialverfahren durchweg auf Grundlage des einheimischen Rechts geregelt.

Das ergibt sich zunächst für die Bedingungen, unter denen der Beklagte beim Nichterscheinen des Klägers von dessen Anspruch frei wird, hauptsächlich daraus, daß die Reformation nicht zwischen Ungehorsam vor und nach der Litiskontestation scheidet, was sie tun müßte,49.1 wenn sie das romanische Institut kopieren wollte, eine Tatsache, die aber zugleich einen Beweis [Seite 50] dafür liefert, wie wenig das Gesetzbuch mit dem Wesen der Litiskontestation vertraut ist. Es läßt sich indes auch der positive Beweis führen, daß die Reformation sich hier an deutsches Recht anlehnt. Denn abgesehen von den älteren deutschen Rechtsquellen50.1, welche sich mit den Kontumazialfolgen befassen, hat besonders die Eichstätter Reformation Ähnlichkeit mit Ref. I, 6, wo vom Ausbleiben des Klägers gehandelt wird. Nur wird hier entsprechend dem dreimaligen Fürbot eine viermalige Ladung gefordert, deren letzte allerdings nicht vom Kläger, sondern vom Beklagten ausgeht.50.2 Völlig aber stimmen beide Rechtsquellen hinsichtlich der Folgen überein, welche der Ungehorsam des Klägers zugunsten des Beklagten bewirkt. Beide bürden für jedes erfolgte Fürbot dem Kläger die Kosten auf, wenn dieser ausbleibt, beide sprechen den Beklagten zunächst ab instantia von der Klage frei, um ihn sodann vollständig davon zu befreien50.3. In Nürnberg treten diese Folgen nach dem 2. und 3., in Eichstätt entsprechend nach dem 3. und 4. Fürbot ein. Allerdings legt das Eichstätter Gesetzbuch dem Kläger wegen seines wiederholten Ungehorsams keine Geldstrafe auf, welche in Nürnberg 10 Pfg., das sogen. große Wandel, beträgt. Daß eine ältere unbekannte Nürnberger Rechtsgewohnheit mit diesen Eichstätter Vorschriften zu den Bestimmungen, wie sie die Nürnberger Reformation enthält, verarbeitet wurde, läßt sich besonders daraus schließen, daß auch das Eichstätter Gesetz vollständige Durchführung des Prozesses verlangt, sobald »red und widerred bescheen« oder, wie sich das Nürnberger ausdrückt, »entlich antwort« zu des Klägers »spruch« getan hat. In Eichstätt freilich bedarf es hiezu erst des Antrages des gehorsamen Teiles. Es bedarf keiner Hervorhebung, daß diese Schlußbestimmung der Reformation im Gegensatz zum deutschen Grundton des Gesetzes an römisches Recht anklingt, indem sie unwillkürlich an die Folgen der Litiskontestation erinnert. Ebenso wurzelt Ref. V, 6 und 7, wo die Kontumazialfolgen dargelegt werden, wenn Beklagter nicht antwortet, im [Seite 51] Boden des deutschen Rechts. Als Hauptargument hiefür ist die echt deutschrechtliche Vorschrift der Reformation anzuführen, daß der Kläger bei Ungehorsam des Beklagten ohne weiteres mit seiner Klage durchdringt, ohne seinen Anspruch etwa erst beweisen zu müssen.51.1 Ferner liefert Sachsensp. III, 39, § 3 insoferne einen Beweis für den deutschrechtlichen Ursprung der reformatorischen Vorschrift, als diese Stelle ebenso wie die Nürnberger Kodifikation eine dreimalige Ladung voraussetzt, um die Sachfälligkeit des Beklagten herbeizuführen. Die ältesten Nürnberger Bestimmungen mögen sich auch an sie angelehnt haben. Als eine freilich viel jüngere Fortsetzung ist die Satzung in der Fronbotenordnung aufzufassen, welche dem Büttel die Pflicht auferlegt, dem Gerichtsschreiber zu melden, ob der Geladene innerhalb 14 Tage antworten will oder nicht. Erklärt er, das nicht zu tun, und erscheint er binnen dieser Frist nicht, so verfällt er dem — unwillkürlich an die Wette des Sachsensp. (III, 39, § 3) erinnernden — »herpracht gewonlich wandel« von einem Pf. Heller.51.2 Die eigentlichen Kontumazialfolgen treten aber erst ein, wenn Beklagter seinen Ungehorsam bis zum 14. Tage und wenn dieser kein Gerichtstag ist, auch noch am folgenden Tage fortsetzt. Diese Bestimmung wie das Detail lehnt sich an früheres Recht an, was sich sowohl aus auswärtigen Rechtssammlungen wie einheimischen Verordnungen ergibt. So gebietet insbesondere wiederum schon die Fronbotenordnung, daß die bez. der Hauptsache und Gerichtskosten zugunsten des Klägers gesprochene Vollung erst »auf abläutung desselben gerichts« geschrieben werden dürfe.51.3 Erscheint der Beklagte also noch vor Schluß der Sitzung, so kann er, selbst ohne auf ehafte Not sich zu berufen, die Kontumazialnachteile noch abwenden; erscheint er dagegen erst in einem späteren Termine, so gelingt ihm letzteres nur, wenn er ehafte Not geltend machen kann.51.4 Die dem Kläger durch die Verzögerung erwachsenen Kosten muß er zwar auch jetzt begleichen, aber er kann sich gegen die übrigen Nachteile, insbesondere [Seite 52] Sachfälligkeit, verwahren, da er zur Verhandlung zur Hauptsache zugelassen wird. Daß auch diese Bestimmungen auf ältere Satzungen zurückgehen, zeigt eine überlieferte Verordnung, welche sich auf das Ausbleiben des »nicht einheimischen« Bürgers im Gastprozesse bezieht. Wenn aber in dem abgekürzten Prozesse der Beklagte noch am Vollungstage erscheinen und seine Unkenntnis vom Fürbot eidlich erhärten kann, so muß diese Milde umsomehr im gewöhnlichen Prozesse walten.52.1 Der Satz dagegen, daß nach vollständiger Durchführung der Vollstreckung an der Rechtslage nichts mehr geändert werden kann, ist nach Analogie von I, 4 eine Ergänzung, welche erst die Kommission anbrachte.

e) Gegenklage.

In den meisten Fällen jedoch erscheinen beide Parteien zur Verhandlung und zwar wird im Regelfalle der Beklagte bestrebt sein, den klägerischen Anspruch zu entkräften. Von den Verteidigungsmitteln, welche ihm zu diesem Zwecke zur Verfügung stehen, nennt die Reformation namentlich die bereits erwähnten Exzeptionen. Hiernach kann er teils aus prozeßrechtlichen, teils aus materiellrechtlichen Gründen die Abweisung des klägerischen Anspruches verlangen. Bisweilen jedoch kann er dieses Ziel auf bequemere Weise erreichen, nämlich dann, wenn ihm seinerseits ein Anspruch gegen den Kläger zusteht; in diesem Falle kann er zum Angriff übergehen, er wird Gegenklage erheben.

Was nun die Quellen anlangt, aus welchen die Vorschriften über die Verteidigungsmittel und die Gegenklage geschöpft sind, so deutet schon der Name der ersten Gruppe, der Exzeptionen, darauf hin, daß hier das fremde Recht Hauptquelle ist, wenngleich auch dem deutschen Prozeßrechte beispielsweise die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts bekannt ist52.2. Umgekehrt kann als Hauptquelle der Vorschriften, welche die Reformation über die Gegenklage aufstellt, das deutsche Recht bezeichnet werden. Das ergibt folgende historische Betrachtung. [Seite 53]

Die Rechtssätze, die, wie anderswo, auch in Nürnberg im 14. Jahrhundert über die Widerklage gelten, mochten sich auf Sachsensp. III, 12, § 1 gründen. Das macht der Umstand höchst wahrscheinlich, daß — soweit diese Materie in Betracht kommt — das in engster Rechtsverwandtschaft mit Nürnberg stehende Prag sich vollständig an das sächsische Landrecht anschließt53.1. An eine solche Satzung des 14. Jahrhunderts knüpft dann die überlieferte alte Gerichtsreformation an, und zwar handelt es sich in ihr um die Widerklage gegen einen Gast. Dieses Statut, ein Ratsbeschluß von Mittwoch nach Fronleichnam (2. Juni) 145653.2, diente offenbar Ref. VI, 9 zur Grundlage, welche einerseits das Ratsdekret klarer formuliert, andererseits im Verhältnis zu diesem einen Fortschritt in der Rechtsentwicklung aufweist. Unter den ersten Gesichtspunkt fällt die Erklärung der Reformation, die sie über die Worte: »wer ein widerrecht begert zu rechter zeit« gibt, indem sie vorschreibt, daß der verklagte Bürger sein Gegenrecht bereits in der ersten Verhandlung geltend machen muß, widrigenfalls er den klagenden Gast nur bei dessen Gericht belangen kann. Eine Weiterentwicklung dagegen bedeutet der Umstand, daß die Reformation neben dem älteren »verpürgen« auch die Stellung einer Kaution kennt, und hauptsächlich der, daß auch ein Anwalt — durch den sich der Gast vertreten läßt — verpflichtet ist, sich auf die Gegenklage einzulassen, während nach einem anderen Ratsbeschluß53.3, der sich unmittelbar an den von 1456 reiht, der Anwalt das zu tun nicht schuldig ist. Aus letzterem Moment ergibt sich, daß das Ratsdekret von 1456 nur von einem Gaste handelt, welcher »selbs ein sachwalter« ist.

Der Entwicklungsgang, welchen das Institut der Widerklage durchzumachen hatte, zeigt klar, daß der Grundton in Ref. VI, 9 deutschrechtlich ist, mag auch die Neuerung, daß ein den Kläger vertretender Anwalt auf die Widerklage antworten muß, an das italienische Prinzip der unmittelbaren Stellvertretung im Prozesse erinnern.

Wie Ref. VI, 9, hat auch VI, 7, bereits in der älteren Statutensammlung ihr Vorbild und zwar in der »erweiterten [Seite 54] Gerichtsreformation«. Das Ratsdekret von Mittwoch nach Kreuzerhöhung (16. Sept.) 1461 wurde sogar wörtlich in die Reformation eingestellt54.1. Nach diesem Gesetz ist materielle Konnexität des Gegenanspruchs mit der Klage nicht erforderlich. Darin stimmt die Reformation mit anderen Rechtsquellen, beispielsweise mit dem Bamberger Stadtrechte, überein, wie überhaupt gerade in dieser Materie das Recht der Nachbarstadt, noch aus dem 14. Jahrhundert stammend, mit den bereits dem 15. Jahrhundert angehörigen Nürnberger Verordnungen der »Gerichtsreformation« sich deckt, insoferne auch jenes keiner Kaution erwähnt und dem Anwalte gestattet, sich nicht auf die Gegenklage einzulassen54.2. Letztere Tatsache ist übrigens ein schlagender Beweis dafür, daß das deutsche Recht eine prozessuale Stellvertretung im vollen Sinne des Wortes nie kannte.

f) Das Beweissystem.

Allgemeines.

Von den Prozeßgrundsätzen der Reformation sind diejenigen über das Beweisverfahren am klarsten herausgearbeitet. Das erklärt sich nicht sowohl aus der Wichtigkeit, von der sie für das Urteil sind, als vielmehr daraus, daß sich die Kommission einfach an das kanonische Recht anlehnte, wozu sie durch die großen Schwächen, an denen das deutsche Beweisrecht litt, geradezu gezwungen wurde. Deshalb baut sich das ganze Beweissystem der Reformation auf kanonischer Grundlage auf und enthält nur insoferne deutsche Bestandteile, als das kanonische Beweisrecht das Produkt einer Verbindung von römischen mit germanischen Rechtsanschauungen ist.

Demgemäß stellt die Reformation an die Spitze dieser Materie den Grundsatz der Zweiseitigkeit des Beweises (VIII, 9, 10, 12). An kanonische Anschauungen erinnert auch namentlich VIII, 7, wo der Beweisführer sein Beweisthema (»Sach und Meinung seiner Weisung«) selbst aufstellen muß, während nach deutschem Rechte diese Aufgabe dem Richter zufällt. Auch bezüglich der Beweislast nahm man das fremde Recht zum [Seite 55] Muster. Indes scheint es, als ob auch hier das deutsche Recht die volle Anerkennung des fremden dadurch vorbereitet hätte, daß es seine eigenen Prinzipien mit denen des andern zunächst verband, im Laufe der Entwicklung aber gegenüber dem weiteren Umsichgreifen der romanischen Anschauungen nicht verteidigen konnte. So galt nach den Polizeiordnungen aus dem 15. Jahrhundert bereits der echt römische Satz, der Kläger müsse seine Behauptungen beweisen, wenn sie Beklagter bestreitet. Gelingt ihm das nicht, so wird er mit seiner Klage nicht einfach abgewiesen, wie das römische Recht verlangen würde, sondern hier setzt wieder die einheimische Anschauung ein, indem sie dem Beklagten einen Reinigungseid auferlegt55.1. Erst die Reformation gibt diesen Standpunkt auf, sich vollständig zur romanischen Lehre bekennend. Was die direkte Quelle des Gesetzes anlangt, welches diesen Grundsatz aufstellt (VIII, 6), so diente die Eichstätter Reformation zum Muster, deren IX. Titel mit unbedeutenden redaktionellen Änderungen in das Gesetzbuch eingestellt ist55.2.

Aus dem Erwähnten folgt ohne weiteres, daß die altgermanische Auffassung vom Wesen des Beweises, nach welcher er nicht eine Last, sondern einen Vorteil bedeutet, vollends gefallen ist55.3.

Hervorzuheben ist schließlich noch das Prinzip der formellen Beweistheorie, welches die Reformation ebenfalls dem kanonischen Rechte entnommen hat. Fand das letztere in dieser Hinsicht die Bahn bereits geebnet, auf der es in das Gerichtsverfahren Deutschlands einziehen konnte — das deutsche Recht huldigte bekanntlich von jeher der formellen Beweistheorie —, so standen dem Eindringen des artikulierten Beweisverfahrens und der Interrogatorien wohl mehr Hindernisse entgegen, deren Widerstand aber vermutlich bereits vor der Redaktion des Gesetzbuches gebrochen war55.4.

Für die Quellen der Rechtssätze, welche die Reformation über die einzelnen Beweismittel aufstellt, ergibt sich Folgendes. [Seite 56]

Die Ausarbeitung eines Entwurfes über die Zeugnisfähigkeit

ordnete der Rat 1477 an. Dieser wurde aber, wohl wegen seiner Langatmigkeit, in das Gesetzbuch nicht aufgenommen. Darauf beziehen sich die Worte des Ratsmanuals von 1477: »Item das stuck der zeugknuß halben baß zu wegen und den ratslag deshalb hören«. Während dieser »Ratschlag der doctor, wer zu zeugschaft zugelassen werden soll«56.1 nur die Frage erörtert, inwieweit Verwandten die Zeugnisfähigkeit zukommt, spricht VIII, 11 von dieser Fähigkeit im allgemeinen. In der Hauptsache mögen die Bestimmungen auf deutsches Gewohnheitsrecht zurückgehen; beachtenswert für das Streben nach geordneter Rechtspflege ist das verhältnismäßig hohe Alter (18 Jahre), welches eine Voraussetzung der Zeugnisfähigkeit bildet, während der Schwabenspiegel und nach ihm viele andere Rechtsquellen sich mit 14 Jahren begnügen. Doch verlangen auch andere Städte jenes Alter, so Prag56.2. Die Zeugnisfähigkeit von Verwandten mag dem obigen Entwurfe entnommen sein, wenn sie auch von der Reformation viel kürzer behandelt wird. Nach ihm können Vater und Sohn nicht gegen einander als Zeugen auftreten, ebenso wenig »ain bruder oder sunst ein gesippter wider oder für den andern«, es sei denn, daß sie von beiden Parteien um Ablegung ihres Zeugnisses gebeten werden. Damit stimmt die Reformation inhaltlich überein, nur zählt sie die einzelnen Verwandten auf. Die übrigen Zeugnisunfähigen, Geisteskranke, Toren, Mondsüchtige, Frauen, Kranke, Gebannte, Geächtete, Ehrlose, Meineidige, wie alle schlecht Beleumundeten nennt fast ebenso schon der Schwabenspiegel (§ 13), der aber hinsichtlich der Geächteten und Gebannten noch nicht den Nachweis der Acht bezw. des Bannes innerhalb 8 Tage kennt.

Verwirft die Reformation diese Personen als Zeugen vollkommen, so legt sie umgekehrt nach dem Beispiele anderer mittelalterlicher Rechtsquellen den Zeugenaussagen gewisser Personen erhöhte Glaubwürdigkeit bei. Daß sie dabei auf [Seite 57] ältere Rechtsgewohnheiten Bezug nimmt, begreift sich leicht; denn die Personen, welche sie in VIII, 1 und 3 aufführt, gelten bereits den Stadtrechten des 14. Jahrhunderts als bevorzugte Zeugen, so im Brünner57.1, Iglauer57.2, Prager57.3) Rechte die »leikaufleute, ratleute, schidleut, heiratleut«. Von den »Genannten«, den typischen Urkundenzeugen in Nürnberg, handelt speziell VIII, 14, welches lediglich uraltes Gewohnheitsrecht enthält57.4. Dagegen stellt die Schlußbestimmung in Ges. 14, wonach bezüglich der ins Gerichtsbuch eingetragenen Geschäfte auch andere Zeugen (außer den Genannten) zugelassen werden können, eine bedeutend jüngere Rechtsgewohnheit dar.

Ebenso ist Gesetz 4 (VIII) von der Zeugenvorladung auf bereits geltendes Recht zurückzuführen. Denn von den süddeutschen Quellen stimmt bereits das bayerische Landrecht57.5 inhaltlich mit der Reformation überein, eine Erscheinung, welche allerdings bei dem allgemeinen Inhalte der Bestimmung nicht auffallend ist. Auch die leichtverständliche Gewohnheit, der Partei, welche um »Schub« bittet, um ihre Zeugen beizuschaffen, den Gefährdeeid aufzuerlegen (2. Abs.), mag sich schon im 14. Jahrhundert eingebürgert haben. Es liegt also kein Grund vor, in der Eichstätter Reformation das Vorbild zu sehen, welche in Tit. VII Gleiches verlangt. Nicht weniger scheint der letzte Abschnitt, handelnd von der Zeugnispflicht und der Strafe ihrer Nichterfüllung, auf Gewohnheitsrecht zurückzuführen zu sein. Ausgehend von dem deutschen Prinzipe, daß der im Ding Anwesende zeugnispflichtig sei, war dieser Satz besonders in den Städten schon vor der Rezeption zur Anerkennung gelangt. Das war in Iglau57.6 und Brünn57.7, wohl auch in Nürnberg, bereits im 14. Jahrhundert der Fall.

Der Zeugenvorladung erwähnt nochmals VIII, 5, um dann auf den

Zeugeneid

einzugehen. Dieser ist nach kanonischem Muster vor Vernehmung der Zeugen zu leisten und zwar in Anwesenheit der [Seite 58] Gegenpartei, es sei denn, daß diese ungehorsam ist. Er kann ferner nur mit Zustimmung der Gegenpartei erlassen werden. Unmittelbare Quelle für VIII, 5 ist wiederum die Eichstätter Reformation, deren VIII. Titel »von getzeugen aufzunemen« unter Weglassung der auf Eichstätter Verhältnisse bezüglichen Vorschriften und unter Hinzufügung einiger Ergänzungen fast wörtlich aufgenommen ist58.1. In Brünn, wo das fremde Recht schon früher Boden gewann, galten diese Grundsätze schon im 14. Jahrhundert. Hier hatte man auch bereits um dieselbe Zeit in einem Schöffenspruch festgesetzt, daß Amtspersonen, welche in ihrer Diensteigenschaft Zeugnis ablegen, dies auf ihren Amtseid tun sollen, ohne vor ihrer Vernehmung noch einmal vereidigt zu werden58.2. Inhaltlich deckt sich das mit Ref. VIII, 5, 2. Abs., so daß der Schluß berechtigt ist, die 2. Hälfte dieses Gesetzes stelle lediglich eine Aufzeichnung schon länger geltenden Gewohnheitsrechts dar.

Noch deutlicher zeigt VIII, 7, welch große Zugeständnisse die Kommission dem fremden Rechte gemacht hat. Die Partei, welche einen Beweis führen soll, hat zu diesem Zwecke ganz nach kanonischem Muster das Beweisthema nach seinem Inhalte in verschiedene Teile, sog. »Artikul«, zu gliedern, welche dann den Zeugen vorgelegt werden. Da indes diese Artikel oder Fragen häufig so gestellt wurden, daß ihre Beantwortung für das Beweisthema zwecklos gewesen wäre, so ermächtigt die Reformation (VIII, 7 in der Schlußbestimmung) die Urteiler, derartige Artikel zurückzuweisen.

Soweit aber die Artikel zugelassen werden, kommt es zur

Zeugenvernehmung,

die nach kanonischem Rechte in Abwesenheit der Parteien vor dem das Protokoll führenden Gerichtsschreiber und einer unbestimmten Anzahl von Schöffen stattfindet. Ob diese Art der Verhörung erst durch die Reformation eingeführt wurde, ist zweifelhaft, jedoch ist die Frage wohl zu verneinen. Für den Kriminalprozeß wenigstens steht fest, daß man schon vor 1479 die Zeugenaussagen auf Zettel schrieb und versiegelte58.3. [Seite 59]

Die Gerichtsreformation allerdings erwähnt der Protokollierung nicht, wie sie überhaupt keine Regeln über das Beweisrecht gibt. Jedenfalls aber war sie in anderen Städten schon lange üblich, so in Iglau und Eichstätt. An letzteres Stadtrecht insbesondere lehnt sich VIII, 8 an, dessen X. Titel (»wie man die getzeugen verhorn soll«) fast wörtlich die Nürnberger Reformation reproduziert.

Dagegen enthält die Vorlage den 2. Teil von VIII, 8 nicht. Er bezieht sich auf die von den Parteien gestellten »Interrogatoria oder Fragstück«, welche die Zeugen beantworten sollen. Auch dieses Institut kann sein kanonisches Vorbild nicht verleugnen. Man hat mit Recht betont, daß durch die Einführung sowohl des kanonischen Artikelverfahrens als auch namentlich der Interrogatorien das fremde Recht bedeutenden Einfluß gewinnen mußte, insbesondere sei es auffallend, daß die Kommission in dieser Hinsicht weiter gehe als die von einem Kleriker verfaßte Eichstätter Reformation59.1. Diese Tatsachen stehen fest; es ist aber hervorzuheben, daß das Nürnberger Gesetzbuch in einer Zeit verfaßt wurde, in welcher das fremde Prozeßgericht die Praxis der deutschen Gerichte in bedeutend höherem Maße beherrschte als etwa zur Zeit, als der Eichstätter Bischof seine Reformation redigierte. Was insbesondere die Materie des Beweisrechts anlangt, so ist es höchst wahrscheinlich, daß für die Praxis des Nürnberger Stadtgerichts schon vor der Reformation die Formen des kanonischen Prozesses maßgebend gewesen sind, und so mögen auch die Zusätze bezüglich der Interrogatorien in VIII, 8 nichts anderes enthalten als die gesetzliche Anerkennung einer seit Jahrzehnten üblichen Rechtsgewohnheit. Nur so läßt es sich erklären, daß der höchst konservative Rat von Nürnberg, welcher den gelehrten Juristen der Kommission nur soweit Spielraum ließ, ihre Kenntnisse im fremden Rechte für die Gesetzgebung zu verwerten, als dieses sich dem bestehenden Rechtszustande anpassen konnte, der Aufnahme des echt kanonischen Instituts nicht widersprach.

Welch ausgedehnte Herrschaft das fremde Prozeßrecht erlangt hatte, verrät namentlich auch Ref. VIII, 9, wo im Anschluß an die [Seite 60]

Würdigung der Zeugenaussage

abermals vom Artikelverfahren gehandelt wird. Der erste Teil ist wiederum eine Kopie der entsprechenden Materie in der Eichstätter Reformation und zwar deren VI. Titel (»von offenbarung der getzeugen sage«). Das Gesetz, kanonische Prinzipien enthaltend, zeigt klar, wie letztere das Resultat von germanischen und römischen Rechtsanschauungen sind, welche sich zu einer neuen Einheit verbanden. So erinnert die Kritik, welche die Urteiler über das Ergebnis der Zeugenaussagen in Anwesenheit der Parteien zu entwerfen haben, als maßgebend für das Urteil und für die Zulassung des Gegenbeweises, einerseits an den römischen Grundsatz vom Wesen des Beweises, nämlich dem Überzeugen des Richters von der Wahrheit behaupteter Tatsachen, und an das römische Prinzip der Zweiseitigkeit des Beweises, andererseits die Zahl und der Leumund der Zeugen an echt germanische Grundsätze.

Diese klingen auch durch bei den Bestimmungen, welche VIII, 9 (2. Hälfte) und VIII, 10 über das artikulierte Beweisverfahren aufstellen. Die Rechtsentwicklung in Italien knüpfte an die Prinzipien des deutschen Rechts an, nach denen der Prozeß durch die einzelnen Zwischenurteile in mehrere Abschnitte zerfiel. Wie dieses Prinzip den ganzen kanonischen Prozeß beherrschte (Positionalverfahren), so fand es auch Anwendung besonders im Beweisverfahren. Und wie im germanischen Rechte das über eine Rechtsfrage gefällte Urteil, das nicht gescholten wurde, für die Fortführung des Prozesses und dessen Ausgang maßgebend war, so bildete auch die Würdigung der Zeugenaussage im kanonischen Prozesse den Abschluß der Vernehmung, so daß über die in Betracht kommenden Artikel des Beweisthemas weitere Beweise nicht mehr erhoben werden können, mag auch eine der Parteien nachträglich im Stande sein, auf Grund des vorzüglichsten Beweismaterials das Resultat der Beweisführung vollständig zu entkräften. Um den praktischen Folgen dieser Härte abzuhelfen, kann sich, so bestimmt Ref. VIII, 10, die Gegenpartei den Vorbehalt ausbedingen, auch nach Eröffnung der Zeugenaussagen ihre Einwendungen gegen diese wie gegen die Person der Zeugen selbst geltend machen zu dürfen, wenn ihr das nicht schon vorher möglich ist. [Seite 61]

Was auf der andern Seite den Beginn der Zeugenvernehmung anlangt, so stellt die Reformation die Regel auf, Zeugen sollten nicht eher verhört werden, als bis der Partei, welche ein Interesse an ihrer Vernehmung hat, diese vom Gericht gestattet wird. In den meisten Fällen wird das, kanonischem Muster entsprechend, erst nach der Litiskontestation geschehen, jedoch erwähnt das Gesetz selbst (VIII, 13) diesen Zeitpunkt nicht. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn jemand einen Beweis »zu ewiger Gedächtnis« führt; d. h. zu einer Zeit, wo entweder der Prozeß noch gar nicht begonnen hat oder zwar begonnen, der regelmäßige Zeitpunkt der Zeugenvernehmung jedoch noch nicht eingetreten ist, kann diese und die Protokollierung ihres Resultates nur dann stattfinden, wenn irgend ein Grund Anlaß zu der Befürchtung gibt, der Beweis könne später nicht mehr geführt werden. In solchen Fällen wird »zu immerwährenden Andenken« »zu ewiger Gedächtnis« bewiesen. Die Quelle dieser Vorschrift ist ein Erlaß des Papstes Innozenz III. Er zählt in der Hauptsache die nämlichen Gründe, welche den künftigen Beweisverlust befürchten lassen, wie die Reformation auf: Hohes Alter, Krankheit, lange Abwesenheit (= »Außerlands ziehen« der Reformation), um endlich »jeden vernünftigen Grund« gelten zu lassen, eine allgemeine Bestimmung, die in der Reformation fehlt. Ebenso wurzelt in der päpstlichen Verordnung die Bestimmung der Reformation, daß die »Zeugschaft« nur verwertet werden könne in einem Prozesse, welcher innerhalb Jahresfrist von der Protokollierung ab anhängig gemacht werde. Der Ausdruck »zu ewiger Gedächtnis« hat also eine höchst relative Bedeutung61.1.

In der Praxis wird es häufig vorgekommen sein, daß die zu vernehmenden Personen sich im Auslande befanden. Auch diesen Fall berücksichtigt die Reformation: der auswärtige Richter soll durch »literae compassus« ersucht werden, das Zeugenverhör zu leiten. Wiederum spielt das im Mittelalter, der typischen Zeit des Partikularismus, bedeutungsvolle Institut der Rechtshilfe seine Rolle. Außer den Zeugen versteht die Reformation »unter lebendiger kundschaft« auch die Sachverständigen. Dem altgermanischen [Seite 62] Prozesse ebenso unbekannt wie dem römischen, mußten sie schon im Mittelalter hauptsächlich wegen der zunehmenden Bedeutung, welche das Handwerk gewann, häufig im Zivilprozesse beigezogen werden, um als Fachleute ihr Gutachten abzugeben. Was Ref. VIII, 15 von ihnen enthält, ist lediglich eine Aufzählung ihrer wichtigsten Vertreter (Leibärzte, Wundärzte, geschworene Handwerksmeister), deren Aussagen schon häufig für das Urteil der Schöffen maßgebend gewesen waren62.1.

Urkundenbeweis.

Die Bedeutung der Urkunde als Beweismittel, welches, dem germanischen Rechte unbekannt, durch Verkehrsbeziehungen der Südgermanen mit den Römern noch zur Zeit der Völkerwanderung in Deutschland eingeführt wurde, ist bereits im 12. Jahrhundert so groß, daß sie hinsichtlich ihrer Beweiskraft höher angeschlagen wird als Zeugenaussagen. Sehr viel trug dazu die Gewohnheit der Gerichte bei, über alle bei ihnen vorgenommenen Handlungen, wie Urteilsfällung, Abschluß von Verträgen u. s. w., soweit sie nicht ins Gerichts- oder Stadtbuch eingetragen wurden, Gerichtsbriefe auszustellen. Es ist klar, daß derartigen Aufzeichnungen in den verschiedenen Gegenden zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene rechtliche Bedeutung zukommt. Denn mit Ausnahme der Vollstreckung gibt es kaum eine Materie, in welcher die deutschen Partikularrechte eine mannigfaltigere Entwicklung aufweisen. Solange das Gerichtsverfahren die Normen des einheimischen Rechts beobachtete, konnte von einer Änderung dieses Zustandes keine Rede sein. Erst die Rezeption gestaltete das bunte Bild einfacher. Freilich wurzelten diese Rechtsgewohnheiten der einzelnen Länder und Städte, denen man Jahrhunderte lang gehuldigt hatte, zu tief im Verkehrsleben, als daß mit einem Schlage an die Stelle des Althergebrachten etwas völlig Neues hätte treten können. So hatten sich in den einzelnen Territorien namentlich über die erwähnten Eintragungen in öffentliche Bücher (Rats-, Stadt-, Gerichtsbücher) die verschiedensten Rechtssätze herausgebildet, welche selbst dem mächtigen Vorstoße des fremden Rechts [Seite 63] trotzten. Gleichwohl aber war das Eindringen des letzteren von bedeutendem Einflusse. Denn die Praxis verschaffte den klaren Regeln, welche das kanonische Recht über den Urkundenbeweis aufstellte, soweit sie allgemeineren Inhalts waren, unbedingte Anerkennung.

Dieser Zustand, welcher nach der Rezeption naturgemäß in allen Territorien herrscht, tritt uns auch in Nürnberg entgegen.

Vor der Kodifikation des Jahres 1479 galt für diese Materie in der Hauptsache Gewohnheitsrecht. Denn die überlieferte Gerichtsreformation enthält nur eine einzige, weniger wichtige Bestimmung63.1. Inwieweit dieses Gewohnheitsrecht von kanonischen Rechtsgedanken ausging, entzieht sich freilich unserer Kenntnis, es läßt sich jedoch mit Wahrscheinlichkeit vermuten, daß — wenigstens gilt dies für die Mitte des 15. Jahrhunderts — die Entwicklung ihre Richtung in diesem Sinne einschlug. Denn die Sätze der Reformation können, soweit sie hier in Betracht kommen, ihren kanonischen Ursprung nicht verleugnen, wie sich aus folgendem ergibt.

Ref. VIII, 2 (1. Hälfte) regelt die Editionspflicht. Nach kanonischem Muster ist der Beklagte nur dann verpflichtet, gegen sich Urkunden vorzulegen, wenn »solche Urkunden etc. ihr beder gemein sein, also daß die ihrer bederhalb als gemein mit ihrem Herkommen, Inhalt oder Kost darkommen weren«, d. h. wenn es sich um instrumenta communia handelt. Lediglich den Erfordernissen der Praxis zu genügen, sucht die 2. Hälfte des Gesetzes. Sie schreibt vor: wenn umfangreiche Schriftwerke, wie Salbücher, Gesellschaftsbücher und dergl. als Beweismitel dienen sollen, sind in der Regel Abschriften, Auszüge, die nur das auf den konkreten Fall Bezügliche zu enthalten brauchen, ausreichend, erst auf besonderen Gerichtsbeschluß muß das Original vorgelegt werden. Wichtiger sind die Vorschriften des 16. Gesetzes (VIII. Titel), welches die Bedingungen aufstellt, denen genügt sein muß, soll einer Abschrift die Glaubwürdigkeit des Originals beigelegt werden. Die erste Voraussetzung verlangt, daß die Abschrift von einem öffentlichen Beamten, meist Notar, ausgestellt ist bezw. dessen Unterschrift (sein »Vidimus«) [Seite 64] trägt; sodann muß der Person, gegen welche der Inhalt der Urkunde ausgespielt wird, Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen gegen die Abschrift zu erheben, zu welchem Zwecke sie von der »Ausbringung« der Urkunde benachrichtigt wird, sei es durch gewöhnliche, sei es durch Ediktalladung. Daß diese Vorschriften im kanonischen Rechte wurzeln, bedarf wohl keiner weiteren Begründung64.1. Noch leichter erkennbar ist die Quelle von Gesetz 17 (VIII. Titel). Wieder fließt kanonisches Recht, wenn das Gesetz verlangt, wer sich auf eine öffentliche Urkunde beruft, müsse ihre Echtheit nachweisen, falls diese bestritten würde64.2.

In schroffem Gegensatze zu diesen Gesetzen, welche vollkommen in kanonischem Geiste abgefaßt sind, steht eine zweite Gruppe. Sie ist in Titel IX enthalten und handelt von den Wirkungen, welche die Eintragungen ins Gerichtsbuch für den Beweis der eingetragenen Tatsachen haben. Merkwürdiger Weise charakterisieren sich die Eintragungen, von denen der IX. Titel spricht, sämtlich als »Bekenntnisse«, d. s. Anerkenntnisse von Vorträgen oder Rechtsgeschäften irgend welcher Art. Wie bereits erörtert, leisteten die für solche Bucheinträge in Deutschland geltenden Beweisregeln dem fremden Rechte mit Erfolg Widerstand. Deshalb sind die diese 2. Gruppe darstellenden Gesetze durchweg deutsch-rechtlicher Natur, ja sogar dem Nürnberger Rechte eigentümliche Gebilde, welche im Sturme der Rezeption ihre uralte Stellung im Nürnberger Gerichtsverfahren behauptet hatten. Was freilich die unmittelbaren Quellen der vier Gesetze des IX. Titels anlangt, so sind nur solche für das erste und dritte Gesetz nachweisbar, das erste stützt sich auf ein Ratsdekret von Dienstag nach St. Veit (10. Juni) 1477, welches mit unbedeutender Abänderung in die Kodifikation überging, das letztere auf einen Ratserlaß von 1463 (Genaueres bei Merkel a. a. O. S. 139). Bezüglich des Ratsdekretes von 1477 ist noch hervorzuheben, daß nach dem ihm zu Grunde liegenden Entwürfe ein »Bekenntnis« lediglich durch Eintragung seitens eines »geschworenen« Gerichtsschreibers in das Gerichtsbuch Rechtsgiltigkeit erlangte, während der Rat [Seite 65] noch die »Gegenwart zweier Genannten« wünschte. Deshalb ordnete er 1477 die Korrektur des Entwurfes an. Darauf bezieht sich das Ratsmanual des gleichen Jahres, welches sagt: »Item das gesetz der bekanntnus in das gerichtspuch zu zelassen, doch mit pesserung zwaier genannten und inen das ansagen. Jobs Haller, Pauls Volkamer«.

Von Gesetz 2 und 4 können direkte Quellen nicht angegeben werden, insbesondere ist ein Vergleich mit anderen Stadtrechten der gleichen Zeit ergebnislos, da diese Gesetze, wie bereits erwähnt, der Ausdruck einer rein lokalen, Nürnberg eigentümlichen Rechtsentwicklung darstellen, die vor der Gerichtsreformation liegenden Nürnberger Rechtsaufzeichnungen aber unbekannt sind. Gesetz 2 handelt von den Wirkungen des »Bekenntnisses dritten Personen« gegenüber, während Gesetz 4 von der Erneuerung einer bekannten »Vollung« spricht, welche alljährlich zu erfolgen hat.65.1

Eid.

Sehr bezeichnend für den Charakter des ganzen Gesetzbuches sind die Sätze, welche es vom Eide aufstellt. Uralte deutsche Prinzipien ragen in die neue Zeit herein; sie besitzen immer noch Lebensfähigkeit, indem sie, den Zeitverhältnissen Rechnung tragend, mit kanonischen Grundsätzen sich verschmelzen. Freilich müssen sie bisweilen der Klarheit des fremden Rechts vollständig weichen, häufig aber behaupten sie ihre alte Stellung im Ansturme desselben. Wenn demnach die vom Eide handelnden Gesetze der Reformation unklar gefaßt sind, so ergibt sich das schon daraus, daß sie ein mitten in der Rechtsentwicklung begriffenes Rechtsinstitut behandeln. Aber dieses Ringen des einheimischen Rechts mit dem fremden ist um so interessanter, als wir den Verlauf desselben verfolgen können, da die Redaktion von 1479 von der 5 Jahre später gedruckten wesentlich abweicht.

So stand Gesetz 13 (VI) in der Fassung von 1479 noch auf deutschem Standpunkte, wenn es bei mangelhafter Beweisung des Anspruches durch den Kläger dem Beklagten den Reinigungseid [Seite 66] auferlegte. Die gedruckte Ausgabe aber verurteilt es als »den gemeinen Rechten ungemeß«, Biederleute so zu belasten. Zeigt schon diese Bezeichnung des Eides als eine Last, daß die alte Auffassung, wonach er gerade das Gegenteil, ein Recht, war, schon ziemlich geschwunden ist, so huldigt der weitere Inhalt von 13 (in der Redaktion von 1484) völlig der römischen Anschauung, wenn er den Beklagten von der Forderung ohne weiteres freispricht, falls Kläger nicht beweist. Aber nicht vollkommen ließen sich die deutschen Ideen verdrängen; denn der letzte Absatz verlangt wieder den Reinigungseid, wenn Kläger einen schwachen ungenügenden Beweis erbringt oder eine ansehnliche Vermutung für das Bestehen seines Rechts spricht. Als Hauptfall der letztgenannten Bedingungen aber gilt wohl der, daß Kläger sich nur auf einen Zeugen berufen kann, während das kanonische Recht, dem deutschen Rechte folgend, mehrere verlangt. Also auch in dieser Beziehung schimmern deutsch-rechtliche Gedanken durch.

Das folgende Gesetz 14 (VI), erst 1484 eingestellt, verdient deshalb Erwähnung, weil es eine auffallende Ähnlichkeit mit der deutschrechtlichen Bestimmung einer Frankfurter Gerichtsordnung hat. Wie diese handelt es von eingeklagter Kaufsumme oder geliehenem Gelde, welches gar nicht oder nur teilweise bezahlt ist, wie diese läßt es den Beklagten, welcher den Abschluß des Rechtsgeschäftes gesteht, zum Beweise zu, daß er den Gläubiger befriedigt habe, wie in dieser kann er sich event. nach der Schlußbestimmung von 14 (VI) durch Reinigungseid befreien, endlich — und das verdient betont zu werden — besteht auch äußerlich eine große Ähnlichkeit zwischen der Nürnberger und Frankfurter Gesetzesstelle, sowohl hinsichtlich des Wortlautes als der Reihenfolge der einzelnen Gedanken, so daß mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß dem Nürnberger Gesetzgeber die Frankfurter Verordnung zum Vorbild diente, ein Schluß, welcher durch die erwähnten Beziehungen der beiden Städte zu einander in hohem Maße begründet erscheint66.1.

Germanische Rechtsgewohnheiten mögen selbst die Einführung der romanischen Eideszuschiebung (VI, 17) vorbereitet [Seite 67] haben. Denn so unbekannt dem germanischen Rechte eine eigentliche Eidesdelation ist, so deutliche Ansätze finden sich dazu, welche, vom römischen Rechte unbeeinflußt, rein deutsche Wurzeln haben. So kennt insbesondere das Bamberger Stadtrecht, dessen Eid durchweg nach deutschem Rechte geregelt ist, das Heimgeben des Rechtes (= Eides) an den Kläger seitens des schwurberechtigten Beklagten67.1. Daß im 14. Jahrhundert und vielleicht bis nahe an die Abfassungszeit der Reformation heran in Nürnberg ähnliches Eidesrecht galt, wird um so wahrscheinlicher, als gerade das Beweisrecht Bambergs mit denjenigen Stadtrechten, welche ihrerseits wieder durch enge Bande mit dem Nürnberger verbunden sind, in vielen Punkten eine geradezu auffallende Ähnlichkeit zeigt67.2. Einen Anklang an dieses »Heimgeben« des Eides ist in Gesetz 15 zu finden, wo der Beklagte, wie in Bamberg, dem Kläger den Eid anbietet, welchen er bei Verlust seines Anspruchs schwören muß. Ebenso erinnert der 2. Teil des Gesetzes an deutsche Anschauungen, wenn es den Eid dem Kläger nur dann als Ergänzungseid auferlegt, falls er gut beleumundet ist; denn den Eigenschaften der im Prozesse auftretenden Parteien oder Zeugen Bedeutung beizulegen, geht auf deutsche Rechtsgedanken zurück, an welche dann das italienische Recht anknüpfte. Dagegen bricht das romanische Recht wieder insoweit durch, als das Gesetz einen Reinigungseid nicht zuläßt (in Übereinstimmung mit VI, 13), wenn die Urteiler vermöge des Leumunds des Klägers es für unwahrscheinlich halten, daß dessen Anspruch bestehe.

An die Verwandtschaft des Nürnberger Beweisrechts mit dem Bamberger erinnert auch das 18. Gesetz (VI. Titel). Dieses, sich selbst auf »herkomen und gewonheit dieser stat und gerichts« berufend, handelt von Klagen »umb sachen auf gestorben personen oder moltigen munde oder umb frembde und außere sachen oder handlung nit durch sein (des Klägers), sondern durch ander personen fur genommen« und deckt sich inhaltlich mit einer Bestimmung des Bamberger Stadtrechts mit der [Seite 68] Einschränkung, daß letzteres speziell für Klagen gegen eine Witwe gilt. Denn auch dieses Stadtrecht verlangt, »was ir (der Witwe) aber nit gewissen were, das sol sie mit dem eide beweissen, und sol ir vorsehung dann darumb haben jar und tag und ervorscht sie dann icht, das sol sie gelten und richten. Ervorscht sie aber nit, das sol sie aber mit dem eide behaben, als recht were, und solt dann darumb ledig sein und erteilt werden«68.1.

Dieser echt deutschen Satzung steht das 16. Gesetz gegenüber, welches seinen Ursprung aus der kanonischen Praxis nicht verleugnen kann, da es den Richter nur dann den Eid auferlegen läßt, wenn das Beweisverfahren abgeschlossen ist, ohne ein für die Endentscheidung brauchbares Resultat geliefert zu haben.

g) Appellation.

Wie für die Regeln über das Beweisrecht, waren auch für die Bestimmungen über die Rechtsmittel, von welchen die Reformation nur die Appellation kennt, das kanonische oder, da sich dieses vollständig an das römische Recht anlehnt, das letztere mittelbar maßgebend. Zwar auch das deutsche Recht hat, unabhängig vom römischen, im Laufe des Mittelalters eine Art Instanzenzug ausgebildet, ein Vorgang, welcher, von der altgermanischen Urteilsschelte ausgehend, durch den Gedanken begünstigt wurde, daß das Beamtenurteil, welches das von der Gesamtheit der Dingleute gefällte Volksurteil ablöste, im Gegensatze zu diesem einer Besserung fähig sei, aber das Wesen dieses Rechtsmittels bestand lediglich darin, daß die sich dessen bedienende Partei dem Richter den Vorwurf der bewußten Rechtsbeugung machte. Somit hat sie eine ganz andere Bedeutung als die römische Appellation.

Was zunächst die äußere Geschichte der Vorschriften, welche die Reformation über die Appellation enthält, anlangt, so sind sie wohl erst von der Kommission abgefaßt worden, so daß sie sich nicht etwa an frühere Statute, wenigstens in formeller Hinsicht, anlehnen. Denn die »Gerichtsreformation« erwähnt der Appellation in keiner Weise, aber dennoch liegt es auf der Hand, daß ein Berufungsrecht im römischen Sinne [Seite 69] schon vor 1479 bestand. Daß die bezüglichen Rechtssätze als Gewohnheitsrecht schon lange anerkannt waren, ergeben die der Stadt Nürnberg in den Jahren 1460 und 1464 erteilten kaiserlichen Privilegien. Aber es besteht selbst dafür begründete Vermutung, daß sie, wenigstens der Hauptsache nach, bereits vor 1479 aufgezeichnet waren. Die Ratsprotokolle nämlich, in welche der Ratsschreiber auch — wohl wegen des Datums — die Leistung des Appellationseides eintrug, berufen sich sehr häufig auf ein »püchlein«, laut dessen der Appellant »im beiwesen (= Beisein) bed burgermeister« den Eid zu leisten hatte69.1. Es ist nun höchst wahrscheinlich, daß dieses Büchlein neben der Eidesformel, weswegen es auch Eidtäfelein genannt wurde, sonstige auf die Appellation bezügliche Vorschriften enthielt. So erklärt es sich, daß die »Gerichtsreformation« von diesem der damaligen Zeit längst bekannten Institut schweigt. Manche Vorschriften dieses Büchleins mögen dann, wenn auch nur ihrem Inhalte nach, in die Reformation übergegangen sein.

Auch dieses Büchlein unterschied vermutlich schon zwischen der an das Kammergericht und an den Rat der Stadt selbst gehenden Appellation wie Ref. X, 5. Denn die hohen Kosten, welche aus einer Berufung an das Kammergericht erwuchsen, konnten nur wohlhabende Leute bestreiten, zumal dieses Gericht schon damals wegen Verschleppung der Prozesse mehr berüchtigt als berühmt war, so daß der kleine Mann, wollte er überhaupt zu seinem Rechte kommen, es geradezu als Wohltat empfinden mußte, an die oberste Behörde seines Wohnortes appellieren zu können. Auch in Nürnberg hatte man dieser Notwendigkeit schon lange Rechnung getragen.

Ein Hauptpunkt, in welchem sich das Appellationsverfahren des Rates von dem des Kammergerichts unterschied, betrifft die Fristen. Während die Reformation für die Berufung an das letztere Gericht (V, 10) die Fristen des kanonischen Prozesses verlangt, nämlich innerhalb 10 Tage nach Eröffnung des Urteils bezw. a die scientiae, Abgabe der Erklärung durch die Partei, daß sie appelliere, und innerhalb der folgenden 30 Tage Insinuation beim Appellationsrichter, begnügt sie sich für die [Seite 70] Berufung an den Rat (X, 5) damit, eine Frist von 10 Wochen vorzuschreiben, innerhalb welcher die Durchführung der eingelegten Appellation mit Ladung der Gegenpartei zu beginnen hat, es sei denn, daß ehafte Not vorliegt. Stammen die Fristen für die erste Art der Appellation, wie erwähnt, aus dem römischen Prozeßrechte, so ist der Zeitraum von 10 Wochen auf deutsches Recht zurückzuführen und zwar auf Gewohnheitsrecht, weshalb sie in Reichsdenkmälern nur selten anzutreffen ist. Ganz unbekannt ist sie den sächsischen Quellen70.1, so daß sie wohl nur in Süddeutschland gegolten hat, aber auch in den diesem Rechtsgebiete angehörenden Rechtsaufzeichnungen findet sie sich nur an einer einzigen Stelle, nämlich in einer Entscheidung, welche die Iglauer Schöffen fällten. Dieser der Sprache nach in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts fallende Schöffenspruch stellt diese Frist als schon lange üblich hin, wenn er sagt: …. »er …. hat seine beruffunge iczund leicht in czehen wochen adder mer nicht wolfurt, als pilleich were«70.2. Dagegen gehört die in X, 7 erwähnte Frist von 1 Jahr, innerhalb welcher die appellierende Partei ihrer Appellation nachzukommen hat, widrigenfalls sie nach Ablauf derselben von der Gegenpartei dazu gezwungen werden kann, wieder dem römisch-kanonischen Rechte an, dessen tempus legitimum sie entspricht. Bei der Abfassung des Gesetzes, welche 1477 erfolgte — im Ratsmanuale dieses Jahres heißt es: »Item in die reformacion ze setzen, so einer sein appellacion in jahrsfrist mit außbringung citation, inhibition nit nachkomme, wie es sol gehalten werden« — hat der Kommission offenbar das dem kanonischen Rechte entnommene Verfahren des Kammergerichts vor Augen geschwebt, und sie mußte auch, ganz abgesehen von der allgemeinen Geltung, deren sich das fremde Recht gerade bei diesem Institut erfreute, die Bestimmungen mit der Praxis des Kammergerichts in Einklang bringen, sollten die zahlreichen Appellationen, welche gegen die Urteile des Nürnberger Stadtgerichts eingebracht wurden, an jenem Gerichte zum Austrag kommen. Analoge Vorschriften stellt die Kommission für die beim Rate erhobenen Appellationen auf, indem hier schon nach Ablauf von 10 Wochen [Seite 71] die Gegenpartei den appellierenden Teil zur Austragung der Appellation zwingen kann, aber innerhalb eines Jahres nach Eröffnung des Urteils tun muß, widrigenfalls das Urteil der Erstinstanz Geltung erlangt.

Diese Fristen sind sowohl bei der Appellation gegen ein End- wie Zwischenurteil einzuhalten, wenn auch der Charakter des letzteren wesentlich verschieden ist von dem des Endurteils. Denn nach kanonischer Lehre ist das Zwischenurteil (X, 1) der Rechtskraft unfähig, so daß der Richter und die Urteiler es bis zur Fällung des Endurteils anfechten können71.1. Während sich dieser Doktrin die Praxis der deutschen Gerichte schlechthin anschloß, war dies nicht der Fall bezüglich der Frage, ob gegen das Zwischenurteil bedingungslos appelliert werden konnte. Manche Gerichtsordnungen71.2 verneinen das, andere, darunter die Nürnberger Reformation, erklären sich im entgegengesetzten Sinne. Hier mag sich wiederum Frankfurter Einfluß geltend gemacht haben, wo man dem gleichen Grundsatze huldigte71.3. Wie aber die Urteiler das Zwischenurteil widerrufen konnten, so konnten sie ebenfalls nach kanonischem Rechte trotz Appellation der Partei, welcher sie leicht stattgegeben haben, den Prozeß fortsetzen, bis ihnen ein vom Obergericht ergangener »Verbotbrief« das untersagte (X, 9). Daraus geht hervor, daß auch am Nürnberger Stadtgericht in Übereinstimmung mit der Praxis des Kammergerichts die Interposition der Appellation nicht nur beim Untergericht, sondern auch beim Obergericht erfolgen konnte.

Unbedeutender ist Gesetz 3 (X), dessen 1. Teil chikanösen Appellationen dadurch vorbeugen will, daß die Partei, welche offenbar mit Recht verurteilt wurde, zur Leistung des kanonischen Appellationseides nicht zugelassen werden soll, da sie sich, abgesehen von der Nutzlosigkeit ihrer Appellation, eines Meineides schuldig mache. Erwähnung verdient dieses Gesetz deshalb, weil es zu den wenigen prozeßrechtlichen Bestimmungen gehört, welche erst 1478 redigiert wurden. Erst in diesem Jahre ordnete [Seite 72] der Rat an: »Item ratspflegen der gelerten, ob der freveln appellacion halb icht ein gesetz zu machen sei. Die hern ob der reformacion«. Allerdings gilt das nur bezüglich des 1. Teiles; denn der 2. Teil, welcher die Berufung gegen eine Exekution verbietet, vielmehr bei Übertretung des bei ihr zu beobachtenden Maßes die Urteiler anweist zu restituieren, geht vermutlich auf einen Ratserlaß zurück, welcher bereits 1477 anläßlich eines konkreten Falles in Kraft trat72.1. Ebenso scheinen die sehr detaillierten Vorschriften über die Appellation von Anwälten (X, 2 und 8) sich an ein Dekret von 1477 anzulehnen72.2.

h) Vollstreckung.

Im Gegensatze zur Appellation, welche völlig auf kanonischer Grundlage ruht, sind die von der Vollstreckung handelnden Gesetze durchaus auf echt deutsche Satzungen zurückzuführen , welche ursprünglich Gewohnheitsrecht, später aufgezeichnet, durch zahlreiche von praktischen Gesichtspunkten ausgehende Rechtsbräuche während ihrer langjährigen Entwicklung beeinflußt, eine gewisse Vollkommenheit erlangten, welche den jeweiligen Verkehrsverhältnissen entsprach.

In den Hauptgrundsätzen stimmt demnach die Reformation mit andern süddeutschen Rechtsquellen überein; aber sie sind, da es kaum ein Rechtsgebiet gibt, in welchem die Lokalrechte freieren Spielraum zu selbständiger Entwicklung haben als gerade im Vollstreckungsverfahren, vielfach durch Rechtsgewohnheiten rein lokaler Natur modifiziert.

Für die Quellen der einzelnen Gesetze aber ergibt sich folgendes. Ref. XI, 1, handelnd von Pfandforderung nach »erreichter« Vollung, d. h. nach geschriebener Vollung, so daß die Vollstreckung beginnen kann, ruht in der Hauptsache auf uraltem Gewohnheitsrechte, auf welches sich das Gesetz selbst beruft. Unmittelbare Vorlage war ein in der alten Gerichtsreformation stehendes Statut (»wie man gerichtordnung halten sol«72.3, dessen Schluß die Kommission unter Anbringung einiger [Seite 73] redaktioneller Änderungen kopierte. Auch nach diesem Dekrete konnte bereits am Tage nach der Vollung, selbst wenn dies kein Gerichtstag war, gepfändet werden. Im letzteren Falle mußte sich aber der Vollstreckende am nächsten Gerichtstage »das gericht erlauben lassen«. Die Kommission hielt es für nötig, den Wortlaut dieser Verordnung klarer zu formulieren, indem sie einerseits die natürliche Bedingung einfügte, die Pfändung dürfe an keinem Feiertage stattfinden, andererseits den nächsten Tag nur als den frühesten Termin hinstellte, wenn sie hinzufügte, daß die Handlung auch an »einem andern nachvolgenden tag« vorgenommen werden kann.

Was dann XI, 2 über die Art der Exekution vorschreibt, ist im großen ganzen wieder bestehendes Recht. Denn es ist selbstverständlich, daß sich die Zwangsvollstreckung zunächst auf das im Gerichtsbezirke des verurteilten Schuldners befindliche Vermögen beschränkt (XI, 2). Lediglich auf praktische Gründe ist die weitere Bestimmung des Gesetzes zurückzuführen, die Vollstreckung solle auf Antrag der siegenden Partei, welche sich vom Stadtgericht »Gebot und Heißbriefe« hat ausstellen lassen, an dem diesem untergeordneten Gerichte durchgeführt werden, in dessen Bezirke die Habe bezw. die Person des Unterliegenden sich befinde, auch wenn das Urteil am Stadtgericht gesprochen sei. An Stelle dieser Heißbriefe treten literae compassus oder »Bettbriefe«, wenn die Vollstreckung an einem Orte stattfinden soll, über den dem Nürnberger Rat nicht die Gerichtsbarkeit zusteht. Diese Gesuche lehnten die zuständigen Behörden wohl nie ohne triftigen Grund ab. Denn die Staaten waren darauf angewiesen, in der Rechtspflege sich gegenseitig zu unterstützen, wollten sie nicht das Verkehrsleben ertöten (Rechtshilfe). Demnach ist auch die Quelle dieser Vorschriften Gewohnheitsrecht, das schon längst in Deutschland galt.

Ebenso stellt Ref. XI, 3 lediglich die Fortentwicklung schon längst bestehenden Gewohnheitsrechts dar, welches auch teilweise in mehr oder minder klar gefaßten Gesetzen im Laufe der Zeit aufgezeichnet wurde. Daher ist die Reihenfolge der Vollstreckungsmittel, welche die Reformation mit seltener Klarheit angibt, in der Hauptsache auch anderen Rechtsquellen bekannt. Indes unterscheidet sich das Nürnberger Gesetz vorteilhaft von [Seite 74] dem letzteren durch gewisse Feinheiten, welche jenen unentwickelteren Rechtsordnungen noch fremd sind. So schließt sie von der fahrenden Habe die Ackertiere und Ackerwerkzeuge als unpfändbar aus, welche vielmehr erst nach Grundstücken und Rechten gepfändet werden können. Ob diese Bestimmung erst eine Neuerung der Reformation ist oder ob auch sie in einem Gewohnheitsrecht ihre Quelle hat, ist zweifelhaft, aber wohl in letzterem Sinne zu entscheiden. Die überlieferten Ratsbeschlüsse, welche sich auf diese Materie beziehen, enthalten eine derartige Vorschrift nicht, weder der vom 20. Juli 1460, obwohl er auch von fahrender Habe spricht, noch der von 1 47574.1. Dagegen enthält die »erweiterte Gerichtsreformation« in einer Ratsverordnung vom Dienstag vor Lorenzi (4. August) 147274.2 dieselbe Bestimmung wie der Schluß des Gesetzes 3 (XI), wonach alle Gegenstände, welche zur Pflege einer »Kindbetterin« oder kranken Person unentbehrlich sind, nicht gepfändet werden dürfen.

Gemäß der in Gesetz 3 angegebenen Reihenfolge der Vollstreckungsmittel handelt XI, 8 von der Exekution in bewegliche Sachen. Vollstreckungstitel ist ein Urteil, eine Vollung oder ein ins Gerichtsbuch eingeschriebenes Bekenntnis, welche die Rechtskraft erlangt haben. Das Verfahren zerfällt, wie in allen deutschen Rechtsquellen, auch in der Nürnberger Kodifikation in zwei Abschnitte. Der erste dient dazu, die Befriedigung des Gläubigers zu sichern. Zu dem Zwecke läßt er durch den Fronboten Pfand fordern, welches, am nächsten Gerichte aufgeboten, von einem Fürkäufel geschätzt und verkauft wird, innerhalb 8 Tage nach Abschätzung jedoch vom Schuldner wieder eingelöst werden kann, nachdem ihm vorher die Möglichkeit der Einlösung mitgeteilt worden ist. Namentlich diese Frist von 8 Tagen ist für die Quelle des Gesetzes sehr bezeichnend, da sie offenbar auf den Schwabenspiegel74.3 hinweist, welcher ja höchst wahrscheinlich auch im Nürnberger Gebiet galt, das kann auch der Umstand, daß dieses Rechtsbuch [Seite 75] verlangt, das Pfand »sol man behalten 8 tage unverkaufet und unversetzet« nicht widerlegen. Denn ganz abgesehen davon, daß schon damals rein lokale Rechtsgebräuche auf das Vollstreckungsverfahren Einfluß hatten — der Schwabenspiegel sagt selbst »Ez ist etwa gewonheit, das man anders damit wirbet« (102) — und selbst schon ein »usborgen« des Pfandes gestattet, mußten sich jedenfalls in der Folgezeit differenziertere Vorschriften herausbilden, welche in den verschiedenen süddeutschen Gegenden ein verschiedenes Resultat in der Entwicklung zeitigten. Daß diese auch andere Rechte durchzumachen hatten und, weil auf ähnlicher Grundlage beruhend, trotz mancher Abweichungen in der Hauptsache zu ähnlichen Ergebnissen gelangten wie das Nürnberger Recht, zeigen außer dem bayerischen Landrechte75.1 namentlich das Augsburger75.2 und Frankfurter Stadtrecht75.3. Besondere Beachtung verdient die Tatsache, daß das Augsburger Stadtrecht75.2 in sachlicher Übereinstimmung mit der Reformation vorschreibt: »unde sol si dann jenen anebieten mit gerichte, daz ers in acht tagen löse«, nicht etwa deshalb, weil sie zur schwachen Begründung der Hypothese, die Nürnberger hätten sich im 14. Jahrhundert des Augsburger Rechtes bedient, angeführt werden könnte, sondern vielmehr deshalb, weil alle anderen süddeutschen Quellen von einer 14tägigen Frist reden. Man kann diese Abweichung des Nürnberger und Augsburger Rechts, welche also beide das Recht des Schwabenspiegels hinsichtlich der 8tägigen Frist aufweisen , von andern süddeutschen Rechtsdenkmälern dadurch erklären, daß der in ihnen erwähnten Frist eine andere von gleicher Dauer vorausgeht75.4, eine Annahme, welche von der Tatsache unterstützt wird, daß die Reformation selbst die in Betracht kommende Zeit insoferne ungenau angibt, als sie von einem Aufbieten auf dem nächsten oder einem späteren Gerichte spricht. Abweichend von andern süddeutschen Quellen schreibt sie auch nicht zur Einlösung essender Pfänder eine genaue kürzere Frist vor, sondern läßt für den konkreten Fall das richterliche Ermessen entscheiden. Außer jener Frist von acht [Seite 76] Tagen ist hauptsächlich noch die Anbietung nach dem Verkaufe ein Moment, welches auf eine süddeutsche Quelle, wohl auf Nürnberger Recht selbst, hinweist, während eine Anbietung nach diesem Zeitpunkte den sächsischen Quellen unbekannt ist. In dieser Hinsicht verrät die Reformation große Ähnlichkeit mit dem Frankfurter Stadtrecht, welches allerdings, der Mehrzahl der süddeutschen Rechte folgend, die Einlösungsfrist auf 14 Tage festsetzt76.1.

Diese schon die Befriedigung des Gläubigers selbst vorbereitenden , dem 2. Abschnitte des Verfahrens angehörigen Vorschriften vervollständigt das 10. Gesetz des XXIII. Titels, welches seine Quelle selbst angibt, wenn es sich im Eingange auf »ordnung und gewonheit ditz gerichts« beruft. Löst nämlich der Schuldner das Pfand nicht ein, so wird dem Dritten sein Kauf bestätigt, wenn er damit einverstanden ist, andernfalls kann der Gläubiger selbst gegen Zahlung des geschätzten Preises das Eigentum an der Pfandsache erwerben. Will er aber dies nicht, so wird diese von neuem verkauft, und zwar setzt hier die Reformation in Übereinstimmung mit anderen Quellen die Frist auf 14 Tage fest. Sie folgt ebenfalls anderen Rechtsdenkmälern, wenn sie den Überschuß über die Forderung, welcher beim Verkauf der Sache erzielt wird, dem Schuldner zuweist bezw. dem im Range nachfolgenden Gläubiger, während bei nicht vollständiger Befriedigung des Gläubigers diesem eine Forderung auf den Rest zusteht76.2.

Schließlich ist noch hervorzuheben, daß ein Ratserlaß der »Gerichtsreformation« in der Hauptsache denselben Gang des Verfahrens verlangt76.3 wie die Reformation — der beste Beweis dafür, daß in der letzteren lediglich bestehendes Recht kodifiziert ist.

Im allgemeinen sprechen die erörterten Gesichtspunkte auch bei den Gesetzen über Zwangsvollstreckung in Grundstücken für eine einheimische Quelle. Daß insbesondere XI, 9 lediglich eine Fortentwicklung uralter Nürnberger Rechtsgewohnheiten darstellt, läßt sich aus dem Nürnberger Rechte des [Seite 77] 14. Jahrhunderts selbst nachweisen. Ein Antwortschreiben der Nürnberger an den Rat von Eger, welcher bei den ersteren anfragt, »wie lang dieselben burger und geste haus und erbe halten sullen, e sis verkauffen und des iren davon bekomen«, überliefert Näheres über das frühere Vollstreckungsverfahren. Der uralten Gewohnheit, bei Pfändung einer unbeweglichen Sache als Symbol einen Span (Redaktion von 1479) oder eine Scholle oder »Wasen« (Redaktion von 1564) bei Gericht vorzulegen, wird allerdings nicht erwähnt, dagegen spricht der Brief von einem »aufpüten«, »verkaufen«, »einlösen über vierzehen (!) tage oder lenger, nach dem als er nahent oder verre were« und von »bestetigen«, wobei gerade die Reihenfolge der Handlungen für süddeutsches Recht als Quelle bezeichnend ist77.1. In den Grundzügen stimmt die Reformation damit vollständig überein, im Detail allerdings weicht sie von der älteren Satzung bisweilen ab. Wenn sie beispielsweise bezüglich des »Spans« vorschreibt, er soll in der Stadt 14 Tage und auf dem Lande 4 Wochen »steen« und erst darnach die Einlösungsfrist von 8 Tagen beginnen läßt, so bedeutet das eben eine weitere Ausbildung der alten Verordnung, welche auch andere Rechte, wenigstens teilweise, erfuhren. Was die Frist von 14 Tagen anlangt, so findet sie sich bereits im Augsburger77.2 und Münchner Stadtrechte77.3; der von 4 Wochen erwähnt ein Reichsabschied von Frankfurt aus dem Jahre 1442, woraus hervorgeht, daß sie an vielen deutschen Gerichten üblich gewesen ist. Für die Anbietung77.4 gilt dasselbe wie in XI, 8. Schon ein Ratsdekret von 1434 schafft die alte Gewohnheit (»langer dann jemand gedenkt«), daß die Anbietung unter Augen erfolgt sein müsse, soll dem Käufer sein Kauf bestätigt werden, ab und begnügt sich für den Fall, daß diese Art der Anbietung unmöglich ist, mit der Verkündung »zu haus und zu hofe«, wozu die Reformation nach Analogie von I, 4 die Ediktalanzeige fügt. Zum gerichtlichen Verkauf durch den Unterkäufel kommt es nur, wenn Beklagter Gründe vorbringen kann, welche dartun, daß [Seite 78] die Sache höher verkauft werden könne, als sie der Gläubiger erwarb. Der Verkauf muß dann wieder innerhalb 8 Tage stattfinden. Für den Überschuß gilt die bekannte Vorschrift in XI, 8.

Dieselben Fristen enthält übrigens der in Ref. XI, 10 eingestellte Schluß eines umfangreichen Gesetzes von 147278.1, welchem auch die in XI, 8 und XI, 9 aufgestellten Sätze über die hyperocha nachgebildet sind. Da dieses Statut, welches, ohne sachliche Änderungen erlitten zu haben, rezipiert wurde, bereits von Anbietung verpfändeter Erbgüter handelt, so ergibt sich für die gleichen Bestimmungen, welche XI, 9 über die Anbietung von Eigen- und Erbgüter aufstellt, auch bereits geltendes Recht als Quelle. Denn auch hier hat der Eigenherr 14 Tage die Wahl, den Kauf des Dritten zu genehmigen oder aber das Gut selbst zu übernehmen. Eine Neuregelung verrät im Gegensatze hiezu der Schluß von XI, 9, da die Räumungsfrist 14 Tage beträgt, für die drei folgenden Tage je ein Pf. neu Strafe erhoben wird, sodann aber der Ungehorsame zur Fronfeste zu führen ist, während eine ältere Satzung78.2 in der »alten Gerichtsreformation« sich mit einer Räumungsfrist von 8 Tagen begnügt, für jeden folgenden Tag 1 Pf. Heller als Buße bestimmt, ohne aber von einer Haft zu sprechen.

Besondere Vorschriften regeln die Vollstreckung gegen den Bauern. Auch hier lehnt sich die Reformation (XI, 11) an eine ältere Verordnung an, an ein Ratsdekret von 1424, das älteste, dessen die Merkelschen Kodizes mit Datumsangabe erwähnen.

i) Schuldhaft.

Befriedigt ein Schuldner seinen Gläubiger nicht mit Vermögen, sei es, weil er nicht will oder nicht kann, so greift möglicherweise Personalexekution ein: der Gläubiger kann sich an die Person des Schuldners selbst halten.

Die Anordnungen, welche die Reformation in XI, 7 darüber trifft, lassen sich teilweise als Fortbildungen bereits geltenden deutschen Rechts, teils als Neuregelungen nachweisen. Zu den ersteren ist die Vorschrift zu zählen, der Fronbote müsse zunächst nach Gegenständen des Schuldners suchen, welche sich [Seite 79] im Gerichtsbezirke befinden und dem Gläubiger zur Befriedigung dienen können, das Ergebnis seiner Forschung habe er auf seinen Amtseid den Schöffen zu melden79.1. Dagegen scheint die Frist von 3 Tagen und 3 Nächten, während welcher der Schuldner in der Fronfeste liegen soll, erst von der Kommission eingeführt zu sein. Denn das Statut von 1475 sagt nur, man solle es mit dem Schuldner nach »gerichtzordnung« halten, wenn er nichts besitzt. Worin jedoch diese Gerichtsordnung bestand, ist aus einer Antwort aus dem 14. Jahrhundert zu entnehmen, welche der Rat von Nürnberg an den von Eger richtete und welche darüber Auskunft gibt, »wie man einen gesworn gelter handeln und halten sulle« nach Nürnberger Stadtrecht79.2. Darnach wird der zahlungsunfähige Schuldner 14 Tage gefangen gehalten, nach deren Verlauf aus ihm ein gesworner Gelter gemacht wird, indem er »an einem fu*ozze mu*ozze parfuzz gen und parhaupt« und zu den Heiligen schwören, »waz er hab oder gewinne über ainen schilling und über sein tragklaider, daz er im daz geb als lange, biz er in bezal«. Hat also die Kommission die Bestimmung über die Kleidungstracht des Schuldners, welche auch in Bamberg im 14. Jahrhundert galt, als den Zeitverhältnissen nicht mehr entsprechend aufgegeben, so änderte sie auch die Frist und zwar schied sie nach dem Vorbilde des Dekrets von 1475 zwischen Haft in der Fronfeste und im Schuldturm. Aber auch noch die Reformation lehnt sich, ob unmittelbar oder mittelbar, muß dahin gestellt bleiben, an das Bamberger Stadtrecht an, nämlich bezüglich der Frist von 3 Tagen und 3 Nächten, da dieses ganz ähnlich bestimmt, der Schuldner solle »drei tag und drei nacht in den eisen ligen«79.3. Jedoch läßt sich für die 5 Jahre Gefängnis bei Schuld unter 100 rheinischen Gulden und für 10 Jahre Gefängnis bei solcher über 100 Gulden eine Parallelstelle in andern Rechtsdenkmälern nicht finden, so daß diese Bestimmungen eine Schöpfung der Kommission zu sein scheinen. Der Eid wiederum, welchen der Schuldner zu leisten hat, wenn Gläubiger auf die Haft verzichtet — das wird er bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners immer tun, da er [Seite 80] sonst die Kosten für dessen Unterhalt während der Haft zu tragen hat80.1 —, erinnert an die alte Nürnberger Satzung wie an das Bamberger Stadtrecht. Nach dem letzteren darf er sich allerdings nicht auf 5, sondern auf 2 Meilen im Umkreis der Stadt sich dieser nähern, solange bis er den Kläger befriedigt hat, während das Erwähnen der Kleider in der Reformation eine Reminiszenz an die alte einheimische Verordnung zu sein scheint. Fest steht das Anknüpfen der Reformation an übliche Rechtsbräuche vollends bezüglich des weiteren Inhalts von XI, 7. Denn daß der zahlungsunfähige Gast außerdem noch schwören muß, er werde auch seinen Heimatort meiden, selbst an Feiertagen, ist, wie das Gesetz selbst zugibt, »von alter herkomen«. Ferner hat die Schlußbestimmung, nach welcher die bloße Angabe des Schuldners, er habe an einem bestimmten Orte fahrende oder liegende Habe, ihn nicht von der Haft befreit, ihr Vorbild in der schon oft erwähnten Verordnung von 1475.

Besondere Prozeßarten.

Von dem allgemeinen Grundsatze, an welchem die Reformation in Übereinstimmung mit andern Stadtrechten des Mittelalters festhält, daß die »Gäste« in zivilprozeßrechtlicher Beziehung den »Bürgern« gleichgestellt sind, weicht Gesetz 8, Titel I ab. Es handelt von Klagen der Gäste gegen Bürger, wobei der Streitwert die Höhe von 32 Gulden nicht übersteigt. Die Besonderheit der Vorschrift liegt in der Beschleunigung des Verfahrens, welche dadurch erzielt werden soll, daß Beklagter, welcher die Schuld ungerechtfertigter Weise leugnet, wie Kläger, welcher den Gegner schikanös in den Prozeß verwickelt, außer den Gerichtskosten den vierten Teil der eingeklagten Summe als Strafe an das Gericht zahlen muß. Dies setzte bereits ein Ratserlaß von 1477 fest, welcher fast wörtlich in die Reformation herübergenommen wurde80.2.

Wichtiger ist der Arrestprozeß, welchen die Reformation im vierten Titel behandelt. Die Rechtssätze, die sie über die Verhängung des Arrestes aufstellt, ruhen auf deutscher Grundlage. [Seite 81] Denn es ist nicht einzusehen, warum die durchweg deutschrechtliche Gerichtsreformation in dieser Materie von italienischem Rechte beeinflußt sein sollte, nachdem bereits im 14. oder gar 13. Jahrhundert das Arrestverfahren in Nürnberg nachweisbar bekannt ist. So scheinen einige Rechtsbelehrungen, welche die Nürnberger dem Rat von Eger erteilten und die ihrem Inhalte nach spätestens dem Anfange des 14. Jahrhunderts angehören, die erste gesetzliche Grundlage gewesen zu sein, an welche die weitere Entwicklung des Arrestrechts anknüpfen konnte. Denn eine derselben stellt es bereits dem Ermessen des Rates anheim, ob die Verhängung eines Arrestes stattfinden soll oder nicht; eine andere erinnert unwillkürlich durch eine Beweisvorschrift81.1 an das Gesetz von 1472, welches die erweiterte Gerichtsreformation aufstellt. Der dritte Teil desselben, handelnd »von den, die von iren schuldigen frist, schube, satzung oder nachlassen begern«, verlangt nämlich ähnlich, wie schon jene alte Rechtsbelehrung, daß der Antragsteller »mit zwaien oder mehr glaubwürdigen personen« die Berechtigung des Arrestes beweise, wenn diese vom Gegner bestritten wird ; nur beschränkt sich die ältere Satzung auf »nachgepauern«81.1. Von den zwei sachlichen Änderungen, welche die Kommission an diesem Teile des Statuts von 1472 anbrachte, bezieht sich die eine wiederum auf diese Beweisregel81.2; die andere besteht darin, daß der Antragsteller nach der Reformation einen Gefährdeeid leisten muß, während die Vorlage nur »glaubliches fürbringen« von Gründen verlangt, welche der Bürgermeister zur Verhängung des Arrestes für ausreichend erachtet. Auch für Ref. IV, 6 gab dieses Gesetz von 1472 das Vorbild ab, und zwar wurde sein 2. Teil wörtlich von der Kommission kopiert; sie brachte nur eine Erweiterung an, welche eine Vereinfachung der Zustellung bezwecken sollte81.2. Auf diese Korrektur hatte schon häufig die Praxis hingewiesen. Deshalb ordnete der Rat 1478 an: »Die drei fursprechen in dem schrannenhandel sollen rats pflegen der gelerten und vor den eltern (»den Älteren des Rats«) sprechen. Sie söllen auch von einer besserung reden der zweier gesetz halb in der gerichtsreformation begriffen die trunnigen [Seite 82] antreffent«82.1. Gehen demnach Ref. IV, 6 und 7 auf Rechtsaufzeichnungen zurück, so läßt sich als Quelle für die übrigen Gesetze des vierten Titels nur Gewohnheitsrecht nachweisen, welches als ihre Grundlage um so eher angenommen werden darf, als sie meist nur allgemeine Vorschriften enthalten. Daß insbesondere IV, 2 auf älteres Recht zurückzuführen ist, geht ohne weiteres aus der Tatsache hervor, daß schon das Münchner Stadtrecht aus dem 14. Jahrhundert ebenfalls eine Frist von 14 Tagen bestimmt, innerhalb welcher der Antragsteller dem Arrest mit Klage nachzukommen hat82.2. Ebenso verlängert auch dieses Stadtrecht die Frist, wenn das Gut eines Gastes mit Arrest belegt worden ist und dieser »außer landes« ist. Während es aber die bestimmte Frist von 3 x 14 Tagen stellt, ist der Zeitraum der Reformation, binnen dessen der Bürger dem »verpott nachvolgen« muß, je nach Lage des Falles verschieden und nicht gesetzlich festgesetzt (IV, 3). Im Gegensatz hiezu scheint Ref. IV, 4, wonach ein Gast gegen den andern beim Nürnberger Rat Arrest beantragen kann, eine Neuregelung zu enthalten, da nach einem erst im Jahre 1440 erwirkten Privileg der Rat derartigen Arrestanträgen stattzugeben nicht verpflichtet war. Freilich mochte in zahlreichen Fällen der Rat von seiner Befugnis keinen Gebrauch gemacht haben. Umgekehrt sind Ref. IV, 1 und 5 lediglich Aufzeichnungen des bestehenden Rechts. Das ergibt sich für das erstere aus seinem allgemeinen Inhalt, wonach sich der Gast vom Personalarrest befreien kann, wenn er dem Bürger unter Sicherheitsleistung verspricht, »ihm allhie rechtens zu pflegen«, für das 5. Gesetz, welches dem Wirt das Recht gibt, »hab und gut« des Gastes wegen geschuldeter Zehrung zu »versperren«, aus seiner eigenen Berufung auf Herkommen und Gewohnheit.

Schluß.

Faßt man die Ergebnisse, welche die Untersuchung für die Frage nach den Quellen der einzelnen prozeßrechtlichen Institute geliefert hat, zusammen, so läßt sich ungefähr folgende Übersicht geben: [Seite 83]

I. Der Gesetzgeber sucht grundsätzlich das deutsche Recht zu kodifizieren, soweit es seiner Ansicht nach den Zeitverhältnissen noch entspricht. Dabei legt er
1. entweder geschriebenes Recht, also Gesetzesrecht, zu Grunde. Hierher gehören alle diejenigen Fälle, in welchen die Reformation sich an die in den Merkelschen Kodizes enthaltenen Statuten anschließt, ferner diejenigen, in denen die Untersuchung auf das Prager und Egerer Stadtrecht verweist, weil diese lediglich Kopien alter verschollener Nürnberger Satzungen darstellen. Unter die letztere Gruppe kann eventuell auch das Amberger Recht gezählt werden. Es handelt sich hier um die Vorschriften über die Ladung (ausgenommen Ediktalzitation), über die rechtliche Bedeutung der Eintragung in die öffentlichen Bücher (Gerichtsbücher) und über die Vollstreckung, soweit nicht 2b in Betracht kommt; oder
2. er kodifiziert geltendes Gewohnheitsrecht und zwar wieder entweder
a) solches, welches nicht nur in Nürnberg, sondern überhaupt in Süddeutschland gilt. Hierher sind alle diejenigen Bestimmungen zu rechnen, bei denen in der Untersuchung auf das Recht anderer Städte, außer Prag, Eger und ev. Amberg, verwiesen wurde, also auf das Augsburger, Münchner, Bamberger, Iglauer und teilweise auch Brünner Stadtrecht. Es kommen in Betracht sämtliche Fristen (ausgenommen die römischen Appellationsfristen), die Bestimmungen über den Eid, wenn auch nur teilweise, über Prozeß- und Parteifähigkeit, über die Gegenklage, das Kontumazialverfahren, die Sachverständigen u. s. w., oder aber
b) solches, das nur speziell in Nürnberg galt, welches Nürnberg eigentümlich ist. Auf diesen lokalen Rechtsbräuchen beruhen mittelbar alle Vorschriften über die Büchereintragungen, über die Vollstreckung und die Schuldhaft, zum großen Teil auch unmittelbar (vgl. das unter 1 Gesagte).
II. Wo das deutsche Recht nicht mehr zeitgemäß, bestritten und unklar ist, stellt die Reformation romanische Rechtssätze auf. [Seite 84] Sie lehnt sich dabei
1. wörtlich oder doch fast wörtlich an andere Rechtsquellen an, so
a) an das Corpus juris civilis oder canonici (vgl. oben84.1) oder
b) an die Eichstätter Reformation, in welch letzterem Falle es sich in der Hauptsache um die Beweisführung durch Zeugen handelt.
2. Doch bilden diese wörtlichen Anlehnungen bezw. Übersetzungen nur die Ausnahme. In der Mehrzahl der Fälle gibt die Reformation lediglich den Inhalt kanonischer Grundsätze wieder, ohne daß sich auch eine Übereinstimmung in der Form mit anderen Rechtsdenkmälern nachweisen ließe. Die Gründe für diese Tatsache wurden bereits oben angegeben (1. Teil, 3. Kap.). Hierher ist eine sehr große Anzahl von Bestimmungen zu zählen, z. B. diejenigen über die Klageerhebung, Vertretung im Prozeß, Intervention, das Positionalverfahren, die allgemeinen Beweisgrundsätze wie die Sätze über die Beweisführung durch Urkunden und Eid, über die Appellation u. s. w.
Es braucht nicht betont zu werden, daß die Grenzen bisweilen flüssig sind, daß ferner zahlreiche Institute und sogar einzelne Rechtssätze sowohl auf deutscher, wie romanischer Grundlage ruhen. Das ist um so weniger auffallend, als sich der Gesetzgeber die Aufgabe stellte, fremdes und deutsches Prozeßrecht möglichst mit einander zu verschmelzen. Deshalb erhebt sich unwillkürlich die Frage: Stehen in der Kodifikation deutsches und fremdes Recht auf gleicher Stufe oder hat etwa das eine den Vorrang vor dem andern? Die Antwort hat unzweifelhaft im letzteren Sinne zugunsten des kanonischen Rechts zu lauten. Denn die Formen, in denen sich der Prozeß bewegt, sind durchweg kanonisch, das kanonische Recht hat dem neuen Gerichtsverfahren seinen Stempel aufgedrückt. Mit der Reformation von 1479 bezw. 1484 beginnt der kanonische Prozeß auch in Nürnberg seine Siegeslaufbahn, um, sich immer mehr von deutsch-rechtlichen Anschauungen befreiend und die romanischen Prinzipien klar herausbildend, in der Redaktion von 1564 seinen Höhepunkt zu erreichen. Von dieser Zeit an beherrscht das kanonische Recht vollends das Nürnberger [Seite 85] Gerichtsverfahren über 300 Jahre lang, der beste Beweis für die Vorzüglichkeit des Nürnberger Gesetzbuches. Denn wenn auch der größte Teil des Landgebietes von Nürnberg durch das Revindikationsverfahren, welches die preußische Regierung im Jahre 1796 vornahm, den fränkischen Fürstentümern einverleibt und dadurch deren Recht unterworfen wurde — bis dahin galt auch in diesem Gebiete (den heutigen Vorstädten Nürnbergs, ferner Hersbruck, Lauf etc.) die Reformation —, so behauptete doch letztere, nur durch einige Nebengesetze ergänzt (Additionaldekrete), innerhalb der Mauern ihre Geltung in ununterbrochener Dauer bis zum Jahre 1870, wo sie der neu verfaßten bayerischen Zivilprozeßordnung Platz machen mußte, so daß also auch der Verlust der Souveränität, welchen der Anschluß Nürnbergs an das Königreich Bayern im Jahre 1806 zur Folge hatte, an sich keine Wirkung auf den bestehenden Rechtszustand ausübte, wie ja das Nürnberger materielle Recht sogar bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches innerhalb der Ringmauern Geltung hatte.

Anhang

Anhang I.

Die im Text zitierten, bei Merkel nicht abgedruckten Statuten nach dem Fürther Kodex.

Nr. 1.

F. 124 b. S. IV: Zum ersten, das ain fronbott von ainem burger zwen pfenning von ainem furbott nemen sol, item von ain verkundung vom burger zwen pfenning, item von ainem gaste zu furbott vier pfenning, item von der vollung zuverkunden vier pf., item von ainem Juden die zwiespelt, er sei gast oder burger. Item so man ainem mit gericht eingatt, sol man dem fronbotten geben 8 pf., er sei gast oder burger und dem richter sein recht.

Nr. 2.

Nr. 2.

F. 126. S. VI: Es sol auch kain fronbott kainen clager, er sei burger oder gast, auf niemands kain clag schreiben lassen, noch ansagen, er hab dann das erst furbott under augen getan bei seinem aide. [Seite 86] Item so man ainem von gerichtz wegen verkundet, der in hangendem rechten mit einer oder mer parteien steet, und so der dem verkundet wurdet, geverlichen und on redlich ursach ausbeleibt und das verkunden verachtet, so sol man darnach dem andern tail, der verkundet hat, sein recht widerfaren und geen laussen.

Nr. 3.

F. 127. S. VII: Item wann vollung oder bekanntnus verneut werden, dieselben sollen zu haus und hoff verkündet werden, desgleichen, wo vollung nach gerichtz ordnung verkunnt werden sölten, sullen gescheen under ougen. Wo das nit sein will, der nechsten nachpauren zweien bei ihm sitzende das sagen und so der fronbott darumb sagt, so soll man dem rechten seinen gangk laussen und vollung schreiben, ob er außen belibe, wo im das erst furbott under ougen gesagt worden wer. Per Muffel und Hannsen Lemlin ex consulacio. Actum secunda ante conversionis Pauli anno 44.

Nr. 4.

F. 129 b. S. X: Item ain neu gesetzt, heuser anzubieten und als man dann langer, dann jemandz gedenkt, dobei fur ain recht hie gehalten und gesprochen hat, so sollich leut, die das antreffe, nit anheim bei der statt und aussen weren, das man dann sollich köuf und sachen mit gerichtzbriefen under ougen vor verkunden und anbieten müste. Und alle dieweil und sollich verkundung under ougen nit geschee, das man dann solliche köuf von gerichtswegen nit hat wöllen furgank haben noch bestättigen lassen, darin aber groß vorteil und gevärde gesucht und getriben, den leuten oft ir schuld damit gar lang verzogen und etwan gar darumb kommen, ouch sollich hab oft verdorben und sunst zü grossem schaden pracht worden sind. Darumb seind unser hern vom rat auf mittwochen vor der ailftausend junkfrountag im 34. jar berättlich daromb gesessen und haben gesetzt und wöllen, das furbas für ain recht hie halten, wann es furbas zu schulden kommet, das man erb, aigen, hausrat oder farende hab, wie das alles genant oder was das ist, von gerichtzwegen verkouft wirdet und das dann sollich köuf und sachen, mit gerichtsbriefen und botten vor unter ougen verkundet und angepotten werden, das man dann [Seite 87] sie getrauet zefinden, als bisher gescheen ist. Wer aber, das man sie nit finden noch erfaren kunde, wann dann darnach schöpfen und rat mit ainem merern erkennen und sprechen, das derselben leut aussen sein und pergen värlichen zugee, so sol in dann ain schöpf das von gerichtzwegen hie zu haus und zu hofe oder do man in hie furgebotten mocht haben, kunt tu[n]. Und wann dann der schöpf vor gericht sagt, daz er daz also getan hab, so sol man ainem aber sein brief bestättigen von gerichtzwegen gleicherweis, als ob sollich leut anhaim wern.

Item es sol kain fronbott kain frowen furbietten, die ain man hat.

Item es sol ouch kain schöpf kain klag auf kain frowen schreiben lassen, die ain man hat. Wer aber, das ain clag auf ain frowen geschriben wurd, das sol irem man kain schaden bringen, und mag die frowen wol lösen umb 13 haller, ausgenommen gewandschneiderin, kremerin, wechslerin, offen gastgeberin, beckin und die zu offen markt steen.

Nr. 5.

F. 130 b. S. XII: Item wellich nit erbe und aigen hat, den man mit gericht eingeet, wie wol man bei demselben im haus nichtz vindet, den sol man zu fronfesten furen und nemen.

Herr Wilhalm Löffelholtz und her Berchtold Nutzel haben gesagt aus dem raut, das mit der merern menig schöpfen und ratz ertailt worden wer, wann es mer hinfuro zu schulden kompt, das ain aigenherr umb sain versessen zins clagt etc., so sol man dem aigenherren, ob anders der antworter des zins in lougen stünde, ain recht ertailen seins zins zu bestatten, als recht ist, oder der aigenherr möcht dem antworter das recht haimwerfen, ob er wölt. Sexta Urbani 1459. Burgermaister her Hans Volkamer und her Hans Lemlin.

Nr. 6.

F. 131. S. XII: Her Lienhart Grauland und her Wilhalm Löffelholz haben gesagt aus dem raut, das mit der merern menig schöpfen und des rats ertailt worden wer, wann es zu schulden käme, das ain antworter von einem clager, der ain gast und [Seite 88] selbs ain sachwalter wer, ain widerrecht begert zu rechter zeit, so wer er im billich ains widerrechten oder verpurgt im das, daran er ain benügen hett. Actum quarta post corporis Christi 1456. Exceptis, wer mit der statt in ainigung were.

Item aber ertailt in dem rat, das kain anwalt kains widerrechten nicht schuldig sei zuverbringen, noch selbs furpfand zu tun. Per Haller, Groland.

Nr. 7.

F. 139 b. S. XXII: Item ouch, ob man ainer kintbetterin oder sunst ainem kranken mit gericht ein soll gen oder nit oder ob man ein mug geen und einsperren, was vorhannden sei on das gemach, dar inne sie ligen, ist ertailt: Wann man ainer kindbetterin oder ainem kranken eingeet, so sol man nichtz austragen oder einsperren, das ainer kindpetterin oder ainem kranken ungevärlich zusteet oder zugepuret. Her Karel Holtzschucher und her Gabriel Nutzel dixerunt von rats wegen, ut in forma. Tercia ante Laurentii 72.

Nr. 8.

F. 131b. S. XIII: Item ist erteilt, das furbas an dem gericht clag, antwort, widerred und nachred nach notdorft gehort söllen werden schriftlich oder muntlich und sollen widerred und nachred allweg zu dem nächsten gerichtztag von dem clager und antwurter gescheen und kain lenger frist geben werden, lengerung und irrung zuvermeiden, und sol jetweden sein widerred von stunden in das gericht tun und nit lenger schub geben dann zu dem nächsten rechten.

Nr. 9.

F. 140. S. XXIII: Uff samstag vor sant Gertrauten tag anno etc. 71, als her Hans Koler und her Gabriel Nutzel mitainander burgermaister gewest sein, haben her Hans Birckhaimer und her Jeronimus Kreß gesagt aus dem raut, das auf den jetzvermelten sampstag mit der merern menig schöpfen und rats ertailt wer worden, welliche die wern, es wern clager oder antworter, die nun furohin allhie im rat oder gericht des statt- oder paurengerichts irer gerichtzhandel und sachen mit urtail verlustig wurden, das sie iren widerparteien, gen den [Seite 89] sie dann also verlustig worden wern, alle und jeglich ir gerichtzschäden, so sie in das gericht den gerichtzschreibern für miie lesens und einschreibens und deßgleichen den fronbotten ausgeben und erlitten hetten, auch dartzu, was die brief in der canzlei, ob oder durch wellich die genommen costen wurden, ganz und gar ausrichten und bezalen sollen.

Her Jobst Haller und her Ulrich Grunther haben gesagt aus dem rat, das mit der merern menig schöpfen und des rats in Mayers, bierbreuers, sache contra Lienhart Tetzel und Otten und Peter die Engeltaler des furstands halben zu recht erkannt worden were. Die jetzgenannten drei wern auf die verkundung in bescheen schuldig zu antworten.

Nr. 10.

F. 143 b. S. XXVI: Nachdem eine jeder, der vor disem gericht mit urteil dem andern obleit, die gewonlichen gerichtzscheden mit sampt dem brifgelt in der cantzlei auszurichten pflichtig ist, also sollen die selben verlustigen auch pflichtig sein, die funftzichen pfening, so den procuratoren vormals von clag, antwurt, reden und widerreden gesetzt worden, auch auszurichten schuldig sein, was sie des denselben procuratoren geben hetten, und nit daruber.

Nr. 11.

F. 142. S. XXIV: Von fronfest und urlauben. Auch setzen, ordnen und wollen unser herrn vom rat, so hinfur jemands uff oder gegen ainichen burger oder burgerin vollung und alle gerichtzordnung erstanden und erlangt hat und der geschworen fronbott nach guttem vleiß, den er in den Sachen getreulich furkeren sol, nicht erfaren mag, das derselb verrecht burger in diser statt oder buttelstab beerbt oder beaigent sei und das den schopfen durch den fronbotten in gericht angesagt wirdet, so sol uff des clagers oder seins vollmachtigen anwaltz beger und gesinnen der verrecht burger oder burgerin von gerichtz wegen geurlabt werden also, doch wa derselb verrecht burger oder burgerin, so der, wie vorsteet, angenomen ist, kuntlich machen und warlich anzaigen mag, das er hie oder im puttelstab also beerbt oder beaignt sei, so sol man des zu fronfest nicht furen. Mochte er aber sollichs warlich nicht anzaigen, [Seite 90] so sol man in zu fronfest nemen und furter mit im halten und handeln nach gerichtzordnung. Hette aber derselb burger oder burgerin, uff den oder die rechtlich erlangt were, hie in der losungstuben oder anderswa zins oder leipgeding oder in andern gerichten ligend oder varend habe, so sollen dieselben in fronfest so lang gehalten werden, bis dem clager umb sein erlangte Vollung usrichtung und benügen beschicht, und sol auch ainichen derselben verrechten burgern in fronfest ligende der clager nicht pflichtig sein, mere zu speis ze raichen oder zegeben dann ains jeden tags drei pfenning wert brotz und wassers ain nottdurft.

Nr. 12.

F. 142 b. S. XXIII b: So auch hinfur jemands dem andern mit seinem willen umb schuld zusperret, so mag er dieselben sperrung und pfand halten vier wochen und ainen tag, und wo alsdann oder in mittler zeit ainich ander schuldiger, der uff den verrechten, des habe also versperrt worden were, mit recht ervolgt und erstanden hett, nachvolgte und hilf des rechten begerte, so sol alsdann nach ausgang der vermeldten vier wochen und ainem tag der erst schuldner, der gesperrt hat, dieselben gesperrten habe mit gerichte uffbieten und verkaufen, und ob daran icht ubermaß bestunde, so sol die dem nechsten andern nachvolgenden schuldiger zu seiner gerechtikait gewarten, damit zu handeln, wie sich nach gerichtzordnung und gepuret.

Anhang II. Jüdische Eidesformel

inHandschrift 438 des kgl.Kreisarchivs Nürnberg, Bl. 30b ff. in der Reformation 1479 (1484) am Schluß:
So ainem juden ain aid aufgelegt würd, so soll er zuvoran, ee er den aid tut, vor handen und augen haben ain buch, darinnen die gebott gots, die demMoscheh auf dem berg Zinay von gott [Seite 91] geschriben gegeben sind, und soll darauf den juden mit den worten bereden und beschweren: Ich beschwere dich jud bei dem ainigen, lebendigen und allmechtigen gott, schopfer der himeln und des ertrichs und aller ding und bei seiner torah und gesetz, welchs er gab seinem knecht Moscheh auf dem berg Zinay, das du wollest warlich sagen und veriehen, ob diß buch sei das buch, darauf ain jud ainem cristen oder ainem juden ainen rechten geburlichen aid tun und volfuren mag und soll. So dann der jud auf solch beschwerung bekennt und sagt das es dasselbig buch sei, so sol man in drei frag fragen und soll sprechen der, welcher den aid ervordert: Jud, ich frag dich zum ersten, ob du das wol waist und erkenst oder glaubst, als stet geschrieben in dem puch Joschuah, das, obwol der Joschuah und die Nesie oder haubtleut der zwelf geschlecht Israhel wurden betrogen von den mennern Gischon, der stat also genant. Jedoch darumb, das die haubtleut des volks Israhel hetten ihn geschworen in dem herren got Israhel, darumb wolten sie ire stat Gischon und ir volk nicht vertreiben, verderben und töten, sunder sie wolten in halten das beris oder die versünung. Und das haben sie getan, das sie nicht wolten erzurnen den herren got Israhel, darumb das sie bei im geschworen hatten. So sprech der jud: Ja ich glaub das. So sprech der crist: Jud, ich verkund dir warhaftiglichen, das wir cristen niemant anbeten dann allein den ainigen, almechtigen und lebentigen got. Und das sag ich dir darumb, das du nich[t] mainest, das du werst entschuldigt vor gott aines va[l]schen aids, indem das du mainest välschlichen, das wir cristen treiben abgotterei und beten an frembde götter oder treiben ketzerei, welchs gelogen ist. Und darumb sind die Nesie oder haubtleut des volks Israhel schuldig gewesen zu halten das, welchs sie hetten geschworen den mennern von Gischon, welche dienten den frembden gottern. Vil mer bist du schuldig uns cristen ainen warhaftigen aid schweren und halten, darumb das wir cristen anbeten den ainen lebentigen und allmechtigen gott. Wörtlich ebenso, aber: bereden und beschwern mit den nachvolgenden worten ditz gegenwertig puch dasselb puch sei, so mag ine der crist, der den aid von im vordert oder an seiner statt der, der im den aid gibt, fu*erhalten und verlesen dise nachvolgende frag und vermanung. Nemlich: Jude, ich verkunde dir warhaftiklichen, das wir cristen anpetten den einigen, allmechtigen und lebentigen got, der himel und erde und alle ding beschaffen hat, und das wir ausserhalb des keinen andern got haben, eren, noch anpetten. Das sag ich dir darumb und aus der ursach, das du nit meinest, das du werest entschuldigt vor got eins valschen aides, indem daz du wenen und halten mo*echtest, das wir cristen eins unrechten glaubens wern und fro*embde götter anpettetn, das doch nit ist, und darumb seind denmalen,das die Nesie oder hauptleute des volks Israel schuldig gewest sein zehalten das, so sie geschworn hetten den mennern von Giffhon, die doch dienten den fro*embden go*ettern. Vil mer bistu schuldig uns cristen als den, die da anpetten ainen lebendigen und almechtigen got, ze schwern und zehalten einen warhaftigen und unbetrieglichen aide.
Der krist: Darumb jud frag ich dich zum andern mal, ob du das glaubst, das ainer schendet den allmechtigen got, indem das er schwert ain valschen aid. So sprech der jud: Ja. [Seite 93] Darumb jude frage ich dich, ob du des glaubest, das einer schendet und lestert den almechtigen gott, in dem so er schwert einenfalschen und unwarhaftigen aide. So sprech der jud: Ja.
Der crist: Jud, ich frag dich zum dritten, ob du wilst aus bedachtem mut und on arglist anruffen den ainen, lebentigen und allmechtigen gott zu ainem zeugen, das du wilst war reden und nit liegen in allen disen spruchen, welche du wirst hie hernach reden oder antwurten. So sprech der jud: Ja. …..frage dich verrer, ob du aus wolbedachtem mu*ote und one alle argeliste und betrieglicheit den einen, lebentigen und almechtigen got wellest anru*effen zu einem zeugen der warhait, das du in diser sache, darumb dir ein aid aufgelegt ist, kainerlai unwarhait, falsch oder betrieglicheit reden noch geprauchen wellest in einich weise. So sprech der jud ja.
Der crist sprech: Jud,ich vermane und bezeug und beschwere dich durch deinen ainen, lebendigen und allmechtigen got, das du suchest die zehen gebott des allmechtigen gotts geschriben in dem puch Ellehschemos und das du lesest das ander gebot in der judischen sprach und dulmetzest das in der teutschen sprach laut und verstentlich. So hör der crist dem juden zu mit fleiß, ob er das ander gebott lese und recht tulmetsch in diser weise: So das alles beschen ist, so sol der jude sein rechte hand bis an den knorren legen in das vorgemelt puch und nemlich auf die wort des gesetzs und gepotts gottes, welche wort und gepott in hebraisch lauten also:
Lo cissa etschem adonai eloecha lasschaf qi lo ienaqqe adonai et asscher issa etschemo lasschaff. (Folgen die gleichen Worte.)
Nicht erheb den namen des herren deines gots unnutzlich, wann nicht wirt unschuldig oder ungestraffen lassen der herr den, der do erhebt seinen namen unnutzlich. [Seite 94]
So der jud das hat gelesen und getulmetscht, so soll er die rechten hand bis an den knorren in das buch und auf diese gelesne worter legen und soll dise nachfolgenden worter nachsprechen. Alsdann und darauf und ee-dann der Jude den aide volfürt, sol der Jude dem cristen, dem er den aide tun sol oder an seiner statt dem, der im den aide gibt, nachsprechen dise wort: (Es folgt das unter B Aufgeführte.)
Der aid laut also. Jud, sprich mir nach: O Adonay, ain schopfer himels und ertrichs und aller ding und mein und diser menschen, die hie steend, ich ruff an dich durch dein namen und alle malachimund alle mein veter und hailigen auf dise zeit zu der warheit, als und der N. mir zugesprochen hat umb etc. und als sich der handel und die sache etc., so bin ich im nichtz darumb schuldig oder pflichtig und hab kain verschlagen oder valsch zeuknis mit briefe oder zeugen gebraucht, sunder wie es gelaut hat umb haubtschuld oder sunst, was die sach ist etc. Also ist es war on alle geverd, listigkait, verborglichait, also bit ich mir got Adonay und alle malachim und alle heilige veter unsers geschlechtes, dise warheit zuhelfen besteten, und wa ich falsch unwarhait prauchet, mich zu straffen. Amen. Amen. Und ich sei herma und verflucht und alle mein geschlecht und die frucht meines leibs, [Seite 95] wa ich anders schwer oder in dem gemut hab, dann als die wort gemainlichen werden verstanden. Amen. Amen. Darnach so schwer der jude und sprech dem cristen nach dissen aide: Adonay . . . (folgen dieselben Worte) durch deinen heiligen namen auf dise zeit zu der warheit. Als und der N . . . . . hat umb den oder den handel, so bin ich im darumb oder daran ganz nicht schuldig oder pflichtig und hab auch in disem handel kainerlai falschait oder unwarhait gepraucht, sonder, wie es verlaut hat, umb hauptsach, schuld oder sonst, was die sach ist ….. Got Adonay zehelfen und zebestetten dise warheit. Wo ich aber nit recht oder war hab an diser sachen, sonder einich unwarhait, falsch oder betrieglichait dar inne geprauchet, so sei ich heram und verflucht ewigklich, wo ich auch nit war und recht hab in der sach, das mich dann ubergee und verzere das feur, das Sodoma und Gomorra ubergieng,und alle die flu*eche, die in der thora geschriben steen, und das mir auch der war gott, der laub und graß und alle ding beschaffen hat, nimmer noch zu hilf noch zu statten kome in einichen meinen sachen oder no*etten. Wo ich aber war und recht hab in diser sach, also helf mir der war gott Adonay und nit anders. (Die Schlußworte von »wo ich auch nit war und recht hab in der sach, das mich dann ubergee« bis zu Ende sind dem älteren Nürnberger Judeneid = Amberger Judeneid wörtlich entlehnt, in welchen es aber heißt: »wo du nit war und recht habest etc.«. Vgl. 1. Teil 1. Kap.)
(Der Verfasser bezw. Kopist dieses Entwurfes fährt dann folgendermaßen fort:) (A.) Ich rat auf besserung der weisen, das ain hoch weiser rat beschickt drei oder vier juden, und die gelert seien, und ainen on den ander haimlich haiß suchen in der thorah, das ist dem funften puch Moysy, den sie nennen Mosse Rabeno, und such in dem andern puch, genant elles schemos, und das er zaig, wa sich die gebot anfahen und hais in das teutschen und auch in hebraisch lesen und [Seite 96] merk ainer auf die ebraischen wort, als sie in des predigers zettel verzaichnet sind. Darnach laß man den juden hinausgan und merkt das platt etc. also die man dem andern, dritten, ob sie gleich, zaigen. So merkt man haimlich das plat etc., doch also, das kainer den andern warne. Darnach so der den aid will tun, so beschwert man den Juden also. Item :
Ich bezeug und ruff zu meiner diser warhait an den allmechtigen, ewigen, ainigen gott Adonay, der erschinen ist Mosse Rabeno und im die thora gegeben hat, das da vor mir ligend und geschriben steend sein gepot, die er unsern vätern gegeben und darin er mir verpoten hat, das ich kainen menschen soll bei seinem namen Adonay falsch, trüglich oder hinderlistiglich schweren noch betriegen, auch kein unwarhait bestetigen, noch kain warhait laugnen. Also ruff ich an sein namen Adonay und sein ewige machtikeit. (Bis hier ist jeder Absatz von: Ich rat auf besserung etc. an mit vacat versehen!) (B.)
Zu dem andern mal so soll der jud legen sein hand etc.in das buch auf das gebot etc. und sprechen: Adonay, ewiger gott, ain her uber all malachim, ain ainiger got meiner väter, der uns die hailigen [Seite 97] thorah gegeben hast, ich ruff dich und dein hailigen namen Adonay an und dein allmechtichait und alle dein malachim und alle mein väter, das ir mir helft bestaten mein aid, den ich jetz soll ton, und wa ich unrecht schwer oder trügenlichen, so sei ich aller gnad beraupt des ewigen, ainigen gottes und mir werd hie in diser zeit aufgelegt alle straff und fluch, die got und sein hailig freund hand getan den verfluchten juden und mein sel, noch mein leib hab nimmes kain tail an der versprechung, die uns got getan hat, und main sam, noch ich sollen nicht tail haben an Messias, noch an dem versprochen ertrich des hailigen seligen lands. Amen. (Dieser Absatz hat ein b.) (Von »Adonay« an in die Reformation mit folgenden Änderungen übergegangen:) … allmechtiger gott …. der du uns …. dich und deinen namen Adonay und dein allmehtikeit an, das du mir helfest ….. unrecht oder betrieglich swern werde, so sei ich beraupt aller gnaden des ewigen gottes und mir werden aufgelegt alle die straffe und flu*eche, die gott den verfluchten juden aufgelegt hat und mein seele und leibe haben auch nimmer einichen tail an der versprechung….. Amen fehlt.
Ich versprech auch und bezeug das bei dem ewigen Adonay, das ich nit wil begeren, noch biten, noch aufnemen kain erclerung, auslegung, abnemung, vergebung von kainem menschen, von kainem juden, noch erbarmung von gott begern, wa ich betrieg ain menschen oder mer mit disem aid. Amen. (Der Jurist machte noch weitere Besserungsvorschläge, welche aber nicht in die Reformation aufgenommen wurden.) (Dieser Absatz hat ein c). einich erclerung …. von keinen juden, noch anderm menschen, wo ich mit dissem meinem aide, so ich jetzo tun wird, einichen menschen betriegen. Amen.

[Seite 98]

Anhang III. Reformation des Landgerichts zu Nürnberg 1460.

»… Das und auch angesehen, das in unsers gnedigisten herrn des Romischen kaisers hoffgerichte, landgerichte und andern gerichten gaistlichen und weltlichen die selben gewonheit nicht gehalten wurdet, sunder das da vor ein jeder den andern durch seinen anwalt und gewalt, des nach ordnung der recht gnug ist, mit clagen oder verantwurten rechtfertigen mag, als auch das die gemainen keiserlichen und geschriben recht zugeben und gestatten, darumb … und auch das sich selb landgericht in solicher und andern loblicher gewonheiten billich conformiret und gegleichet dem ursprung, da dann en das fleußet, nemlich den gerichten des kaiserlichen hoffz, … reformiren und setzen wir …, das … alle die jenen, sie sein gaistlich oder werntlich, ainich oder gesamet person, die das obgemelt landgericht suchen und sich des gebrauchen wollen, ob inne das durch ir aigen person zu tun nicht füget oder verlanget, durch einen andern oder andre procurator und anwalt, den oder die der oder dieselben durch ir genugsam und volmechtig gewaltsbrief mit eines gehechten gerichtz einer statt, eins prelaten oder zweier edelmann insigelle bevestigt, orden und setzen in irem namen und von irentwegen ladung und furbot, haischen und fodern und nemen, auch clagen, verantwurten und alle andre notdurft in recht … «, doch sind ausgenommen Kampfsachen, »acht inzich zu tun und andre aide zu volfuren, auch verzeihung und ubergebung erbs und aigens, erblicher anfelle und erfolgter gerechtikeit«, damit soll es nach altem Herkommen gehalten werden.

Herrschaftl. Buch Nr. 17 im k. Kreisarchiv Nürnberg Bl. 19.

3.1. Die in der Hauptsache die ersten 11 Titel ausfüllen.

3.2. R(atsmanuale) 1479 K(reisarchiv) N(ürnberg).

3.3. R(atsmanuale) 1479 K(reisarchiv) N(ürnberg).

3.3. R(atsmanuale) 1479 K(reisarchiv) N(ürnberg).

4.1. in F(estgabe für Regelsberger) S. 72.

4.2. R. K. N.

4.2. R. K. N.

4.3. R. K. N.

4.3. R. K. N.

5.1. So sagt das Ratsbuch K. N. 1477: »Item die neue Ordnung des gerichts fürgenommen uf der canzeln lesen zu lassen in acht zu haben«, wobei hervorzuheben ist, daß die beiden Referenten, Ruprecht Haller und Ortolf Stromayr, in der Merkelschen Statutensammlung in diesem Jahre nicht erwähnt werden.

5.2. R.K.N. 1478.

5.3. F. S. 61.

5.4. Sie werden noch in den Ratsprotokollen von 1477—79 erwähnt. K.N.

6.1. Da die Doktoren keinen Zutritt zu den Ratssitzungen hatten. Kn(app, das alte Nürnberger Kriminalverfahren), S. 62.

6.2. Kn. S. 62.

6.3. R.K.N. 1478.

7.1. R.K.N. 1478.

7.2. Anhang II.

7.2. Anhang II.

8.1. Gengler, Deutsche Stadtrechte, S. 325.

8.2. S. 12.

8.3. Böhmer, Wittelsbachische Reg., 1854, S. 11. Allg. Zeitung 1854. 2. Juli. M.

8.4. Vgl. Anm. 2 (2. Kapitel).

9.1. Mayer, Nürnbergs Handel und Industrie, S. 48 ff.

9.2. Gengler a.a.O. S. 325.

10.1. Vgl. Grunzel, die deutschen Stadtrechte Böhmens und Mährens, in den »Mitteilungen des Vereins der Deutschen in Böhmen« 30, S. 128, 140 und Ott, Rezeption des röm.-kan. Rechts in Österreich, S. 178.

11.1. Kürschner, Das Stadtrecht von Eger und seine Verbreitung, in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 6. Jahrg., 7. Heft, S. 200.

11.2. Köpl in den Mitteilungen d. Inst. f. österreichische G(eschichts) F(orschung) VIII. B., S. 306 ff. und Gengler a.a.O. S. 359.

12.1. Rößler, Rechtsdenkmäler, II., S. CXI.

12.2. Ott a.a.O. S. 178.

13.1. Rößler, I., XXXI.

13.2. Bensen, Geschichte Rothenburgs, S. 140.

13.3. S. z. B. S. 29 (Prozeßfähigkeit der Frauen).

13.4. Schenkl, Sammlung der Freyheiten etc. der Stadt Amberg, S. 35. Merkel a.a.O. S. 139. Anhang II.

14.1. Schenkl a.a.O. S. 21.

14.2. Vgl. Wölckern, Comm. succ., I. T., S. 26.

14.3. Vgl. z.B. S. 54, 79.

15.1. Vgl. Zeitschrift für Rechtsgeschichte, B. 12, S. 80.

15.2. S. 10, S. 11, Anm. 1, S. 14, Anm. 1.

16.1. Siebenkees in seinem Jurist. Magazin Bd. I, über Geschichte des Nürnberger Stadtrechts, § 5.

17.1. So bes. das Altprager Recht. S. Rößler.

17.2. Rockinger, Der Schwabenspiegel als Nürnberger Recht, im Bericht der Sitzung der histor. Klasse 3. III. 1894, S. 124 ff.

18.1. Stobbe, Deutsche Rechtsquellen, II., S. 298. Rockinger a. a. O. S. 127.

19.1. Beispiele: I, 9; VI, 18; VIII, 3, 12, 14; IX, 4; XI, 1, 7.

20.1. Wölckern, Hist. Nbg. diplomatica, S. 682.

20.2. Franklin, »Reichskammergericht«, S. 38.

20.3. Vgl. Anhang III.

20.4. Herrmann, Rezeption des Humanismus in Nürnberg, S. 4.

21.1. Allg. deutsche Biographie B. 20, S. 113.

21.2. R.K.N. 1477.

21.3. R.K.N. 1478: »Item zu hertzog Ludwig und doctor Merten eine ratsbotschaft ze schicken ratspflegen, was gegenüber dem verclagen des bischofs von Bamberg furezenemen ist«. — »Item so man zu doctor Mertein icht schickt, als dann im Mugenhofers handel zu schicken und bei im rats pflegen«.

21.2. R.K.N. 1477.

22.1. R.K.N. 1477.

22.2. Thomas, Oberhof zu Frankfurt, S. 97.

22.3. R.K.N.

22.4. Er tritt in den „Mitt. d. V. für Geschichte in Frankfurt a. M.“ II, S. 90 als städtischer Anwalt im Jahre 1472 auf.

22.5. S. S. 5.

22.6. R.K.N. 1478: »Item zu acht ze haben, den tag zu Frankfurt bei den doctoren der reformacionhalb uff Elisabeth.«

23.1. Deshalb finden sich direkte Anlehnungen an das Corpus juris civilis oder canonici selten. Vgl. aber S. 46, 47.

24.1. Merkel a.a.O. S. 129. Vgl. S. 59.

24.2. Das will Merkel S. 116.

24.3. Von Merkel so genannt, weil er ihn in der dortigen Stadtbibliothek wieder auffand.

24.4. Merkel a.a.O. S. 63ff.

25.1. Lünig, Reichsarchiv Pars spec. IV, II. Teil, S. 118, Nr. XLI (1714).

25.2. Hist. Norimbg. Diplom. S. 699.

26.1. Hist. Norimbg. diplom. S. 699.

26.2. Knapp S. 60, 63.

27.1. Hist. Norimb. diplom. S. 521, 525.

27.2. Merkel a. a. O. S. 75.

28.1. Knapp S. 56, Zeile 310.

28.2. Schwabensp. (Laßberg) a. 173.

28.3. Schwabensp. 75, Sachsensp. 46.

29.1. Schwabensp. 75, Sachsensp. 46.

29.2. A. 45 (Auer).

29.3. Schenkl S. 24 (1390).

29.4. Rößler I. 119.

29.5. Merkel a. a. O. S. 68. Anhang I, Nr. 4. F. 129b, S. X.

30.1. Rößler II, 487.

30.2. Schenkl a. a. O. S. 27.

30.3. Rößler I. 119 (Statutarr).

31.1. Merkel a. a. O. S. 69.

31.2. Eine der Parteien ist Fürst (so Sachsensp. II, 42, § 3, Schwabensp. 207) oder Gast (so auch im Nürnberger Gastprozesse. Siebenkees III, 222 ff.)

31.3. S. Anhang III.

32.1. R.K.N. 1477.

32.2. S. Anhang III.

32.1. R.K.N. 1477.

33.1. Wölckern, Commentatio etc., S. 657.

33.2. Vgl. Bamberger Stadtr. von Zöpfl S. 70. — Ansbacher Reformation von 1460, Anhang III.

33.3. Vgl. Rößler I, Stat. 8; Bamberger Str. (Zöpfl S. 67); System. Schöffenrecht von Magdeburg (Laband) I, cap. 12, 17, IV, cap. 71.

34.1. R.K.N. 1477: Item doctor Mertein zeschreiben vnd rats pflegen der schube halben, die in gericht die rechtenden parteien vordern, uff suchung die advocaten etc.

34.2. Rößler, II., 65.

35.1. Pl(ank, Gerichtsverf.) I, 168ff.

35.2. Es kannte nur die Nebenintervention.

35.3. Weismann, Hauptintervention, S. 8.

36.1. Anhang I, Nr. 2 (2. Abs.).

36.2. F(ürther Codex) 124. S(cheuerlscher) III. Merkel a. a. O. S. 99.

36.3. 8) F. 120, S. VI = Anhang I, No. 2.

36.4. A. 8.

36.5. Rosenthal, Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte, S. 190.

37.1. Ebenda S. 277.

37.2. I. Titel. Merkel S. 120.

37.3. Tomaschek, Oberhof zu Iglau, 118.

37.4. A. 27 bezw. 252.

37.5. Schenkl S. 11.

37.6. Lochner, Nürnb. Jahrb., 3. Heft, S. 147. Siebenkees, Beiträge III, 226. Sachsensp. I § 70.

38.1. Merkel S. 108.

38.2. Kürschner a. a. O.

39.1. Vgl. die Zusammenstellung bei Vogel, Des Ritters Ludwig v. Eyb Aufzeichnungen über das Nbger. Landgericht, S. 6, 7

39.2. S. übrigens auch das bei Schmeller-Frommann II, 896 Gesagte. M

39.3. Näheres hierüber Merkel S. 73.

39.4. Kürschner a. a. O. S. 198.

40.1. Thomas a. a. O. S. 235.

40.2. So im Münchner (A. 395), Bamberger (Zöpfl S. 70), Straubinger (Rosenthal a. a. O. S. 277) Stadtrechte.

40.3. Siebenkees III, 226.

41.1. Schon Nützel bekannt, Hist. Ref. Nbg. p. 12. Merkel S. 74.

41.2. Planck I, S. 345.

41.3. Anhang I, Nr. 3 (F. 127, S. VII).

41.4. Ganz ähnlich Münch. Str. (A. 27), bayr. Landr. (A. 252), Prager Str. (Rb. 5), Brünn (Rößler II, S. 22).

42.1. S. Anhang I, Nr. 2 (F. 126).

42.2. S. Anhang I, Nr. 8 (F. 131b. S. XIII).

43.1. Anhang I, Nr. 9 (F. 140). Vgl. auch Anhang I, Nr. 10 (F. 143b).

43.2.

43.2. Bez. der Fronboten (F. 126b, S. IV). Anhang I, Nr. 1.

44.1. Privileg von 1464 (Historia dipl. S. 682): »Es sollen … die vergeben worter, die man im rate und gerichte daselbst zu N. in rechtlichen handeln schriftlich und mündlich übet«.

44.2. R. K. N. 1477.

44.3. R. K. N. 1478.

44.4. Vgl. Landesordng. v. Herzog Ludwig (Landshut 1474) bei Krenner, Bayer. Landtage, VII, S. 428. Maurer, Gesch. des germ. Gerichtsverfahrens, S.334.

45.1. Maurer a. a. O. S. 334, 335.

45.2. Die Reformation des Albrecht Achilles von 1447 gibt das als Grund an. K. N.

48.1. v. Amira, Grundriß d. g. R., S. 130.

49.1. So z. B. Kammergerichtsordnung von 1471, § 10—12.

50.1. Richtsteig Landrecht Kap. 20, A; 23 § 1.

50.2. Merkel S. 119.

50.3. Vgl. Münchner Stadtr. A. 61.

51.1. Planck, d. d. Gerichtsverf. im Mittelalter, II. S. 268.

51.2. Merkel a. a. O. S. 100.

51.3. Die gleiche Praxis bestand am Kammergericht. Franklin a. a. O. S. 25.

51.4. Ebenso Bayer. Landr. A. 8.

52.1. Merkel a. a. O. S. 108.

52.2. Planck I, S. 387.

53.1. Rößler I, Rb. 67.

53.2. Anhang I., Nr. 6 (F. 131, S. VII).

53.3. Anhang I, Nr. 6 (2. Abs.).

54.1. Merkel a. a. O. S. 80.

54.2. Zöpfl a. a. O. S. 228; § 29, 64.

55.1. Baader a. a. O. S. 135.

55.2. Merkel a. a. O. S. 144. Angewendet ist dieses Prinzip in den bereits besprochenen Gesetzen 2 und 4, Tit. XXIX.

55.3. Vgl. das beim Eid Gesagte.

55.4. Vgl. das unten Ausgeführte.

56.1. Original in K. N. No. 438 (Handschrift). Abdruck im hist.-dipl. Magazin II, S. 315.

56.2. Rößler I, St. 53, dagegen Schwabenspiegel § 3.

57.1. Rößler II, Schöffenspr. 682.

57.2. Tomaschek a. a. O. S. 34, 359.

57.3. Rößler I, St. 66, 8, 59.

57.4. Rößler I, St. 129. Baader S. 9. Vgl. Bamberg § 244 (Zöpfl). Histor. Dipl. S. 638

57.5. A. 319.

57.6. Tomaschek a. a. O. S. 37.

57.7. Rößler II, S. 705.

58.1. Merkel a. a. O. 116, 144.

58.2. Rößler II, 682, 391.

58.3. Knapp a. a. O. S. 10.

59.1. Vgl. Merkel.

61.1. München, kanon. Gerichtsverf., I. S. 199.

62.1. Vgl. Knapp a. a. O. S. 108.

63.1. Die Schriftstücke, die als Beweismittel dienen, müssen spätestens bis zum 2 Fürbot vorgelegt werden. Merkel S. 101.

64.1. Vgl. München a. a. O. S. 163.

64.2. Vgl. München a. a. O. S. 167.

65.1. Im einzelnen sind die Gesetze höchst unklar redigiert.

66.1. Thomas a. a. O. S. 97.

67.1. Zöpfl, a. a. O. S. 233.

67.2. Z. B. Zöpfl 234. Rößler I, LXXIV (Eid bei der Vindikation). Übrigens ist der Ausdruck der Nürnberger Rechtssprache: »Heimwerfen des Rechts« gleichbedeutend mit diesem Heimgeben. Vgl. Anhang I, No. 5.

68.1. Zöpfl a. a O. § 244, 238.

69.1. Beispiel: Ratsmanuale von 1477: Jorg Pfister hat geappellieret und den aid nach laut des püchleins getan ….

70.1. Planck I, S. 274 erwähnt sie nicht.

70.2. Tomaschek a. a. O. S. 325.

71.1. Engelmann, Civilproz, II, 3, S. 70.

71.2. So die Eichstätter Reformation (Merkel, a. a. O. S. 119) und die Niederb. Landesordnung bei Krenner VII, a. a. O. S. 433.

71.3. Thomas, Oberhof, S. 98.

72.1. R. K. N.: Item M. Ebner rats pflegen des manns halb, der von einer execution appelliern wil.

72.2. R.K.N. 1477: Das stuck der advocaten halb baß zu ratslagen. Jobs Haller, P. Volkamayr.

72.3. Merkel a. a. O. S. 140.

74.1. Anhang I, No. 11 (F. 142, S. XXIV).

74.2. Anhang I, No. 7 (F. 139b, S. XXII).

74.3. A. 102. Die Frist der sächs. Quellen ist 3×14 Tage.

75.1. A. 233—235.

75.2. Freyberg S. 131.

75.3. Baculus jud. § § 36, 70.

75.2. Freyberg S. 131.

75.4. Vgl. Meibom, Pfandrecht, S. 86.

76.1. Baculus jud. §§ 36, 70.

76.2. Bayer. Landrecht 233. Schwabensp. A. 81.

76.3. Anhang I, No. 12 (F. 142 b) und (F. 129 b. S. X). Anhang I, No. 4.

77.1. Kürschner a. a. O. 198.

77.2. Freyberg 131.

77.3. A. 103, 104.

77.4. Sie erfolgt nach dem unten zu erwähnenden Gesetz von 1472 durch einen Schöffen oder Fronboten.

78.1. Merkel a. a. O. S. 79.

78.2. Merkel a. a. O. S. 104.

79.1. S. Anhang I, No. 11, ein Statut von 1475, wo allerdings der Amtseid noch nicht erwähnt ist.

79.2. Kürschner a. a. O. S. 199.

79.3. Zöpfl. a. a. O. § 434b

80.1. Vgl. XXII, 7.

80.2. Merkel a. a. O. S. 74.

81.1.

81.1. S. S. 39. Kürschner a. a. O. S. 198.

81.2.

81.2. Vgl. Merkel a. a. O. S. 78.

82.1. Ratsmanuale K. N.

82.2. A. 44, 17.

84.1. S. 47