Heino Speer | |
Gerhard Marquordt, Vier rheinische Prozeßordnungen aus dem 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zum Prozeßrecht der Rezeptionszeit :: Digitale Edition 2012 |
Home I. Die Bedeutung der Prozeßordnungen für die Geschichte der Rezeption II. Quellen und Einflußgebiet der Prozeßordnungen. III. Das Recht der Prozeßordnungen. IV. Das Verhältnis der Prozeßordnungen zu dem römisch-kanonischen und dem deutschen Recht. Appendix A Index auf Grund einer Verschlagwortung des elektronischen Textes. |
EditorialGerhard Marquordt, Vier rheinische Prozeßordnungen aus dem 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zum Prozeßrecht der Rezeptionszeit. (= Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn. Begründet von H. Aubin und Th. Frings. Herausgegeben von A. Bach und Fr. Steinbach. 33. Bonn 1938.) I. Die Bedeutung der Prozeßordnungen für die Geschichte der RezeptionDie Rezeption des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland1.1 findet ihren Niederschlag vor allem in einer sehr großen Anzahl von Gesetzen, die zu Ende des 15. und während des 16. Jahrhunderts vom Reich, den Ländern und von den Städten erlassen werden. Eine Untersuchung dieser Gesetze bietet die beste Möglichkeit, den Rechtszustand zu erkennen, der infolge der Vermischung von eindringendem fremden und bestehendem deutschen Recht sich entwickelt hat, und so die Bedeutung des Rezeptionsvorganges abzuschätzen. Die bisherigen Veröffentlichungen über Rechtsordnungen aus der Zeit der Rezeption beschränken sich allerdings vorwiegend, soweit eine Prüfung des Prozeßrechts in Betracht kommt, auf die Reichskammergerichtsordnungen und, soweit Privatrecht in Frage steht, auf die insoweit meistens sehr umfangreichen Stadtrechtsreformationen1.2 Die Gesetze der Länder treten dagegen bei der Untersuchung im allgemeinen zurück. Die Beschränkung scheint gerechtfertigt, weil die Reichskammergerichtsordnungen und die bedeutenderen Stadtrechtsreformationen im wesentlichen aus der Zeit um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert stammen. Sie stellen also eineverhältnismäßig [Seite: 2] frühe Aufzeichnung des Rechtes der Rezeptionszeit dar. Und die in der Regel erst von der Mitte des 16. Jahrhunderts an erschienenen Gesetze der Territorien schließen sich weitgehend nicht nur in der formalen Gestaltung, sondern auch im Wortlaut an sie an. Dennoch kann aber, will man ein vollständiges Bild des Rechtes der Rezeptionszeit haben, nicht auf eine Untersuchung der territorialen Gesetzgebung verzichtet werden. Die Ähnlichkeit mit den früheren Reichs- und Stadtgesetzen ist zwar oft außerordentlich stark. Weil aber die Rechtsordnungen der Länder gegenüber diesen wesentlich andere Aufgaben zu erfüllen haben, so enthalten sie auch oft völlig abweichende Rechtsanschauungen und Vorschriften. Die Reformationen der Städte sind nämlich für einen Rechtskreis bestimmt, der schon vor dem Beginn der Rezeption ein gleichmäßiges und durch Verordnungen des Rates größtenteils normiertes Recht besaß. Die Reichskammergerichtsordnungen regeln das Verfahren vor Gerichten, in denen gelehrte Richter urteilen. Beides trifft für die Gesetze der Länder nicht zu, wenn man von den Hofgerichtsordnungen absieht. Diese können aber auch übergangen werden, weil sie in der Regel nur eine Reihe von Verwaltungsvorschriften, aber kaum materielles Recht enthalten. Die übrigen Gesetze der Länder aber und unter ihnen insbesondere die Untergerichtsordnungen sollen erst die widerspruchsvollen Verfahrensarten und Rechtsauffassungen der verschiedenen Untergerichte aneinander angleichen und so ein einheitliches Recht in den Territorien schaffen; sie wenden sich ferner an Richter und Parteien, welche außer einer praktischen Erfahrung in Rechtsangelegenheiten keine Kenntnisse besitzen und in ein ihnen völlig unbekanntes Rechtsdenken eingeführt werden sollen. Bei der umfangreichen Gesetzgebungstätigkeit aller deutschen Territorien verdienen allerdings, solange wir erst am Beginn der Erforschung des Rezeptionsvorgangs stehen, zunächst nur die frühesten Rechtsordnungen für die Niedergerichtsbarkeit besondere Beachtung. Zu ihnen gehört die Mainzer Untergerichtsordnung von 1534. Ihre eingehendere Untersuchung rechtfertigt sich auch dadurch, daß sie für die Gesetze anderer Territorien in weitem Umfang vorbildlich geworden ist. Insbesondere dieTrierer Untergerichtsordnung von 1537, die Kölner Gerichtsordnung von 1537/38 und die Jülicher Ordnung und Reformation von 1555 sind in enger Anlehnung an sie geschaffen [Seite: 3] worden. Aus einem Vergleich der vier Gesetze auf Übereinstimmungen oder Verschiedenheiten der Rechtsauffassungen lassen sich wertvolle Schlüsse auf die juristischen Lehren der Rezeptionszeit ziehen. Zudem ist eine gemeinsame Behandlung der vier Gerichtsordnungen auch deshalb angebracht, weil sie in demselben geographischen Raum zu ungefähr gleicher Zeit entstanden sind. Die Stellung der vier rheinischen Prozeßordnungen in der Rechtsentwicklung ihres Territoriums ist verhältnismäßig ungeklärt. Nur für Jülich besitzen wir bereits eingehende Untersuchungen über die Vorgänge bis zum Ergehen der Ordnung und Reformation im Jahre 1555.1.3 Für Mainz dürften auch in Zukunft kaum wesentliche Feststellungen über die Entstehung der Untergerichtsordnung möglich sein; denn in den Restbeständen des erzbischöflichen Archivs finden sich keine auf sie bezüglichen Akten.1.4 Immerhin lassen sich aus den Vorreden der Gesetze selber sowie aus gelegentlichen Verordnungen der Fürsten oder Vereinbarungen der Stände und aus den bisher für Jülich gewonnenen Ergebnissen die wesentlichen Gründe feststellen, die im 16. Jahrhundert auch in den Ländern zu einer besonderen Gesetzgebung für die Niedergerichtsbarkeit führten. In allen Vorreden wird betont, daß in den unteren Gerichten ein völlig ungleichmäßiges Recht angewendet werde. Es werde gegen Billigkeit und Gerechtigkeit verstoßen. Auch im übrigen liege die Ausübung der Rechtspflege durch die Untergerichte darnieder. So müsse der Gesetzgeber mit dem Erlaß schriftlicher Ordnungen eingreifen. Die Beschwerden sind keineswegs Übertreibungen juristischer Räte des Landesfürsten, die gegen das deutsche Recht eifern. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat in den ländlichen Bezirken Deutschlands eine einheitliche Rechtsüberzeugung gefehlt. Das ist nicht allein auf das Eindringen des fremden Rechts zurückzuführen; denn dem deutschen Recht des 14. und 15. Jahrhunderts haftete ohnehin eine innere Unsicherheit an, die es nicht zur Ausbildung allgemein-gültiger Rechtssätze fortschreiten ließ. Das Fehlen einer einheitlichen Rechtsüberzeugung äußert sich [Seite: 4] in einer Reihe von Erscheinungen wie die unbedingte Anerkennung der Appellation an ein höheres Gericht, das Bedürfnis nach schriftlichen Aufzeichnungen, die Vereinbarung von nach bestimmten Rechtsbüchern urteilenden Schiedsgerichten durch die Parteien. Diese Erscheinungen veranlassen den Gesetzgeber, in den Territorien einzugreifen. 1. Sämtliche Vorreden,1.5 vor allem aber auch die Vorstellungen der Jülicher Stände,1.6 begründen die Schaffung einer neuen Rechtsordnung damit, daß die meisten Urteile der Untergerichte wegen reiner Formmängel von den höheren Gerichten wieder aufgehoben würden. Wegen der Appellation müsse ein einheitliches, den Grundsätzen des zweitinstanzlichen Prozesses angepaßtes Verfahren eingeführt werden. Im Gebiet der vier rheinischen Prozeßordnungen kann als sicher angenommen werden, daß die Appellation schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts allgemein anerkannt war. Sie ging in den Erzbistümern Mainz und Trier an das Hofgericht. Dies sprach — in Mainz seit der Ordnung von 1516 auf ausdrückliche Vorschrift hin und in Trier mindestens seit derselben Zeit1.7 nach romanistisch-kanonistischen Anschauungen Recht. Für Jülich, das nicht wie die Kurfürstentümer ein privilegium de non appellando besaß, ging der Rechtszug an das Reichskammergericht. Hier ist mit der Ordnung von 1495 das "gemeine Recht" eingeführt. Eine Ausnahme scheint nur Köln zu bilden, obwohl hier in der Vorrede zur Gerichtsordnung ebenfalls die Appellation als wichtigster Anlaß der Gesetzgebung bezeichnet wird.1.8 Denn es besaß einerseits ein Appellationsprivileg, andererseits aber kein Hofgericht.1.9 Die in seinem Gebiet die zweite Instanz bildenden, mit Laien besetzten Hauptgerichte hätten also die Grundsätze des deutschen Rechts bewahren können. Jedoch trat einmal neben den Hauptgerichten auch die Kammer des Erzbischofs als zweitinstanzliches Gericht auf. Sie bestand aus Juristen und urteilte also nach fremdem Recht. Ferner ist das Reichskammergericht auch in den Kurerzbistümern trotz des [Seite: 5] privilegium de non appellando nicht ohne Einfluß geblieben. Man gestattete nämlich bei hohen Streitobjekten seine Anrufung.1.10 Vor allem aber konnte Köln sich nicht allein den Einflüssen entziehen, die zur Einführung des fremden Rechts drängten. Es kann also auch für sein Recht der Satz festgehalten werden, daß die Zulässigkeit der Appellation stark zum Fortschreiten der Rezeption und zum Erlaß der neuen Ordnungen beitrug. 2. Nicht nur das Bedürfnis, das Verfahren der unteren Gerichte an das der höheren anzugleichen, führte zum Entstehen der Gerichtsordnungen. Sie sollten auch ein allgemein gültiges Recht in dem betreffenden Territorium schaffen und so die fehlende gemeinsame Rechtsüberzeugung wiederherstellen. Versuche, das geübte Verfahrens- und Privatrecht aufzuzeichnen, wurden auch schon vor der Rezeption gemacht. So finden wir aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts ein bergisches Ritterrecht, ferner für die Stadt Mainz ein Weistum und eine Sammlung von Zivilprozeßformeln.1.11 Schließlich gibt es in Trier eine sehr frühe Schöffengerichtsordnung von 1400.1.12 Auch verlangen von 1463 ab die Stände Kölns von jedem künftigen Erzbischof das Versprechen, er werde eine Rechtsordnung erlassen.1.13 Aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts sind endlich eine trierische Schöffengerichtsordnung für Koblenz (von 1515) und ein Landrecht für Jülich (von 1537) vorhanden.1.14 Alle Aufzeichnungen haben aber nicht an sämtlichen Gerichten des Territoriums, in dem sie erlassen wurden, Geltung erlangt. 3. Die neuen Prozeßgesetze und Rechtsordnungen der Länder sollten schließlich die schwindende Macht der Untergerichte wieder stützen. Die Parteien trugen im 16. Jahrhundert nämlich nur noch einen Teil ihrer Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten ihres Territoriums aus. Sie konnten es deshalb schon nicht in vollem Umfang, weil die Niedergerichte keine [Seite: 6] einheitliche Rechtsprechung mehr besaßen. Der Ablauf eines Prozesses war daher nicht vorauszusehen und es nützte auch nichts, wenn — wie es vielfach geschah — die Parteien durch Berufung auf das fremde Recht auch vor den Laienrichtern der Untergerichte ein festes Rechtssystem einzuführen suchten.1.15 Deshalb griffen sie im Laufe der Entwicklung zu dem Ausweg, von vornherein die Zuständigkeit eines bereits nach dem römisch-kanonischen Recht urteilenden Gerichts von sich aus zu vereinbaren. Sie klagten sofort vor einem Gericht der höheren Instanz oder vor einem geistlichen Gerichtshof .1.16 Die Kirche unterstützte diese Entwicklung, um ihren eigenen Einfluß zu stärken. Vor allem zur Abwehr solcher Bestrebungen drängten die Stände auf den Erlaß der neuen Prozeßordnungen.1.17 Die vier Prozeßordnungen umfassen nicht nur reines Verfahrensrecht. So ist in Mainz die Einkindschaft und die Vormundschaft geregelt, beides Rechtsinstitute, die eine Mitwirkung des Gerichts erforderten: man wollte in den neuen Gesetzen den Richtern der Untergerichte ein vollständiges Bild über ihre Tätigkeit geben. Trier fügt den Mainzer privatrechtlichen Bestimmungen Abschnitte über die Präskription und über das Retraktrecht an, weil die Präskription ein häufiger Einwand im Prozeß sei und weil der Retrakt zu vielen Streitigkeiten Anlaß gebe. Die Kölner Ordnung allerdings behandelt außer dem Prozeß nur die Vormundschaft. Sie ist aber auch schon im Jahre nach ihrer Publikation in den weiteren Rahmen der sog.Kölner Reformation von 1538 eingefügt worden,1.18 die neben ihr eine Reihe von Reichsgesetzen1.19 und Abschnitte über Bürgschaft, Wucher, Erbrecht und Kaufverträge enthielt. Das Privatrecht des Jülicher Gesetzes schließlich umfaßt alle Teile, die auch Trier enthält, [Seite: 7] dazu aber weitere umfangreiche Abschnitte über andere Gebiete des bürgerlichen Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Erbrechts.1.20 [Seite: 8] II. Quellen und Einflußgebiet der Prozeßordnungen.§ 1. Allgemeines.Die Tatsache, daß sich fast alle Gesetze der Rezeptionszeit sowohl in der Formulierung der einzelnen Vorschriften als auch in ihrem gesamten Aufbau weitgehend an bereits erlassene Ordnungen anlehnen, gestattet es einerseits, die unmittelbaren Quellen der vier rheinischen Prozeßordnungen zu bestimmen, und andererseits, ihren späteren Einfluß zu umgrenzen. Da die vier Prozeßordnungen bezwecken, das Verfahren der niederen Gerichte an das der höheren anzugleichen und so unnötige Appellationen zu verhindern, sollte man annehmen, daß sie eine starke Übereinstimmung mit den Reichskammer- und Hofgerichtsordnungen aufweisen. Das ist aber nicht der Fall. Die Gesetze für das Reichskammergericht und die Hofgerichte sind für gelehrte Richter und Advokaten (d.h. gleichfalls mit dem gemeinen Recht vertraute Parteivertreter) bestimmt. Sie enthalten wenig materielles Prozeßrecht, befassen sich vielmehr vorwiegend mit Organisations- und Verwaltungsfragen. So regeln die bis zum Jahre 1555 erlassenen Reichskammergerichtsordnungen eingehender nur das Versäumnisverfahren und die Behandlung der sogenannten summarischen Prozesse.2.1 Erst die Ordnung von 1555 versucht den gesamten Prozeß darzustellen. Seit diesem Zeitpunkt hat daher auch die prozessuale Reichsgesetzgebung auf die Ländergesetze einen größeren Einfluß ausgeübt,2.2 obwohl ein Zwang zur Übernahme des Reichsrechts in die territorialen Ordnungen nicht ausgeübt worden ist und auch eine subsidiäre Geltung der Reichskammergerichtsordnungen in [Seite: 9] den Gerichten der einzelnen Länder nicht angenommen werden kann.2.3 Unter den Hofgerichtsordnungen ragt die Mainzer Ordnung von 1516 wegen ihrer verhältnismäßig umfangreichen materiellen Vorschriften hervor. Sie wird deshalb auch als "allen anderen Gerichten dienlich" bezeichnet. Für die Laienrichter der Untergerichte sind ihre hauptsächlich das Beweis- und Versäumnisverfahren betreffenden Vorschriften nicht ausreichend. Auch sie ist deshalb bei der Abfassung der Mainzer Untergerichtsordnung von 1534 nur wenig berücksichtigt worden. Eben weil Reichskammer- und Hofgerichtsordnungen sich an gelehrte Richter wandten und vorwiegend organisatorische Vorschriften enthielten, kommen sie als Quellen für Gesetze der Niedergerichtsbarkeit kaum in Betracht. Aus dem gleichen Grunde kann auch ein stärkerer Einfluß der Ordnungen für die kirchlichen Gerichte auf die vier Prozeßordnungen nicht festgestellt werden. Wenn in der Kölner Reformation (28a) hervorgehoben wird, daß der Verfahrensablauf in der weltlichen und in der geistlichen Instanz übereinstimme, so beruht dies auf der Gleichheit der zugrundeliegenden Rechtsanschauungen, und nicht darauf, daß etwa bei der Abfassung des Kölner weltlichen Gesetzes die geistliche Gerichtsordnung von 1528/29 benutzt ist. Die teilweise in den Territorien bereits vorhandenen älteren Rechtsaufzeichnungen enthalten in der Regel nur deutsches Recht. Sie sind auch in ihrem Aufbau unsystematisch. Als Grundlage für die unter dem Eindruck der Rezeption stehenden neuen Gesetze waren sie darum nicht brauchbar. So erklärt es sich, daß zum Beispiel kaum irgendwelche Bestimmungen der Jülicher Reformation von 1555 auf das erst 1537 aufgezeichnete Landrecht zurückgeführt werden können, und daß aus der an sich schon stärker romanisierenden Koblenzer Schöffengerichtsordnung von 1515 nur einmal ein Formular in die Trierer Untergerichtsordnung übernommen worden ist. Die wichtigsten Quellen der vier Prozeßordnungen sind also nicht die Gesetze des Reiches oder bereits vorliegende eigene Rechtsaufzeichnungen; die Gesetzgeber schlossen sich vielmehr [Seite: 10] bei ihrer Abfassung weitgehend an die Stadtrechtsreformationen der west- und süddeutschen Reichsstädte an. Die Ordnungen der Städte Nürnberg, Frankfurt und Worms haben auf diese Weise eine große Bedeutung für den Verlauf der Rezeption gewonnen. § 2. MainzAls Quellen der Mainzer Untergerichtsordnung kommen in Betracht: die Frankfurter Reformation von 1509 , die Wormser Reformation von 1499, die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516 und die bis 1534 erschienene Reichsgesetzgebung. Nur in geringem Umfang sind das Freiburger Stadtrecht von 1520 und die Koblenzer Schöffengerichtsordnung von 1515 herangezogen worden. Es ist heute nicht mehr möglich, bei jeder der Vorschriften der Untergerichtsordnung einwandfrei zu bestimmen, aus welchem von den angeführten Gesetzen sie stammt. Einzelne Bestimmungen der Untergerichtsordnung finden sich nämlich nicht nur gleichlautend in einer der als Quelle in Betracht kommenden Ordnungen wieder, sondern ebenso in mehreren anderen Quellengesetzen. So stehen Teile der Abschnitte 12a "von Satzstücken und Artikeln", 13a "der Zeugen Eid" und 19a "von Appellation, so von Endurteilen ..." in Übereinstimmung sowohl mit den entsprechenden Vorschriften der Frankfurter Reformation als auch der Mainzer Hofgerichtsordnung. Auch die Abschnitte 5b "wie auf Ungehorsam des Antworters ..." und 11a "von dem Eide für Geferde" weisen Verwandtschaft gleichzeitig mit der Hofgerichtsordnung und mit der Reichsgesetzgebung auf. Diese Übereinstimmungen erklären sich daraus, daß der Mainzer Gesetzgeber bereits bei der Abfassung der Hofgerichtsordnung auf die vorhandenen Reichsgesetze und auf die Frankfurter Reformation zurückgegriffen hat. Diese haben also nicht nur unmittelbar auf die Untergerichtsordnung eingewirkt, sondern auch mittelbar auf dem Umwege über die Hofgerichtsordnung2.4
Im einzelnen liegt die Frankfurter Reformation, die als Hauptquelle der
Untergerichtsordnung bezeichnet werden muß, folgenden Abschnitten
zugrunde: Die Hofgerichtsordnung ist nur in den oben erwähnten Stellen verwendet worden. Von den aus der Reichsgesetzgebung entnommenen Vorschriften stammt der Abschnitt über den Ungehorsam aus der Reichskammergerichtsordnung von 1495 bzw.1500, während die Formel des Gefährdeeids aus der Ordnung von 1521 entnommen ist.2.5 Die Wormser Reformation läßt sich als Quelle nachweisen in den Titeln über die Ladung (4a), die Einbringung der Klage (5a) und vor allem in den Vorschriften über die Einkindschaft (24a). In dem Abschnitt über die Einkindschaft ist ferner das Freiburger Stadtrecht benutzt. Schließlich haben die Mainzer Untergerichts- und die Koblenzer Schöffengerichtsordnung dieselben Eidesformeln für Vormünder.2.6 § 3. TrierDie nur drei Jahre später erlassene Trierer Untergerichtsordnung ist in stärkster Anlehnung an das Mainzer Gesetz verfaßt worden. Sie enthält dessen sämtliche Titel. Nur die Abschnitte über Prozeßsicherheiten und über peremptorische Einreden zur Hauptsache sind fortgefallen. Der Wortlaut ist gegenüber Mainz verschiedentlich geändert. Die Änderungen sind durch das Bestreben veranlaßt, den Prozeß möglichst ausführlich darzustellen. Die aus diesem Grunde eingefügten umfangreichen Abschnitte über die Einreden des Beklagten gegen Richter, Gerichtsstand oder Klage sowie die Beispiele für Einwendungen beider Parteien gegen die Zeugen und sonstigen Beweise entstammen nur zu einem kleinen Teil der deutschen Rezeptionsgesetzgebung. Außer in dem Freiburger Stadtrecht und der Wormser [Seite: 12] Reformation finden wir vor 1537 keine gleichartigen Zusammenstellungen. In Worms und Freiburg stehen sie dem Umfang nach aber wesentlich hinter Trier zurück. Aus Worms stammen: Die Vorschriften über die Berichtspflicht des Gerichtsboten (10a), der Abschnitt über die Ablehnung von Richter und Schöffen (14a) und die Liste der Gerichtsstände (14b). Unter den Beispielen für die Ablehnung von Zeugen oder Verwerfung ihrer Aussagen finden sich Anklänge an die entsprechenden Zusammenstellungen im Wormser und Freiburger Recht. Aus der Koblenzer Schöffengerichtsordnung ist lediglich die Vorschrift über den Inhalt der Klage (10b) übernommen. § 4. KölnNoch enger als Trier lehnt sich die Gerichtsordnung von Köln an die Mainzer Untergerichtsordnung an. Sie weist selbst im Wortlaut kaum Abweichungen auf und ändert die Reihenfolge der Bestimmungen nur unwesentlich. Ebenso wie in Trier sind die Titel über Prozeßsicherheiten und über Einreden gegen die Hauptsache fortgefallen. Die neueingefügten Abschnitte über die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte gegenüber der Rechtsprechung der Kirche (6a) und "von Antwortung des Beklagten" (9b) stellen selbständige Arbeiten dar. Das gleiche gilt für die Darstellung des Appellationsverfahrens, wenn auch in einigen Sätzen die Verwendung der Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516 nachgewiesen werden kann. Schließlich haben die Bestimmungen gegen das bisherige Verfahren der westfälischen Gerichte kein Vorbild in der zeitgenössischen Gesetzgebung. Der Verfasser des Kölner Gesetzes muß größere Rechtskenntnisse besessen haben. Im ganzen erscheint es deshalb nicht ausgeschlossen, daß die Gerichtsordnung von dem damaligen Professor an der Universität Köln, Johannes Oldendorp, entworfen ist.2.7 Wenn gegen seine Urheberschaft angeführt wird, daß die Ordnung keine wissenschaftliche Leistung darstelle, so läßt sich dieser Einwand bei dem damaligen Stand der Rechtswissenschaft und bei der Überlastung der Juristen mit anderen Staatsgeschäften kaum halten.[Seite: 13] § 5. JülichDaß man bei der Schaffung der neuen Gesetze nicht auf die vorhandenen Rechtsaufzeichnungen des eigenen Territoriums zurückgriff, ergibt sich gerade bei einer Prüfung der Quellen der Jülicher Ordnung von 1555. Das Landrecht von 1537 ist nur im privatrechtlichen Teil an einigen Punkten benutzt.2.8 Auch ein Entwurf zu einer Gerichtsordnung aus dem Jahre 1537 von Hubert Smetz2.9 ist kaum herangezogen. Einige Übereinstimmungen finden sich in den Titeln über die Ladung, über das Vollstreckungsrecht und über die Kautionsbestellung. Fast ausschließlich hat sich der Verfasser des Jülicher Gesetzes, soweit jedenfalls das Prozeßrecht in Betracht kommt, dagegen die Trierer und die Kölner Ordnung zum Vorbild genommen. Er hat insbesondere die Trierer Listen über Einreden abgeschrieben. Daneben hat er jedoch auch die privatrechtlichen Teile, die er in beiden Gesetzen vorfand, verwertet. So stammen aus Trier die Abschnitte über das Retraktrecht, die Einkindschaft und die Präskription, während in den Bestimmungen über die Vormundschaft die Kölner Fassung gewählt ist. In einigen Abschnitten der Jülicher Reformation ist bayerisches und nürnberger Recht verwertet worden. Der Nürnberger Reformation von 1479/84 — nicht dagegen merkwürdigerweise der Fassung von 1522 — entstammen die Kapitel über den zugeschobenen Eid ("in Sachen so nit wie recht bewiesen" 48) und über die Zeugen zum ewigen Gedächtnis (51). Die Gerichtsordnung des Fürstentums Ober- und Niederbayern von 1520 wurde vorbildlich für die Titel über die Zulässigkeit negativer Beweisartikel (50) und über die Beweiskraft von Abschriften öffentlicher Urkunden (wie Vidimus und Transsumpten ... 52), von denen der letztere fast gleichlautend auch in der Nürnberger Reformation vorhanden ist. Im Privatrecht ist die bayerische Landrechtsreformation von 1516 bei der Bearbeitung des gesetzlichen Erbfolgerechts herangezogen worden. Im ganzen unterscheidet sich aber die Jülicher Ordnung von [Seite: 14] 1555 von dem Trierer und Kölner Gesetz und ihren übrigen Quellen wesentlich dadurch, daß sie in Sprache und formaler Gestaltung sehr selbständig ist. Sie ist verhältnismäßig kurz, hebt jedoch das Wesentliche klar heraus. Als ihr Verfasser gilt der am Jülicher Hofe beschäftigte Rat Konrad von Heresbach, ein berühmter Humanist, der einen großen Einfluß auf die Wissenschaft seiner Zeit ausgeübt hat.2.10 § 6. Einflußgebiet der rheinischen Gesetze.Die Untergerichtsordnung von Mainz muß schon nach den Auswirkungen, die sie auf das Trierer und auf das Kölner sowie mittelbar auf das Jülicher Gesetz gehabt hat, als eine der wichtigsten Rechtsquellen der Rezeptionszeit angesehen werden. Ihre Bedeutung zeigt sich jedoch noch klarer, wenn man sich bemüht, sowohl ihren eigenen Einfluß als auch die Wirkung der von ihr abhängigen Gesetze auf die übrigen etwa gleichzeitigen partikularen Rechtsordnungen festzustellen. Es ergibt sich, daß die Mainzer Untergerichtsordnung oder eine ihrer Nachbildungen nicht nur im Westen und Süden des Reiches, sondern auch in den bis zur Rezeption unter Sachsenspiegelrecht stehenden westfälischen Gebieten benutzt worden ist. 1.Im wesentlichen schließen sich die Gerichtsordnungen des Hochstifts Augsburg von 1539 und 1552 an das Mainzer Gesetz an.2.11 2.Ein erheblicher Teil der Prozeßvorschriften des Württemberger Landrechts von 1555 beruht auf der Übernahme der Mainzer Bestimmungen.2.12 Da Württemberg seinerseits Bedeutung für die Gesetze der Pfalz von 1582 und der Grafschaft Sponheim von 1586 erlangte, ist Mainz auch in diesen Gebieten mittelbare Grundlage der Rechtsordnung.2.13 3.Nach den bisherigen Veröffentlichungen ist eine Einwirkung der Mainzer Untergerichtsordnung auf die Rechte der [Seite: 15] Herrschaft Fürstenberg 2.14 und der Stadt Donauwörth2.15 anzunehmen. Möglich ist dabei eine Vermittlung durch das Augsburger oder das Württemberger Gesetz. 4.Im rheinischen Gebiet schließt sich das von dem Frankfurter Syndikus Fichard ausgearbeitete, seinerseits sehr einflußreiche Solmser Landrecht von 1571 in der Darstellung des Gerichtsverfahrens stark an Mainz an. Einzelne Vorschriften stammen daneben aus Trier und Köln.2.16 Für die Abfassung der Frankfurter Reformation von 1578 hat Fichard dagegen die Mainzer Untergerichtsordnung nicht benutzt, sondern vorwiegend auf die Reformation von 1509 zurückgegriffen. 5.Das Kölner Gesetz ist in der 1570 verfaßten "Reformation der Stadt Cöllen Gerichts Prozess" von Konrad Betzdorp mit berücksichtigt und verarbeitet worden. 6.Köln und Mainz sind neben der Reichskammergerichtsordnung von 1555 die Quellen der münsterischen Hof- und Landgerichtsordnungen aus dem Jahre 1571. Ferner besteht bei den münsterischen Ordnungen noch ein geringerer Einfluß der Jülicher Reformation.2.17 7.Jülich hat 1556 seine Gerichtsordnung fast unverändert in der durch Personalunion mit ihm verbundenen Grafschaft Ravensberg eingeführt.2.18 [Seite: 16] III. Das Recht der Prozeßordnungen.§ 7. Grundzüge des Verfahrens.Das Verfahren nach den Prozeßordnungen zerfällt in zwei Abschnitte: in dem ersten wird die Pflicht des Beklagten zur Verhandlung über den geltend gemachten Anspruch (Hauptsache) festgestellt, in dem zweiten über die Hauptsache selbst gestritten. Den Einschnitt zwischen beiden Teilen bringt die "Kriegsbefestigung". Diese Bezeichnung ist nur die Übersetzung des römischen Begriffs der "litis contestatio". Nachdem die Hauptsache erörtert und dabei Beweis erhoben ist, wird das Endurteil durch das Gericht gesprochen. Der Verurteilte hat nunmehr die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, der Obsiegende kann die Vollstreckung des Urteils betreiben. Die übrigen während des Prozesses gefällten gerichtlichen Entscheidungen und die prozeßleitenden Verfügungen heißen Beiurteile. Das Verfahren findet grundsätzlich unmittelbar vor dem Prozeßgericht statt. Lediglich sind Zeugenvernehmungen durch einen ersuchten Richter gestattet. Die Öffentlichkeit ist für das gesamte Beweisverfahren ausgeschlossen. Zu den Zeugenvernehmungen sind auch die Parteien nicht zugelassen. Schriftlichkeit ist nicht unbedingt vorgeschrieben. Alle wichtigen Prozeßvorgänge wie Klage, Kriegsbefestigung und Zeugenvernehmungen müssen jedoch in einem Gerichtsbuch aufgezeichnet werden. Die schriftlichen Anträge der Parteien sind in der Gerichtsverhandlung zu wiederholen. Die Stellung des Gerichts gegenüber den Parteien ist noch schwach. Grundsätzlich kann es nur prüfen und entscheiden, was die Parteien beantragen. Auch seine Strafgewalt gegen säumige oder prozeßverschleppende Beteiligte ist gering.[Seite: 17] 1. Abschnitt: Gericht und Parteien.§ 8. Richter und Schöffen.
M 3a von Gerichten und Gerichtspersonen. Eid
der Schöffen. In den rheinischen Gebieten bestand seit der fränkischen Zeit die Schöffengerichtsverfassung. Hieran ändern die neuen Ordnungen nichts. In den westfälischen Teilen des Erzbistums beseitigt die Kölner Gerichtsordnung das bisherige Urteilen durch den Umstand und führt die Schöffengerichte ein. Entsprechend verfährt die Jülicher Ordnung, soweit sich hier noch das alte Urteilsverfahren erhalten hatte.3.01 Aus beiden Gesetzen sind die Bestimmungen gegen die Volksgerichte in die Ordnungen von Münster und Ravensberg übergegangen.3.02 Die Gerichte sollen mit einem Richter und 7 Schöffen besetzt sein. Das wird in Jülich 6 ausdrücklich angeordnet. Es entspricht dem bestehenden Zustand und dem älteren deutschen Recht.3.03 Grundsätzlich besteht innerhalb der Schöffengerichte noch die Unterscheidung zwischen Richtern und Urteilern. In Trier und Jülich schwören Richter und Urteiler einen verschiedenen Eid und haben damit verschiedene Pflichten. Mainz kennt nur einen Eid der Schöffen, Köln bereits die gleiche Eidesformel für Richter und Schöffen. In Mainz und Köln tritt damit das ungefähr mit der Rezeption gleichlaufende Bestreben in den Vordergrund, den Richter nicht nur zum Leiter der äußeren Verhandlung, sondern zum gleichberechtigten Urteiler zu machen. Dies Bestreben zeigt sich ferner in einer Rats- und Polizeiordnung für Koblenz aus dem Jahre 15623.04 Nach ihr entscheidet der Schultheiß nur bei Stimmengleichheit der anwesenden Schöffen. Sonst stimmt er nicht mit ab. Eine Bestimmung des Trierer Erzbischofs für [Seite: 18] das Trierer Schöffengericht aus dem Jahre 1422 hatte dagegen noch angeordnet, daß sich die Schöffen bei gleicher Stimmenzahl oder völliger Ratlosigkeit an die Kammer des Erzbischofs wenden sollten. Es ist nicht die Rede davon, daß der Richter durch seine Stimme die Entscheidung herbeiführen solle.3.05 Entsprechend dem deutschen Recht3.06 führt die Scheidung zwischen Richtern und Urteilern aber nicht dazu, daß der Richter überhaupt keine gerichtlichen Handlungen vornehmen kann. Von ihm allein gehen die Ladungen aus; er ist maßgeblich an der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligt. Soweit der Richter bereits miturteilt, sind ihm diese Aufgaben erhalten geblieben. So selbstverständlich den vier Prozeßordnungen die Schöffengerichtsverfassung der niederen Gerichte ist, so hilflos steht ihr die zeitgenössische gelehrte Literatur gegenüber. Entsprechend der Darstellung der italienischen Prozeßlehrbücher wird in aller Ausführlichkeit über das Amt des Richters gehandelt, die Schöffen werden jedoch nicht erwähnt.3.07 Lediglich Gobler macht in seinem "Gerichtlichen Prozeß" den Versuch, die Schöffen in das romanistische System einzuordnen. Er setzt sie den Assessoren der römischen Quellen gleich, hält sie also für persönliche Berater des an sich alleinurteilenden Richters, während doch auch nach den Gesetzen der Rezeptionszeit der Schöffe unabhängig von dem Richter das Urteil zu finden hat, gleichgültig, ob letzterer mit urteilt oder nicht.3.08 Aus diesem Beispiel ergibt sich die Arbeitsweise der populären Schriftsteller der Rezeptionszeit. Sie bemühen sich um eine möglichst genaue Übersetzung der verbreitetsten Schriften der italienischen Juristen. Auf die tatsächlich in Deutschland bestehenden Verhältnisse nehmen sie dagegen oft keinerlei Rücksicht. Voraussetzungen für die Bestellung zum Richter oder zum Schöffen sind Redlichkeit, Ehrbarkeit ("from"), eheliche Geburt und Volljährigkeit 3.09 Soweit die Trennung zwischen Richtern [Seite: 19] und Urteilern noch besteht — also in Trier und Jülich — wird Rechtskenntnis nur von den Schöffen verlangt. Sie bedeutet aber nicht juristische Vorbildung im gemeinen Recht,3.10 sondern nur auf Praxis gestützte Rechtserfahrenheit. Mangelnde Rechtskenntnisse werden durch Einholen von Gutachten der fürstlichen Kammer oder eines einzelnen Juristen, später auch der juristischen Fakultäten ausgeglichen.3.11 Wichtig erscheint den Verfassern der Prozeßordnungen die Erörterung über die Gründe für die Ausschließung des Richters und der Schöffen von der Prozeßentscheidung im Einzelfall. Gegen beide Gerichtspersonen sind auch in Trier und Jülich dieselben Einwendungen möglich. Die völlige Gleichstellung in dieser Beziehung rührt daher, daß man die einzelnen Ausschließungsgründe aus der italienischen Literatur übernommen hat, der nur Exceptionen gegen den judex bekannt sind. Die Ausschließung im Einzelfall erfolgt, wenn der vom Kläger oder Beklagten erhobene Vorwurf in einem schiedsrichterlichen Verfahren als begründet anerkannt ist. Zur Ablehnung berechtigt jeder Verdacht gegen einen der Schöffen oder den Richter. Ein Verdacht kann vornehmlich bei Abhängigkeit des Richters oder Schöffen von einer Partei bestehen, also bei Verwandtschaft und wirtschaftlicher Verbundenheit zwischen ihnen. Wegen C 1, 51, 4 kann der früher am Prozeß als Anwalt Beteiligte nicht später in demselben Verfahren Richter sein.3.12 Die Zulässigkeit der Ablehnung des Richters ist im geistlichen Recht nach X 2, 2, 4 und 10 unzweifelhaft. Für die leges, das weltliche Recht, war die Möglichkeit der Rekusation zunächst bestritten, sie wurde aber durch Umkehrschluß aus C 3, 31, 4 anerkannt: Da entsprechend dieser Vorschrift nach der Litiskontestation der Richter nicht mehr abgelehnt werden kann, muß es vorher möglich sein.3.13 [Seite: 20] Über die Ablehnung entscheiden nach Trierer und Jülicher Recht zwei von den Parteien zu bestimmende Schiedsrichter. Das entspricht der italienischen Auffassung.3.14 Im Augsburger Recht urteilen dagegen die Richter selbst über den Ausschließungsgrund.3.15 Wahrscheinlich sind aber damit nur die unverdächtigen Schöffen gemeint. § 9 Gerichtsschreiber, Büttel.
M 3a von den Gerichten und
Gerichtspersonen, Gerichtsschreibers, Büttels Eid. Trier (3a) weist darauf hin, daß das Fehlen von Gerichtsschreibern und -büchern zu großen Mißständen geführt habe. Das bloße Gedächtnis der Schöffen sei "vielmalen ungleich erfunden" und die Sachen "durch Absterben" zuletzt in "endlichen Verfall" geraten. Daher wird die Besetzung jedes Gerichts mit einem Gerichtsschreiber und die Führung von zwei Gerichtsbüchern angeordnet.3.16 Zunächst scheint diese Vorschrift ausschließlich auf fremdem Recht, nämlich auf X 2, 19, 11 zu beruhen. Dort wird die Anstellung von Gerichtsschreibern zwingend für die geistliche Rechtsprechung vorgeschrieben. Die Aufzeichnung der wesentlichen Ergebnisse eines Prozesses oder einzelner Parteierklärungen ist jedoch in einzelnen Teilen Deutschlands schon vor der Rezeption üblich geworden. Damit war auch bereits die Anstellung von Gerichtsschreibern verbunden. Allerdings kommen in diesem Zusammenhang nicht die "cancellarii" der fränkischen Gerichte in Betracht. Sie sind noch im Laufe des 10. Jahrhunderts im gesamten Gebiete des ostfränkischen Reiches wieder beseitigt worden.3.17 Gerichtsschreiber werden aber in Bayern schon im 15. Jahrhundert angestellt. In Ravensberg kennt man sie von 1450 ab.3.18 Die Gerichtsschreiber führen zunächst Bücher zur Eintragung der Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Später, [Seite: 21] werden aber auch wichtige Vorgänge des streitigen Verfahrens von ihnen aufgenommen und eingetragen.3.19 Schließlich kennt man vor der Rezeption im deutschen Recht die Erteilung einzelner Bescheinigungen durch das Gericht. Über ein gesprochenes Urteil wird ein "Richtschein" ausgestellt. Um die Wende zum 16. Jahrhundert kommt auch inländlichen Bezirken bereits das Protokoll über die Zeugenaussagen auf.3.20 Wenn nun die vier Prozeßordnungen außer der Anlegung von Gerichtsbüchern keine weitere Schriftlichkeit des Verfahrens verlangen, so ändern sie damit an den vor ihrem Erlaß bestehenden Verhältnissen wenig. Den Parteien wird es lediglich gestattet, einzelne Erklärungen schriftlich einzureichen. Es ist erwünscht, aber kein Zwang, die Klage vor der Übergabe an das Gericht schriftlich zu formulieren. Nur wenn eine Partei an Zeugen Fragen richten will, so muß sie diese schriftlich einreichen. Diese Forderung ergibt sich daraus, daß die Beweisaufnahme völlig geheim ist, also auch unter Ausschluß der Parteien stattfindet. Rechtskenntnisse braucht der Gerichtsschreiber nicht zu haben. Oft nimmt aber der Amtmann oder Vogt des Fürsten das Amt mit wahr.3.21 Der Büttel oder Fronbote hat nach den rheinischen Prozeßordnungen fast nur die Ladungen des Gerichts auszuführen. Die Exekution der Urteile ist bereits in den Händen der Verwaltungsbeamten des Landesherrn. Das Aburteilen von Bagatellsachen steht dem Büttel im Gegensatz zu süddeutschen Rechten nicht zu.3.22 § 10. Kläger und Beklagter.
M 8b, Eine Unterscheidung zwischen Partei- und Prozeßfähigkeit ist den vier Ordnungen unbekannt. Ohne Unterschied werden die einzelnen Fälle aufgezählt, in denen eine Person vor Gericht [Seite: 22] nicht handeln kann. Die Voraussetzungen für Partei- und Prozeßfähigkeit werden so miteinander vermischt. Wegen des Fehlens der Parteifähigkeit kann ein in Acht oder Bann Befindlicher nicht klagen. Denn er ist nicht rechtsfähig. Er könnte also auch nicht verklagt werden. Sowohl nach der deutschrechtlichen Auffassung (Sachsenspiegel III 16 § 3 , Schwabenspiegel 228) als auch gemäß fremdrechtlichen QuellenstellenX 2,1,7 , in vi 2,12,1) lassen die Ordnungen aber eine Klage gegen ihn zu. Geächteter und Gebannter stehen schon im deutschen Recht des Mittelalters unter der gleichen Behandlung.3.23 Der nur auf Einwand des Beklagten zu berücksichtigende Mangel der Parteifähigkeit des Klägers infolge der Acht hat nur dann Wirkung, wenn er binnen 8 Tagen auch bewiesen werden kann (in VI° 2,12,2)3.24 Prozeßfähigkeit fehlt den Minderjährigen und den ihnen gleichstehenden körperlich oder geistig behinderten Personen, also den Tauben, Toren und Sinnlosen. Das entspricht wiederum dem deutschen und dem fremden Recht 3.25 Grundsätzlich sind die Geistlichen nicht prozeßfähig, soweit sie "geordent" sind, d.h. die Priesterweihe empfangen haben. Auch hierin tritt keine Änderung gegenüber dem bestehenden Recht ein. Denn die maßgebenden Bestimmungen des Corpus juris canonici — X 1, 39, 1 und 2, 19, 8 — waren schon im Mittelalter in den weltlichen deutschen Gerichten anerkannt. Geändert wird durch die Rezeption aber die Rechtsstellung der Frau. Sie ist nunmehr prozeßfähig. Nur ist ihr das Handeln als Vertreterin für andere Personen im allgemeinen verboten.3.26 Es ist aber möglich, daß der Standpunkt der deutschen Rechtsbücher (Sachsenspiegel I 42ff. und III 63)3.27 schon vor dem Beginn der Rezeption teilweise verlassen war. In Sachsen allerdings ist auch im 16. Jahrhundert die Frau nur in Passivprozessen handlungsfähig, nicht soweit sie als Klägerin auftreten will.3.27 Der Prozeßunfähige muß durch einen Vormund vor Gericht erscheinen. Das Gericht hat auf ordnungsmäßige Vertretung zu [Seite: 23] achten.3.28 Hat der Minderjährige oder Taube noch keinen gesetzlichen Vertreter, so wird ihm vom Gericht aus ein Pfleger (curator ad litem) bestellt. Grundsätzlich muß der Prozeßunfähige die Bestellung aber selbst beantragen. Bemüht er sich nicht um ausreichende Vertretung, wird er wie ein Säumiger behandelt (K5b ). § 11. Der Anwalt (procurator).
M 7a von Anwalten und Montparen, kurze
Form eines Gewalts. Dem älteren deutschen Recht in der fränkischen Zeit sowohl als im Sachsenspiegelrecht war die prozessuale Stellvertretung unbekannt. Jeder mußte seine Sache selbst wahrnehmen.3.29 Die Prozeßordnungen der Rezeptionszeit erkennen die gewillkürte Vertretung des Klägers oder Beklagten unbeschränkt an. Diese Entwicklung ist nicht allein auf die Übernahme der Prokuratur des römisch-kanonischen Rechts zurückzuführen. Es ist vielmehr schon im deutschen Recht eine allmähliche Entwicklung zu beobachten, die zur Anerkennung der Stellvertretung im Prozeß führte. So hatte man zunächst Gästen und Fürsten erlaubt, einen Bevollmächtigten zum Gericht zu senden. Dann durften die Verwandten für den abwesenden Kläger oder Beklagten auftreten.3.30 Auch auf längere Zeit Abwesenden wurde die Bestellung eines "Vormundes" gestattet. Soweit gesetzliche Vertretung etwa der Frau vorlag, wurde der Vormund an die Weisungen der von ihm Vertretenen gebunden3.31 Die im deutschen Recht auf diese Weise vorbereitete Einführung der unmittelbaren Stellvertretung wurde dann von der Rezeption nur zum endgültigen Abschluß gebracht. Sie entsprach einem Bedürfnis der Zeit. Jeder Vertreter einer Partei heißt Anwalt oder Mompar, gleichviel ob er gesetzlicher, gewillkürter, prozessualer oder [Seite: 24] außergerichtlicher Bevollmächtigter ist. Das entspricht der italienischen Lehre3.32 Die vier Prozeßordnungen gebrauchen deshalb "Anwalt" und "Prokurator" als Synonyme. Die meisten Rezeptionsjuristen, vor allem aber auch die älteren italienischen Prozessualisten behandeln im Anschluß an die Lehre von der Prokuratur auch die gesamten Bestimmungen über die Vormundschaft. 3.33 Der Vormund erscheint nur als Sonderfall des Prokurators. Das Privatrecht wird in einer früheren Stufe der Rechtsentwicklung schon deswegen im Anschluß an das Prozeßrecht dargestellt, weil es hier am auffälligsten in Erscheinung tritt.3.34 Jedenfalls ist es in der Anschauung der damaligen Zeit begründet, wenn Köln (3b) und Jülich(12, 44) mitten in der Darstellung des Prozesses auch die privatrechtlichen Bestimmungen über die Vormundschaft bringen. Das wesentliche Kennzeichen des Anwalts ist die Vollmacht oder der "Gewalt". Sie kann auf Gesetz beruhen oder rechtsgeschäftlich erteilt sein. Deshalb ist auch der Vater Anwalt seines minderjährigen Sohnes. Streitig ist im Prozeß regelmäßig nur die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung. Sie wird daher in besonderer Form vollzogen, entweder zu Protokoll eines Gerichts oder vor einem "bekannten" Notar3.35 Die besondere Wichtigkeit der formentsprechenden Bevollmächtigung ergibt sich aus den Musterbeispielen, die in den rheinischen Prozeßordnungen enthalten sind. Die Beispiele des Gewalts sind mit Rücksicht auf die von den italienischen Juristen entwickelte Lehre vom speciale [mandatum] / [Seite: 25] und generale mandatum (besonderer und gemeiner Gewalt) sehr umfangreich. Das generale mandatum ermächtigt nur zu wenigen gerichtlichen Handlungen. Zu allen Akten des Verfahrens, bei denen erst im Laufe einer längeren Entwicklung die Stellvertretung erlaubt wurde, bedarf der Anwalt einer besonderen ausdrücklichen Ermächtigung. Er vermag ohne speciale mandatum die verschiedenen Eide gegen Prozeßverschleppung und doloses Verhalten nicht zu schwören, die der Gegner von ihm verlangen kann. Ferner bedarf er ausdrücklicher Ermächtigung zum Abschluß von Vergleichen, ebenso zur Annahme von Barzahlungen.3.36 Gegen etwaige Mängel der Vollmacht sucht man sich durch Anrufung des Gerichts am Schluß der Urkunde zu schützen, damit dieses die Vollmacht möglichst umfassend auslegt. Mängel werden auch erst auf Einwand des Beklagten hin berücksichtigt. In beschränktem Umfange ist die Vertretung einer Partei im anhängigen Prozeß auch ohne Vollmacht zulässig. Allerdings ist der Vertreter nur insoweit zum Handeln berechtigt, als ein generale mandatum reichen würde.3.37 Die Verwandten können ohne Vollmacht für Kläger und Beklagten auftreten.3.38 Der Ehemann braucht nach den rheinischen Gesetzen zur Vertretung seiner Frau ebenfalls keine Vollmacht, anders nach der Nürnberger Reformation von 1484. Den Beklagten kann jeder verteidigen.3.39 Zur Sicherung des Gegners der durch einen Vertreter ohne Vollmacht auftretenden Partei müssen Prozeßkautionen bestellt werden. Nicht jeder ist zur Vertretung vor Gericht berechtigt. Trotz der anerkannten Prozeßfähigkeit in eigenen Sachen können Frauen nur ausnahmsweise für Dritte vor Gericht handeln (T33a). So darf die Äbtissin für ihr Kloster auftreten, die Mutter für ihre Kinder, die Tochter für ihre hilflosen Eltern handeln.3.40 [Seite: 26] Weil ihm die Parteifähigkeit fehlt, kann der Geächtete oder Gebannte nicht Anwalt sein (X 2.19.7 ), wegen Mangels der Prozeßfähigkeit grundsätzlich nicht der Minderjährige und der Geistliche als Bevollmächtigter auftreten.3.41 Jedoch wird auch dieser Mangel erst auf Einwand des Gegners berücksichtigt. § 12. Der Vorsprecher (prolocutor).
M 3b, Köln (2b) gibt zur Erläuterung der verschiedenen Aufgaben von Anwalt und Vorsprecher eine Definition. Der Vorsprecher vertrete die vor Gericht anwesende Partei oder deren Anwälte ohne Vollmacht. Die wesentlichen Kennzeichen des Vorsprechers im deutschen Recht sind damit angegeben. Er ist nach älterer deutscher Auffassung Bote, nicht Stellvertreter im Willen. Er soll die Partei vor Verstößen gegen die strengen Formvorschriften des Prozesses schützen. Sein Wort ist nur rechtswirksam, wenn es die Partei bestätigt oder nicht widerspricht.3.42 Der Vorsprecher des deutschen Rechts wird nur für einen Tag bestellt und wegen der erforderlichen Rechtskenntnisse möglichst aus der Zahl der Schöffen genommen.3.43 Das Kölner Gesetz fährt in seiner Definition aber fort: Ein Vorsprecher sei auch derjenige, der vor Gericht in Abwesenheit der Partei auf Grund einer Vollmacht handele. In der Gesetzgebung der Rezeptionszeit ist der Vorsprecher also auch bereits reiner Parteivertreter. Von den Anwälten unterscheidet er sich dadurch, daß er berufsmäßig die Vertretung vor Gericht übernimmt. Er ist deshalb dem Gerichtsherrn — in der Regel dem Landesfürsten — durch einen zu Beginn seiner Tätigkeit zu schwörenden Eid verpflichtet. Ferner wird eine bestimmte Zahl für jedes Untergericht vorgeschrieben, obwohl der teilweise vor [Seite: 27] der Rezeption übliche Vorsprecherzwang in den neuen Ordnungen nicht übernommen wird.3.44 Zu dieser Entwicklung des Vorsprechertums haben verschiedene Ursachen beigetragen. Einmal hat schon vor der Rezeption eine berufsmäßige Ausübung des Vorsprecheramtes in Deutschland stattgefunden.3.45 Das mag damit zusammenhängen, daß die Stellvertretung vor Gericht sich allmählich in immer stärkerem Umfang entwickelte. Die Parteien haben sich stets an dieselben rechtserfahrenen Leute gewandt, wenn sie in einem Prozeß vertreten werden wollten. Weiter erscheint es in Deutschland seit Beginn des 15. Jahrhunderts als unbillig, den Vorsprecher wie bisher aus der Mitte der Schöffen zu wählen. Zum mindesten sollen die als Vorsprecher auftretenden Schöffen später das Urteil nicht mitberaten. Ob bei dieser Auffassung etwa schon Anschauungen aus dem fremden Recht mit seiner scharfen Trennung von Gericht auf der einen Seite und Partei auf der anderen Seite durch Vermittlung der nach kanonischem Recht urteilenden Kirchengerichte sich bemerkbar machen, muß dahingestellt bleiben. Nahe liegt eine derartige Vermutung. Jedenfalls dauert der Kampf des Gesetzgebers gegen diesen "Mißbrauch" (K 1a) während des ganzen 15. und 16. Jahrhunderts an. In Trier stammt die erste Verordnung gegen das gleichzeitige Auftreten als Schöffe und als Vorsprecher aus dem Jahre 1422. Ausführliche Vorschriften gibt ferner die Koblenzer Schöffengerichtsordnung von 1515 und die Trierer Untergerichtsordnung3.46 Nach ihnen ist das Auftreten eines Schöffen als Vorsprecher nur in bestimmten Fällen erlaubt: der Schöffe kann in eigenen Angelegenheiten für Verwandte und in Sachen, die einen Mann an "sine erschaft" treffen, Vorsprecher sein. Dann ist er stets als Urteiler ausgeschlossen.3.47 Die scharfe Trennung zwischen der Tätigkeit als Vorsprecher und dem Urteilen als Schöffe läßt erkennen, daß der Vorsprecher als Parteivertreter angesehen wird. Der sich so entwickelte Vorsprecherstand des deutschen Rechts fand schließlich [Seite: 28] eine Parallele in der gewerbsmäßigen Prokuratur der höheren Gerichte, die aus dem fremden Recht übernommen war. Die Ähnlichkeit zwischen beiden Einrichtungen führte schon früh zu ihrer Vereinigung in einzelnen Gerichtsordnungen.3.48 Rechtskenntnisse — insbesondere eingehende Kenntnisse des gemeinen Rechts — werden in den vier Prozeßordnungen vom Vorsprecher nicht verlangt. Nötig ist eine praktische Erfahrung in Rechtsangelegenheiten und Kenntnis der Gerichtsordnungen, die die nötigen Anhaltspunkte für eine ordnungsmäßige Prozeßführung geben und auf diese Weise die Aufhebung vieler Urteile wegen Verfahrensmängeln durch die höheren Gerichte vermeiden sollen.3.49 Die Advokaten des römisch-kanonischen Verfahrens werden in den Prozeßordnungen nicht erwähnt. Ihr Wirkungskreis ist vorwiegend auf die höheren Gerichte beschränkt.3.50 2. Abschnitt: Das Verfahren bis zur Kriegsbefestigung.§ 13. Zuständigkeit.
M 8bvon Exception und Auszügen und
erstlich wider den Richter und Gerichtszwang. Die Einleitung eines Prozesses beginnt damit, daß sich der Kläger zum ordentlichen Richter des Beklagten begibt, ihm die Klage kurz darlegt und um richterliche Ladung des Beklagten bittet. Der ordentliche Richter ist der zuständige Richter des Beklagten. Es gilt der Grundsatz: actor forum rei sequitur (C 3.8, C 3.13.5, X 2.2.5 und 8.3.51 Die Zuständigkeit der niederen Gerichte in Deutschland ist am Ausgang des Mittelalters zwar grundsätzlich immer gegeben, aber durch viele Ausnahmen durchbrochen. Zunächst hat der Kläger festzustellen, ob der Beklagte nicht als Angehöriger eines privilegierten Standes vor dem Reichskammergericht oder [Seite: 29] Hofgericht verklagt werden muß. Das erstere ist Gerichtsstand der Fürsten, das zweite zuständig für Prozesse gegen die Ritterschaft eines Landes3.52. Kleinere Streitigkeiten werden im großen Umfang außerhalb der Untergerichte durch konkurrierende Rechtsprechung des Rates in den Stadtgemeinden und durch die sog.Höfegerichte auf dem flachen Lande entschieden 3.53. In sehr vielen Fällen greift nicht die weltliche, sondern die geistliche Gerichtsbarkeit ein. Daß die Kirche eine Berechtigung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit besitzt, wird während des ganzen Mittelalters nicht bestritten und mit der Zweischwertertheorie begründet.3.5454. Daher sind auch die Bestimmungen des Corpus juris canonici über die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte schon vor der Rezeption in Deutschland anerkanntes und von den weltlichen Gerichten eingehaltenes Recht. Die Rezeptionsgesetze enthalten im allgemeinen keine Vorschriften über die Abgrenzung zwischen Kirche und Staat innerhalb der Rechtsprechung. Das Kölner Gesetz gibt im wesentlichen nur den Titel de foro competenti in den Dekretalien Gregors IX. wieder (X. 2.2). Danach gehören vor geistliche Gerichte vor allem Prozesse gegen Angehörige der Kirche,3.55 um geistliche Lehen und Abgaben, ferner alle Ehesachen. Neben der ausschließlichen Gerichtsbarkeit steht der Kirche auf verschiedenen Gebieten eine mit dem Staat konkurrierende Rechtsprechung zu — die Zuständigkeit in "res mixti fori". Die Kirche urteilt, soweit die weltlichen Gerichte den Parteien das Recht verweigern (X 2.2.8 und 10), in Armensachen (X 2.2.15) und in Fällen besonderer Sündhaftigkeit wie Wucher (X 2.2.10). Im allgemeinen ist die Zuständigkeit der Kirche in "res mixti fori" nur durch Generalklauseln geregelt. Sie war daher besonders zur Ausdehnung der geistlichen Rechtsprechung auf Kosten der ordentlichen weltlichen Gerichtsbarkeit geeignet.[Seite: 30] Kann nun der Kläger gegen den Beklagten vor einem niederen Gericht der sachlichen Zuständigkeit nach vorgehen, so muß er noch die örtliche Zuständigkeit feststellen. Grundsätzlich ist das der Wohnort des Beklagten, das forum domicilii. Daneben besteht nach der Natur der Klage eine Reihe anderer Gerichtsstände, die mit einzelnen Vorschriften des römischen Rechts begründet werden.Trier (14b) bringt eine ausführliche Aufzählung der besonderen Gerichtsstände. Sie ist der italienischen Literatur entnommen, und zwar dem Speculum des Durand.3.56 Danach kann um Liegenschaften vor dem Gericht der belegenen Sache geklagt werden (C 3.16, C 3.19.3). Die von Azo vertretene Ansicht, der Gerichtsstand der belegenen Sache gelte auch für Mobilien, ist schon in der Glosse aufgegeben.3.57 Weiter bestehen das forum delicti (C 3.15.1, X 2.2.14) und der Vormundschaft, wie überhaupt der Vermögensverwaltung (D 5.1.19. Wenn eine Leistung an einem bestimmten Ort versprochen ist, kann an dem für diesen Ort zuständigen Gericht geklagt werden (D 2.5.1). Auch ist der Gerichtsstand des Vertragsabschlusses bekannt (C 3.18 und D 5.1.43). Schließlich kann in Abstammungsprozessen das Gericht des Geburtsortes angerufen werden.3.58 Obwohl die Trierer Beispiele aus dem römisch-kanonischen Recht stammen, ist eine größere Änderung in der Zuständigkeit gegenüber den bestehenden Rechtsverhältnissen nicht anzunehmen. Denn auch das deutsche Recht kannte neben dem Gerichtstand der Wohnung den der belegenen Sache, der strafbaren Handlung und der Verbürgung.3.59 § 14. Ladung (citatio)
M 4a wie Fürgebot und Ladung erlaubt
werden sollen. Die Gesetze regeln durch ausdrückliche Vorschriften nur die [Seite: 31] Ladung des Beklagten zu Beginn des Rechtsstreits. Diese Ladung gilt grundsätzlich für den gesamten Prozeß3.60 Es handelt sich also um eine citatio generalis des gemeinen Rechts3.61 Nur in besonderen Fällen ist während des weiteren Verlaufs des Verfahrens eine spezielle Ladung der Parteien erforderlich, so im Versäumnisverfahren vor der Einsetzung des Klägers in die Güter des Beklagten (m 6a, T 11 b, K 7a, J 16), zur Zeugenvereidigung (m 12b, T 22a) und zur Eröffnung des Urteils (m 16a, K 14b, J 29). Für diese Ladungen gilt aber das gleiche Verfahren wie für die Ladung zu Beginn desProzesses. Die vier Gerichtsordnungen übernehmen die Grundsätze des römisch-kanonischen Prozesses, wie sie im Speculum und bei Bartolus entwickelt sind.3.62 Doch bedeutet das kaum eine Änderung gegenüber dem bisherigen Verfahren. Denn einmal ordnen Mainz (M 5a) und Köln (7a) an, daß die bisherigen etwa abweichenden Gebräuche in Kraft bleiben sollen. Andererseits sind seit dem 13. Jahrhundert schon im deutschen Recht den rezipierten Normen ähnliche Vorschriften entwickelt worden. Im einzelnen ist im Anschluß an D 2.4.10.12 und C 9.3.3. bestimmt, daß Ladungen nur nach Bewilligung durch den Richter zulässig sind. Dem entspricht die bannitio bereits des fränkischen Rechts, die vor der Rezeption in ganz Deutschland die herrschende Ladungsform geworden ist.3.63 Gehilfe des Richters bei der Ladung ist der Büttel. Dieser hat deshalb über die Ausführung dem Gericht Mitteilung zu machen (T 10a). Dabei muß er sich auf seinen Amtseid berufen. Sonst wird ihm allein nicht Glaube geschenkt. Die Ladung hat erst dann rechtliche Wirkung, wenn der Beklagte dreimal vorgeboten ist. Das dritte "Fürgebot"3.64 muß den Hinweis enthalten, daß nunmehr "peremptorisch" geladen [Seite: 32] wird. Anstelle des dreimaligen Fürgebots kann auch eine einfache Vorladung erfolgen, wenn dem Beklagten dabei die gleiche Frist wie im normalen Verfahren gewahrt ist und darauf hingewiesen wird, daß nur eine einmalige Ladung erfolgt. Die Gesetze schließen sich mit dieser Regelung im großen und ganzen an D 42. 1.53, C 7.43.8 und X 2.20.2 an. In der praktischen Auswirkung tritt keine Neuerung ein: nach Sachsenspiegel I 67 § 2 ist ein dreimaliges Fürgebot erforderlich. Das Gleiche galt im 15. Jahrhundert in Mainz. Trier verlangte dagegen in seinen Gesetzen vor der Rezeption sogar, daß das Fürgebot viermal erfolge.3.65 Nach deutschem Recht richtet sich das erste Fürgebot an den Beklagten persönlich. Diese Regelung ist in Mainz übernommen, ebenso in Köln. Trier (8a) entspricht besser der Anschauung der Postglossatoren, die grundsätzlich bei jedem Fürgebot persönliche Zustellung verlangen und nur notfalls eine solche zu Haus und Hof — an die Ehefrau, die erwachsenen Kinder oder das Gesinde — gestatten. Sie begründen das mit D 2. 4.18 und Nov. 53. Danach sei das Haus die sicherste Zuflucht eines jeden. Der Hausfriede dürfe nicht durch gerichtliche Ladungen unnötig gestört werden3.66 Die Postglossatoren verzichten aber zum Beispiel auf die persönliche Ladung, wenn der Beklagte sich verborgen hält (entspr.D 42.4.7.13). Erscheint der Beklagte erst auf das zweite oder dritte Fürgebot hin, so hat er dem Kläger die durch sein Zögern entstandenen Kosten zu ersetzen (C 3.1.15). Andere Rechtsnachteile treffen ihn nicht. Als Abart der ordnungsmäßigen Ladung erscheint in den Prozeßordnungen die Bekommerung, das ist der Arrest gegen den Beklagten. Er ist nur in Ausnahmefällen zulässig und nur als vorsorgliche Maßnahme. Denn die Bekommerung dient der Sicherstellung des Klägers in einem sofort anzustrengenden Prozeß. Sie ist daher nur gestattet, wenn der Kläger spätestens am nächsten Gerichtstage nach ihrer Vollziehung auch die Klage einreicht (m 5a). In Jülich (14, 15) wird der Beklagte sogleich von dem Arrest benachrichtigt. Gestattet ist nur die Bekommerung eines Fremden oder eines Abwesenden, ferner auch in [Seite: 33] Liegenschaftsprozessen. Das entspricht alles dem deutschen Recht,3.67 wird in den Ordnungen auch als altes Herkommen bezeichnet. Es ist fast in ganz Deutschland trotz der Rezeption in Anwendung geblieben.3.68 Die Gerichtsordnungen der drei Erzbistümer bestimmen nicht, welchen Inhalt die Ladung haben muß. Die Doktrin der Zeit verlangt unbedingt nur die Angabe der Namen der Beteiligten, des Gerichtsorts und der Terminszeit3.69 Eine Angabe des geltend gemachten Anspruchs ist nicht erforderlich, wird aber für nützlich gehalten. Daher ist die Übersendung der Klageschrift nur gestattet, aber nicht vorgeschrieben.3.70 Jülich (15) ordnet zur besseren Unterrichtung des Beklagten über die Streitsache an, daß ein kurzer Bericht mit den wesentlichsten Angaben der Klage der Ladung beigefügt werden soll.3.71 Schon aus dem Inhalt der Ladung ergibt sich, daß sie nur Vorbereitungshandlung ist. Sie unterbricht deshalb nach der Ansicht der Gerichtsordnungen nicht die Verjährung (T 51b). Das entspricht der Lehre des Durand und der ihm folgenden deutschen Schriftsteller der Rezeptionszeit3.72 In der übrigen Postglossatoren-Literatur wird auf den Einzelfall und den Inhalt der Ladung abgestellt.3.73 Daß die Ladung nur der Vorbereitung des eigentlichen Verfahrens dient, ergibt sich bei der Behandlung der Folgepflicht des Geladenen. Er braucht grundsätzlich nur auf ordnungsmäßige citatio hin erscheinen, also nur, wenn er von seinem ordentlichen Richter vorgeladen ist (D5.1.5). Dann kann er sich aber auch weitgehend vertreten lassen. Ladungen an eine völlig unbekannte Gerichtsstätte und über die Grenze eines bestimmten Bezirks hinaus berechtigen zum Nichterscheinen ohne Straffolgen.[Seite: 34] Ist der Geladene über seine Folgepflicht im Zweifel, so muß er allerdings erscheinen.3.74 Die einzige rechtliche Bedeutung hat die Ladung bei der Konkurrenz mehrerer Gerichtsstände, auch bei konkurrierender geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit. Sind nämlich mehrere gleichgeordnete Gerichte wahlweise zuständig, so wird der Prozeß nur bei dem anhängig, das zuerst eine Ladung an den Beklagten ausbringt. Wird diese Ladung dann aber durch Einreden des Beklagten hinfällig, so ist sie wiederum ohne jede Rechtswirkung geblieben (K 6a). § 15. Klagübergabe (libelli oblatio).
M 5a von Inbringung oder übergebung der
Klage. Erscheint der Beklagte auf die Ladung hin vor Gericht, so muß der Kläger nach den Vorschriften der vier Prozeßordnungen seine Klage vortragen und im allgemeinen schriftlich abgefaßt dem Gericht überreichen. Erscheint der Beklagte aber nicht, so können weitere Schritte gegen ihn nur unternommen werden, wenn auch jetzt die Klage an das Gericht übergeben wird. Lediglich wenn der Kläger von Anfang an nicht erscheint, kann eine Klageübergabe nicht stattfinden. Hier hilft man durch Ausschluß des Klägers nach Ablauf einer bestimmten Frist. Mit der libelli oblatio erfolgt die Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses zwischen Gericht und Parteien. Nunmehr darf und muß der Beklagte erst auf das Begehren des Klägers antworten. Lediglich Einwendungen gegen die Ladung selbst hat der Beklagte vor jedem Vortrag des Klägers einzubringen.3.75 Die Klagübergabe unterbricht die Verjährung und begründet Rechtshängigkeit des Verfahrens sowie Streitbefangenheit der eingeklagten Gegenstände.3.76 Die Klage selbst aber ist die Grundlage der nun im Prozeß zu erörternden Streitfragen. Die Lehre der Italiener und damit der [Seite: 35] deutschen Rezeptionsjuristen erklärt, daß der Richter nur nach dem Inhalt der Klage urteilen dürfe. Klage und Urteil müssen sich entsprechen. Nur ausnahmsweise darf der Richter einen nicht geltend gemachten Anspruch aburteilen.3.77 Diese Auffassung wird mit D 10.3.18 begründet. Nicht mehr die Litiskontestation bestimmt, was streitig ist, sondern die Klagübergabe. Denn nach C 2.1.3 bestimmt die edita actio die Art des künftigen Prozesses.3.78 Die Klage wird von allen Prozeßschriftstellern besonders eingehend behandelt. Wegen ihrer Bedeutung nimmt sie auch in der Darstellung der Gerichtsordnungen bedeutenden Raum ein. Man versucht, durch Abdruck von Musterbeispielen Parteien und Fürsprecher in das neue Recht einzuführen. Die Klage muß den Namen des Klägers, des Beklagten, des Gerichts, eine Geschichtserzählung und einen Antrag enthalten. Das entspricht dem Merkvers des Speculum: quis, quid, coram quo, quo jure petatur et a quo.3.79 Damit ist die Klage nach den rheinischen Prozeßordnungen grundsätzlich summarisch zu erheben. Insofern entsprechen die Gesetze dem späteren gemeinen Prozeß. Doch gestatten sie auch die sofortige Einreichung einer artikulierten Klage.3.80 Im einzelnen werden diese Erfordernisse in der zeitgenössischen Literatur mit Stellen des corpus juris civilis oder canonici belegt. Der Name des Klägers und des Beklagten muß wegen D 2.13.1, 3.3.65 und 5.1.13 genannt werden. Angabe des Gerichts wird verlangt, damit der Richter sich über seine Zuständigkeit entscheiden kann.3.81 In der Geschichtserzählung hat der Kläger den der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt zu berichten, in der conclusio den von ihm geltendgemachten Anspruch in einem Antrag zu formulieren. Die conclusio ist der wichtigste Teil der Klage. Der Kläger braucht weder in der Geschichtserzählung noch im Antrag die rechtliche Grundlage seiner Klage genau anzugeben. Theoretisch wird nur eine solche Substantiierung verlangt, daß das Gericht die actio erkennen kann. Praktisch [Seite: 36] bedeutet das jedoch eine weitgehende Angabe der Rechtsgrundlage, vor allem in persönlichen Klagen.3.82 Bei Widerspruch zwischen dem in der conclusio angegebenen Antrag zu der Darstellung des Sachverhalts in der Geschichtserzählung geht die conclusio vor. Deshalb wird in einem Teil der Lehre sogar das Fehlen der Geschichtserzählung als nicht erheblich bezeichnet, sofern die conclusio klar ist und der Beklagte keine Einwendungen erhebt.3.83 Mängel der Klage sind im übrigen nicht nur erst dann, wenn der Beklagte auf sie aufmerksam macht, sondern vor allem schon bei Einreichung von Amts wegen durch das Gericht zu berücksichtigen (M 4b, T 12b).3.84 Die wichtigsten, auch in den Prozeßordnungen erwähnten Gründe für die Zurückweisung der Klage sind, daß die Klage ungeschickt, unförmlich oder an wesentlichen Stücken mangelhaft sei. Das ist vor allen Dingen der Fall, wenn einer von den fünf Teilen der Klage fehlt oder die Klage nicht genügend spezifiziert ist.3.85 Die Einwendungen gegen die Klage sind die wirksamste Waffe des Beklagten im Prozesse. Durch sie wird die gesamte Grundlage des Verfahrens zerstört. Um den Kläger gegen allzu spitzfindige Einwendungen des Beklagten zu schützen, wird in einer Schlußformel das Gericht um wohlwollende Auslegung der Klage gebeten. Die Muster für Klagen, die in den Prozeßordnungen abgedruckt sind3.86 sind aus den Praktika des Petrus Ferrariensis entnommen. Dieses Werk hat gerade zur Zeit der Rezeption in Deutschland eine große Reihe von Auflagen erlebt. Es wird in der deutschen populären Literatur in großem Umfang übersetzt.3.87 Daß die Verfasser der Mainzer Untergerichtsordnung die Klageformulare aus den Praktika des Petrus entnommen haben, ergibt sich aus der Verwendung der gleichen Beispiele in der Geschichtserzählung. So wird bei der Klage um Dienstbarkeiten in beiden Werken ein Anspruch auf Ableitung des Regenwassers [Seite: 37] auf das Nachbargrundstück (Traufrecht) angeführt. In den Besitzklagen handelt es sich übereinstimmend um die Entsetzung aus einem Weingarten, den der Störende benutzt.3.88 Die Einreichung der Klage vor Gericht und ihre Mitteilung an den Beklagten entspricht dem römisch-kanonischen Verfahren. Wesentlich ist für die Prozeßordnungen die Übergabe an den Richter, 3.89 Der Beklagte kann lediglich eine Abschrift fordern, muß allerdings anwesend sein. Die erfolgte Klagübergabe wird in dem Gerichtsbuch vermerkt (X 2.19.11, und ist wesentlicher Akt des Prozesses, dessen Fehlen Nichtigkeit des Urteils bedeutet.3.90 Diese strenge Form der Klageeinreichung hat sich erst langsam entwickelt. Noch die Darstellung Azos entspricht ungefähr der Auffassung des justinianischen Rechts. Nach beiden ist die editio actionis die Übergabe der Klage zwischen den Parteien außerhalb des Gerichts.3.91 Das in den Prozeßordnungen vorgeschriebene Verfahren beruht auf der im Anschluß an Nov. 53 ausgearbeiteten Auth. offeratur bei C 3.9.1. In das kanonische Recht ist diese Auth. durch Innocenz IV. übernommen worden (X 2.3.1 ). Die Glosse legt vor allem Wert darauf, daß der Beklagte die Klage überreicht bekommt. Bereits im Speculum ist die Übergabe aber an das Gericht zu vollziehen.3.92 In den italienischen Statuten und den Schriftstellern des 14. Jahrhunderts macht sich bereits das Bestreben bemerkbar, die feierliche Klagübergabe zu beseitigen und durch eine formlose Zustellung außerhalb des Gerichts zu ersetzen. Entscheidend ist dabei der Wunsch, den Prozeß zu beschleunigen. Deshalb kommt der Gebrauch auf, die Klage mit der Ladung zugleich zuzustellen.3.93 Das hat sich in der Rezeption in Deutschland [Seite: 38] nicht durchgesetzt. Dort, wo in der Ladung ein kurzer Sachbericht enthalten sein mußte wie in Jülich, ist eine feierliche Übergabe der Klage vor Gericht außerdem noch erforderlich (J18). Und obwohl die Reichskammergerichtsordnungen die Übersendung eines artikulierten Klaglibells gestatten, geschieht eine nochmalige Übergabe im ersten Termin an das Gericht.3.94 Auch die mit der vorherigen Übersendung der Klage angestrebte Prozeßbeschleunigung ist nicht eingetreten. Wie nach der Auth. offeratur kann der Beklagte in dem ersten Termin die Bewilligung einer Bedenkzeit verlangen, auch wenn ihm die Klage vorher bekannt war.3.95 Obwohl die libelli oblatio der Italiener schon dem Namen nach Schriftlichkeit verlangt, lassen die vier Prozeßordnungen weitgehend mündlichen Vortrag der Klage genügen, behalten aber die technische Bezeichnung der Italiener auch für diese Art der Klageerhebung bei. Sie nähern sich hiermit dem bis zu ihrem Erlaß üblichen Verfahren an. Jedoch ist die Zulassung der mündlichen Klage schon in Italien unbestritten, zumal gerade für die Prozeßeinleitung die Bedeutung der verschiedenen Gerichtsgebräuche anerkannt wird.3.96 § 16. Prozeßsicherheiten.
M 6b von Kaution, Bestand und
Sicherheit. Sofort zu Beginn des ersten Termins3.97 oder gleich nach der Übergabe der Klage hat der Kläger auf Verlangen des Beklagten Sicherheit dafür zu stellen, daß er den Prozeß bis zu Ende durchführen und, falls die Klage nicht zugesprochen wird, Kosten und Auslagen ersetzen wird. Diese Mainzer und Jülicher Vorschriften beruhen auf der Auth. generaliter zu C 1.3.25 (aus Nov. 112, cap. 2). Aus der Authentica stammt auch die weitere Vorschrift, daß bei Unvermögen des Klägers zur Bestellung einer Bürgschaft mit Gütern oder Bürgen Eidesleistung genügt [Seite: 39] (vgl. auch Inst. 4.11.2). Nach der ebenfalls anerkannten Stelle D 2.8.15 tritt dann eine Kautionspflicht nicht ein, wenn der Kläger Grundbesitz im Gerichtsbezirk hat. Die entsprechenden Verpflichtungen und Erleichterungen treffen aber auch den Beklagten, wenn der Kläger von ihm Sicherheit verlangt. Allerdings folgt man hier Inst. 4.11.2: dieser braucht nur dafür Sicherheit zu leisten, daß er den Prozeß "auswarten" wird (judicium permanere).3.98 Die italienischen Juristen3.99 bezeichnen in ihren Schriften die Kautionsleistung durch Kläger und Beklagten als ungebräuchlich. Daher mag es kommen, daß die Trierer und die Kölner Gerichtsordnung Vorschriften über die Prozeßbürgschaften nicht enthalten. Die ausdrückliche Erwähnung in Jülich und Mainz läßt sich aber gerade dadurch erklären, daß im deutschen Verfahrensrecht vorherige Bestellung von Sicherheiten üblich war: man stützte also die bestehenden Anschauungen durch fremdrechtliche Sätze.3.100 Für diese Annahme spricht auch, daß Gobler in seinem "Gerichtlichen Prozeß" zunächst entsprechend den Italienern die Ungebräuchlichkeit des Instituts behauptet, dann aber (in Anlehnung an die Mainzer Bestimmungen) auf die Praxis der Schöffengerichte hinweist, Kautionen zu fordern.3.101 Sämtliche vier Gesetze enthalten dagegen etwas über die Sicherheiten, die bei der Vertretung einer Partei durch einen Anwalt oder durch einen Nichtbevollmächtigten gefordert werden können. Tritt ein Anwalt auf, so ist zunächst das Vorhandensein und die Rechtsgültigkeit seiner Vollmacht zu prüfen. Kann der Anwalt einen Gewalt nicht vorweisen, so wird er nicht zugelassen, es sei denn, eine Vertretung ohne Vollmacht ist nach dem Gesetze erlaubt. Bestehen über die Ermächtigung Zweifel, so wird der Anwalt nur dann zur weiteren Verhandlung zugelassen, wenn er dafür Sicherheit leistet, bis zum nächsten Termin eine gültige Vollmacht vorzulegen (m 6b, 8a, T 32b, K2b, J 39). Die Sicherheitsleistung erfolgt durch Eid3.102 Liegt eine vollwirksame [Seite: 40] Vollmacht vor, so kann nach der Jülicher Ordnung eine Kautionsleistung von dem Bevollmächtigten nicht verlangt werden.3.103 Mainz dagegen bestimmt im Anschluß an Inst. 4.11.4, daß die cautio judicatum solvi zu leisten ist, der Anwalt sich also verpflichtet, notfalls anstelle des Beklagten das Urteil zu erfüllen oder anstelle des Klägers die Kosten zu erstatten. In den genau bestimmten Fällen aber, in denen jemand ohne Vollmacht für eine Partei auftreten kann, ist stets Sicherheitsleistung erforderlich. Die Verwandten müssen cautio de rato und cautio judicatum sisti stellen, also für die Genehmigung des Prozesses durch den Vertretenen und für die Durchführung des Verfahrens aufkommen.3.104 Der ohne Vollmacht für den Beklagten Handelnde aber muß sich auf Grund von C 2.12.12 und Inst. 4.11 verpflichten, für den Fall des Unterliegens die Kosten des Prozesses zu tragen und das Urteil zu erfüllen. Die Bestimmungen entsprechen der römisch-kanonischen Auffassung.3.105 § 17. Auszüge (Exceptionen)
M 8b-9b, Nach der Übergabe der Klage und Bestellung der Prozeßsicherheiten kann der Beklagte nach der Auth. offeratur C 3.9.1 eine Frist zur Überlegung und Vorbereitung seines künftigen Verhaltens verlangen. Die in der Authentica angegebene Zeit von 20 Tagen wird von den Prozeßordnungen auf 8 oder 14 Tage verkürzt (T9a). In dem nach Ablauf der Frist stattfindenden Termin muß der Beklagte entweder den Krieg befestigen oder eine Einrede vorschützen. Nach Jülich (18/19) ist die Kriegsbefestigung stets vorzunehmen, auch wenn der Beklagte eine Einrede hat. Sie erfolgt dann eventuell, d.h. für den Fall, daß die Einwendung nicht durchdringt.3.106 Einrede oder Auszug, wie die Prozeßordnungen sagen, ist die [Seite: 41] deutsche Bezeichnung für den Begriff exceptio des römisch-kanonischen Prozesses. Dieser ist unverändert übernommen worden. Danach bedeutet Auszug oder exceptio jede Verteidigung des Beklagten gegen das Vorbringen des Klägers, ferner gegen die Maßnahmen des Gerichts oder gegen die Aussagen von Zeugen.3.107 Exceptio ist somit jede Handlung des Beklagten im Prozeß. Der Begriff der exceptio ist weit umfassender als im römischen Recht. Dennoch leitet man ihn aus D 44.1.1 und 2 her: actio ist entsprechend der Auslegung von C 2.1.3 die mit der libelli oblatio geltend gemachte Klage, nicht — wie die Digestenstelle im Sinne des klassischen römischen Rechts auszulegen wäre — die in der Litiskontestation vom Prätor als Grundlage der Entscheidung des Judex gewährte Formel. Damit ist auch alles alsexclusio actionis und somit als exceptio bezeichnet, was in Rom schon durch die Verhandlung vor dem Prätor erörtert und entschieden war.3.108 Die große Anzahl von Einreden wird nach ihrer Wirkung eingeteilt. Die Gerichtsordnungen trennen die Exceptionen vor der Litiskontestation von denen nach diesem Zeitpunkt. Die Einreden vor der Litiskontestation zerfallen wieder in solche, die den Prozeß verschieben ("die Kriegsbefestigung nit abstellen"), und solche, die die Kriegsbefestigung und damit den Prozeß verhindern. Die Einreden nach der Litiskontestation werden geteilt in diejenigen, die den geltend gemachten Anspruch zerstören ("so die Hauptsach ableinen"), und in exceptiones solutionis dilatoriae — die seiner augenblicklichen Geltendmachung entgegenstehen. Allerdings sind die zerstörlichen Einreden gegen die Hauptsache nur dem Mainzer Gesetz(15a) bekannt, während die exceptiones solutionis dilatoriae von keiner der rheinischen Prozeßordnungen, sondern nur in der Frankfurter Reformation von 1509 erwähnt werden.3.109 Die Einteilung der Einreden nach den rheinischen Prozeßordnungen bedeutet eine Weiterentwicklung der in der römisch-kanonischen Literatur vertretenen Ansichten. Nach der Lehre der Postglossatoren werden alle Einreden danach unterschieden, [Seite: 42] ob sie der angestrengten Klage nur eine Zeitlang entgegenstehen (except. dilatoriae) oder ob sie den geltend gemachten Anspruch vernichten (except. peremtoriae).3.110 Eine Trennung zwischen prozessualen und zivilen Einreden ist erst angedeutet. Die dilatorischen Einreden werden weiter danach untergeteilt, ob sie contra judicium oder solche ad merita causae sind, also vor oder nach der Litiskontestation eingewandt werden müssen. Auch gibt es peremtorische Einreden vor und nach der Litiskontestation.3.111 Die Unterscheidung der Italiener ist in die übrige deutsche Gesetzgebung eingegangen.3.112 Die Weiterentwicklung in der Auffassung der rheinischen Prozeßordnungen erklärt sich aus einer Betonung prozessualer Gesichtspunkte. In der einzelnen Ausgestaltung schließt man sich wieder den italienischen Prozessualisten an. Die erste Gruppe der vor der Kriegsbefestigung einzubringenden dilatorischen Einreden zerfällt in die deklinatorischen Auszüge gegen Richter und Gerichtszwang und Exceptionen gegen Kläger, Klage oder Anwalt. Die deklinatorischen Einreden sind sofort und alle zugleich auf einmal einzubringen.3.113 Nur ausnahmsweise kann nach Trier in Anlehnung an die Doktrin auch später noch eine Einwendung gegen den Richter oder Gerichtsstand erhoben werden, sofern nämlich der Beklagte versichert, daß er die Ablehnungsgründe erst jetzt erfahren habe (Decr. Gr. II 3.3.4.7). Für die übrigen dilatorischen Einreden gilt nach dem Recht der Prozeßordnungen nur die Verpflichtung, sie bis zur Kriegsbefestigung vorzubringen, sofortiges Vorschützen wird nicht gefordert. Das Gericht kann aber den Parteien nach herrschender Lehre eine Frist setzen, in der alle prozeßverschiebenden Einreden einzubringen sind.3.114 Der Kreis der Einreden, die die Litiskontestation verhindern, ist fest umrissen. Die Gerichtsordnungen zählen auf: den Auszug einer geurteilten, einer vertragenen oder einer sonst hingelegten [Seite: 43] Sache (vgl.T 17b), d.h. die exceptiones rei judicatae, transactionis und jurisjurandi oder litis finitae.3.115 Wird eine dieser Einreden vorgeschützt, muß sie mit ihrer juristischen Bezeichnung angegeben werden.3.116 Die Aufzählung entspricht in VI° 2.3.1. Die prozeßhindernden Einreden brauchen von den Parteien wie alle übrigen peremtorischen Auszüge erst in der Verhandlung über die Hauptsache eingewandt zu werden. Sie können aber zur schnelleren Erledigung des Prozesses auch schon vor der Kriegsbefestigung vorgetragen werden. Denn treffen sie zu, so muß sofortige Prozeßabweisung erfolgen.3.117 Diese Wirkung wird ihnen mit Rücksicht auf römische Quellenstellen zugeschrieben. Aus D 44. 2 wird gefolgert, daß die exceptio rei judicatae vor der Kriegsbefestigung eingebracht werden kann. Die Gleichbehandlung der Einrede einer "vertragenen" oder einer sonst "hingelegten" Sache wird mit D 38.17.1.12, C 2.4.20 und D 12.2.2 begründet.3.118 Eine schnellere Erledigung des Prozesses tritt nur ein, wenn die prozeßhindernden Einwendungen auch sofort bewiesen werden können. Für das Erbringen des Beweises bestimmen die Prozeßordnungen deshalb eine Frist von 14 Tagen. Sonst erfolgt formelle Streitbegründung. Die Literatur behandelt außer den drei in VI° 2. 3. 1 aufgezählten Einreden in späterer Zeit noch alle diejenigen Exceptionen als prozeßhindernd, bei deren Vorliegen es nach dem corpus juris civilis nicht zu einer Litiskontestation kam, weil der Prätor die actio verweigerte. Insbesondere werden hierzu die Einreden der Verjährung und der Bezahlung gerechnet.3.119 [Seite: 44] Ist das Vorliegen einer Einrede vor der Kriegsbefestigung streitig, so tritt ein Zwischenverfahren ein. In Replik und Duplik wird das Beweisthema festgestellt, dann Beweis erhoben und entschieden. Die nach der Kriegsbefestigung möglichen verzögerlichen Einreden gegen den materiellen Anspruch des Klägers brauchen nach C 4.19.19 erst eingebracht zu werden, nachdem der Kläger sein Vorbringen begründet hat. Das Gleiche gilt für die peremtorischen Auszüge nach der Kriegsbefestigung. Diese dürfen bis zum letzten Verhandlungstermin noch eingewandt werden3.120 Die deutsche Rezeptionsgesetzgebung schreibt aber im Interesse der Prozeßverkürzung im allgemeinen vor, daß sie zu Beginn der Verhandlung über die Hauptsache auf einmal von dem Beklagten vorzuschützen sind.3.121 § 18. Gegenklage (reconventio) .
M 10b, Die Zulässigkeit der Gegenklage ist in den rheinischen Prozeßordnungen unbestritten (vgl.J 22). Sie wird mit C 7.45.14 begründet. Schon die Glosse sagt, daß der Kläger nur dann in einem Prozeß zu einer Leistung verurteilt werden kann, wenn der Beklagte Widerklage erhoben hat.3.122 Das Verfahren bei der Gegenklage richtet sich nach der Auth. et consequenter bei C 7.45.14 und nach den allgemeinen Grundsätzen über die Klage. Daher darf der geächtete oder gebannte Beklagte nicht widerklagen. In possessorischen Streitigkeiten ist eine petitorische Gegenklage unzulässig.3.123 Konnexität wird nicht gefordert. Die Widerklage ist einzubringen, sobald die deklinatorischen Einreden abgeurteilt sind (M 10b), und zwar bis zur Litiskontestation oder sofort nachher. Spätere Einreichung begründet nur noch den gleichen Gerichtsstand, das wesentliche Kennzeichen der Gegenklage fehlt aber: nämlich eine gleichmäßige Behandlung beider Streitsachen, die durch ein Urteil entschieden werden.3.124 [Seite: 45] Gegenüber der rheinischen auf römisch-kanonischem Recht beruhenden Gesetzgebung mit der unbedingten Zulässigkeit der Gegenklage wird in Sachsen die Möglichkeit, eine Widerklage zu erheben, verneint. Begründet wird diese Rechtsansicht mit Sachsenspiegel III, 12 § 1. Die Konstitutionen von 1572 schreiben vor, daß erst nach Entscheidung der Klage durch Urteil über die Gegenklage verhandelt werden darf. Es handelt sich also nicht um eine eigentliche reconventio des Rezeptionsrechtes, sondern nur um eine Möglichkeit für den Beklagten, die Zuständigkeit des gegen ihn angerufenen Gerichts auch für sich selber auszunutzen.3.125 3. Abschnitt: Verhandlung zur Hauptsache.§ 19. Kriegsbefestigung (litis contestatio)
M 1Ob, Die Kriegsbefestigung oder litis contestatio ist der Beginn der Verhandlung zur Hauptsache, nachdem sowohl die gesamten prozessualen Vorfragen wie auch etwa geltend gemachte prozeßhindernde Einreden materiellrechtlichen Inhalts entschieden sind. Ihre Definition in den Prozeßordnungen von Mainz, Trier und Köln entspricht zunächst den Quellenstellen C.3.1.14.4 und C.3.9.1 für die litis contestatio im römischen Recht. Kriegsbefestigung ist danach die Wiedergabe der Klage durch den Kläger und die darauf folgende Antwort des Beklagten. Die Definition, die sich ähnlich in der italienischen Literatur findet3.126 und auch in X 2.5.1 übernommen ist, gibt nicht vollständig das Wesen der Litiskontestation der Rezeptionszeit wieder. Die Kriegsbefestigung der Mainzer, Trierer und Kölner Gerichtsordnung ist die von beiden Parteien durch Gebrauch genereller Formeln vor Gericht erklärte Absicht, durch Urteil den anhängigen Prozeß entscheiden zu lassen. Die generelle Formel [Seite: 46] des Klägers hat dabei folgenden Inhalt: Er bittet "in der Meinung, den Krieg zubefestigen", die Klage zuzusprechen. Der Beklagte dagegen erkennt entweder den geltend gemachten Anspruch an, er bejaht ihn — die Gesetze sagen: er antwortet mit "Ja" — oder erbittet, die Klage abzuweisen, er antwortet mit "Nein". Kläger und Beklagter wenden sich bei dem Gebrauch der Formeln an das Gericht, nicht an die Gegenpartei. Damit liegt der Unterschied der Kriegsbefestigung der Rezeptionszeit zu der Litiskontestation des römischen Rechts im wesentlichen einmal darin, daß die Streitabsicht für die Gesetze der Rezeptionszeit eine hervorragende Rolle spielt (in der Meinung, den Krieg zu befestigen), zum anderen aber auch in der Tatsache, daß die Litiskontestation nicht mehr ein Vertrag zwischen zwei Parteien, sondern eine Erklärung an das Gericht ist.3.127 Von der Auffassung der Gerichtsordnungen der drei Erzstifte unterscheidet sich Jülich insofern, als nach ihm für das Vorhandensein der Kriegsbefestigung lediglich maßgebend ist, ob der Beklagte mit "Ja" oder "Nein" geantwortet hat. Auf die Erklärung des Klägers kommt es nicht an. Jülich entspricht mit dieser Vorschrift besser der um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Deutschland herrschenden Auffassung.3.128 Daß aber die Kriegsbefestigung nur durch den Gebrauch genereller Formeln und nicht durch spezielle Erörterung der einzelnen Klagepunkte zustandekommt, ist im 16. Jahrhundert in ganz Deutschland anerkannt.3.129 Man glaubt nur so den Willen der Parteien auf Prozeßentscheidung einwandfrei erkennen zu können. Verwenden die Parteien eine der vorgeschriebenen Formeln, so wird dann aber auch vermutet, daß sie den Krieg befestigen wollen. Wünschen sie dies nicht zu tun, so müssen sie bei dem Gebrauch einer ähnlichen Redewendung ausdrücklich protestieren.3.130 Die entscheidende Bedeutung des Willens zeigt sich vor allem in der Zulässigkeit einer bejahenden Kriegsbefestigung. Obwohl [Seite: 47] der Klaganspruch zugestanden wird, wird in das Verfahren zur Hauptsache eingetreten. Scholastisch wird die Zulässigkeit der bejahenden Litiskontestation von der Glosse mit C 3.9.1 begründet. Dort sei nur von "narratio", nicht von "negatio" die Rede. Auch Stellen wie D 10.2.1 mußten zur Annahme einer bejahenden Kriegsbefestigung führen. Denn hier wird trotz der confessio des Beklagten ein judex bestellt und ergeht ein Urteil, in Wirklichkeit allerdings nur zur Schätzung der Höhe des Schadens3.131 Hat der Beklagte aber bei seinem gerichtlichen Anerkenntnis nicht den Willen, noch den Krieg zu befestigen, so wird er wie ein Verurteilter behandelt (M 14b, T 24b, K 9b). Diese Rechtsfolge läßt sich sowohl mit römischem als auch mit deutschem Recht stützen. Es entsprechen sich nämlich die confessio in jure einerseits und das "Bekenntnis" andererseits.3.132 Die Kriegsbefestigung ist ein wichtiger prozessualer Akt. Sie ist nach den rheinischen Gerichtsordnungen unerläßlich für die Gültigkeit des Verfahrens (X 1.6.54.3). Ausnahmen gelten nur für den nicht ordentlichen Prozeß, das schleunige Verfahren. Im Gegensatz hierzu verzichten das Freiburger Stadtrecht und die Kölner Reformation des Gerichtsprozesses von 1570 stets auf eine Kriegsbefestigung durch die Parteien. Sie bezwecken damit Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens3.133 Die Bedeutung der Kriegsbefestigung zeigt sich in ihren Wirkungen für den Prozeß. Die prozessualen dilatorischen Einreden sind grundsätzlich abgeschnitten. Nunmehr können erst Beweise erhoben werden (X 2.6 und C 4.20.19 Auth. sed et si quis). Dieser Satz wird in der Mainzer Untergerichtsordnung durch zwei Ausnahmen unterbrochen: einmal gibt es eine Beweisaufnahme vor der Kriegsbefestigung bei Streit über die Exceptionen [Seite: 48] des Beklagten. Andererseits ist ohne Litiskontestation Vernehmung solcher Zeugen möglich, die zum ewigen Gedächtnis geführt werden (vgl. T26b, J51). Hierunter versteht Literatur und Praxis die außerhalb eines anhängigen Verfahrens zur Sicherung des Beweises für einen künftigen Prozeß erfolgende Zeugenvernehmung schwerkranker oder vor langer Abwesenheit stehender Personen (X 2.6.5).3.134 Obwohl das Prozeßrechtsverhältnis zwischen Richter und Parteien schon mit der Klagübergabe begründet ist, wird an der Lehre festgehalten, daß ein Endurteil nicht vor erfolgter Litiskontestation geschehen kann.3.135 Alle vor diesem Zeitpunkt erfolgenden Klagabweisungen geschehen durch Beiurteile, die nicht die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung der Sache haben. Daher wird z.B. empfohlen, peremtorische Einreden möglichst spät einzubringen, um ein Endurteil zu erlangen. Die Kriegsbefestigung der vier Prozeßordnungen ist gänzlich romanistischen Grundsätzen nachgebildet.3.136 Dennoch wird ihre Einführung in Deutschland wohl aus dem Grunde möglich gewesen sein, weil sie der Neigung des deutschen Prozesses zur Einteilung des Verfahrens in voneinander getrennte Abschnitte entsprach. Die Kriegsbefestigung bedeutet dasselbe wie die Feststellung des Gerichts im deutschen Recht, daß der Beklagte zur Antwort auf den materiellen Klageanspruch verpflichtet sei3.137 Daß eine Erinnerung an die deutschrechtliche Trennung besteht, beweist das Streben der Gerichtsordnungen, den Beklagten vor der Kriegsbefestigung als "Antworter" zu bezeichnen. In Deutschland hat sich die Form der generellen Litiskontestation, wie sie die rheinischen Prozeßordnungen vorschreiben, nicht halten können. Schon 1572 bestimmten die Sächsischen Konstitutionen, daß der Beklagte im einzelnen auf die Klage zu antworten habe. Der jüngste Reichsabschied hat die "spezielle" Litiskontestation übernommen und damit für das gemeine Prozeßrecht durchgesetzt3.138 [Seite: 49] § 20. Gefährdeeid (juramentum calumniae)
M 11a Außer der formellen Kriegsbefestigung wird, sofern es eine Partei verlangt, beim Eintritt in die Hauptverhandlung von dem Kläger und dem Beklagten für das weitere Verfahren ein Eid geschworen, der gegen Prozeßverschleppung und doloses Verhalten wirken soll. Dieser sog.generelle Gefährdeeid ist vornehmlich aus dem Kodextitel 2.58 entwickelt worden. Zunächst wurde in den italienischen Gerichten nicht zu Beginn der Verhandlung zur Hauptsache für den ganzen weiteren Prozeß geschworen, sondern entsprechend der Quellenstelle der Eid nur dann einer Partei auferlegt, wenn man ein prozeßverschleppendes oder treuloses Verhalten von ihr befürchtete. In dieser Form erhielt sich der Eid in dem corpus juris canonici (in VI° 2.4).3.139 Der nur für eine einzelne Handlung der Partei auferlegte Eid heißt juramentum calumniae speciale oder juramentum malitiae. Aus dem speziellen Calumnieneid entwickelte das kanonische Recht noch eine besondere Anwendungsform: Wünschte man von einer Partei eine unbedingt der Wahrheit entsprechende Aussage zu bekommen, so wurde ihr das juramentum de veritate dicenda auferlegt. Diese Eidesform wurde später auch in den weltlichen Gerichten Italiens benutzt. Hier zog man aber schließlich die verschiedenen einzelnen Eide zum generellen Calumnieneid zusammen (Auth. hoc sacramentum und principales zu C 2.58), der also den speziellen Eid gegen Prozeßverschleppung und das juramentum de veritate dicenda für das Verfahren nach der Litiskontestation zusammenfaßt.3.140 Der generelle Calumnieneid hat nach den rheinischen Prozeßordnungen fünf Teile: 1. der Kläger muß versichern, daß er an die Rechtsmäßigkeit seiner Klage glaubt (C 2.58.1.pr., Auth. hoc sacramentum, Inst. 4.16.1); der Beklagte beteuert seinen Glauben an die Richtigkeit seiner Einwendungen (Inst. 4.16.1 und 3). 2. Beide Parteien schwören, keine unnötigen Fristen in [Seite: 50] Anspruch nehmen zu wollen (C 2.58.1 und 2), 3. bei der Wahrheit zu bleiben und 4. keine falschen Beweise anführen zu wollen (C 2.58.2)3.141 5. Schließlich versprechen beide, keine Bestechungsversuche zu machen (Auth. principales C 2.58). Da der Eid dem anständigen Verhalten während des Prozesses dient, schwören nicht nur die Parteien, sondern auch die Bevollmächtigten. Tritt nur der Vertreter im Prozeß auf, so muß er zwei Eide — für sich und für den Vertretenen — leisten.3.142 Der Eid braucht nur geschworen zu werden, wenn der Gegner ihn verlangt. Wird er aber gefordert, so zieht eine Verweigerung gemäß D 12.2.34 und C 2.58 Auth. principales, ferner nach X 2.7.7 § 1 Klageabweisung oder — für den Beklagten — Verurteilung nach sich. Der spezielle Calumnieneid ist in Mainz (11b) und Trier (21) ebenfalls aufgenommen. Beide Ordnungen stehen im Gegensatz zur herrschenden Lehre,3.143 aber im Einklang mit in VI° 2.4.1 u. 2, wenn sie die Auferlegung dieses Eides auch nach der Kriegsbefestigung gestatten. Zu der Entwicklung des Calumnieneides in Italien hat das germanische Recht mit dem Eide "ohne vare" beigetragen.3.144 Indessen wird sich eine ausreichende Parallele des entwickelten Calumnieneides zum deutschen Recht des 15. Jahrhunderts nicht finden lassen. Es ist auch nicht anzunehmen, daß das juramentum calumniae schon vor der eigentlichen Rezeption infolge des Einflusses der geistlichen Gerichtsbarkeit in den weltlichen Gerichten Deutschlands angewandt ist, wie das wegen einer Vorschrift in der Trierer Schöffengerichtsordnung von 1400 behauptet worden ist.3.145 Dort hat der Kläger bei der sofortigen Eideszuschiebung an den Beklagten einen Eid darüber zu leisten, daß sein Verhalten "ane vare" sei. Hier handelt es sich deswegen nicht um den romanistischen Gefährdeeid, weil der Kläger nicht schwören muß, wenn er einen Beweis für sein Vorbringen hat.[Seite: 51] Es handelt sich also um den deutschrechtlichen Hilfseid bei Mangel an Beweisen.3.146 § 21. Satzstücke (Positionen)
M 12a von Satzstücken und Artikeln. Die Positionen oder Satzstücke werden aus der zunächst summarisch eingereichten Klage gebildet und lösen diese in eine Reihe von Einzelbehauptungen auf. Auf jeden einzelnen so aufgestellten Satz muß der Beklagte vor Gericht antworten. Aus seinen Entgegnungen ergibt sich, was der Kläger noch zu beweisen hat und was beide Parteien übereinstimmend als richtig vortragen.3.147 In gleicher Art verfährt der Beklagte, wenn er Einreden beweisen muß. Die Ausgangsstelle für die Positionen sind die interrogationes in jure des römischen Rechts gewesen.3.148 Jedoch ist das Institut von der italienischen Lehre so umgestaltet worden, daß die Positionen als eine völlig eigene Verfahrensform des römisch-kanonischen Prozesses angesehen werden müssen. Die vom Kläger aufgestellten Positionen werden nach der Übergabe vom Gericht geprüft, ehe sie dem Beklagten vorgelegt werden. Auch dieser kann vor der Beantwortung Einreden gegen die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit erheben. Denn die Positionen dürfen nicht über Rechtssätze, sondern nur über Tatsachen aufgestellt werden. Sie sollen nicht in negative Form gekleidet sein. Vor allem müssen sie klar sein und im Zusammenhang mit dem Prozeßgegenstand stehen.3.149 Dementsprechend hat auch der Beklagte seine Antwort verständlich abzufassen. Nach in VI° 2.10.2, dem sich die rheinischen Prozeßordnungen anschließen, hat er mit "Ja" oder "Nein" zu antworten, wenn er selbst von der behaupteten Tatsache Kenntnisse hat, mit "glaub" oder "glaub nit", wenn die Positionen Ereignisse betreffen, [Seite: 52] von denen er selbst nur durch Dritte gehört hat (sog.fremde Geschichten). Will der Kläger sicher gehen und unbedingt wahre Angaben des Beklagten auf die Satzstücke herbeiführen sowie eine unnötige Verschleppung der Antwort durch Einreden verhindern, so übergibt er die Positionen mittels eines Eides. Dieses Verfahren ist in Trier bereits die Regel, in Mainz und Köln gestattet. Der Eid wird im späteren gemeinen Prozeß als "juramentum dandorum et respondorum" bezeichnet.3.150 In der Mainzer, Trierer und Kölner Ordnung beruft sich der Kläger noch auf den von ihm geleisteten generellen Calumnieneid.3.151 Der Beklagte hat gleichfalls unter Bezugnahme auf seinen Calumnieneid sich auf die Positionen zu erklären. Weigert er sich ohne Grund, eine klare Antwort zu geben, so gilt die behauptete Tatsache als zugestanden. Allerdings muß der Beklagte vorher auf diese Folge seines Verhaltens aufmerksam gemacht sein ( 12b, T 22a, K 11b). Damit ist C 2.58.2 angewandt, das die besondere Androhung ausdrücklich vorschreibt. Die geschichtliche Wurzel des gemeinrechtlichen juramentum dandorum et respondorum ist also im Calumnieneid zu suchen. In der Entwicklung des Prozesses in Deutschland haben die Positionen keinen günstigen Einfluß gehabt. Sie haben zur Prozeßverschleppung geführt. Besonders aber hat sich die aus ihnen entstandene artikulierte Klage als verwerflich erwiesen. Sie ist deshalb im Jüngsten Reichsabschied § 34 aufgehoben,während die Positionen im Gegensatz zum sächsischen Recht erhalten blieben.3.152 § 22. Beweisverfahren im allgemeinenDas Beweisverfahren der vier Prozeßordnungen steht fast ausschließlich unter fremdem Recht. Es ist von dem Prinzip der Beweislast beherrscht. Die Zeugenvernehmungen und die etwaigen [Seite: 53] eidlichen Aussagen der Parteien haben die Erforschung von Tatsachen, nicht das Beschwören von Rechtsauffassungen zum Ziel. Jedes Beweismittel ist der freien Würdigung des Gerichts unterworfen. Immerhin dürfte die Neuordnung des Beweisrechts nicht völlig umstürzend gewirkt haben, da das deutsche Recht in den letzten Jahrhunderten vor der Rezeption schon das rein formelle Beweisverfahren zu beseitigen begonnen hatte. Der Eid der Parteien war zwar noch das hauptsächliche Beweismittel.3.153 An die Stelle des Eideshelfers war aber schon der Zeuge getreten. Zunächst war auch noch dessen Eid das Wesentliche. Er beschwor, daß er die Richtigkeit der Parteibehauptung wisse. Der Eideshelfer hatte dagegen beschworen, daß die Partei selbst zuverlässig sei. Der Zeuge wurde aber später nach dem Grunde seines Wissens, also nach einer Tatsache gefragt.3.154 Um in einem etwaigen Prozeß genügenden Beweis zu haben, zog man daher zu der Vornahme von wichtigen Rechtsgeschäften stets Unbeteiligte als Zeugen zu.3.155 Daneben entwickelte sich das Gerichtszeugnis.3.156 Größere Verträge wurden an der Gerichtsstätte in Anwesenheit von Richter und Schöffen geschlossen. So wurden z.B. Forderungen gesichert. Der Schuldner erklärte vor Gericht, seinem Gläubiger einen bestimmten Betrag leisten zu müssen. Er konnte wegen des entgegenstehenden Gerichtszeugnisses sein Anerkenntnis später nicht widerrufen. Ein solches Verhalten hieß auch "Bekenntnis" des Schuldners.3.157 Solennitätszeugen und Gerichtszeugnis trugen zur Berücksichtigung von Tatsachen im [Seite: 54] deutschen Recht bei.3.158 Durch sie entwickelte sich aber auch der Urkundenbeweis: die schriftliche Aufzeichnung des in Gegenwart der Schöffen oder namentlich angeführter unbeteiligter Dritter getätigten Rechtsgeschäfts oder der Erklärung des Schuldners trat an die Stelle der Aussage der Beteiligten. Der Urkundenbeweis ist jedoch in Deutschland im 15. Jahrhundert noch nicht völlig anerkannt.3.159 Mit der Entwicklung des Tatsachen- und Urkundenbeweises bereitete sich auch die freie richterliche Beweiswürdigung vor. Der vom Zeugen angegebene Grund seines Wissens mußte geprüft werden, die Urkunde mußte echt sein.3.160 Erhalten blieb aber im deutschen Recht im allgemeinen noch bis ins 15. Jahrhundert die Auffassung, daß der Beweis ein Recht sei und nur eine Partei Beweis erbringen könne. Daher bedeutet die Anschauung der Rezeptionsgesetze von der Beweislast den stärksten Wandel gegenüber dem bisherigen Zustand. Die Lehre von der Beweislast beherrscht als selbstverständliche Grundlage alle Ordnungen. Der Kläger muß zunächst bitten, ihn zum Beweise seiner Behauptungen zuzulassen, und der Beklagte kann den Erfolg dieses Beweisantritts durchaus abwarten. Eine gleichzeitige Beweisaufnahme wird nur vereinzelt zur Beschleunigung des Prozesses angeordnet.3.161 Die Lehre von der Beweislast zeigt sich weiter, wenn in der Jülicher Ordnung (48) bestimmt wird, daß eine Partei mit einem zugeschobenen Eid nur belastet werden soll, wenn sie ihr Vorbringen schon weitgehend glaubhaft gemacht hat.3.162 Eine besondere Absetzung des Beweisverfahrens von der vorhergehenden Feststellung des Beweisthemas findet im rheinischen Gebiet nicht statt. Das zum Beweis zulassende Urteil des Gerichts ist ein einfacher Beschluß, gegen den Rechtsmittel nicht gegeben sind.3.163 Nur in Sachsen hat sich die später im gemeinen [Seite: 55] Prozeß wieder anerkannte Teilung zwischen Behauptungs- und Beweisverfahren zu erhalten vermocht.3.164 Beweismittel sind vorzüglich Zeugen und Urkunden. Nach der Anschauung der Gesetze kann Beweis ferner durch das Geständnis des Beklagten erbracht werden, während die Bedeutung des Eides einer Partei gering ist. Nur erwähnt wird die möglichkeit, durch Augenschein (T 25b) und Vermutungen (T 25b, J 27) die Richtigkeit der Parteibehauptungen festzustellen. Die Vermutungslehre des Trierer Gesetzes stellt lediglich eine nach dem Speculum3.165 hergestellte Zusammenstellung der verschiedenen von der italienischen Doktrin entwickelten Vermutungsarten wie praesumtio temeraria, probabilis und de jure dar. Eine gerichtsbekannte Tatsache braucht entsprechend X 1.6.23 nicht mehr bewiesen werden (T 25b). § 23. Zeugenbeweis
M 12b von Beibringungen und
Beweisungen, Entsprechend dem fremdrechtlichen Inhalt ihrer gesamten Beweislehre sehen sich die Verfasser der vier Ordnungen veranlaßt, das Recht der Beweisaufnahme und besonders der Zeugenvernehmung ausführlich zu erörtern. Inbesondere enthält wiederum Trier eine lange Aufzählung von Beispielen über die Wertung der Persönlichkeit und der Aussage eines Zeugen. Man unterscheidet bei der Vernehmung den Zeugenführer (der den Zeugen zum Beweis seiner Behauptungen herbeischafft) und seinen Gegner (gegen den der Beweis durch den Zeugen angetreten wird). Die Vernehmung von Zeugen beginnt nach der Zulassung zum [Seite: 56] Beweis mit einem Termin, in dem der Zeugenführer seinem Gegner Namen der Zeugen und das Beweisthema benennt. Das kanonische Recht und die höheren Gerichte haben anstelle dieses Termins die schriftliche Mitteilung über die Namen und das Beweisthema (in VI° 2.10.2). Nach dem Termin reicht der Gegner, sofern er es für nötig hält, Fragstücke (Interrogatorien i.S. der Postglossatoren) ein. Er hat durch diese Fragstücke die Möglichkeit, den Zeugen auch über seine eigenen Behauptungen vernehmen zulassen. Der Kläger dagegen wird im allgemeinen keine besonderen Fragen an den Zeugen außer seinen Positionen haben.3.166 Wie die Positionen unterliegen aber auch dieFragstücke des Beklagten der richterlichen Kontrolle. Sie dürfen nicht dem Zeugen unehrenhafte Vorwürfe machen und müssen mit dem Beweisthema im Zusammenhang stehen (X 5.1.21.1). Daher ist es nicht gestattet, etwa den Zeugen zu fragen, ob er Ehebruch getrieben hat.3.167 Nunmehr werden die Zeugen vor Gericht geladen. Von dem Termin muß der Gegner nach X 2.20.2 eine Mitteilung erhalten. Jedoch erfolgt das Verhör auch, wenn der Gegner nicht erscheint. Spätestens bis zu Beginn des Verhörs müssen Einwendungen gegen die Person der Zeugen geltend gemacht werden, wie etwa, daß sie meineidig oder minderjährig seien und deshalb nicht gehört werden dürften. Nur wenn der Gegner sich seine Einwendungen ausdrücklich vorbehält, kann er sie auch nach dem Verhör noch vorbringen,es sei denn, er versichert mit einem besonderen Eid, die vorzubringende Einrede sei ihm erst jetzt bekannt geworden. Diese Bestimmungen der Untergerichtsordnungen beruhen vor allem auf X 2.20.7 u.31, ferner auf in VI° 2.4.2. Das Verhör beginnt mit der Eidesleistung. Der Voreid beruht auf römischem Recht, nämlich auf C 4.20.9, aufgenommen in X 2.20.51. Der Eid kann von beiden Parteien erlassen werden. Das entspricht dem kanonischen Recht (X 2.20.39). Wegen späterer Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Urteils müssen die Parteien aber den Eid ausdrücklich erlassen. Unbedingtes Erfordernis ist der Voreid für einen Teil der Schriftsteller nicht.[Seite: 57] Nach ihnen genügt auch unmittelbarer Nacheid.3.168 Die Eidesformel der Gesetze ist nicht wesentlich von der schon im Speculum überlieferten verschieden, wenn sie auch keine Übersetzung darstellt. Die einzelnen Teile werden mit Gesetzesstellen belegt.3.169 Nach der Eidesleistung beginnt die eigentliche Vernehmung, an der nur der Richter, zwei Schöffen, der Gerichtsschreiber und der Zeuge teilnehmen (X 2.20.52). Die Legisten entwickeln die Vorschriften über die geheime Beweisaufnahme im Anschluß an C 4.20.14, da hier von "ita judicantis intrare secretum" gesprochen wird. Öffentliche Aussagen sind nichtig, auch werden die Zeugen einzeln vernommen, damit sie sich nicht gegenseitig beeinflussen können. Die Glosse hält das Verhör in Gegenwart der Parteien noch für möglich und gültig.3.170 Die Aussage erstreckt sich zunächst auf die Fragstücke der Parteien. Da diese nur über Tatsachen aufgestellt werden dürfen, so ist auch die Zeugenvernehmung eine reine Vernehmung über Tatfragen. Liegen keine Fragstücke vor, so werden nur Alter, Name, Wohnort des Zeugen (die sog.allgemeinen Fragstücke) festgestellt. Der Richter fragt von sich aus zur Sache nichts. Über die Aussagen wird ein Protokoll durch den Gerichtsschreiber aufgenommen. Die Zeugen müssen bei jeder Frage zur Vermeidung späterer Einwendungen angeben, aus welchem Grunde sie von dem Vorgang, über den sie berichten, Kenntnis erlangt haben. Die Schriften verschiedener Juristen lassen erkennen, daß die Aussagen der Zeugen gerade deshalb angezweifelt wurden, weil sie den Grund ihrer Kenntnis nicht ordentlich angegeben hätten.3.171 Vollwertig ist überhaupt nur die Aussage über einen selbst wahrgenommenen Vorgang. Die Aussage muß dem Zeugen vor dem Ende des Verhörs noch einmal vorgelesen werden (X 2.2.1.7). Nicht im Gerichtsbezirk ansässige Zeugen werden entsprechend dem oberitalienischen Vorbild auf Grund eines Begleitschreibens im Wege der Rechtshilfe durch ihren zuständigen [Seite: 58] Richter vernommen. Die drei erzbischöflichen Ordnungen geben ein ungefähr dem Speculum3.172 entsprechendes Muster eines solchen "Kompaßbriefes" wieder. Die gesamte Vernehmung der Zeugen hat nach der Zulassung durch das Gericht zum Beweis binnen einer Frist von 6 Wochen (drei Termine zu je 14 Tagen) zu geschehen. Die rheinischen Prozeßordnungen übernehmen damit die römisch-kanonische Frist (X 2.20.15, 36 u.53). In Sachsen ist die deutsche Frist von 6 Wochen und 3 Tagen üblich.3.173 Grundsätzlich sind die 6 Wochen Notfrist, sie können aber entsprechend dem kanonischen Recht verlängert werden, sofern wiederum ein besonderer Gefährdeeid geschworen wird (X 2.20.55).3.174 Nach Abschluß des Verhörs werden die Aussagen auf Antrag der Parteien eröffnet (Auth. atqui semel C 4.19 bzw.X 2.27.22). Hierauf können Einreden gegen die Angaben der Zeugen erhoben werden. Die Öffnung der Zeugenaussagen hat aber den Nachteil, daß über dasselbe Thema keine weiteren Vernehmungen mehr geschehen dürfen (T 27a). Indessen wird in der Rezeptionszeit dies Verbot praktisch durchbrochen.3.175 § 24. Urkundenbeweis (instrumenta)
M 12b von Beibringung und Beweisungen.
(a.E.) Wie in der romanistischen Lehre ist der Beweis durch Urkunden in den Gesetzen der Rezeptionszeit voll anerkannt. Nähere Vorschriften enthalten aber unter den rheinischen Gerichtsordnungen nur die Gesetze von Trier und Jülich. Voll beweiskräftig sind die öffentlichen Urkunden, die begrifflich bereits von den Privaturkunden unterschieden werden (T31a). Zu ihnen gehören die vom Gerichtsschreiber, vom Notar, [Seite: 59] den Fürsten und sonstigen "bekannten" Persönlichkeiten, also von den übrigen höheren Beamten oder Standespersonen ausgestellten Schriften. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Urkundenarten stellt aber nicht die Art der Ausstellung, sondern ihre Beweiskraft dar.3.176 Die öffentlichen Urkunden müssen eine Reihe von Formerfordernissen erfüllen. Zeit, Ort, ferner die Namen der beteiligten Parteien, des Schreibers sowie der zur Errichtung notwendigen Zeugen müssen angegeben werden. Das wird aus Nov. 44 und 47 (48), ferner aus C 4.21.17 gefolgert.3.177 Die Urkunden müssen mit einem Siegel versehen sein.Verletzungen und Radierungen zerstören ihren Wert (C 1.15.1).Formmängel und Verletzungen sind die wesentlichsten Einwendungen, die der Beklagte gegen eine Urkunde geltend machen kann (T 31b).3.178 Privaturkunden sind alle übrigen schriftlichen Aufzeichnungen; ihr Wert ist gering. Unter Umständen können sie durch Zeugen, die bei der Errichtung zugegen waren, erhärtet werden. Einige haben Beweiskraft gegen den Aussteller, so die Bücher der Kaufleute.3.179 An sich ist der Urkundenbeweis gleichfalls binnen 6 Wochen zu erbringen, doch wird entsprechend X 2.22.9 Vorlage bis zum letzten Verhandlungstermin praktisch gestattet. Abschriften können die Parteien durch den Gerichtsschreiber herstellen lassen, beweiskräftig ist aber nur die erste (J 52 gemäß C 1.23.3 und Auth. si omnes C 2.38). Das Kölner Gesetz wendet sich noch gegen einige Mißbräuche, die zeigen, daß sich der Urkundenbeweis im deutschen Recht noch nicht vollständig durchgesetzt hatte. So erkannten die niederen Gerichte zu Beginn des 16. Jahrhunderts andere Urkunden als die eigenen nicht an und verlangten neben der Vorlage des Schriftstücks noch Zeugenbeweis.[Seite: 60] § 25. Bekenntnis (confessio) confessio
M 14 b, Nach dem Zeugen- und dem Urkundenbeweis erörtern die Prozeßordnungen die Wirkung eines Anerkenntnisses des Beklagten nach der Kriegsbefestigung im anhängigen Verfahren und vor allem des außerhalb des Prozesses vor Gericht vom Schuldner erklärten Eingeständnisses einer Forderung. Sie bezeichnen beides als "Bekenntnis". Damit vereinigen sie unter einer deutschrechtlichen Bezeichnung die confessio der Postglossatoren — das Anerkenntnis des Schuldners im anhängigen Verfahren — und das deutschrechtliche "Bekenntnis" des 15. Jahrhunderts. Weder die confessio noch das Bekenntnis des alten deutschen Rechts sind im Grunde ein Beweismittel. Die confessio ist nämlich die bejahende Antwort des Beklagten auf eine Position. Was der Beklagte zugesteht, braucht der Kläger nicht mehr durch Zeugen oder Urkunden zu belegen. Die confessio ist also nicht selbst Beweis, sondern dient nur der vorherigen Bestimmung des noch anzutretenden Beweises. Da aber nach dem Grundsatz der Beweislast der Kläger alles belegen muß, was er in der Klage vorgetragen hat, so wird die confessio als Erleichterung der Pflicht des Klägers und damit als dienliches Beweismittel selbst aufgefaßt (K14a).3.180 Das Bekenntnis des deutschen Rechts ist im 16. Jahrhundert nur eine andere Form des Urkundenbeweises. Über die außerhalb eines anhängigen Prozesses abgegebene Erklärung des Schuldners, er erkenne die Forderung seines Gläubigers an, wird dem Gläubiger in der Regel eine Urkunde erteilt. Diese muß bei der Klage gegen den säumigen Schuldner vorgelegt werden und wird durch das Gericht geprüft.3.181 Genügt sie, so erfolgt Verurteilung. Ist aber keine Urkunde erteilt, so besteht immer noch die Eintragung im Gerichtsbuch, von der eine beglaubigte Abschrift hergestellt werden kann. Schlimmstenfalls kann der [Seite: 61] Gläubiger seine Klage mittels Zeugenbeweises stützen. Ein selbständiges Beweismittel ist das Bekenntnis nicht. Sowohl die confessio wie das ursprünglich deutschrechtliche Institut sind in verschiedenen Fällen unwirksam. Als Gründe kommen Irrtum, Täuschung, Drohung und Minderjährigkeit in Betracht( D 42.2.6.6, Decr. Gr. II 15.6.1). Auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts — 2 Schöffen und der Schreiber müssen auch bei dem außerprozessualen Bekenntnis zugegen sein — macht das Eingeständnis ungültig. Trier (24a/b) behandelt die einzelnen Fälle im Anschluß an das Speculum.3.182 § 26. Beweis durch Eid
M 15b von dem Eid, so der Richter zurErfüllung
der Beweisung ... Gegenüber dem deutschen Recht hat in der Rezeptionszeit der Eid seine Bedeutung für die Entscheidung des Prozesses fast völlig verloren. Im allgemeinen erwähnen die Gerichtsordnungen nur die Möglichkeit, daß der Richter einer Partei den Ergänzungseid (juramentum suppletorium) bei nicht genügendem sonstigen Beweis auferlegt (15b, T 27a, J 28). Der Eid ist reines Beweismittel und unterliegt der freien Würdigung durch das Gericht. Er setzt "halbe Beweisung" voraus (X 22.24.36), das heißt die Partei, die den Eid schwören soll, muß eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ihr Vorbringen schon erbracht haben. Halbe Beweisung wird durch Aussage eines Zeugen, durch einzelne Privaturkunden wie die Bücher der Kaufleute, durch Vermutungen und durch außergerichtliche formlose Geständnisse erreicht.3.183 Da der Eid nur Beweismittel ist, muß die Partei eigene Kenntnis von der zu beschwörenden Tatsache erlangt haben.3.184 Der zugeschobene Eid tritt dagegen in der Gesetzgebung der Rezeptionszeit ganz zurück. In West- und Süddeutschland erwähnen [Seite: 62] ihn während des 16. Jahrhunderts nur die Ordnungen von Nürnberg und Jülich. Das Zurücktreten erklärt sich aus der Behandlung des juramentum delatum in der italienischen Literatur. Diese kannte den prozeßentscheidenden zugeschobenen Eid nicht.3.185 Wenn gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Deutschland der zugeschobene Eid wieder mehr Bedeutung erlangt, so ist diese Tatsache nicht auf die Fortentwicklung des römisch kanonischen Rechts, sondern auf das Wiederaufleben deutschen Rechtsgutes zurückzuführen.3.186 Im übrigen ist aber auch der zugeschobene Eid der Nürnberger und der Jülicher Reformation in Wirklichkeit nur ein Beweismittel. Denn auch bei ihm wird von beiden Ordnungen halbe Beweisung und Kenntnis der Partei von den zu beschwörenden Tatsachen verlangt. Der einzige Unterschied zum Ergänzungseid ergibt sich daraus, daß bei Verweigerung der Eidesleistung sofortige Verurteilung bzw. Klagabweisung erfolgt.3.187 4. Abschnitt: Urteile, Rechtsmittel und Vollstreckung§ 27. Urteile (sententiae diffinitivae und interlocutoriae)
M 15b, Die vier Gerichtsordnungen unterscheiden zwischen dem Endurteil, der sententia definitiva, und dem Beiurteil, der sententia interlocutoria. Dieser Gegensatz findet sich schon im römischen Recht.3.188 Dagegen waren im deutschen Recht alle Urteile einander gleichwertig. Die Kölner Ordnung bestimmt ausdrücklich, daß das "stetig Urteilen, so on Unterlass zu allen gerichtlichen Terminen auf widerwärtiges Anhalten beider Teile on alle fürgehend [Seite: 63] Beweisung bisher beschehen ist", nunmehr verboten ist (K14b).3.189 Das Endurteil ist diejenige Entscheidung, durch die der Rechtsstreit der Parteien entweder mit Klagabweisung oder durch Verurteilung abgeschlossen wird. Alle übrigen Anordnungen des Gerichts im Laufe eines Prozesses werden als Beiurteile bezeichnet. Dabei wird kein Unterschied gemacht, ob es sich nur um eine prozeßleitende Verfügung oder um die Entscheidung einer Rechtsfrage handelt, wie sie die Verwerfung eines Beweisangebotes oder die Zurückweisung einer Einrede darstellen. Ehe ein Endurteil erlassen werden kann, muß ein besonderer Beschlußtermin stattfinden, zu dem die Parteien zu laden sind. Er dient dem förmlichen Abschluß der Streitverhandlung. Der Gebrauch von Formeln ist in den vier Prozeßordnungen im Gegensatz zum Verfahren vor den höheren Gerichten nicht vorgesehen.3.190 Grundsätzlich ist das Vorbringen von Behauptungen oder Beweisen nach dem Beschlußtermin unbeachtlich. Das Endurteil zeichnet sich ferner durch die besondere Art der Urteilsfindung, durch seinen Inhalt und durch die Förmlichkeiten der Urteilsverkündung gegenüber den Beiurteilen aus. Die nach dem Beschlußtermin stattfindende Urteilsberatung ist geheim. Das Abstimmungsergebnis des Gerichts darf nicht mitgeteilt werden. Die Urteilsfassung erfolgt an Hand der Akten. Können die Schöffen selbst eine billige Entscheidung nicht treffen, soll nach den Vorschriften des Mainzer, Trierer und Kölner Gesetzes von einer anderen Stelle ein Gutachten eingeholt werden. Damit erhält sich das Urteilholen des deutschen Rechts. 3.191 Der Gesetzgeber stellt aber mehrere "Mißbräuche" ab. Prozeßverschleppungen, die vor dem Erlaß der Gerichtsordnungen durch das Urteilholen offenbar häufig eintraten, sollen in Zukunft vermieden werden. Daher ist grundsätzlich nur das einmalige Holen gestattet. Das Gericht hat sich sofort an eine [Seite: 64] Stelle zu wenden, die zur Entscheidung des vorgetragenen Falles in der Lage ist. Es darf aber nicht das Gericht angegangen werden, das als Rechtsmittelinstanz bei einer etwaigen Appellation seitens einer Partei berufen wäre. Mainz schreibt deshalb vor, daß rechtserfahrene Leute um ihren Rat ersucht werden sollen.3.192 In Trier haben sich die Niedergerichte an die Schöffengerichte von Trier oder Koblenz zu wenden, die deswegen auch als Oberhöfe bezeichnet werden. Ein Holen des Urteils von Stellen außerhalb des Territoriums ist aus politischen Gründen ausgeschlossen3.193 (T 34a). Gegen Mißbrauch der Einrichtung wird Strafe angedroht. Von den Schöffen wird ein Eid verlangt, daß sie das Urteil nicht finden können.3.194 End- und Beiurteil werden an der Gerichtsstätte verkündet: Sonst aber ist der Erlaß von Beiurteilen nicht an besondere Vorschriften gebunden: vor allem brauchen sie nicht schriftlich abgefaßt zu werden. Die Verkündung der Endurteile kann nur erfolgen, wenn die Parteien vorher geladen sind (C 7.43.2 und 3). Das Endurteil muß wegen C 7.44.3 vor der Verkündung schriftlich abgefaßt sein. Es muß den Namen des Gerichts und der Parteien enthalten. Die wesentlichen Termine des Verfahrens wie Klagübergabe und Litiskontestation sind aufzuzählen, damit eine Aufhebung des Urteils aus Verstoß gegen formelle Verfahrensvorschriften vermieden wird.3.195 Gründe für die Entscheidung braucht das Urteil nicht anzugeben (X 2.27.16), der Tenor muß aber deutlich und spezifiziert sein. Eine Entscheidung ohne genaue Angabe der geschuldeten Summe oder klare Bezeichnung der zu leistenden Sache ist nichtig. Es gelten dieselben Grundsätze wie bei der Erhebung der Klage.3.196 Das Endurteil ist im Gegensatz zu den Beiurteilen bedingungsfeindlich.3.197 Deshalb hebt die [Seite: 65] Kölner Gerichtsordnung(14b) die in den westfälischen Gerichten noch gebräuchlichen deutschrechtlichen Beweisurteile auf. Die Verkündung soll der Richter selbst vornehmen; sie hat bei sitzendem Gericht zu geschehen (C 7.4.3, in VI° 2.14.5). Sitzend bedeutet mehr als nur die Anwesenheit des Gerichts an der Gerichtsstätte. Die Urteilsverkündung darf nicht im Stehen erfolgen.3.198 Die Anwesenheit der Parteien bei der Urteilsverkündung muß wegen der Appellationsfrist auf dem Urteil vermerkt werden. § 28. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Urteils
T 38a wie und welcher Gestalt, auch in was
Fällen gegen die Urteil und Nichtigkeit derselben ausgezogen werden kann
Verletzung wichtiger Verfahrensvorschriften oder treuloses Verhalten einer Prozeßpartei begründen Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Urteils. Die Nichtigkeit berechtigt das Gericht, das die Entscheidung verkündet hat, zur selbständigen Aufhebung oder Änderung.3.199 Das nichtige Urteil kann nicht vollstreckt werden, sofern der Beklagte sich darauf beruft, das anfechtbare bleibt dagegen in Kraft, bis es durch den Oberrichter aufgehoben ist. Trier gibt eine Aufzählung von Gründen, die zur Nichtigkeit eines Urteils führen. Die wichtigsten sind das Unterlassen der Klagübergabe und das Fehlen der formellen Litiskontestation.3.200 Auch muß das Gericht über die Parteien Jurisdiktionsgewalt haben. Das Urteil des Geächteten und die Entscheidung des Richters außerhalb seines Gerichtsbezirks sind nichtig.3.201 Anfechtbarkeit wird begründet durch mangelhafte Ladung zur Urteilsverkündung oder Unterlassen des Gefährdeeids, [Seite: 66] obwohl die Parteien das Schwören verlangt hatten. Die Trierer Aufzählung ist aus dem Speculum entnommen (Spec. II de sentent. §§ 8, 9). Die Reihenfolge der einzelnen Punkte ist allerdings nicht beibehalten. Die Einleitung zu den Bestimmungen in Trier ist eine Übersetzung aus dem processus judiciarius des Joannes Andreae.3.202 Die theoretische Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit hat keine praktische Bedeutung. Den vier Prozeßordnungen ist die Nullitätsbeschwerde — die selbständige Geltendmachung der Nichtigkeit — noch nicht bekannt.3.203 Einziges Rechtsmittel ist vielmehr die Appellation. Sie umfaßt alle Fälle, in denen gegen ein End- oder Beiurteil die Entscheidung des übergeordneten Gerichts beantragt wird.Berufung und Beschwerde haben sich erst später aus ihr entwickelt.3.204 Daher ist auch die Appellation von einer Vollstreckungsmaßnahme möglich, sofern die entsprechenden Vorschriften nicht beachtet werden.3.205 In Ausnahmefällen tritt der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Mit ihm können die Folgen eines von einem Minderjährigen ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters abgeschlossenen Rechtsgeschäfts wieder beseitigt werden (T 39b). Schließlich ist die supplicatio anerkannt Sie bedeutet die Anrufung des Landesfürsten innerhalb und außerhalb eines Prozesses. Ein spezifischer Rechtsbehelf des Verfahrensrechts ist sie also an sich nicht. § 29. Appellation
M 18b von App. so von Endurteilen
Die Appellation hat sich schon vor der Rezeption des übrigen römisch-kanonischen Prozeßrechts in Deutschland eingebürgert. Im Trierer Bezirk kommt sie bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts [Seite: 67] vor. In anderen Teilen Deutschlands wird sie noch früher angewandt.3.206 Da sie die Anrufung des höheren Richters gegen ein End- oder Beiurteil bedeutet, hat sie viele Ähnlichkeiten mit der Urteilsschelte des deutschen Rechts. Auch diese ging in späterer Zeit stets an dasselbe Gericht, das deshalb als übergeordnet empfunden wurde. Die Übernahme der Appellation ist durch ihre Ähnlichkeiten mit der Urteilsschelte sehr erleichtert und ihr Aufkommen kaum als Eindringen eines fremden Rechtsinstituts empfunden worden.3.207 Die Appellation geht in Mainz und Trier an die Hofgerichte. In Köln und Jülich bleibt dagegen wegen des Einflusses der Stände auf die Regierung des Landes der alte Rechtsweg erhalten. Deshalb bilden in Jülich die Hauptgerichte in Düsseldorf und Kreutz weiterhin die zweite Instanz. In Kurköln entscheidet hilfsweise die Kammer des Erzbischofs, im westfälischen Teil des Erzstifts das Hauptgericht zu Arnsberg, während im übrigen die Gerichtsordnung die zweitinstanzlichen Gerichte nicht bestimmt. Es hat sich deshalb teilweise ein siebenfacher Instanzenweg bis in das 17. Jahrhundert hinein erhalten, ehe durch die Errichtung eines Hofgerichts der Prozeß im Kurfürstentum vereinfacht wurde.3.208 Das Verfahren bei einer Appellation von einem Endurteil ist wesentlich anders geregelt als die Anrufung des übergeordneten Gerichts gegen ein Beiurteil. Die Appellation von einem Endurteil ist grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Früh kennen jedoch die Ordnungen eine Berufungssumme. In Mainz betrug sie 25 Gulden,während der Rechtszug von dem Hofgericht an das Reichskammergericht nur bei Streitobjekten von über 400 Gulden Wert zulässig war.3.209 Sobald sich eine Partei durch das Endurteil beschwert fühlt, kann sie appellieren. An ihrer Stelle kann auch ein Anwalt handeln, sofern er genügende Vollmacht hat ( 18b). Nach D.49.1.5 u.D.49.1.14 ist anerkannt, daß auch der Vormund für den Mündel [Seite: 68] oder der Erbe für den Erblasser appellieren kann. Die Appellation kann "in Fußstapfen bei noch sitzendem Gericht" oder binnen einer Frist von 10 Tagen eingelegt werden. Die Frist stammt aus dem römischen Recht und wird von Stunde zu Stunde gerechnet. Appelliert die Partei sofort, so ist Mündlichkeit genügend. Später wird die Appellation zu Protokoll des Gerichts oder eines Notars erklärt.3.210 Die Möglichkeit, "in Fußstapfen" zu appellieren, weist auf die Verwandtschaft mit der Urteilsschelte hin. Ein ähnlicher Ausdruck "Stander stede" findet sich bereits im Richtsteig Landrecht.3.211 Die sofortige Appellation ist allerdings auch nach den Vorschriften des römischen Rechts (D.49.1.2 und C.7.62.14) gestattet. Die Appellation wird also bei den unteren Gerichten eingelegt. Dies prüft zunächst ihre Zulässigkeit (D.49.6.1 und C.7.62.5). Auf Antrag der Parteien gibt es dann die sog. Apostel, das ist ein Bericht des Richters über die rechtliche Zulässigkeit der Appellation. Die Apostel sind entweder"refutatorii": sie erklären die Appellation für unzulässig — etwa wegen zu geringen Streitobjekts — oder sie sind "reverentiales": sie lassen die Appellation zu. Ohne diesen Bericht des Richters kann die Partei das Rechtsmittel nicht weiter verfolgen. Die Gerichtsordnungen schreiben deshalb vor, daß die Apostel sofort bei Einlegung der Appellation mitbeantragt werden sollen. Hält der Unterrichter die Appellation für zulässig, so darf er sein Verfahren nicht fortführen. Eine Vollstreckung des Urteils kann nicht erfolgen und die bestehenden Rechtsverhältnisse hinsichtlich des Streitobjekts dürfen nicht geändert werden. Diese Vorschriften beruhen vorzüglich auf D.49.7.1. Ist die Appellation als unrechtmäßig verworfen, so kann sich der Appellant trotzdem an das Obergericht wenden, er muß dann aber die Einstellung des ersten Verfahrens noch beantragen (K 16a). Mit der Erlangung der Apostel ist die Aufgabe des Appellierenden noch nicht erschöpft. Er muß nunmehr die neue Klage bei dem höheren Gericht anhängig machen. Hierzu wird ihm im allgemeinen im Interesse der Beschleunigung eine vom Richter des Untergerichts zubestimmende Frist gesetzt. Nach der [Seite: 69] Reichskammergerichtsordnung von 1521 muß die Appellation spätestens binnen einem halben Jahre anhängig sein.3.212 Die dritte Frist, die der Appellant zu wahren hat, ist die Zeit zur "Vollführung" der Appellation, das ist die Frist bis zur Verkündung des Endurteils in der Appellationsinstanz. Sie beträgt grundsätzlich ein Jahr (X 2.28.5), notfalls zwei Jahre (C 7.63.5.4). Schließlich verlangen die höheren Gerichte, daß die Akten über das Untergerichtsverfahren in einem Monat bei ihnen eingeliefert werden. Die vier Prozeßordnungen schreiben deshalb den Untergerichten vor, den Appellanten bei der Übersendung der Akten zu unterstützen. Sämtliche Fristen innerhalb des Appellationsverfahrens heißen in der Sprache der Rezeptionszeit "Fatalia", da bei ihrer Versäumung die Appellation ihre Wirkung verliert3.213 und die Vollstreckung des ersten Urteils betrieben werden kann ( 19a/b wegen X 2.28.4). Ein Grundsatz, daß die Parteien jedes ihnen ungünstige Urteil durch Gebrauch eines Rechtsmittels beseitigen können, besteht auch im römischen Recht nicht. In C 7.65.7 wird die nach D.49.5.2 unbeschränkt zulässige Appellation für die "Beiurteile" ausgeschlossen und unter Strafe gestellt. Diese Bestimmung ist im kanonischen Recht nicht übernommen worden. (X 2.28.5 u.12). Nach der in der Literatur der Postglossatoren und in den Statuten der italienischen Städte entwickelten Lehre ist eine Appellation nur von solchen Beiurteilen gestattet, die entweder die Kraft eines Endurteils haben oder deren Folgen für die beschwerte Partei nicht mit einem Rechtsmittel gegen das Endurteil behoben werden können.Bartolus zu D.49.5.2 zählt hierunter einmal alle Beiurteile, die nach einer sententia definitiva ergehen, ferner diejenigen, bei denen ein Endurteil nicht zu erwarten ist und nennt als Hauptbeispiel die Verwerfung einer peremtorischen Einrede durch das Gericht. In den deutschen weltlichen Gerichten ist die Appellation von Beiurteilen nur in diesem beschränkten Umfange zulässig ( 20b, K 16b). Die Appellation von Beiurteilen kann nur schriftlich eingelegt werden. Dabei muß der Grund ausdrücklich angegeben sein, während eine Berufung gegen das Endurteil auch ohne Gründe zugelassen [Seite: 70] wird (entsprech.X 2.28.59). Der Unterrichter entscheidet nach freiem Ermessen über die Rechtmäßigkeit der Appellation und kann deshalb sein eigenes Verfahren fortsetzen, bis ihm das höhere Gericht die Einstellung vorschreibt ( 20a). Die Beschwerde gegen das Beiurteil ist gleichfalls binnen einer Frist von 10 Tagen einzulegen (Auth. zu C.7.62.5). § 30. Vollstreckung (Exekution)
M 16b von Exekution oder Vollstreckung der
Urteil.
Die Vollstreckung eines rechtskräftigen Endurteils erfolgt in den vier Prozeßordnungen überwiegend nach romanistischen Grundsätzen. Nur vereinzelt hat sich das deutsche Recht erhalten. Die Vollstreckung beginnt auf Antrag des Klägers mit einer nochmaligen Ladung des Verurteilten. Diese Ladung des Schuldners zu Beginn des Verfahrens auf Grund von D.42.1.47 bedeutet vielleicht einen Anklang an die ältere Form der römischen Vollstreckung mittels der actio judicati .3.214 Denn noch das Speculum gibt dem obsiegenden Kläger zwei Möglichkeiten, um das Urteil zu vollstrecken: entweder soll er eine neue Klage erheben (C 7.52 de re judicata) oder er wendet sich sofort an den Richter und bittet diesen kraft seiner Amtsgewalt gegen den Schuldner vorzugehen (C 7.53 de executione rei judicatae).3.215 In den Prozeßordnungen der Rezeptionszeit erfolgt allerdings nur noch eine amtliche Vollstreckung. In dem mit der Ladung angesetzten Termin kann der Schuldner seine Einwendungen gegen das Vollstreckungsverfahren vorbringen. Dazu gehört z.B., daß das Urteil nichtig sei oder daß er Einsetzung in den vorigen Stand verlangt habe. Die Einwendungen sollen im Termin möglichst entschieden werden. Sind sie nicht zutreffend oder bringt der Schuldner keine vor, so beginnt das eigentliche Verfahren. Es ist danach verschieden, ob der Klagegrund eine actio realis oder eine actio personalis war. War auf Grund eines Eigentums- oder Besitzrechtes geklagt, so wird nach dem übereinstimmenden Recht der drei Erzbistümer dem Schuldner aufgegeben, binnen 14 Tagen von sich aus [Seite: 71] die geforderte Sache an den Gläubiger herauszugeben, andernfalls die Wegnahme des Gegenstands durch die Vollstreckungsorgane und ihre Übergabe an den Gläubiger erfolgt (D. 6.1.68 und Inst.4.17.2). Die nochmalige Fristsetzung entspricht nicht der Auffassung der Postglossatoren. Hier wird grundsätzlich sofortige Vollstreckung verlangt. Aber sie bedeutet einen Anklang an die deutschrechtlichen Vorschriften über die Fronung.3.216 Die auf Grund einer actio personalis gegebenen Urteile werden nach den Vorschriften der für das Vollstreckungsverfahren überhaupt sehr wichtigen Stelle D 42.1.15 vollstreckt. Im Gegensatz zu der kanonischen Gesetzgebung (X.1.29.6 und 2.27.15), auch im Gegensatz zu C 7.54.2 u. 3 erfolgt die Pfändung aber ohne Einhaltung einer Frist, binnen der der Schuldner sich lösen kann. Jedenfalls ist die Viermonatsfrist des römisch-kanonischen Rechts zwischen Urteil und Vollstreckungsbeginn von den Gesetzen ausdrücklich nicht anerkannt worden. Die Pfändung des Schuldners wird in gesetzlich festgelegter Reihenfolge durchgeführt: zunächst werden die beweglichen Gegenstände ergriffen, dann die Liegenschaften dem Schuldner entzogen und schließlich seine ausstehenden Forderungen verwertet. Diese Ordnung entspricht sowohl dem römischen Recht (D.42.1.15.2, vgl. auch X.2.6.5.8) als auch — wenigstens in den ersten beiden Punkten — dem deutschen Recht.3.217 Geht die Verurteilung aus der Schuldklage im übrigen auf eine bestimmte Sache, die etwa verkauft oder geliehen war, so wird zunächst die Vollstreckung in diese Sache versucht (17b, K 18b,T 36b). Die Trennung zwischen Vollstreckung auf Grund eines Urteils über eine actio realis und eines solchen über eine actio personalis ist nicht romanistisch. Unmittelbares Vorbild der allen Gesetzen zugrunde liegenden Mainzer Stelle ist das Speculum. 3.218 Dieses unterscheidet aber nur zwischen Vollstreckung auf certa res oder incerta res, der Gegensatz also, der bei Mainz erst im Verfahren bei Vollstreckung aus actio personalis eine Rolle spielt. Die Vorschrift der Prozeßordnungen läßt sich aber mit dem deutschen Gegensatz zwischen Fronung und Pfändung erklären.3.219 [Seite: 72] Das weitere Verfahren vollzieht sich nach fremdem Recht. Entsprechend der Glosse zu D.42.1.15 wird dem Executor Rücksicht auf die Verhältnisse des Schuldners befohlen. Damit ist im einzelnen auch auf den bereits bestehenden Vollstreckungsschutz für bestimmte Berufe verwiesen.3.220 Ferner darf bei dem nach einer Frist von 6 Wochen stattfindenden Verkauf der gepfändeten Gegenstände der Gläubiger zwar mitbieten, aber ohne den Versuch einer Versteigerung erhält er die Sachen grundsätzlich nicht zu Eigentum (C 7.53.4 und 8.22.3).3.221 Die Verteilung des Überschusses bei der Versteigerung erfolgt gemäß D 42.1.31, d.h. es werden zuerst die Kosten bezahlt, dann der Gläubiger befriedigt und der Überschuß an den Schuldner herausgegeben. Eine etwaige Intervention durch dritte Personen richtet sich nach den römischen Vorschriften (D 42.1.15.4). Grundsätzlich soll in diesem Falle anstelle der gepfändeten Gegenstände unstreitiges Eigentum des Schuldners angegriffen werden. Sonst aber erfolgt gemäß der Quellenstelle eine summarische Aburteilung der Eigentumsverhältnisse (T 37a/b). Gegenüber dem deutschen Vollstreckungsrecht fehlt in den rheinischen Ordnungen hauptsächlich die Einlösungsbefugnis des Schuldners nach der Pfändung oder nach dem Verkauf.3.219 Deutschrechtlich ist dagegen noch der Entwurf von Smetz für Jülich von 1537, nach dem zunächst eine Schätzung der gepfändeten Gegenstände stattfindet. Darauf erhält der Gläubiger die Sachen. Der Schuldner ist nunmehr binnen einer bestimmten Frist zur Einlösung der Gegenstände berechtigt. Läßt er die Frist ungenützt verstreichen, so kann nunmehr der Gläubiger sich entscheiden, ob er die Pfandsachen behalten oder sie versteigern lassen will. Die Prozeßordnungen geben über die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens nur allgemeine Richtlinien. Da die Exekution der Gerichtsurteile im 16. Jahrhundert weniger Angelegenheit der Gerichte selber als der Verwaltungsbeamten des Landesfürsten ist, so sind die einzelnen Pfändungsvorschriften wie [Seite: 73] insbesondere Maßnahmen für den Schuldnerschutz auch nur in Verwaltungsanordnungen, nicht dagegen in den Gerichtsgesetzen zu finden. § 31. Versäumnisverfahren (contumacia)
M 5b wie auf Ungehorsam des Antworters ...
Contumacia definieren die italienischen Prozessualisten als inoboedientia.3.223 Daher heißt das Ausbleiben einer Partei trotz Ladung in den deutschen Prozeßordnungen "Ungehorsam". Ferner werden so auch alle Fälle bezeichnet, in denen eine Partei sich weigert, eine ihr vom Richter auferlegte Handlung vorzunehmen.3.224 Die rheinischen Prozeßordnungen befassen sich näher nur mit dem Versäumnisverfahren, das gegen den schon vor dem ersten Gerichtstermin ungehorsamen Kläger oder Beklagten stattfinden soll. Denn nach der im ersten Termin stattfindenden Klagübergabe ist zwischen dem Gericht und den Parteien das Prozeßrechtsverhältnis begründet, der Rechtsstreit kann also notfalls einseitig durchgeführt werden. Das Ladungsverfahren ist dagegen nur Vorbereitungshandlung. Daher sind ausdrückliche Vorschriften notwendig, die die Maßnahmen gegen den vor Beginn des Prozesses schon Säumigen regeln. Das Versäumnisverfahren beginnt mit der Prüfung der Ladung. Der ausbleibende Beklagte muß dreimal geladen sein, der Kläger nur zweimal, da er ja das erste Fürgebot selbst beantragt hat. Sind die Ladungen ordnungsmäßig, so wird der Nichterschienene in einem Gerichtsbeschluß für contumax erklärt. Ist nun der Beklagte säumig, so kennen Trier, Köln und Jülich nur die Möglichkeit für den Kläger, sich nach summarischer Erörterung seiner Klage in die Güter des Beklagten ex primo oder secundo decreto einsetzen zu lassen. Es wird also zunächst die Klage übergeben, dann die Litiskontestation fingiert, der Gefährdeeid durch den Kläger geschworen und sein einseitiges Beweisvorbringen [Seite: 74] (deshalb summarisch)3.225 gehört. Erscheint der Anspruch des Klägers begründet, so erfolgt nach nochmaliger Ladung des Schuldners die Einsetzung. Erhebt der Beklagte während des ganzen nächsten Jahres keinen Widerspruch, so kann der Kläger nach Ablauf dieser Zeit Einsetzung ex secundo decreto beantragen. Es muß wiederum eine Ladung des säumigen Beklagten erfolgen. Die zweite Einsetzung hat den Vorteil, daß der Beklagte nunmehr nur noch petitorisch gegen den Kläger um die ihm fortgenommenen Güter klagen kann und daß andererseits die Sachen nunmehr verkauft werden können. Das gesamte Verfahren ist streng romanistisch; am ausführlichsten ist es von Bartolus an der einzigen Stelle des corpus juris civilis entwickelt worden, in der eine Einsetzung ex secundo decreto vorkommt, nämlich bei D 39.2.15.16. Die missio ex primo oder secundo decreto ist dem römischen Recht als Versäumnisfolge unbekannt.3.226 Neben D 39.2.15.16 wird noch D.42.4.7 u. 8 für die Lehre von der Einsetzung herangezogen: daher erhält der Kläger nach dem zweiten Dekret das Recht zum Verkauf (vgl.X 2.14.9). Die summarische Aburteilung beruht auf D 37.9.11.14 und D 37.10.3.4. Im Gegensatz hierzu kennt Mainz ausdrücklich kein summarisches Verfahren, ehe der Kläger in die Güter des Beklagten eingesetzt wird. Eine Nachprüfung der übergebenen Klage ist aber auch hier schon deshalb notwendig, weil die begehrte Einsetzung stets nur in Höhe der geschuldeten Leistung oder der beanspruchten Sache erfolgen darf.3.227 Neben dem Antrag auf Einsetzung hat der Kläger nach der Mainzer Ordnung wahlweise die Möglichkeit, sofort ein Endurteil gegen den säumigen Beklagten zu erwirken. Das ist eine während des 16. Jahrhunderts den Niedergerichtsordnungen in der Regel unbekannte Verfahrensform, die sich daher auch in den übrigen rheinischen Prozeßgesetzen nicht nachweisen läßt. Die betreffende Mainzer Vorschrift stammt aber auch dem Wortlaut [Seite: 75] nach aus der Hofgerichtsordnung, die ihrerseits wieder mit dem am Reichskammergericht geübten Verfahren übereinstimmt. Sie beruht also auf dem Vorbild der höheren Gerichte, nicht der gleichgeordneten. Als historische Quelle des Endurteils gegen den säumigen Beklagten ist das römische Eremodicialverfahren anzusehen.3.228 Zu seiner Einführung während der Rezeption in Deutschland mag mitgewirkt haben, daß auch das deutsche Recht im allgemeinen und insbesondere das sächsische Recht den Beklagten sofort sachfällig werden ließ (mit Rücksicht auf Sachsensp. III. 39).3.229 Ist der Kläger säumig, so besteht für den Beklagten nach einheitlichem Recht aller vier Gerichtsordnungen die Möglichkeit, sich von der Instanz, d.h. von der Ladung freisprechen zu lassen. Der Kläger hat ihm dann nach C 3.1.15 die Kosten zu ersetzen, kann aber hiernach ungehindert den Prozeß von neuem beginnen (D 5.1.73.2). Um sich hiervor zu sichern, kann der Beklagte statt der absolutio ab instantia dem Kläger durch das Gericht eine Frist zur Einreichung der Klage setzen lassen. Kommt der Kläger dieser Auflage nicht nach, so wird ihm ein "ewiges Stillschweigen" auferlegt, er verliert also die Möglichkeit, nochmals gegen den Beklagten vorzugehen. Dieses Verfahren gegen den säumigen Kläger entspricht nicht dem römisch-kanonischen Recht. In den in Deutschland vorhandenen Gesetzen findet es sich zuerst in der Eichstätter Reformation von 1463.3.230 Von hier aus dürfte es in die Frankfurter Reformation von 1509 übergegangen sein, dagegen ist es nicht in das Nürnberger Recht von 1479 aufgenommen, das sonst unter Verwertung des Eichstätter Gesetzes abgefaßt ist. Aus der Frankfurter Ordnung ist die Vorschrift nach Mainz übernommen. Im Anschluß an Mainz kennen die Gesetze von Trier, Köln, Jülich und Münster das Verfahren.3.231 Es ist möglich, daß die Vorschrift mit der Auth. qui semel bei C 7.43.8. im Zusammenhang steht. Denn sowohl in der Auth. [Seite: 76] (aus Nov. 112 c 3) als auch in der Vorschrift des Mainzer und der anderen Gesetze steht der Satz, daß der Ungehorsam des Klägers schlimmer und damit strafbarer als der des Beklagten sei. Jedoch kann nach der Auth. der Beklagte nur ein Endurteil und zwar frühestens nach Ablauf eines Jahres erreichen. Dies Verfahren hat demnach zur Voraussetzung, daß die Klage bereits dem Gericht bekannt ist. Die Rezeptionsgesetze müssen wegen der formellen Klagübergabe an die Stelle des Endurteils das "ewige Stillschweigen" setzen. Dem Säumigen steht grundsätzlich kein Rechtsmittel zu: erscheint er während des gegen ihn durchgeführten Verfahrens, so muß er das bisher von seinem Gegner Erreichte gegen sich gelten lassen. Nur bei entschuldigter Säumnis findet Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt. Der entschuldigt Säumige heißt deshalb in der zeitgenössischen Literatur auch nur "fictus contumax" im Gegensatz zu dem "verus contumax", dem unentschuldigt Ausbleibenden, dem jedes Rechtsmittel versagt ist. Die Gründe für entschuldigtes Ausbleiben sind dieselben wie im deutschen Recht. Es muß "echte Not" vorliegen (Sachsenspiegel II. 7).3.232 Trier behandelt auch die Fälle als entschuldigt, in denen jemand auf längere Zeit zum Studium oder zu wichtigen Geschäften außer Landes gezogen ist. § 32. Schleuniger und summarischer ProzeßNach der Clementina Saepe (Cle 5.11.2) kann bei kleineren Streitsachen die strenge Form des ordentlichen Prozesses aufgegeben werden. Neben mündlicher Klageerhebung und Fortfall des Beschlußtermins ist mündliche Urteilsverkündung möglich. Das wichtigste Kennzeichen dieses beschleunigten Verfahrens ist aber der Fortfall der Litiskontestation.3.233 Die Clem. Saepe ist innerhalb des corpus juris canonici eine Ausnahmevorschrift. Bei der Rezeption des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland ist sie stets auch so aufgefaßt und daher kaum angewandt worden.3.234 Von den vier rheinischen Prozeßordnungen übernimmt [Seite: 77] nur Köln aus ihr die Bestimmung, daß die Litiskontestation in Sachen von geringem Streitwert fortfallen kann. In Deutschland suchte man sich durch andere Maßnahmen gegen die lange Dauer des ordentlichen Prozesses zu schützen; und zwar wurden die Fristen verkürzt und die Zahl der Termine eingeschränkt. Deshalb läßt Jülich den Beklagten sofort über die Klage unterrichten und die Litiskontestation eventuell vornehmen. Jedoch ist der angestrebte Erfolg nur teilweise erreicht worden. Denn ein wirklich schnelles Verfahren konnte wegen der peinlichen Aufrechterhaltung der Formalakte wie Klagübergabe und Kriegsbefestigung nicht entwickelt werden.3.235 Die Clem. Saepe hatte das alte Beweisverfahren völlig aufrechterhalten. Im Anschluß an die Stellen des corpus juris civilis, die ein "summatim cognoscere" vorschreiben, wie D 37.10.11.4 und 37.9.1.14, D 42.1.15.4, wurde neben der Formfreiheit der Clem. Saepe später das Beweisvorbringen der Parteien in einzelnen Prozessen eingeschränkt. Grundlagen für diese Verfahrensart ist die Schrift des Bartolus zur Extravagante ad reprimendum geworden.3.236 In Trier (11a, 37a) wird der summarische Prozeß bei der Einsetzung des Klägers ex primo decreto und bei der Interventionsklage im Vollstreckungsverfahren erwähnt.[Seite: 78] IV. Das Verhältnis der Prozeßordnungen zu dem römisch-kanonischen und dem deutschen Recht.Die Untersuchung der einzelnen Teile des Gerichtsverfahrens der rheinischen Prozeßordnungen ergibt, daß die Grundlage der Gesetzgebung die in Italien während des Mittelalters entwickelten Lehren über den Rechtsstreit sind. Selbst Unterschiede der einzelnen Gesetze untereinander beruhen weniger auf dem Fortbestehen deutschen Rechts als darauf, daß in der Theorie des fremden Rechts widersprechende Anschauungen vertreten werden. Zur Deutung der deutschen Rezeptionsgesetzgebung müssen als wichtigste Quellen die Schriften der Postglossatoren herangezogen werden. Erst in zweiter Linie sind das corpus juris civilis und auf dem Gebiete des Prozeßrechts auch das corpus juris canonici zu beachten. Denn beide gelten nur in der Auslegung, die sie durch die Postglossatoren erfahren. Die Anschauungen der italienischen Juristen des Mittelalters beruhen nicht auf einer unmittelbaren Fortentwicklung des römischen Rechts. Die germanischen Stämme brachten bei ihrem Eindringen in die Gebiete des Römischen Reiches und unter ihnen insbesondere die Langobarden bei der Eroberung von Oberitalien ihr eigenes Recht mit sich. Dadurch wurde eine organische Weiterentwicklung des vorhandenen Rechts etwa auf der Grundlage des corpus juris civilis verhindert. Einzelne Rechtsinstitute wie zum Beispiel die Litiskontestation verschwanden aus der Praxis der Gerichte und aus den Aufzeichnungen der Rechtsgelehrten.4.01 Nachdem aber den Langobarden die Gründung eines dauerhaften Staates gelungen war, wurde die Beschäftigung mit dem römischen Recht wiederaufgenommen. Andererseits begann die Kirche, sich eine eigene Rechtsordnung zu schaffen und dabei das Gesetzbuch Justinians zu verwerten. Das alles führte nicht zu einer reinen Wiederbelebung des römischen Rechts, sondern zu einer Weiterbildung des geltenden germanischen Rechts durch Vorschriften für die Gerichte. Denn die Beschäftigung mit dem corpus juris civilis verlieh dem Gesetzgeber die Fähigkeit, zweckmäßige Formen bei der Fortbildung des germanischen Rechts zu finden. So erfolgte die Entwicklung des Prozesses zunächst vorwiegend durch die Statuten der einzelnen italienischen Städte4.02 und durch die rechtsprechenden Stellen der Kirche. Die neu entstehenden Verfahrensformen sind allerdings vom römischen Recht beeinflußt und wurden mit solchen Stellen des corpus juris civilis begründet, die dieselben Rechtsanschauungen auszusprechen scheinen.4.03 Die Begründung des neuen Verfahrens mit dem corpus juris civilis schuf für die verschiedenen Verfahrensordnungen der italienischen Städte einerseits und der Kirche andererseits eine gleiche gemeinsame Grundlage. Es konnte sich so eine gemeinsame Rechtsüberzeugung bilden, durch die bei der wissenschaftlichen Bearbeitung ein vollständiges Rechtssystem entstand. Die einzelnen Statuten der Städte erschienen nunmehr nur noch als "consuetudines", die zwar in einzelnen Punkten abwichen, aber im engsten Zusammenhang mit den allgemeinen Rechtssätzen standen. Das corpus juris canonici wurde neben dem corpus juris civilis als Belegstelle für die wissenschaftlichen Werke anerkannt, weil die Kirche in ihm den Anspruch auf allgemeine Geltung erhob. Zwischen dem weltlichen und dem geistlichen Recht bestand hinsichtlich der grundlegenden Überzeugungen kein tiefgreifender Gegensatz. Beide waren nur die verschiedenen Seiten einer Einheit. Das ergibt sich deutlich aus den systematischen Werken der Postglossatoren, die als Belege sowohl Stellen des corpus juris civilis als auch des corpus juris canonici anführen. In dieser Form sind die wichtigsten Werke über den Prozeß abgefaßt, und so ist das italienische Prozeßrecht des Mittelalters in Deutschland rezipiert worden. Die Schriften der Postglossatoren erscheinen als Ausdruck einer überall gültigen einheitlichen Rechtsüberzeugung. Diese Rechtsüberzeugung ist das "gemeine Recht", auf das in der Rezeptionsgesetzgebung verwiesen wird. Die systematischen Darstellungen der italienischen Juristen über den gesamten Prozeßverlauf sind die vorwiegende Quelle [Seite: 80] der im 15. und 16. Jahrhundert entstehenden deutschen Gerichtsordnungen. Nur was in ihnen anerkannt ist, ist rezipiert. Daher bleibt die gesamte Entwicklung des italienischen Prozesses aus der Zeit nach den wichtigsten Prozeßdarstellungen des 13. und 14. Jahrhunderts in Deutschland unberücksichtigt, obwohl die lombardischen Städte in späterer Zeit selbständig ein vereinfachtes Gerichtsverfahren entwickelten, in dem der Prozeß sogar binnen einer vorgeschriebenen Frist abgeurteilt sein mußte.4.04 Das Hauptwerk einer systematischen Darstellung des Prozesses nach den Anschauungen der Postglossatoren ist das Speculum des Durand. Sein Einfluß in Deutschland ist schon früh festzustellen. In der Rezeptionszeit ist es wegen seiner praktischen Verwendbarkeit — es bringt neben dem Überblick über den gesamten Rechtsstreit sehr viele Einzelentscheidungen — außerordentlich häufig benutzt worden.4.05 Trier bietet mit seinen zahlreichen Listen für Einreden, die alle aus dem Speculum entnommen sind,ein gutes Beispiel für die Bedeutung des Buches.4.06 Neben dem umfassenden Speculum stehen aber noch kleinere Schriften, so der ebenfalls in Trier4.07 benutzte "processus judiciarius des Joannes Andreae", der auch mehrmals in Deutschland übersetzt worden ist.4.08 Schließlich stammen die Klageformulare der Ordnungen aus den ebenfalls vielverbreiteten Practica des Petrus de Ferrariis.4.09 Gegenüber den systematischen, erschöpfenden Darstellungen des Prozesses durch die Postglossatoren mußten die wenigen Rechtsaufzeichnungen des deutschen Rechts zurücktreten, zumal wenn sie nur das Recht eines kleineren Gebietes erfaßten. Nur wo ein deutsches Rechtsbuch einen größeren Geltungsbereich hatte, konnte auch das deutsche Recht sich in erheblicherem Umfang erhalten, da durch die Aufzeichnung dann eine gemeinsame Rechtsüberzeugung des gesamten Gebietes begründet war. Zur Erhaltung des deutschen Rechts trug ferner wesentlich die einheitliche [Seite: 81] Rechtsprechung der bedeutenden ostdeutschen Oberhöfe bei. Daher hat sich der sächsische Prozeß verhältnismäßig unabhängig von dem eindringenden fremden Recht halten können, obwohl auch er zunächst stark unter dessen Einfluß geraten war. So kennen viele sächsische Gesetze der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ebenso wie die west- und süddeutschen die generelle Litiskontestation. Teilweise wandte man auch das Positionenverfahren an.Kilian König erwähnt das alte Beweisurteil des Sachsenspiegelrechts nicht mehr. Einzelne Städte, in denen schon früh der Rat durch Gesetze und Verordnungen das Recht zu regeln begonnen hatte, leisteten ebenfalls stärkeren Widerstand gegen die römisch-kanonischen Rechtsformen. Hierfür bieten das beste Beispiel Nürnberg und Freiburg. In den rheinischen Territorien besaß man jedoch weder ein allgemein anerkanntes Rechtsbuch noch irgendeinen einflußreicheren Oberhof. Deshalb ist hier der Einfluß des fremden Rechts besonders stark gewesen. Auf dem Gebiet des Prozeßrechts haben sich vom deutschen Recht fast nur Formen (Ladung und Kommerrecht als eine Sonderform der Ladung) und Fristen (Urteilsvollstreckung) neben der alten Gerichtsorganisation erhalten. Im übrigen haben die Gesetzgeber versucht, den Übergang dadurch zu verschleiern, daß sie deutschrechtliche Begriffe für die ähnlichen Rechtsinstitute des rezipierten Rechts anwandten.4.10 So wandelten sich die Anschauungen von den Prozeßsicherheiten, die noch teilweise als altes Herkommen bezeichnet werden,4.11 und von dem Bekenntnis. Wie groß der Gegensatz zwischen dem vor der Rezeption in Deutschland bestehenden Verfahren und dem späteren Prozeß wirklich war, läßt sich deswegen schwer beurteilen, weil es an Darstellungen über das deutsche Recht des beginnenden 15. Jahrhunderts — also die Zeit kurz vor der Rezeption — im allgemeinen fehlt. Es sind bisher nur einige entweder auf ein Rechtsinstitut oder auf einen kleinen Bezirk beschränkte Untersuchungen vorhanden.4.12 Über das Ende des 13. Jahrhunderts [Seite: 82] geht unsere Kenntnis vom deutschen Prozeßrecht kaum hinaus. Fest steht lediglich, daß das deutsche Verfahrensrecht sich im 14. und 15. Jahrhundert stark wandelte. An die Stelle des Rechtseides der Partei trat langsam das Tatsachenzeugnis Dritter. Der Urkundenbeweis entwickelte sich. So ergeben sich eine Reihe von Berührungspunkten zwischen dem deutschen und dem fremden Recht. Die Ladungsformen sind kaum wesentlich verschieden. Die Litiskontestation des römisch-kanonischen Verfahrens findet in der deutschen Feststellung über die Pflicht des Beklagten zur Antwort eine Parallele. Und die Appellation weist solche Ähnlichkeiten mit der Urteilsschelte auf, daß sie schon Mitte des 15. Jahrhunderts allgemein anerkannt ist. Es ist auch nicht richtig, daß erst das Verfahren der Rezeptionsgesetze zu einer Prozeßverschleppung geführt hat, auch die deutschen Gerichte sparten um 1400 nicht mit Terminserstreckungen.4.13 Es ist bemerkenswert, daß die Jülicher Stände bei der ausführlichen Beratung der Reformation von 1555 gegen die Änderung des Prozeßverfahrens keinen Widerspruch erhoben haben. Im Gegenteil, sie betrieben die Einführung des fremden Rechts eifrig und wachten nur darüber, daß die alte Gerichtsverfassung erhalten blieb, da diese einen wesentlichen Teil ihrer eigenen Machtstellung bedeutete.4.14 Es liegt daher die Vermutung nahe, daß durch die vier rheinischen Prozeßordnungen praktisch keine allzu großen Änderungen gegenüber den im Anfang des 16. Jahrhunderts bestehenden Zuständen in dem Gerichtsverfahren eingetreten sind. Daß man mit der Rezeption des römisch-kanonischen Gerichtsverfahrens auch die Übernahme des romanischen Privatrechts vorbereitete und so ein wesentliches Stück der eigenen nationalen Entwicklung vernichtete, konnte den Gesetzgebern nicht zum Bewußtsein kommen. Die Zersplitterung des Reiches in räumlich und ständisch vielfach untergegliederte Rechtskreise hatte verhindert, daß man die Gemeinsamkeiten des deutschen Rechts erkannte. Die nur äußerst geringe Ausbildung einer politischen Zentralgewalt war so die letzte Ursache der Rezeption.[Seite: p. 6] Quellen und LiteraturI. Gesetze
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Scotti. 1. Teil. Düsseldorf 1821 (zit.: Scotti, Jülich). Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche im vormaligen Kurfürstentum Trier ergangen sind. Herausg. von J. J. Scotti. Band 1. Düsseldorf 1832. Landtagsakten von Jülich-Berg. 1400-1616. Herausgegeben von Georg von Below, 1. Band 1400-1562. Düsseldorf 1895 (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde XI.) (zit.: Below,Landtagsakten) Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte. Kurtrierische Städte, Band I: Trier. Herausgegeben von Rudolph-Kentenich. Bonn 1915 (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 29.1.1). (zit.: Rhein. Stadtrechte, Trier.) Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands. Herausgegeben von Beyerle-Kunkel-Thieme. Band I. 1. Ältere Stadtrechtsreformationen von Kunkel. Weimar 1936 (zit.: PrivatrechtsQuellen 1.1.). Band I. 2. Landrechte des 16. Jahrhunderts. Weimar 1938. v. Kunkel (zit.: Privatrechtsquellen 1. 2). 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M bedeutet also Mainzer Untergerichtsordnung von 1534, T Trierer Untergerichtsordnung von 1537, K Kölner Gerichtsordnung von 1537, J Jülicher Ordnung und Reformation von 1555. Bei Jülich ist die Seitenzahl hinter der Abkürzung angegeben, bei den drei übrigen Gesetzen die Blattzahl, wobei "a" die Vorder- und "b" die Rückseite bedeutet. LGO: Landgerichtsordnung. Index auf Grund einer Verschlagwortung des elektronischen Textes.Index
1.1. In der Literatur wird zwischen der Rezeption des "römischen" (corpus juris civilis) und der des "kanonischen" (corpus juris canonici) Rechts unterschieden. Das ist irreführend. Es handelt sich bei der Rezeption nicht um die Übernahme zweier verschiedener Rechtssysteme, sondern um das Eindringen einer einheitlichen, dem deutschen Recht fremden Rechtsanschauung (Vgl. unten S.78 ff.). Diese Rechtsanschauung, die sich in Italien während des Mittelalters entwickelt hat, kann an sich nicht als "römisch-kanonisch" bezeichnet werden, weil sie nicht auf dem corpus juris civilis selbst, sondern auf dessen Interpretation auf der Grundlage germanischen Rechtsdenkens beruht. Jedoch hat sich dieser Ausdruck eingebürgert; auch würde die Bezeichnung "romanisch-kanonisch" wegen des feststehenden Sinnes des Wortes "romanisch" zu Mißverständnissen führen. 1.2. Vgl. z.B. für den Prozeß: Endemann, Entwicklung des Beweisverfahrens; Wetzell, System des ord. Zivilprozesses; Schwartz, 400 Jahre deutscher Zivilprozeßgesetzgebg.WorldCat-Eintrag; für das Privatrecht: Coing, Frankf. Ref. von 1578. 1.3. Lacomblet, ArchGeschNrh. I, 30 ff.; v. Below, Landtagsakten I, 110 ff.; ders., Ursachen der Rezeption S. 34 ff. 1.4. Auskunft des bayerischen Staatsarchivs Würzburg. 1.5. vgl. bes. Vorrede z. Entw. Jülich 1537 von Smetz. 1.6. Vgl. Below: Ursachen der Rezeption S. 34 ff. 1.7. 1515 wird eine stark romanisierende Schöffen-G.O. für Koblenz erlassen. Das Trierer Hofgericht besteht seit 1458. Vgl.Scotti, Trier, I S. 155. 1.8. Die Vorrede z. Kölner Gesetz ist aus Mainz abgeschrieben. 1.10. Mainzer HGO: von welchen Urteilen appelliert ... Scotti, Trier I S. 155 f., 380. 1.11. Lacomblet, ArchGesch.Nrh. I, 80 ff. — Hallein, Zivilrecht und Gerichtsformeln. 1.13. Scotti, Köln I 3. 1.14. Scotti, Trier I 233 ff.; Lacomblet, a.a.O. 111 ff. In Wahrheit handelt es sich bei letzterem nicht um ein Landesgesetz, sondern um eine Auskunft des Hauptgerichts Düsseldorf über die Grundgesetze seiner Rechtsprechung. 1.15. Hierdurch ist wesentlich das schnelle Vordringen der Rezeption zu erklären. 1.16. Ott, Rezeption S. 21 ff.; Riedner S. 65, 72. 1.17. Scotti, Köln I, 3; v. Below, Landtagsakten I, 122; ders. Territorium und Stadt S. 151; auch Stölzel I, 138. — Die Stände hatten ein großes Interesse an der Erhaltung der Untergerichte, da deren Besetzung größtenteils ihr Privileg war. Vgl. Below, Ursachen, S. 46 ff. 1.18. Scotti, Köln I, Nr. 13. 1.19. Teil III der Reformation ist eine Zusammenstellung der verschiedenen Reichsabschiede gegen die westfälischen Gerichte, Teil V die Carolina, Teil VIII die Reichspolizeiordnung von 1530 (N.S. Reichsabschiede II, 332 ff.) 1.20. Eine Darstellung des Privatrechts kann unterbleiben; vgl. hierfür Coing, Frankfurter Reformation und Kunkel, Privatrechtsquellen. 2.1. RKGO 1500 N.S.Reichsabschiede II S. 67 ff.; RKGO 1521 a.a.O. S. 179 ff. 2.2. Münster LGO und HGO von 1571 übernehmen Aufbau, vereinfachte Terminsordnung und wesentliche Teile des materiellen Rechts aus der RKGO von 1555. 2.3. Vgl. Briegleb S. 485ff.; Stobbe II, 211 f.; Kleinfeller, Festschrift S. 288; JRA § 137 überläßt den Fürsten ausdrücklich die Gesetzgebung für den Prozeß. 2.4. Auch die Wormser und die Frankfurter Reformation, die beide als Quellen der Untergerichtsordnung in Betracht kommen, stehen untereinander in Beziehungen: man vergleiche Frankfurt 3a mit Worms 1.2 (Ladung) und Frankfurt 9a mit Worms 1,7 (Gegenklage). 2.5. N.S. Reichsabschiede II, 6 ff., 72 ff., 179 ff. 2.7. Stintzing, Geschichte der Rechtswiss. I, 541. 2.8. In den Bestimmungen über "Hylichsverschreibungen" (Eheverträge) finden sich Anklänge. 2.9. Über Smetz vgl. Below, Landtagsakten I, S. 112. — Der Entwurf von Smetz lehnt sich eng an Mainz an. Deswegen glaubt Lacomblet, ArchGeschNrh. I. 69, daß er die Hauptquelle der Jülicher Reformation sei. 2.10. Vgl. Schweitzer, de Conradi Heresbachii vita et scriptis dissertatio, Bonn 1849, S. 11. Falsch ist die Angabe Schweitzers, daß die Ordnung erst 1568 verfaßt sei. 2.11. Wolff, S. 171 unterschätzt den Einfluß des Mainzer Gesetzes. In der Augsburger Gerichtsordnung von 1539 ist in jedem Titel fast die Benutzung der Mainzer UGO nachzuweisen. 2.12. Kunkel, Privatrechtsquellen I, 2 in der Einleitung. 2.13. Vgl. Kunkel a.a.O.; Stobbe II, S. 402. 2.14. Bader, Vorsprecher und Anwalt S. 71 ff. veröffentlicht kleine Ausschnitte, die wörtlich mit den entsprechenden Bestimmungen der Mainzer UGO übereinstimmen. 2.15. Soweit sich Feststellungen auf Grund der Arbeit von Mayer über Schwäb.-Wörth machen lassen (S. 85 ff.). 2.16. Genauer Nachweis bei Fuchs, Zeitschr. für Deutsches Recht, 17, 257ff. 2.17. Bartmann, S. 323, 335. Er übersieht den Einfluß von Jülich (Kautionsrecht, Zeugen zum ewigen Gedächtnis). 2.18. Vgl. die Arbeit von Sauer über Ravensberg. 3.01. Vgl. Lacomblet, ArchGeschNrh. I, 2 S. 292; Harless, Ztschr.Berg.Geschichte S. 155 u. a. erwähnen einzelne Gerichte, in denen noch der Umstand Recht sprach. 3.02. Bartmann S. 355; Sauer, Ravensberg. Das widerspricht der Ansicht von Stölzel I S. 235, daß die Schöffengerichte mit der Rezeption beseitigt werden. Vgl. Bornhak FDG. 26, 415ff. 3.03. Schwabensp. Kap. 96 § 6; Richtst.Ldr. Kap. 33; Harless a.a.O. S. 117ff. 3.04. Bei Scotti, Trier I S. 367 ff. (376). 3.05. Scotti, a.a.O. S. 134f.; Stölzel I 160ff. 3.06. Hallein, Zivilrecht S. 9; Planck GV I S. 166. 3.07. Vgl. Laienspiegel II "von richterlichem Amt", während Laienspiegel I "von Beisitzern Urteil und Ratgeben" wohl die Schöffenverfassung erklären will. Vgl. auch Perneder, Gerichtl. Prozeß I. Teil; König, Practica erwähnt die Schöffen ebenfalls nicht. 3.08. Gobler, Gerichtlicher Prozeß II von Beisitzern oder Scheffen. 3.09. Vgl.Schwabenspiegel Kap. 71 § 2. 3.10. Nach dem Smetz"schen Entwurf f. Jülich sollen die Schöffen nach dem gemeinen Recht urteilen können. Das Gesetz von 1555 verlangt nur Urteilen nach bestem Verständnis. Wie Smetz Köln (Stadt) 1570 S. 138. 3.11. Vgl. Stölzel, Gelehrtes Richtertum I S. 187ff. 3.12. Trier (13a/b) bringt eine längere Zusammenstellung über Verdachtsgründe. Sie ist an Hand des Speculum (I: de Judice delegato § 7) geschaffen. Allerdings stimmt die Reihenfolge der Trierer Aufzählung nicht genau mit der des Speculum überein. 3.13. Gail obs. I, 33 hält die Zulässigkeit auf Grund von Gewohnheitsrecht für gegeben. 3.14. Vgl. Speculum I de recusatione § 4. 3.16. Vgl. auch K 5b, J 13. Eines der Bücher dient der Aufzeichnung der wichtigsten Prozeßakte, das andere der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 3.17. Bresslau, FDG 26, 64. 3.18. Maurer S.144, Sauer S. 28, Wolff S. 228f. 3.19. Maurer S. 334 ff.; Waldmann S. 45; Planck, GV I, 193 ff. 3.20. K 11a; Sauer S. 28, 39, 64ff.; Wolff S. 229; Ott S. 206. 3.21. Harless S. 117ff. 3.22. Der Büttel ist ein altes Amt.Schwabensp., Kap. 3; Maurer S. 136ff. Aburteilung von Bagatellsachen hatte er in Augsburg: Wolff S. 234f. und in Nürnberg: Reformation von 1564 I 2. 3.23. Vgl. Hallein, Zivilrecht S. 65 ff.; Gail obs. I, 121. 3.24. Waldmann S. 28 hält das für deutsches Recht. Sicher ist der Gebrauch schon älter als die eigentlichen Rezeptionsgesetze. 3.25. Vgl. Planck GV I S. 177ff.; Sachsensp. I, 42ff.; D 27, 10, 1. D 3. 1. 1. 3.26. Vgl. Glosse zu D 50, 17, 2. 3.27. Vgl. Waldmann, S. 29; Konsultationen I. 3. 13. 3.28. Entspr.C 3.6.1, aber auch schon im deutschen Recht Sachsensp. I 43; Richtst. Ldr. 43 § 2ff.; vgl. Planck GV I, 166. 3.29. Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte II S. 469 ff.; Planck GV 1, 190ff. 3.30. Sachsensp. II 42 § 3; Schwabensp. 207; Maurer S. 132f.; Bader S. 51. 3.31. Planck GV I, 185. 3.32. Spec. I de procuratore; vgl. Mynsinger, Institutionen 4.10.1; unrichtig ist die Darstellung bei Diehl, Wormser Reformation S. 19ff.; Schwartz S. 26, 404 ff., die beide unter dem Prokurator der deutschen Stadtrechtsreformationen nur den berufsmäßigen Vertreter einer Partei verstehen. Die berufsmäßige Prokuratur kennen im Anfang des 16. Jahrhunderts nur das Reichskammer- und die Hofgerichte. Der berufsmäßige Prokurator ist mit dem Vorsprecher, nicht mit dem Anwalt gleichzusetzen, vgl. unten S. 28. 3.33. Spec. I hat folgende Reihenfolge der Titel: de procuratore, de tutore, de curatore. Vgl. ferner Perneder, Gerichtlicher Prozeß I, Tengler, Laienspiegel I. 3.34. Ein anderes Beispiel ist die Behandlung der Testamentslehre im Anschluß an den Urkundenbeweis im Spec. II de fide instrumentorum. 3.35. Auch vor der Rezeption kommt schriftliche Bevollmächtigung in Deutschland vor. Vgl. Sauer, Ravensberg S. 30. Die Formen der notariellen Vollmacht sind durch Reichsrecht geregelt. Notarordnung von 1512 III in N.S. Reichsabschiede II S. 163 f.; Jülich (11) verlangt grundsätzlich Vollmachtserteilung vor dem Prozeßgericht. 3.36. Vgl.D 12.2.18 u. 19; D 46.3.38 ; in VI° II.4.3; Glosse zu X 1.4.3.9; Panormitanus zu X 2.7.3. Insgesamt zählt man 97 Fälle auf, in denen der Anwalt ohne spezielles Mandat nicht handeln darf. Weissler S. 212. 3.37. Mayer S. 27; Glosse zu D. 46. 3.12; Panoram. zu X 1.2.9. 3.38. Innocenz zu X 1. 3. 38. 3.39. C. 2.12.1 u. 12; Frankfurt 1509 Fol. 5a läßt gegen Kautionsleistung auch den Kläger durch jeden vertreten. 3.40. Glosse zu D 50.17.2; Die Vorschriften beruhen auf X 2.30.4, D 5.35.3; und D 3.3.41. 3.41. Der Minderjährige kann nach Augsburg, Gerichtsordnung 1552 Art. 9 (Wolff S. 325) mit 20 Jahren als Anwalt auftreten. Vgl. im übrigen D. 50.17. 2; Decr. GR. II. 16. 1. 35. 3.42. Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte II 465; FrankIin S.102; Planck GV I, 194. 3.43. Vgl. für Jülich Harless a.a.O. S. 123, 130, 134; im übrigen Planck GV I 199f.; Brunner-Schwerin a.a.O. 466f.; Wolff S. 228; Bader S. 200. 3.44. Die Behauptung von Weissler S. 180, daß Mainz in der Untergerichtsordnung Vorsprecherzwang eingeführt habe, trifft nicht zu. 3.45. Vgl. Maurer S. 128f.; Hallein, Zivilrecht S. 9: In Mainz wurden zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Vorsprecher durch den Erzbischof ernannt. 3.46. Vgl. Scotti, Trier I, 134, 233ff. 3.47. Vgl. auch Carolina Art. 88; ferner Freiburger Stadtrecht. 3.48. Frankfurt Reformation 1509 fol. 35a und Reformation 1578. 3.49. Trier hebt mehrfach hervor, daß die Untergerichtsordnung die unerfahrenen Vorsprecher im Gebrauch des neuen Rechts unterweisen solle. 3.50. RKGO 1555 I, 20ff.; HGO Mainz: Von den Advokaten. 3.51. Vgl.Cinus zur Authentica offeratur bei C 3.9.1; für das deutsche Recht Sachsensp. III. 25 § 2. 3.52. HGO Mainz, Titel: Folget hernach in was Sachen ... Below, Territorium u. Stadt S. 203 f. 3.53. Vgl. Schröder-Künssberg S. 660f.; Scotti, Trier I, 513; Hallein, Zivilrecht S. 12ff. 3.54. Vgl. Einleitg. zu Tengler, Laienspiegel; Planck GV I, 1ff.; Wetzell S. 331 ff. 3.55. Der Schwabensp. Kap. 77 läßt Schuldklagen gegen Geistliche vor weltlichen Gerichten noch zu. Vgl. Riedner S. 60. In späterer Zeit müssen auch die Prozesse gegen die Dienstleute der Geistlichen vor dem kirchlichen Gericht ausgetragen werden. Hallein a.a.O. 3.56. Spec. II de comp. jud. aditione § 1. 3.57. Azo zu C 3.13; Glosse zu C. 3.19.3. 3.58. Bei Azo a.a.O. kann dieser Gerichtsstand hilfsweise immer angerufen werden. Vgl. auch Danz S. 67. 3.59. Planck GV I, 43, 69f., 78ff.; Sachsensp. III, 25 § 2; Wolff S. 203. 3.60. Worms 1.7.6 schreibt nur eine Ladung für das gesamte Verfahren nach der Kriegsbefestigung vor. 3.61. Danz S. 212 f. Vgl.Innozenz zu X 1.38.9, Raymund Fichard Cautela 15. Nach Hallein S. 45 erfolgte im 15. Jahrhundert in Mainz stets nur eine Ladung zum Prozeß. 3.62. Spec. II de comp. jud. aditione und de citatione; Bartolus, Tractat. de citatione. 3.63. Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte II, 450ff. 3.64. Die Terminologie der Prozeßordnungen ist hinsichtlich "Ladung" und "Fürgebot" nicht einheitlich und nicht konsequent. 3.65. Vgl. für Mainz: Hallein, Gerichtsformeln S. 5f., für Trier: Trierer Ordnung aus dem 15. Jahrh.; Rheinische Stadtrechte, Band Trier S. 19ff. 3.66. Bart. de citatione n. 3; Spec. a.a.O. § 4. 3.67. Planck GV II, 367 ff.; Hallein, Zivilrecht, S. 54ff. 3.68. Vgl.Zwickau 4.33.4 u. 5; Braunschweig, Urkundenbuch S. 320. Die in Frankfurt Fol. 4a der Reformation von 1509 erwähnte Bürgschaft nach der Ladung, ist eine Prozeßsicherheit, kein Arrest. 3.69. Zasius, cons. II, 7. 3.70. Bart. in D 48.1.1; Spec. a.a.O. § 1; Baldus in addit. zu Spec. A. A. Cinus in Auth. offeratur C 3.9.1; RKGO 1507 N.S.Reichsabschiede II, 123 f. 3.71. Entsp.Joannes Andreas in addit. zu Spec. a.a.O. 3.72. Weder Tengler Laiensp. II vom Fürpott, noch Perneder II erwähnen daher die Unterbrechung der Verjährung als Folge der Ladung. 3.73. Bart. in D 48.3.35; Bald. in C 2.1.3. 3.74. Vgl. Bart. in D 2.5.11.1 u. 44.3.1. Panoram. ??? in X 1.29.24. 3.75. Bald. in addit. zu Spec. II de lib. obl.; Mynsinger obs. III, 90. 3.76. Bart. zu D 7.39.3. und spec. IV de lib. concep. § 8; Petrus de Ferrar. forma respond. rei gl. exceptio litis pendentiae. 3.77. Spec. a.a.O. § 8; Jaso de Mayno, de act. § curare. Mynsinger,Inst. 4.6.32. 3.78. Glosse zu C 3.9.1: edita actio id est libelli oblatio. 3.79. Spec. a.a.O. § 4. 3.80. Vgl.M 12a, T 21a; JRA § 37. 3.81. Spec. a.a.O. § 4. 3.82. Mynsinger zu Inst. 4.6 Rubr.; Spec. a.a.O. § 4; ferner X 2.3.2 und 3; anders zum Teil noch Richtst. Ldr. Kap. 7 § 1. 3.83. Bart. in D.38.3.28.7; Innocenz zu X 1.3.28; Spec. a.a.O. § 14. 3.84. Innocenz zu X 1.28.1; Glosse zu X 2.11.15. 3.85. Trier übersetzt eine Reihe von Einwendungen gegen die Klage aus Spec. IV 1 de lib. concep. § 14. 3.86. Klageformulare in Mainz, Trier und Köln, nicht in Jülich. 3.87. Vgl. Perneder Teil 2, vor allem Brant Klagspiegel. 3.88. Die Kölner Klageformulare, die nicht aus Mainz entnommen sind, lassen sich ebenfalls mit den Praktika belegen. 3.89. Auch in Augsburg. Unrichtig Wolff S. 262. 3.90. Glosse zu C 3.9.1; Salycet C 3.9.1; Bart. zu Auth. generaliter C 1.3.25; die in diesen Stellen angeführten Ausnahmen, in denen nach dem Wortlaut eine libelli oblatio entbehrlich zu sein scheint, bedeuten in Wirklichkeit nur, daß eine Klageschrift fehlen darf. 3.91. Vgl. für spätrömisches Recht Sohm, Litiskontestation S. 4ff.; Azo zu C 2.1; Schmidt, Klagänderung S. 50f. 3.92. Glosse zu Auth. offeratur C 3.9.1 und Spec. a.a.O. § 10; Bart. Rubr. C 2.2. 3.93. Cinus zu Auth. offeratur C 3.9.1. 3.95. Vgl.J 17; RKGO 1555 III.13; a.A.RKGO 1507 N.S.Reichsabschiede II S. 123f. 3.96. Petrus de Ferrar. Forma libelli in act. reali, ad evidentiam; Glosse zu Auth. offeratur C.3.9.1. 3.97. Vgl. Glosse zu Auth. generaliter zu C.1.3.25; Zwickau 4.7.4 wg. Auth. libellum zu C.3.9.1 3.98. Angelus Aret. Inst. 4.11.2 3.99. Spec. II de satisdat. § 1 n. 1; Mynsinger Inst. 4.11.2; im gemeinen Prozeß ist die Bedeutung gleichfalls gering. Danz S. 653ff. 3.100. Vgl. Planck GV. I S. 379ff.; für Mainz waren die Prozeßsicherheiten im 15. Jahrhundert sehr wichtig. Vgl. Hallein, Zivilrecht S. 46ff.; Wolff S. 264. 3.101. Gobler, Gerichtl. Proz. II Titel: Von Vorständen und Kautionen. 3.102. Glosse zu D.3.3.39; Glosse zu X 1.38, 1 u. 3. 3.103. Vgl. Mynsinger Inst. 4.11.3. 3.104. Wegen D.3.3.35; C.2.12.1 u.12. 3.105. Innocenz zu X1.38.12; Spec. II de satisdat. § 4; die Glosse zu X 1.38.13 verlangt nur die cautio judicatum solvi. 3.106. So auch Konstitutionen I, 3. 3.107. Glosse zu Clme. 2.10.1: exceptio est defensio rei; Angelus de Aret., de except. cap. 1. 3.108. Glosse vor und zu D.44.1.2. 3.109. Frankfurt 1509 fol. 7a. 3.110. Vgl.D.44.1.24; C.3.8; C.7.50.2. 3.111. Spec. I de except. § 2 pr.; Petrus de Ferrar. Forma rei conventi, salvis aliis except.; Glosse zu in VI° 2.3.1. 3.112. Vgl. die verschiedenen Reichskammergerichtsordnungen. 3.113. Mynsinger Inst. 4.13.11; Gail obs. I 33; Bart. zu C.8.35.13. 3.114. C.8.35.13, dort auch Bart. und die Glosse. Die Bestimmung in C.4.19.19 wird nur auf exceptiones dilatoriae solutionis, also auf zivilrechtliche Einreden bezogen. 3.115. Exceptio litis finitae wird auch als Oberbegriff für alle prozeßhindernden Einreden gebraucht. Angelus de Aret. de except. cap. 5. 3.116. Vgl. Bart. D.46.7.13. Ihm schließt sich Zwickau 4.6.4 an. 3.117. Deshalb empfiehlt Spec. II de except. § 3 und die Glosse in VI° 2.3.1, die Einreden erst nach der Kriegsbefestigung einzubringen, um ein Sachurteil zu bekommen. 3.118. D.38.17.1.12 ist in Wirklichkeit nur eine Übergangsbestimmung, die nichts weiter besagt, als daß abgeurteilte, verglichene oder sonst erledigte Rechtsstreitigkeiten nicht mehr unter die neue gesetzliche Regelung des SC Tertullianum fallen. 3.119. Angelus de Aret. de except. cap. 5 zählt 44 prozeßhindernde Einreden auf. Vgl. Albrecht, Exceptionen S. 119f. 3.120. Bald. in addit. Spec. a.a.O. 3.121. RKGO. 1555 III. 15; Münster LGO II, 5. Vgl.M 15a. 3.123. X 2.25.5, X 2.10.4; Spec. II de reconvent. § 2; im übrigen besteht für den Kläger Einlassungspflicht. Spec. a.a.O. § 4, § 5. 3.124. X 2.4.1 u. 2; Mynsinger obs. I, 10. 3.125. H.L. im sächs. Gebiet; vgl.Konstitut. 1.7; Konsult. I.3.21; Schletter, Konstitutionen S. 309; Zwickau 4.25; König III, 1; Braunschweig, Urkundenbuch S. 300. 3.126. Spec. II de litis contest. § 1; Marianus Socinus Tractatus de Litis contestatione. 3.127. Zur geschichtl. Entwicklung: Sohm, Litiskontestation; für das römische Recht: Wenger S. 131. 3.128. Wie Jülich Augsburg bei Wolff S. 270, 336. Worms I.7.1. 3.129. Kleinfeller, Festschrift S. 295f.; Braunschweig, Urkundenbuch S. 300 (a.A. hierfür Schwartz S. 56); König,Practica, cap. 60 § II. 3.130. Schmidt, Klagänderung S. 36; Sohm S. 211, 226. 3.131. Vgl. Glosse zu C 3.9.1, Spec. a.a.O. § 2; Salycet C 3.9.1; gegen bejahende Litiskontestation: Cinus zu C 3.9.1; RKGO 1555 III, 13. 1. 3.132. Vgl. für römisches Recht D 42.2.1, C 7.59.1; Wenger S. 101 ff. Für deutsches Recht Planck GV I, 305, 430ff. und Hallein, Zivilrecht S. 37 ff. Für Rezeptionsrecht Zasius, Konsilien II, 16. 3.133. Freiburg 1520 I.8.6.11; Köln 1570 fol. 162. Vgl. auch Bayern 1520: 5.1; Nürnberg kennt erst seit 1503 eine formelle Kriegsbefestigung. Vgl. auch Mynsinger obs. I.1 und 38. In den Statuten der italienischen Städte, die aus dem 14. Jahrhundert stammen, ist die formelle Litiskontestation beseitigt. Vgl. Schmidt, Klagänderung S. 70. 3.134. Vgl. Glosse u. Bart. zu C 4.20.19 Auth. sed et si quis; Glosse zu X 2.6.5; Planck, Beweisurteil S. 113. 3.135. Bart. C 7.45.4 u. 8; Innocenz X 2.14.1; Panormitanus zu X 2.5.1; Gail. obs. I. 74. 3.136. Vgl. im einzelnen Spec. II de lit. contest. und Marianus Socinus a.a.O. 3.137. Vgl. Planck,Beweisurteil S. 42ff., 139, 176f. 3.138. Konstit. I, 10; Konsult. II, 3, 36; JRA § 37 in N.S.Reichsabschiede III. 6.48. 3.139. In VI° 2.4.1: non est de substantia, quod statim post litiscontestationem juretur de calumnia (summarium des Joannes Andreas); Spec. II de jur.calum. § 1 n. 9. 3.140. Spec. II. a.a.O. § 4; a.A. Wetzel S. 283ff., der die Entstehung des generellen Calumnieneids im kanonischen Recht annimmt. 3.141. Spec. a.a.O. bezeichnet diesen Teil als Gewohnheitsrecht. 3.142. Bart. C 2.58.2; RKGO 1555 I, 65; entspr. die rheinischen Prozeßordnungen, vgl.T 20 b. 3.143. Spec. II de jur. calumniae § 1 n. 6 u. 7; RKGO 1555 III, 13. 3. 3.144. Bethmann-Hollweg V S. 408. 3.145. Vgl.Scotti, Trier I S. 119ff.; Kleinfeller, Festschr. S. 296f.; Ders., Tatsacheneid S. 34ff. 3.146. Vgl. Isay S. 88f., für Mainz Hallein S. 53; ferner Planck GV II, 110; Brunner-Schwerin, Rechtsgesch. II S. 456ff. 3.147. Spec. II de positione § 2. 3.148. Albrecht S. 149. 3.149. Vgl. Spec. II a.a.O. § 7; Petrus de Ferrar. Forma except. contra positiones; über negative Positionen vgl. in VI° 2.9.1, Jülich 50. 3.150. Vgl.HGO Mainz: Form des Eides übergebener Artikel; Wetzel S. 285. 3.151. Spec. II a.a.O. § 5 n. 13-16; in VI° 2.9.2; vgl. auch Nürnberg 1522 5.6.2: "bei ihrem Eid calumniae". 3.152. JRA § 34 N.S.Reichsabschiede III, 647, und JRA §§ 41/49 a.a.O. S. 648f. — Konstitut. 1, 2; Konsultationen 1.3.19; vgl. Kleinfeller, Tatsacheneid, wonach auch in Sachsen während der Rezeption Positionen eine Zeitlang gebräuchlich waren. 3.153. Planck GV II, 2ff. 3.154. Planck a.a.O. S. 91; Ders., Beweisurteil S. 40. 3.155. Der Tatsachenbeweis im deutschen Recht dürfte sich in ähnlicher Weise entwickelt haben, wie in Italien das Tatsachenzeugnis sich bei der Verschmelzung des römischen und langobardischen Rechts herausgebildet hatte. Vgl. Himstedt, Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis des oberitalienischen Stadtrechts. — Die Nachwirkungen der italienischen Entwicklung finden wir noch im Speculum I de teste: In den Untersuchungen darüber, wieviel Zeugen einen genügenden Beweis erbringen, werden die Formen der Testamentserrichtung und anderer Geschäfte behandelt, bei denen Solennitätszeugen erforderlich waren. Vgl.T 27b, das aus Spec. I de teste § 1 schöpft. 3.156. Vgl.Sachsensp. I, 8, III, 25 u.88; Planck GV II, 181ff. 3.157. Vgl. Hallein, Zivilrecht S. 37ff.; Waldmann S. 64 und unten S. 60. 3.158. Planck GV I, 164, II, 76; Schwartz S. 7, 13, 15; Kleinfeller,Tatsacheneid S. 26ff., 32, 39, 45ff. 3.159. Planck, Beweisurteil S. 65f.; Ders. GV I, 200. 3.160. Schwartz S. 14f., 396. 3.161. RKGO 1555, III 15 u. 16. 3.162. Quellenstellen der Lehre von der Beweislast: D 22.3.2 u.19.pr.; C 2.1.4; X 8.12.11. Vgl. Spec. II de probat. § 1. 3.163. Planck, Beweisurteil S. 139; Endemann, Beweisverfahren S. 15. 3.164. So z.B.Zwickau 4.8.3, anders dagegen König, vgl. Endemann, Beweisverfahren S. 63; ferner Planck GV II, 211 ff.; Schmidt, Lehrbuch S. 88. 3.165. Spec. II de praesumtionibus § 2. Es übernimmt sogar die Beispiele des Durand. Ein kurzer Auszug aus dem Speculum findet sich auch im processus judiciarius des Joannes Andreas, Horn S. 46. 3.166. Spec. I de teste § 6 pr.; Glosse zu in VI° 2.10.2. 3.167. Spec. a.a.O. § 7 n. 22. 3.168. Vgl. Cinus zu C 4.20.9. 3.169. Spec. I de teste § 4. 3.170. Glosse zu 4.20.19.2 — dagegen bereits Spec. de teste § 7; vgl. Bart. C 4.20.14. 3.171. Im einzelnen streitig, welche Gründe für die Kenntnis des Zeugen genügen. Vgl. Spec. a.a.O. § 7; Bald. zu C 4.20.4; Glosse in VI° 2.10.2. 3.172. Spec. a.a.O. § 3 n. 15, 16. 3.173. Vgl. Schmidt, Lehrb. S. 88; Konstitutionen I, 16. 3.174. Waldmann S. 57 hält den Eid für deutschrechtlich (14. Jahrhundert). 3.175. Vgl. Konsultationen I, 3.23; RKGO 1555 III, 15; Spec. a.a.O. § 8 erwähnt 22 Ausnahmen von dem Verbot. 3.176. Spec. II de instrum. editione § 7 princ.: Publicum seu Authenticum (instrumentum) est, quod publicum habet autoritatem ... privatum est omne aliud. 3.177. Glosse zu C 10.71.3. 3.178. Eine ähnliche Zusammenstellung wie bei Trier im processus judiciarius des Joannes Andreas, Horn S. 49. 3.179. Vgl. Glosse zu D 2.13.9, Mayer S. 82. 3.180. Mynsinger obs. I, 94; vgl. Spec. II depositionibus § 2: Wenn der Kläger keine Beweismittel hat, soll er möglichst viel Positionen machen, die der Beklagte vielleicht eingesteht. 3.181. Gobler, Statutenbuch, von Bekanntnussen [Ausgabe 1553 H.S.], will gegen die h.L. sofortige Vollstreckung aus der Urkunde zulassen. Vgl. aber Hallein S. 37ff., Waldmann S. 64 über Notwendigkeit eines Urteils. 3.182. Spec. II de confessione § 2. 3.183. T 25 b, 30 a, dazu C 4.19.5, C 4.20.9; X 3.26.10 u. 11; Glosse zu C 7.16.41; vgl. auch Nürnberg 1479 5.3. 3.184. Vgl. Kleinfeller, Tatsacheneid S. 79. Konsult. I Leipziger Schöffensprüche 85; Mynsinger obs. I, 13. 3.185. Wenige Nachweise bei Kleinfeller, Tatsacheneid 51ff. 3.186. Vgl.Frankfurt 1578 u.a. In Trier (24b) und Köln (13b) wird der zugeschobene Eid nur beiläufig erwähnt. Daraus kann aber geschlossen werden, daß er auch in der Rezeptionszeit noch in der Praxis der Gerichte anerkannt war. 3.187. Entspr. D.12.2.38, C 4.1.12, X 2.24.36. — Der prozeßentscheidende und ohne sonstige Beweismittel zuschiebbare Eid hat sich nur in Sachsen erhalten. Vgl.Zwickau 4.9; Endemann, Beweisverfahren 64f. Über den Hilfseid Konsult. I.3.9. 3.188. Vgl.C 4.1.12.pr., 7.45, 7.64.10. 3.189. Planck GV I, 303 ff.; Ders., Beweisurteil S. 3 ff. 3.190. Formeln schreibt vor RKGO 1555 III, 23. — Vgl. über Beschlußtermin Panormitanus zu X 2.12.5 und X 2.22.10. 3.191. Vgl. Planck GV I, 129; Stobbe II S. 76/77. Der Verfasser des Jülicher Entwurfes von 1537 schreibt: "Am liebsten würde ich die ganze Einrichtung abschaffen ..." 3.192. Die Erstattung von Gutachten war auch nach dem Recht der Postglossatoren möglich. Vgl. Spec. II de sentent. Sie erfolgte durch die Juristen. Es ist möglich, daß der Mainzer Gesetzgeber das italienische Beispiel befolgen wollte, als er vorschrieb, das Urteil von rechtserfahrenen Leuten zu holen. 3.193. Vgl. Stölzel I S. 203 ff.; Ott S. 213. 3.194. Schon im deutschen Recht: Sachsensp. II, 12 § 7; Richtst. Ldr. 48 § 2; Planck GV I, 254 ff. 3.195. Salycet C 7.45.4. 3.196. Zasius, de act. § curare. 3.197. Vgl. Bart. zu D 42.1.15.2: Die Bedingungsfeindlichkeit des Endurteils wird aus D 49.4.1.5 gefolgert, während D 42.1.15.2 nur auf die sententiae interlocutoriae bezogen wird. 3.199. Beiurteile können wegen X 2.28.60 stets geändert werden. Vgl. Planck, Beweisurteil S. 129ff. 3.200. Vgl.X 1.6.54.3 und 2.5.1; Bart. zu C 7.45.4. Bart. hält im Gegensatz zu Trier (40 a) das Unterlassen des Gefährdeeids gleichfalls für einen Nichtigkeitsgrund. 3.201. X 2.27.24, D 5.1.2.2, C 7.48.4. 3.202. Herausgegeben von Horn S. 50. 3.203. Vgl. Skedl, Nichtigkeitsbeschwerde S. 172ff. Zu Beginn der Rezeption kam die querela nullitatis in Deutschland nur an den höheren Gerichten vor. Vgl.RKGO 1521, 21 § 1. 3.204. Vgl. Wetzell S. 606ff. 3.205. T 44b, J 32; Spec. II de appelat. § 2. 3.206. Isay, Trierisches Archiv I, 85, und Stölzel I S. 140, 243; Ott S. 223. 3.207. Vgl. Stölzel I S. 243ff.; Planck GV I, 254ff.; Brunner-Schwerin, Rechtsgeschichte II, 479ff.; a.A. Schwartz S. 427ff. 3.208. Über Köln Stölzel I S. 256ff. 3.209. 19b, HGO: nun folget hernach in was Sachen an unserem Hofgerichte ... vgl.auch für Trier Scotti I, 156, für Köln Scotti I, 148. 3.210. Nov. 23 cap. 1 = Auth. hodie autem bei C.7.62.5, und Notarordnung von 1512 IV 1 N.S. Reichsabschiede II S. 165; vgl. auch Konsultationen I, 3. 5. 3.211. Richtsteig Landrecht 49 § 7; dazu Planck GV I, 274. 3.212. Vgl.Zwickau 4.12.4. (Frist von 2 Monaten); RKGO Worms 1521 bei N.S.Reichsabschiede II, 187. 3.213. Vgl. Perneder, Gerichtl. Prozeß, von den Fatalien; Glosse zu Nov. 49. 3.214. Vgl. Wenger S. 212ff., 301ff. 3.215. Spec. II de executione sententiae § 5. 3.216. Planck GV II, 253 ff. 3.217. Sachsensp. II, 41 § 1; vgl. für Nürnberg Waldmann S. 73, 74. 3.218. Spec. II de execut. sent. § 3. 3.219. Vgl. Planck GV II, 130 ff. 3.220. Vgl.C 7.53.4, 8.16.5, 8.16.8 mit Auth. agricult. circa rem; Nürnberg 1479 11.3. 3.221. Anders Zwickau 4.17.4.6.8. Die Frist zwischen Verkauf und Versteigerung betrug nach den Italienern 4 Monate. Azo zu C 7.53. 3.219. Mayer S. 111; Waldmann S. 72 ff. 3.223. Hostiensis in rubr. Spec. II de contum. 3.224. Gobler, Statutenbuch, Ungehorsams vielerlei Gestalt. 3.225. Briegleb S. 252; Quellenstelle der Trierer und Jülicher Vorschriften ist nicht Mainz, sondern Worms, III 1.33. 3.226. Das römische Recht kennt die missio in bona. Vgl. Steinwenter S. 35ff., 154ff. Diese ist grundsätzlich eine Maßregel des Vollstreckungs- und nicht des Versäumnisverfahrens. 3.227. Bart. zu D 39.2.15.16. 3.228. Vgl. Steinwenter S. 92f., 144, 192 und RKGO 1555 III. 43.4. 3.229. Zwickau 4.3.5; König 37 V. 3.230. Vgl. hierzu und zum folgenden: Merkel, Nürnberg S. 113ff. Das Eichstätter Gesetz ist hauptsächlich deutsch-, nur besonders das Versäumnisverfahren römisch-rechtlich. 3.232. Vgl. Bart. zu D 4.1.9; RKGO 1555 III. 10; Schmidt, Echte Not; Planck GV II, 326ff. 3.233. Briegleb S. 34ff.; Marianus Socinus a.a.O. zählt 88 Fälle auf, in denen eine Litiskontestation nicht erforderlich sei. 3.234. RKGO 1555 III 3 (Causae extraordinariae). 3.235. Vgl. z.B. die Versuche der RKGO 1507 N.S.Reichsabschiede II S. 123ff. 3.236. Die Extravagante ist in die Glosse übergegangen. Bart. behandelt schleuniges und summarisches Verfahren (a.A. Briegleb S. 32f.). 4.01. Vgl. Sohm S. 11ff.; für die ähnliche Entwicklung des Calumnieneides: Bethmann-Hollweg V, 408. 4.02. Schmidt, Lehrbuch S. 35ff.; Wach S. 79, 180ff. 4.03. In dem Decretum Gratians sind die Begründungen aus dem corpus juris civilis in den Text der Vorschrift übergegangen. 4.04. Wach S. 180ff. 4.05. Vgl. für die kirchlichen Gerichte: Muther 3ff., 54ff.; für Böhmen: Ott S. 304ff. (97.100): das Speculum war Grundlage der Kodifikation von 1579. 4.06. Vgl. oben S. 19, 30, 36, 53, 55, 66. 4.07. Vgl. oben S. 55, 59, 66. 4.08. Horn veröffentlicht a.a.O. allein zwei Übersetzungen ("Senckenbergs Gerichtsbüchlein" und "Ordnung zum Rechten"). 4.09. Savigny, Geschichte VI. 486; vgl. oben S. 36. 4.10. Coing S. 105. 4.11. Frankfurt/Main 1509 fol. 5a. 4.12. Vgl. einerseits Kleinfeller, Tatsacheneid, andererseits Waldmann über Nürnberg. |